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Welchen Stellenwert haben die präsentierten Studien für die klinische Praxis?
Jatros
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12.04.2018
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<p class="article-intro">Das von Universimed und der ABCSG gemeinsam regelmäßig zu Jahresbeginn veranstaltete Post-SABCS-Meeting feierte heuer seinen fünften Geburtstag. Auch in diesem Jahr war die Podiumsdiskussion zu wichtigen Fragestellungen aus den präsentierten Inhalten ein fixer Programmpunkt. Das Publikum folgte der Anregung des Moderators und Vorsitzenden, Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant, Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie, MedUni Wien, und mischte die Diskussion mit teils spannenden Wortmeldungen auf.</p>
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<p class="article-content"><strong>EndoPredict – Benefit einer neoadjuvanten Therapie</strong> <p>In der Studie ABCSG-34 wurde im Kollektiv der Hormonrezeptor-positiven (HR+)/HER2-negativen Mammakarzinompatientinnen (BC-Patientinnen) anhand des EndoPredict(EP)-Scores die Voraussagekraft für die Resttumorlast (RCB) nach neoadjuvanter Therapie untersucht. Aus den Ergebnissen geht hervor, dass Patientinnen mit einem hohen EP-Score tendenziell besser auf eine neoadjuvante Chemotherapie (CTx), jene mit einem niedrigen EP-Score besser auf eine neoadjuvante endokrine Therapie, gemessen an der RCB, ansprechen.<br /> <br /><strong>C. Singer:</strong> Für das Verständnis der Wirksamkeit der Therapien passt das sehr gut in unser Konzept. Es handelt sich dabei um eine spannende Studie, die zeigt, was im EP steckt, aber es ist noch zu früh, um aus den Ergebnissen Konsequenzen zu ziehen. Ich schaue mir die Ki67-Werte zu Baseline immer an und bin immer wieder erstaunt, wie diese mit der pCR (pathologisch komplette Remission) korrelieren, wenngleich der EP nicht für die Vorhersage einer pCR konzipiert worden ist.<br /> <strong>G. Steger:</strong> Ki67 ist ein relativ einfacher und durchaus immer mehr in den Vordergrund rückender Prädiktor für eine Response. Wenn nachweisbar ist, dass Ki67 nach zwei Wochen unter der gewählten ET nicht abfällt, könnte es so sein, dass basierend darauf bald die Entscheidung getroffen werden wird, die Therapie nicht mehr fortzusetzen. Die Datenlage ist gegenwärtig jedoch noch zu unreif, um in die klinische Routine Eingang zu finden. Das sind hypothesengenerierende Zusatzinformationen, die uns helfen, die Prädiktion zu verbessern.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Man muss jedoch zwei Wochen nach Therapiestart eine Rebiopsie durchführen.<br /> <strong>G. Steger:</strong> Ja, nur wenn das nachweislich einen Benefit bringt, ist diese Intervention von Wert!<br /> <strong>C. Singer:</strong> … und man kann der Patientin möglicherweise vier Therapiezyklen ersparen.<br /> <strong>G. Steger:</strong> … oder die Therapie optimieren und somit die Chancen erhöhen, dass die Patientin eine pCR erreicht.</p> <strong>Verzicht auf Axilladissektion bei Mikrometastasen?</strong> <p>Die 10-Jahres-Daten der prospektiven randomisierten Studie IBCSG-2301 bestätigen, dass bei Nachweis von Mikrometastasen im Sentinellymphknoten auf eine axilläre Lymphknotendissektion (ALND) verzichtet werden kann: Die Rezidivraten und das Risiko für das Auftreten von Fernmetastasen waren zwischen den Gruppen vergleichbar niedrig. Diese Ergebnisse treffen auch auf Mastektomiepatientinnen (n=86) zu.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Ist die Zahl von 86 Patientinnen ausreichend, um den Verzicht auf eine ALND bei Mastektomie zu rechtfertigen?<br /> <strong>C. Singer:</strong> Die Daten würden darauf hinweisen, dass bei ihnen keine ALND vorgenommen werden muss, aber es sind eben nur wenige dieser Patientinnen in der Studie.<br /> <strong>P. Sevelda (Publikum):</strong> Wir wissen, dass Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen keinen bzw. nur einen minimalen Einfluss auf die Prognose haben. Daher führe ich keine Reoperation im Sinne einer regulären Lymphadenektomie durch. Ich habe kein Argument, dass dies Sinn machen würde, insbesondere als es meines Wissens bis dato noch keine einzige Studie gibt, wonach die ALND Einfluss auf Überleben gehabt hätte. Zudem stellt die ALND für die Patientin eine sehr belastende Maßnahme dar.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Mikrometastasen und isolierte Tumorzellen belassen wir, darin sind wir uns einig. Die Frage ist nur, wie gehen wir bei Makrometastasen vor? Wenn wir zwei oder drei befallene Lymphknoten nachweisen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass noch weitere befallene Lymphknoten vorliegen, hoch. Ich sehe bei vielen Kollegen und bei mir den Reflex, dass man nachgibt. Die Frage ist nur, ob wir der Patientin damit etwas Gutes tun. Eine Radiatio führen wir in diesen Fällen schon durch.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Wie kommen wir aus der Situation heraus, dass die Chirurgie immer mehr deeskaliert und wir dann aus einem Sicherheitsbedürfnis oder einem nicht so stark ausgeprägten Deeskalationsbedürfnis seitens der Radioonkologie heraus erst recht bestrahlen?<br /> <strong>J. Widder:</strong> Ich bin ein großer Fan des Deeskalierens, wenn es nur irgendwie möglich ist. Ein wichtiger Schritt bezüglich des Deeskalierens beim BC ist die hypofraktionierte Bestrahlung. Aus vielen Ländern liegt mit Langzeitdaten belegte Evidenz vor, wonach die Möglichkeit der Hypofraktionierung bei BC in fast jeder Situation besteht. Ich war zwölf Jahre in Holland: Dort wurde drei Tage nach der Publikation von Langzeitergebnissen die Hypofraktionierung national beschlossen.</p> <strong>DCIS: Operation – ja oder nein?</strong> <p>Prof. Fitzal hat in seinem Vortrag eine retrospektive Studie über 89 Patientinnen mit DCIS (duktales Carcinoma in situ) präsentiert, die nur beobachtet worden sind. Er argumentierte, dass auf eine Operation (OP) verzichtet werden könnte, da nach 45 Monaten nur 32 % ein invasives Karzinom entwickelt haben.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Man könnte genauso gut sagen, „ein Drittel entwickelt Krebs und genau deswegen sollte man operieren“. Zudem wurde gezeigt, dass High-Risk- DCIS von einer Radiotherapie profitieren, Low-Risk-DCIS hingegen nicht. Auch in diesem Bereich werden Deeskalationsversuche unternommen, nicht zuletzt durch österreichische Studien wie die ABCSG-8. Aber so richtig haben wir das Kollektiv, das nach brusterhaltender OP nicht bestrahlt werden muss, noch nicht gefunden, zumindest eine hypofraktionierte Radiato wird durchgeführt.<br /> <strong>J. Widder:</strong> Und man sollte nicht vergessen, dass auch eine Teilbrustbestrahlung möglich ist, die auch eine Deeskalationsstrategie sowohl hinsichtlich Zeit als auch Volumen darstellt.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Es gibt eine Studie, die im „Lancet Oncology“ publiziert worden ist: Daraus geht hervor, dass mit Einführung der Screeningmammografie in den USA die Anzahl der DCIS um das 3- bis 4-Fache zugenommen hat. Diese Patientinnen sind operiert und behandelt worden, aber die Mortalität hat nicht abgenommen. Natürlich gibt es jene DCIS, die sich zu einem invasiven Karzinom entwickeln – die Herausforderung besteht darin, diese zu identifizieren. Ich glaube aber, dass wir ein Overtreatment praktizieren, wenn wir alle Low-Risk-DCIS behandeln.<br /> <strong>M. Fridrik:</strong> Sind denn die Lokalrezidive wirklich das Problem? Letztendlich geht es darum, ob man der Patientin langfristig schadet, wenn wir das DCIS nicht operieren. Die 20 % an Lokalrezidiven können ja dann operiert werden.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Auch diese Diskussion führen wir seit Jahrzehnten. Die Studienergebnisse zeigen schon, dass die Hälfte der Patientinnen mit Lokalrezidiven im weiteren Verlauf Fernmetastasen entwickelt.<br /> <strong>M. Balic:</strong> Aber nicht die Low-Risk- Patientinnen. Es gibt zwei Ansätze: entweder die Low-Risk-Patientinnen zu operieren und danach zu bestrahlen oder gar nichts zu tun. Wir müssen die Ergebnisse der Studien abwarten, die demnächst dazu gestartet werden.<br /> <strong>F. Fitzal:</strong> Ich glaube, wir haben genügend Daten, um Patientinnen mit DCIS G1 <3mm nicht zu bestrahlen, das 10-Jahres- Rezidivrisiko liegt bei diesen Patientinnen bei 5 % . Davon sind die Hälfte invasive Rezidive, die übrigen DCIS-Rezidive. Die Strahlentherapie kann das Rezidivrisiko um 50 % reduzieren, also von 2,5 auf 1,25 % . D.h., man müsste 100 Patientinnen behandeln, damit die 1,25 % kein Rezidiv entwickeln.</p> <strong>Ovarprotektion bei prämenopausalen BC-Patientinnen</strong> <p>In einer Metaanalyse von fünf Studien wurden die Effektivität einer Ovarprotektion mittels GnRH-Analoga bei prämenopausalen BC-Patientinnen mit bestehendem Kinderwunsch und die Zahl der Schwangerschaften nach absolvierter Therapie untersucht. Gegenüber der Kontrollgruppe ohne GnRH-Analoga war die Zahl der verzeichneten Schwangerschaften höher (37 vs. 20).</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Sollen alle prämenopausalen BC-Patientinnen eine Ovarprotektion erhalten?<br /> <strong>C. Singer:</strong> Nein, denn die Verabreichung geht natürlich mit Nebenwirkungen einher! Aber für junge Frauen, die nicht bereit sind, ein „ovarian tissue banking“ durchführen zu lassen, ist die Verabreichung von GnRH-Analoga eine einfache und relativ gefahrlose Methode. Darüber hinaus ist anzumerken, dass die „Baby take home“-Rate nicht gezeigt worden ist. Das wäre aber wichtig, denn es geht ja um eine erfolgreiche Schwangerschaft!<br /> <strong>D. Egle (Publikum):</strong> Diese Option soll allen Patientinnen mit Kinderwunsch angeboten werden.<br /> <strong>K. Strasser-Weippl (Publikum):</strong> Warum muss eine Patientin einen Kinderwunsch haben, um eine ovarielle Protektion zu erhalten? Reicht es nicht aus, dass eine Ovarprotektion mit einer niedrigeren Wahrscheinlichkeit einhergeht, behandlungsbedingt frühzeitig postmenopausal zu werden? Um nicht vorzeitig in den Wechsel zu kommen, das wäre für mich auch ein Argument für die Ovarprotektion.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Das ist ein wichtiger Punkt, der in die Überlegung einfließen sollte, denn es gibt die ein oder andere Frau, die wieder die Periode bekommen möchte.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Auch ohne bestehenden/ erklärten Kinderwunsch hat eine prämenopausale BC-Patientin das Recht auf eine Ovarprotektion.</p> <strong>MONALEESA-7: CDK4/6-Inhibition im prämenopausalen Setting</strong> <p>MONALEESA-7 ist die erste Studie, in der die CDK4/6-Inhibition bei prämenopausalen HR-positiven BC-Patientinnen im metastasierten Setting untersucht wurde. Die Patientinnen erhielten Ribociclib + eine endokrine Therapie (ET) vs. Placebo + eine ET. In beiden Armen wurde die Konversion in den Postmenopausenstatus mittels Goserelin durchgeführt.</p> <p><strong>M. Gnant:</strong> Wie sinnvoll sind getrennte Studien für prä- und postmenopausale Frauen?<br /> <strong>G. Steger:</strong> Nicht sinnvoll, man sollte nicht nach Menopausenstatus stratifizieren. MONALEESA-7 ist eine große, seriöse Studie im prämenopausalen Setting. Ich glaube, der größte Benefit, der aus den Ergebnissen hervorgeht, ist, dass die Kombination einer ET mit einem CDK4/6- Inhibitor vergleichbar effektiv ist wie ET und temporäre Ovarialsuppression im Kollektiv jener Patientinnen, die auf natürlichem Weg postmenopausal geworden sind. In einer gepoolten Analyse der FDA (Food and Drug Administration) wurden die Outcomes von Patientinnen >70 Jahre, die einen CDK4/6-Inhibitor in der Erstlinie erhielten, untersucht.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Welche ältere Patientin eignet sich für eine CDK4/6-Inhibition?<br /> <strong>M. Balic:</strong> Die Ergebnisse zeigen, dass ältere Patientinnen im gleichen Ausmaß von der CDK4/6-Inhibition profitieren wie jüngere, dass wir aber im Kollektiv der über 70-Jährigen mit mehr Nebenwirkungen rechnen müssen. Daher gilt es, im individuellen Fall genau zu überlegen, um welchen Preis und mit welchem Ziel die Therapie initiiert werden soll.<br /> <strong>G. Rinnerthaler (Publikum):</strong> Für mich ergibt sich daraus schon die Konsequenz, dass ältere Patientinnen besser monitiert werden sollten. Ich nehme an, dass jeder von uns die Erfahrung gemacht hat, dass man diese Patientinnen insgesamt sehr gut managen kann.<br /> <strong>M. Gnant:</strong> Was auch bedacht werden muss: Diejenigen Patientinnen, die das niedrigste Risiko aufweisen, erzielen den höchsten Benefit. Klassischerweise sind das jene – wie in den PALOMA-Studien gezeigt wurde –, die nur asymptomatische Knochenmetastasen und keine Einschränkung in ihrer Lebensqualität (Qol) haben. Wenn wir die Therapie aufsparen, gehen wir von dem Prinzip „the best first“ ab. Ich finde, man muss differenzieren: Macht man eine Therapie für alle, oder sagt man, weil es später auch noch gut wirkt, startet man nicht mit der wirksamsten Therapie.<br /> <strong>C. Singer:</strong> Ich würde auch nicht von dem Prinzip „the best first“ abweichen, ich finde nur, man sollte das Thema mit der Patientin diskutieren, ihr erklären, dass der Benefit um den Preis von mehr Nebenwirkungen erkauft wird.<br /> <strong>G. Rinnerthaler (Publikum):</strong> Wir haben zu all diesen Studien QoL-Daten, aus denen hervorgeht, dass die Zeitspanne bis zur Verschlechterung der QoL unter der Kombination länger ist. Auch aus diesem Grund ist es schwierig, den Patientinnen die Substanz vorzuenthalten, auch wenn sie aktuell keine Beschwerden haben.</p> <strong>PARP-Inhibition: wann bei BRCA-mutierten BC?</strong> <p><strong>C. Singer:</strong> Es liegen die Ergebnisse von zwei gut konzipierten Studien vor, in denen nachgewiesen wurde, dass die PARP-Inhibition in Form von Tabletten der CTx überlegen ist. Bei HR-positiven Patientinnen wird sich die Frage stellen, ob man zuerst die endokrine Schiene ausnutzt oder den PARP-Inhibitor vorzieht, da Letzterer eine sehr nebenwirkungsarme Option darstellt.<br /> <strong>R. Bartsch (Publikum):</strong> Es handelt sich um eine spezielle Situation, weil mittels PARP-Inhibition auch sehr hohe Ansprechraten erzielt werden, d.h., diese Therapie stellt auch einen Ersatz für CTx bei symptomatischen Patienten dar! Bei HR-positiven Patientinnen würde ich auch zuerst die ET-Sequenzen ausmerzen.</p> <p><br />Teilnehmer der Panel-Diskussion:<br /> Univ.-Prof. Dr. Marija Balic, MedUni Graz<br /> Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, MedUni Wien<br /> Univ.-Prof. Dr. Günther Steger, MedUni Wien<br /> Univ.-Prof. Dr. Michael Fridrik, Kepler Universitätsklinikum Linz<br /> Univ.-Prof. Dr. Joachim Widder, MedUni Wien</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 5. Post-SABCS, 12. Jänner 2018, Wien
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