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5. Post-SABCS: Diskussion

Welchen Stellenwert haben die präsentierten Studien für die klinische Praxis?

<p class="article-intro">Das von Universimed und der ABCSG gemeinsam regelmäßig zu Jahresbeginn veranstaltete Post-SABCS-Meeting feierte heuer seinen fünften Geburtstag. Auch in diesem Jahr war die Podiumsdiskussion zu wichtigen Fragestellungen aus den präsentierten Inhalten ein fixer Programmpunkt. Das Publikum folgte der Anregung des Moderators und Vorsitzenden, Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie, MedUni Wien, und mischte die Diskussion mit teils spannenden Wortmeldungen auf.</p> <hr /> <p class="article-content"><strong>EndoPredict &ndash; Benefit einer neoadjuvanten Therapie</strong> <p>In der Studie ABCSG-34 wurde im Kollektiv der Hormonrezeptor-positiven (HR+)/HER2-negativen Mammakarzinompatientinnen (BC-Patientinnen) anhand des EndoPredict(EP)-Scores die Voraussagekraft f&uuml;r die Resttumorlast (RCB) nach neoadjuvanter Therapie untersucht. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass Patientinnen mit einem hohen EP-Score tendenziell besser auf eine neoadjuvante Chemotherapie (CTx), jene mit einem niedrigen EP-Score besser auf eine neoadjuvante endokrine Therapie, gemessen an der RCB, ansprechen.<br /> <br /><strong>C. Singer:</strong> F&uuml;r das Verst&auml;ndnis der Wirksamkeit der Therapien passt das sehr gut in unser Konzept. Es handelt sich dabei um eine spannende Studie, die zeigt, was im EP steckt, aber es ist noch zu fr&uuml;h, um aus den Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen. Ich schaue mir die Ki67-Werte zu Baseline immer an und bin immer wieder erstaunt, wie diese mit der pCR (pathologisch komplette Remission) korrelieren, wenngleich der EP nicht f&uuml;r die Vorhersage einer pCR konzipiert worden ist.<br /> <strong>G. Steger:</strong> Ki67 ist ein relativ einfacher und durchaus immer mehr in den Vordergrund r&uuml;ckender Pr&auml;diktor f&uuml;r eine Response. Wenn nachweisbar ist, dass Ki67 nach zwei Wochen unter der gew&auml;hlten ET nicht abf&auml;llt, k&ouml;nnte es so sein, dass basierend darauf bald die Entscheidung getroffen werden wird, die Therapie nicht mehr fortzusetzen. Die Datenlage ist gegenw&auml;rtig jedoch noch zu unreif, um in die klinische Routine Eingang zu finden. Das sind hypothesengenerierende Zusatzinformationen, die uns helfen, die Pr&auml;diktion zu verbessern.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Man muss jedoch zwei Wochen nach Therapiestart eine Rebiopsie durchf&uuml;hren.<br /> <strong>G. Steger:</strong> Ja, nur wenn das nachweislich einen Benefit bringt, ist diese Intervention von Wert!<br /> <strong>C. Singer:</strong> &hellip; und man kann der Patientin m&ouml;glicherweise vier Therapiezyklen ersparen.<br /> <strong>G. Steger:</strong> &hellip; oder die Therapie optimieren und somit die Chancen erh&ouml;hen, dass die Patientin eine pCR erreicht.</p> <strong>Verzicht auf Axilladissektion bei Mikrometastasen?</strong> <p>Die 10-Jahres-Daten der prospektiven randomisierten Studie IBCSG-2301 best&auml;tigen, dass bei Nachweis von Mikrometastasen im Sentinellymphknoten auf eine axill&auml;re Lymphknotendissektion (ALND) verzichtet werden kann: Die Rezidivraten und das Risiko f&uuml;r das Auftreten von Fernmetastasen waren zwischen den Gruppen vergleichbar niedrig. Diese Ergebnisse treffen auch auf Mastektomiepatientinnen (n=86) zu.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Ist die Zahl von 86 Patientinnen ausreichend, um den Verzicht auf eine ALND bei Mastektomie zu rechtfertigen?<br /> <strong>C. Singer:</strong> Die Daten w&uuml;rden darauf hinweisen, dass bei ihnen keine ALND vorgenommen werden muss, aber es sind eben nur wenige dieser Patientinnen in der Studie.<br /> <strong>P. Sevelda (Publikum):</strong> Wir wissen, dass Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen keinen bzw. nur einen minimalen Einfluss auf die Prognose haben. Daher f&uuml;hre ich keine Reoperation im Sinne einer regul&auml;ren Lymphadenektomie durch. Ich habe kein Argument, dass dies Sinn machen w&uuml;rde, insbesondere als es meines Wissens bis dato noch keine einzige Studie gibt, wonach die ALND Einfluss auf &Uuml;berleben gehabt h&auml;tte. Zudem stellt die ALND f&uuml;r die Patientin eine sehr belastende Ma&szlig;nahme dar.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen belassen wir, darin sind wir uns einig. Die Frage ist nur, wie gehen wir bei Makrometastasen vor? Wenn wir zwei oder drei befallene Lymphknoten nachweisen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch weitere befallene Lymphknoten vorliegen, hoch. Ich sehe bei vielen Kollegen und bei mir den Reflex, dass man nachgibt. Die Frage ist nur, ob wir der Patientin damit etwas Gutes tun. Eine Radiatio f&uuml;hren wir in diesen F&auml;llen schon durch.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Wie kommen wir aus der Situation heraus, dass die Chirurgie immer mehr deeskaliert und wir dann aus einem Sicherheitsbed&uuml;rfnis oder einem nicht so stark ausgepr&auml;gten Deeskalationsbed&uuml;rfnis seitens der Radioonkologie heraus erst recht bestrahlen?<br /> <strong>J. Widder:</strong> Ich bin ein gro&szlig;er Fan des Deeskalierens, wenn es nur irgendwie m&ouml;glich ist. Ein wichtiger Schritt bez&uuml;glich des Deeskalierens beim BC ist die hypofraktionierte Bestrahlung. Aus vielen L&auml;ndern liegt mit Langzeitdaten belegte Evidenz vor, wonach die M&ouml;glichkeit der Hypofraktionierung bei BC in fast jeder Situation besteht. Ich war zw&ouml;lf Jahre in Holland: Dort wurde drei Tage nach der Publikation von Langzeitergebnissen die Hypofraktionierung national beschlossen.</p> <strong>DCIS: Operation &ndash; ja oder nein?</strong> <p>Prof. Fitzal hat in seinem Vortrag eine retrospektive Studie &uuml;ber 89 Patientinnen mit DCIS (duktales Carcinoma in situ) pr&auml;sentiert, die nur beobachtet worden sind. Er argumentierte, dass auf eine Operation (OP) verzichtet werden k&ouml;nnte, da nach 45 Monaten nur 32 % ein invasives Karzinom entwickelt haben.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Man k&ouml;nnte genauso gut sagen, &bdquo;ein Drittel entwickelt Krebs und genau deswegen sollte man operieren&ldquo;. Zudem wurde gezeigt, dass High-Risk- DCIS von einer Radiotherapie profitieren, Low-Risk-DCIS hingegen nicht. Auch in diesem Bereich werden Deeskalationsversuche unternommen, nicht zuletzt durch &ouml;sterreichische Studien wie die ABCSG-8. Aber so richtig haben wir das Kollektiv, das nach brusterhaltender OP nicht bestrahlt werden muss, noch nicht gefunden, zumindest eine hypofraktionierte Radiato wird durchgef&uuml;hrt.<br /> <strong>J. Widder:</strong> Und man sollte nicht vergessen, dass auch eine Teilbrustbestrahlung m&ouml;glich ist, die auch eine Deeskalationsstrategie sowohl hinsichtlich Zeit als auch Volumen darstellt.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Es gibt eine Studie, die im &bdquo;Lancet Oncology&ldquo; publiziert worden ist: Daraus geht hervor, dass mit Einf&uuml;hrung der Screeningmammografie in den USA die Anzahl der DCIS um das 3- bis 4-Fache zugenommen hat. Diese Patientinnen sind operiert und behandelt worden, aber die Mortalit&auml;t hat nicht abgenommen. Nat&uuml;rlich gibt es jene DCIS, die sich zu einem invasiven Karzinom entwickeln &ndash; die Herausforderung besteht darin, diese zu identifizieren. Ich glaube aber, dass wir ein Overtreatment praktizieren, wenn wir alle Low-Risk-DCIS behandeln.<br /> <strong>M. Fridrik:</strong> Sind denn die Lokalrezidive wirklich das Problem? Letztendlich geht es darum, ob man der Patientin langfristig schadet, wenn wir das DCIS nicht operieren. Die 20 % an Lokalrezidiven k&ouml;nnen ja dann operiert werden.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Auch diese Diskussion f&uuml;hren wir seit Jahrzehnten. Die Studienergebnisse zeigen schon, dass die H&auml;lfte der Patientinnen mit Lokalrezidiven im weiteren Verlauf Fernmetastasen entwickelt.<br /> <strong>M. Balic:</strong> Aber nicht die Low-Risk- Patientinnen. Es gibt zwei Ans&auml;tze: entweder die Low-Risk-Patientinnen zu operieren und danach zu bestrahlen oder gar nichts zu tun. Wir m&uuml;ssen die Ergebnisse der Studien abwarten, die demn&auml;chst dazu gestartet werden.<br /> <strong>F. Fitzal:</strong> Ich glaube, wir haben gen&uuml;gend Daten, um Patientinnen mit DCIS G1 &lt;3mm nicht zu bestrahlen, das 10-Jahres- Rezidivrisiko liegt bei diesen Patientinnen bei 5 % . Davon sind die H&auml;lfte invasive Rezidive, die &uuml;brigen DCIS-Rezidive. Die Strahlentherapie kann das Rezidivrisiko um 50 % reduzieren, also von 2,5 auf 1,25 % . D.h., man m&uuml;sste 100 Patientinnen behandeln, damit die 1,25 % kein Rezidiv entwickeln.</p> <strong>Ovarprotektion bei pr&auml;menopausalen BC-Patientinnen</strong> <p>In einer Metaanalyse von f&uuml;nf Studien wurden die Effektivit&auml;t einer Ovarprotektion mittels GnRH-Analoga bei pr&auml;menopausalen BC-Patientinnen mit bestehendem Kinderwunsch und die Zahl der Schwangerschaften nach absolvierter Therapie untersucht. Gegen&uuml;ber der Kontrollgruppe ohne GnRH-Analoga war die Zahl der verzeichneten Schwangerschaften h&ouml;her (37 vs. 20).</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Sollen alle pr&auml;menopausalen BC-Patientinnen eine Ovarprotektion erhalten?<br /> <strong>C. Singer:</strong> Nein, denn die Verabreichung geht nat&uuml;rlich mit Nebenwirkungen einher! Aber f&uuml;r junge Frauen, die nicht bereit sind, ein &bdquo;ovarian tissue banking&ldquo; durchf&uuml;hren zu lassen, ist die Verabreichung von GnRH-Analoga eine einfache und relativ gefahrlose Methode. Dar&uuml;ber hinaus ist anzumerken, dass die &bdquo;Baby take home&ldquo;-Rate nicht gezeigt worden ist. Das w&auml;re aber wichtig, denn es geht ja um eine erfolgreiche Schwangerschaft!<br /> <strong>D. Egle (Publikum):</strong> Diese Option soll allen Patientinnen mit Kinderwunsch angeboten werden.<br /> <strong>K. Strasser-Weippl (Publikum):</strong> Warum muss eine Patientin einen Kinderwunsch haben, um eine ovarielle Protektion zu erhalten? Reicht es nicht aus, dass eine Ovarprotektion mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit einhergeht, behandlungsbedingt fr&uuml;hzeitig postmenopausal zu werden? Um nicht vorzeitig in den Wechsel zu kommen, das w&auml;re f&uuml;r mich auch ein Argument f&uuml;r die Ovarprotektion.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Das ist ein wichtiger Punkt, der in die &Uuml;berlegung einflie&szlig;en sollte, denn es gibt die ein oder andere Frau, die wieder die Periode bekommen m&ouml;chte.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Auch ohne bestehenden/ erkl&auml;rten Kinderwunsch hat eine pr&auml;menopausale BC-Patientin das Recht auf eine Ovarprotektion.</p> <strong>MONALEESA-7: CDK4/6-Inhibition im pr&auml;menopausalen Setting</strong> <p>MONALEESA-7 ist die erste Studie, in der die CDK4/6-Inhibition bei pr&auml;menopausalen HR-positiven BC-Patientinnen im metastasierten Setting untersucht wurde. Die Patientinnen erhielten Ribociclib + eine endokrine Therapie (ET) vs. Placebo + eine ET. In beiden Armen wurde die Konversion in den Postmenopausenstatus mittels Goserelin durchgef&uuml;hrt.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Wie sinnvoll sind getrennte Studien f&uuml;r pr&auml;- und postmenopausale Frauen?<br /> <strong>G. Steger:</strong> Nicht sinnvoll, man sollte nicht nach Menopausenstatus stratifizieren. MONALEESA-7 ist eine gro&szlig;e, seri&ouml;se Studie im pr&auml;menopausalen Setting. Ich glaube, der gr&ouml;&szlig;te Benefit, der aus den Ergebnissen hervorgeht, ist, dass die Kombination einer ET mit einem CDK4/6- Inhibitor vergleichbar effektiv ist wie ET und tempor&auml;re Ovarialsuppression im Kollektiv jener Patientinnen, die auf nat&uuml;rlichem Weg postmenopausal geworden sind. In einer gepoolten Analyse der FDA (Food and Drug Administration) wurden die Outcomes von Patientinnen &gt;70 Jahre, die einen CDK4/6-Inhibitor in der Erstlinie erhielten, untersucht.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Welche &auml;ltere Patientin eignet sich f&uuml;r eine CDK4/6-Inhibition?<br /> <strong>M. Balic:</strong> Die Ergebnisse zeigen, dass &auml;ltere Patientinnen im gleichen Ausma&szlig; von der CDK4/6-Inhibition profitieren wie j&uuml;ngere, dass wir aber im Kollektiv der &uuml;ber 70-J&auml;hrigen mit mehr Nebenwirkungen rechnen m&uuml;ssen. Daher gilt es, im individuellen Fall genau zu &uuml;berlegen, um welchen Preis und mit welchem Ziel die Therapie initiiert werden soll.<br /> <strong>G. Rinnerthaler (Publikum):</strong> F&uuml;r mich ergibt sich daraus schon die Konsequenz, dass &auml;ltere Patientinnen besser monitiert werden sollten. Ich nehme an, dass jeder von uns die Erfahrung gemacht hat, dass man diese Patientinnen insgesamt sehr gut managen kann.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Was auch bedacht werden muss: Diejenigen Patientinnen, die das niedrigste Risiko aufweisen, erzielen den h&ouml;chsten Benefit. Klassischerweise sind das jene &ndash; wie in den PALOMA-Studien gezeigt wurde &ndash;, die nur asymptomatische Knochenmetastasen und keine Einschr&auml;nkung in ihrer Lebensqualit&auml;t (Qol) haben. Wenn wir die Therapie aufsparen, gehen wir von dem Prinzip &bdquo;the best first&ldquo; ab. Ich finde, man muss differenzieren: Macht man eine Therapie f&uuml;r alle, oder sagt man, weil es sp&auml;ter auch noch gut wirkt, startet man nicht mit der wirksamsten Therapie.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Ich w&uuml;rde auch nicht von dem Prinzip &bdquo;the best first&ldquo; abweichen, ich finde nur, man sollte das Thema mit der Patientin diskutieren, ihr erkl&auml;ren, dass der Benefit um den Preis von mehr Nebenwirkungen erkauft wird.<br /> <strong>G. Rinnerthaler (Publikum):</strong> Wir haben zu all diesen Studien QoL-Daten, aus denen hervorgeht, dass die Zeitspanne bis zur Verschlechterung der QoL unter der Kombination l&auml;nger ist. Auch aus diesem Grund ist es schwierig, den Patientinnen die Substanz vorzuenthalten, auch wenn sie aktuell keine Beschwerden haben.</p> <strong>PARP-Inhibition: wann bei BRCA-mutierten BC?</strong> <p><strong>C. Singer:</strong> Es liegen die Ergebnisse von zwei gut konzipierten Studien vor, in denen nachgewiesen wurde, dass die PARP-Inhibition in Form von Tabletten der CTx &uuml;berlegen ist. Bei HR-positiven Patientinnen wird sich die Frage stellen, ob man zuerst die endokrine Schiene ausnutzt oder den PARP-Inhibitor vorzieht, da Letzterer eine sehr nebenwirkungsarme Option darstellt.<br /> <strong>R. Bartsch (Publikum):</strong> Es handelt sich um eine spezielle Situation, weil mittels PARP-Inhibition auch sehr hohe Ansprechraten erzielt werden, d.h., diese Therapie stellt auch einen Ersatz f&uuml;r CTx bei symptomatischen Patienten dar! Bei HR-positiven Patientinnen w&uuml;rde ich auch zuerst die ET-Sequenzen ausmerzen.</p> <p><br />Teilnehmer der Panel-Diskussion:<br /> Univ.-Prof. Dr. Marija Balic, MedUni Graz<br /> Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MedUni Wien<br /> Univ.-Prof. Dr. G&uuml;nther Steger, MedUni Wien<br /> Univ.-Prof. Dr. Michael Fridrik, Kepler Universit&auml;tsklinikum Linz<br /> Univ.-Prof. Dr. Joachim Widder, MedUni Wien</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 5. Post-SABCS, 12. Jänner 2018, Wien </p>
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