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Herausforderung Transition

Wenn Kinder mit Diabetes erwachsen werden

<p class="article-intro">Rund 3500 Kinder und Jugendliche in Österreich sind an Typ-1-Diabetes erkrankt. Nicht immer gelingt bei ihnen der reibungslose Übergang – genannt Transition – zur Erwachsenenmedizin. Manche Jugendliche fallen sogar für einige Jahre völlig aus der Versorgung heraus bzw. nehmen erst dann wieder ärztliche Hilfe in Anspruch, wenn bereits gesundheitliche Probleme auftreten. Jugendliche mit Diabetes verlieren heutzutage oft ihre medizinischen Bezugspersonen durch die strenge Trennung zwischen Pädiatrie und innerer Medizin.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die &Ouml;sterreichische Diabetes Gesellschaft (&Ouml;DG) will das &auml;ndern und fordert eine fr&uuml;hzeitige und bessere Planung, um gef&auml;hrliche Betreuungsl&uuml;cken zu vermeiden. Eine reibungslose Transition erfordert eine l&auml;ngerfristige enge Kooperation von p&auml;diatrischen und internistischen Zentren und ebenso eine individuelle Vorgehensweise mit direkter Einbeziehung der jungen Betroffenen und dem Eingehen auf deren aktuelle Lebensbed&uuml;rfnisse.</p> <h2>Erwachsen werden mit Diabetes &ndash; Transition in &Ouml;sterreich mangelhaft</h2> <p>Wenn ein Kind mit Typ-1-Diabetes zum jungen Erwachsenen wird, hat das neben den ohnehin schon gro&szlig;en Herausforderungen im Leben jedes jungen Menschen &ndash; Ausbildung, Sexualit&auml;t, Arbeit etc. &ndash; auch eine Umstellung bei der laufenden medizinischen Betreuung zur Folge: Der Jugendliche wird von einem p&auml;diatrischen Zentrum einer Diabetesambulanz &uuml;bergeben. Dieser &Uuml;bergang wird als Transition bezeichnet. Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer, Univ.-Klinik f&uuml;r Innere Medizin III, Abteilung f&uuml;r Endokrinologie und Stoffwechsel, MedUni Wien, und Pr&auml;sidentin der &Ouml;sterreichischen Diabetes Gesellschaft, dazu: &bdquo;Wenn die &Uuml;bergabe strukturiert abl&auml;uft und geplant &uuml;ber einen l&auml;ngeren Zeitraum stattfindet, kann die Kontinuit&auml;t in der Betreuung durch Diabetologen sichergestellt werden. Leider findet derzeit oftmals keine solche Transition statt.&ldquo;<br /> &bdquo;In &Ouml;sterreich werden &uuml;ber 80 Prozent aller Kinder mit Typ-1-Diabetes in spezialisierten p&auml;diatrischen Zentren von einem Fachteam betreut. Nach der &Uuml;bergabe sind es nur noch 40 Prozent, die in einem entsprechenden Zentrum f&uuml;r erwachsene Diabetiker betreut werden&ldquo;, erl&auml;utert Assoz. Prof. PD O&Auml; Dr. Sabine Hofer, Kinder&auml;rztin an der Medizinischen Universit&auml;t Innsbruck und Vorstandsmitglied der &Ouml;DG. &bdquo;Ein hoher Prozentsatz der Patienten wird nicht weiterf&uuml;hrend durch Diabetesexperten betreut und von bis zu 10 Prozent wei&szlig; man gar nicht, ob und wo sie weiterbetreut werden. Unser Ziel ist es, durch Verbesserung der Transition sicherzustellen, dass Menschen mit Diabetes auch nach der Kindheit und Adoleszenz kontinuierlich von Diabetesexperten betreut und behandelt werden.&ldquo;<br /> Gelingt die Transition nicht, entsteht &ndash; so zeigen Studien &ndash; eine Betreuungsl&uuml;cke von durchschnittlich 2 bis 5 Jahren ohne kontinuierliche Betreuung durch Diabetologen. Diese Patientinnen und Patienten kommen dann oft erst wieder zum Arzt oder zur &Auml;rztin, wenn massive Probleme auftreten, wie Blutzuckerentgleisungen oder erste chronische Diabeteskomplikationen.</p> <h2>Warum ist der &Uuml;bergang f&uuml;r Jugendliche so schwer?</h2> <p>P&auml;diater sind auf die Wachstums- und Entwicklungsphase fokussiert und kennen die Bed&uuml;rfnisse junger Menschen genau. Jugendliche sind in der Regel erlebnisorientiert, das bedeutet, dass sie von den Fachleuten, die sie betreuen, auch Verst&auml;ndnis f&uuml;r ihre jugendliche Lebensrealit&auml;t erwarten. Diese Lebensrealit&auml;t beinhaltet das Grundbed&uuml;rfnis nach neuen Erfahrungen und dem Austesten von Grenzen inklusive Lernen aus Fehlern. Die Betreuung erwachsener Diabetespatienten ist im Unterschied dazu aber ergebnisorientiert strukturiert: Habe ich meine Zielwerte erreicht? Wie ist mein Gef&auml;&szlig;zustand? Diese Ergebnisorientierung zielt darauf ab, den Gesundheitszustand im Auge zu behalten, um Folgeerkrankungen zu vermeiden, wird aber gerade von jungen Menschen viel zu oft als Pr&uuml;fungssituation mit &Uuml;berwachungscharakter erlebt. Viele dieser jungen Menschen f&uuml;hlen sich nicht verstanden. Sie beklagen, dass ihre Bed&uuml;rfnisse nicht geh&ouml;rt werden, und fallen aus einer kontinuierlichen Betreuung heraus.</p> <h2>Erfolgreiche Transition bedeutet, individuell auf die Bed&uuml;rfnisse Jugendlicher einzugehen!</h2> <p>Den &Uuml;bergang von der Erlebnisorientierung zur Ergebnisorientierung bei Jugendlichen strukturiert zu begleiten ist von zentraler Bedeutung, um Betreuungsl&uuml;cken zu vermeiden. Daf&uuml;r ist zun&auml;chst eine l&auml;ngere Vorbereitung der jungen Betroffenen auf p&auml;diatrischer Seite notwendig. In dieser Phase wird konkret angesprochen, in welcher Einrichtung die weitere Betreuung stattfinden wird und was die jungen Patienten dort erwartet, und sie werden darauf vorbereitet, Eigenverantwortung zu &uuml;bernehmen. Danach bringen sogenannte Transitionssprechstunden Mediziner aus dem Zentrum f&uuml;r Kinder und dem f&uuml;r Erwachsene sowie die jungen Betroffenen selbst zusammen, um gemeinsam die weitere Betreuung zu besprechen.<br /> Um eine Transition zu strukturieren, k&ouml;nnen auch &uuml;berlappende Termine angeboten werden, bei denen die Patienten zur Erwachseneneinrichtung gehen und danach Feedback an ihr p&auml;diatrisches Zentrum geben. Diese Doppelbetreuung sollte f&uuml;r einen gewissen Zeitraum aufrechterhalten werden. &bdquo;Wir wissen, dass bei einer unstrukturierten Transition maximal 50 bis 55 Prozent der Patientinnen und Patienten weiter in einem spezialisierten Zentrum in Behandlung bleiben. Wird die Transition strukturiert durchgef&uuml;hrt, sind es bis zu 80 Prozent&ldquo;, erl&auml;utert Hofer. Ein weiteres Tool w&auml;ren die Entwicklung und das Angebot spezieller Transitions- Camps f&uuml;r junge Betroffene, also einer speziellen Stoffwechselrehabilitation f&uuml;r Jugendliche, die sie in ihrer Lebenswelt abholt und bei der Spezialisten und die Betroffenen gemeinsam individuelle alltagstaugliche L&ouml;sungen erarbeiten. Im Berliner Transitionsmodell werden sogenannte Case Manager, Pflegepersonen, die die betroffenen Jugendlichen beim &Uuml;bergang von der kinderfach&auml;rztlichen Betreuung in die Erwachsenenmedizin begleiten, eingesetzt. Auch das w&auml;re eine M&ouml;glichkeit, die Betreuungsl&uuml;cken gar nicht erst entstehen zu lassen.</p> <h2>&Ouml;DG-Forderung: Zeit und Vernetzung als Schl&uuml;ssel zur erfolgreichen Transition</h2> <p>Kautzky-Willer bekr&auml;ftigt: &bdquo;Unser Ziel ist, eine strukturierte Transition f&uuml;r alle Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes gew&auml;hrleisten zu k&ouml;nnen. Die &Ouml;DG evaluiert, welche konkreten Ma&szlig;nahmen f&uuml;r die Patienten in &Ouml;sterreich am besten geeignet sind. Eine breite Umsetzung scheitert derzeit noch an der mangelnden Zeit und der mangelnden Vernetzung von p&auml;diatrischen Zentren und deren &Auml;quivalenten in der Erwachsenenmedizin. Die Vernetzung wurde bereits in den letzten Jahren von der &Ouml;DG stark vorangetrieben. Die Gesundheitspolitik ist aufgerufen, die zeitlichen Ressourcen zur Verf&uuml;gung zu stellen, um geeignete Transitionsma&szlig;nahmen anbieten zu k&ouml;nnen.&ldquo; (red)</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, 1. März 2018 </p>
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