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Workshop „Lunge – Umwelt – Arbeitsmedizin“ 2017

Erkrankungen durch Schimmelpilze – die aktuelle AWMF-Leitlinie

<p class="article-intro">Die Gesellschaft für Hygiene, Umweltmedizin und Präventivmedizin (GHUP) hat mit anderen wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften, deutschen und österreichischen Gesellschaften, Ärzteverbänden und Experten im April 2016 die AWMF-Schimmelpilz-Leitlinie „Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenräumen“ vorgelegt, AWMF-Register-Nr. 161/001, Klassifikation S2k, gültig bis 10. April 2021.1 Damit soll die bestehende Lücke für die medizinische Diagnostik bei Schimmelbelastungen im Innenraum geschlossen werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Bisher existierten nur Leitlinien, die Empfehlungen zur Sanierung von Geb&auml;uden bei Feuchtesch&auml;den/Schimmelbefall zusammenfassten<sup>2&ndash;4</sup>, sowie &Uuml;bersichtsarbeiten zu den auf Schimmelpilze zur&uuml;ckgef&uuml;hrten Krankheitsbildern. Insbesondere zum Vorgehen bei der Versorgung der betroffenen Patienten gab es zuvor keine umfassende Leitlinie.<br />Im vorliegenden Beitrag wird das Wesentliche aus dieser neuen Leitlinie vorgestellt. F&uuml;r n&auml;here Details sowie die prim&auml;ren Literaturzitate wird auf die Vollpublikation der Leitlinie verwiesen.<sup>1</sup></p> <h2>Gesundheitliche Beeintr&auml;chtigungen durch Schimmelpilzbefall</h2> <p>Abgesehen von der allergischen bronchopulmonalen Aspergillose (ABPA) und den durch Schimmelpilze kausal verursachten Mykosen, liegen nur Evidenzen f&uuml;r Assoziationen von Feuchte-/Schimmelsch&auml;den und unterschiedlichen Krankheiten vor, die in Tabelle 1 dargestellt sind.<br />Eine Kausalit&auml;t zwischen einer speziellen Schimmelpilzexposition und konkreten gesundheitlichen Beschwerden/Krankheitsbildern kann im Einzelfall nicht zweifelsfrei abgeleitet werden. Ob eine Gesundheitsgef&auml;hrdung durch Schimmelpilze vorliegt, h&auml;ngt ma&szlig;geblich von der Disposition der exponierten Personen ab.<br />Nach heutigem Kenntnisstand sind Reizungen der Schleimh&auml;ute der Augen und Atemwege sowie allergische Reaktionen bei Schimmelbefall au&szlig;erhalb von Krankenh&auml;usern wahrscheinlich am h&auml;ufigsten.<br />Um eine gesundheitliche Gef&auml;hrdung durch Schimmelpilze beurteilen zu k&ouml;nnen, m&uuml;ssen die Disposition der Betroffenen und das Ausma&szlig; des Schimmelpilzbefalls beurteilt werden. Vom Arzt ist zun&auml;chst zu pr&uuml;fen, ob das Beschwerde-/Krankheitsbild m&ouml;glicherweise durch einen Schimmelbefall im Innenraum bedingt sein kann und ob eine Pr&auml;disposition hinsichtlich m&ouml;glicher gesundheitlicher Schimmelpilzwirkungen vorliegt. Hierzu dienen wie bei jeder medizinischen Diagnostik zun&auml;chst die Anamnese und k&ouml;rperliche Untersuchung. Zudem ist eine sachliche Information &uuml;ber das aktuelle Wissen zu m&ouml;glichen gesundheitlichen Effekten und Risiken sowie zu indizierten Untersuchungsmethoden bei Schimmelpilzexposition in Innenr&auml;umen von zentraler Bedeutung. Hierbei kann die zu beziehende Kurzfassung der AWMF-Leitlinie f&uuml;r von einem Schimmelbefall Betroffene behilflich sein (<a href="http://www.akademie-oegw.de/fileadmin/customers-data/aktuelles/Newsletter_12_2016/2016- 12-15_AWMF-Betroffene_Schimmelpilzbefalle.pdf">www.akademie-oegw.de/fileadmin/customers-data/aktuelles/Newsletter_12_2016/2016-12-15_AWMF-Betroffene_Schimmelpilzbefalle.pdf</a>).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1702_Weblinks_s34_1.jpg" alt="" width="2148" height="1506" /></p> <h2>Infektionen</h2> <p>Bei Infektionen durch Schimmelpilze handelt es sich stets um opportunistische Infektionen. Sie setzen eine verminderte Immunabwehr bei exponierten Patienten voraus, die nach der Kommission f&uuml;r Krankenhaushygiene und Infektionspr&auml;vention beim Robert Koch-Institut (KRINKO) in drei Schweregrade (Risikogruppen) eingeteilt wird (Tab. 2).<sup>5</sup> Dies sind (Aufz&auml;hlung entsprechend dem abnehmenden Risiko) Patienten mit Tumorerkrankung, v.a. mit h&auml;matoonkologischer Grunderkrankung (z.B. Leuk&auml;mie, Lymphom), akuter myeloischer Leuk&auml;mie (AML), akuter lymphatischer Leuk&auml;mie (ALL), allogener Stammzelltransplantation, autologer Stammzelltransplantation, solider Organtransplantation, HIV-Infektion, sonstiger Immunsuppression (z.B. l&auml;nger dauernde hoch dosierte Therapie mit Glukokortikoiden), aplastischer An&auml;mie, zystischer Fibrose u.v.a. Zum Vorgehen bei Schimmelpilzinfektionen sei auf die entsprechende angemeldete AWMF-Leitlinie zu Diagnose und Therapie invasiver Aspergillusinfektionen, AWMF Nr. 082-003 &ndash; Entwicklungsstufe: S2e (<a href="http://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/082-003.html">www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/082-003.html</a>), verwiesen.</p> <h2>Sensibilisierungen und Allergien</h2> <p>Eine Sensibilisierung auf Schimmelpilze kann im Prinzip leitliniengerecht durch Allergietests (Hauttests oder Nachweis von spezifischen IgE-Antik&ouml;rpern) nachgewiesen werden. Nur im Falle eines Verdachts auf ABPA (seltene Erkrankung v.a. bei zystischer Fibrose, Asthma bronchiale) oder einer exogenen allergischen Alveolitis (EAA; seltene Erkrankung, &uuml;berwiegend am Arbeitsplatz) ist zus&auml;tzlich der Nachweis von spezifischen IgG-Antik&ouml;rpern im Serum indiziert. Eine IgE-vermittelte Allergie kann neben der gr&uuml;ndlichen Anamnese leitliniengerecht durch eine konjunktivale, nasale und/oder bronchiale Provokation nachgewiesen werden. Dabei gibt es allerdings ein Problem: F&uuml;r die meisten im Innenraum bei Feuchtesch&auml;den vorkommenden Schimmelpilze sind zur Allergietestung keine kommerziell erh&auml;ltlichen Testextrakte verf&uuml;gbar. Daher kann von einem positiven Testergebnis allein nicht auf m&ouml;gliche gesundheitliche Probleme mit Schimmelpilzbefall im Innenraum geschlossen werden. Auf der anderen Seite schlie&szlig;t ein negatives Ergebnis aber auch m&ouml;gliche gesundheitliche Probleme aufgrund von Schimmelpilzen, die typischerweise bei Feuchtesch&auml;den vorkommen, nicht aus.<br />Spezielle serologische und zellul&auml;re Untersuchungsmethoden und ihre Aussagekraft f&uuml;r Schimmelpilzexpositionen im Innenraum sind in Tabelle 3 zusammengestellt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1702_Weblinks_s34_2.jpg" alt="" width="1419" height="1760" /></p> <h2>Toxische Reaktionen</h2> <p>Eine Bestimmung von Mykotoxinen im Blut oder Urin hat f&uuml;r die medizinische Praxis keine Bedeutung und muss zurzeit auf wissenschaftliche Fragestellungen beschr&auml;nkt bleiben. Beim aktuellen Stand der analytischen M&ouml;glichkeiten lassen sich die Mykotoxine im Innenraum weder sicher bestimmen noch bewerten.<br />Bisher ist ungekl&auml;rt, ob von fl&uuml;chtigen organischen Verbindungen (&bdquo;microbial volatile organic compounds&ldquo;, MVOC), welche von Schimmelpilzen und Bakterien gebildet werden, f&uuml;r die aber auch andere Quellen in Innenr&auml;umen existieren, in den in Innenr&auml;umen vorkommenden Konzentrationen biologische Signalwirkungen ausgehen. Ihre Bestimmung in der Innenraumluft ist f&uuml;r die medizinische Diagnostik nicht sinnvoll.</p> <h2>Geruchsbel&auml;stigungen und Befindlichkeitsst&ouml;rungen</h2> <p>Auch Geruchswirkungen und/oder Befindlichkeitsst&ouml;rungen k&ouml;nnen bei Feuchte-/Schimmelsch&auml;den im Innenraum vorkommen. Hierbei handelt es sich nicht um eine akute Gesundheitsgef&auml;hrdung. Pr&auml;disponierende Faktoren f&uuml;r Geruchswirkungen k&ouml;nnen genetische und hormonelle Einfl&uuml;sse, Pr&auml;gung, Kontext und Adaptationseffekte sein. Pr&auml;disponierende Faktoren f&uuml;r Befindlichkeitsst&ouml;rungen k&ouml;nnen Umweltbesorgnisse, -&auml;ngste, -konditionierungen und -attributionen sowie eine Vielzahl von Erkrankungen sein.</p> <h2>Weiterf&uuml;hrende Diagnostik und Austestung</h2> <p>Eine Bestimmung der Schimmelpilzarten, die bei einem bestimmten Schimmelbefall im Innenraum vorkommen, ist f&uuml;r die medizinische Diagnostik nur in Ausnahmef&auml;llen (z.B. bei Infektionsgef&auml;hrdung) sinnvoll. Eine zusammenfassende aktuelle Darstellung der Untersuchungsmethoden zur Erfassung einer Schimmelpilzexposition bei Schimmelbefall in Innenr&auml;umen und ihrer Aussagem&ouml;glichkeiten findet sich bei Gabrio et al.<sup>6</sup><br />Insbesondere f&uuml;r solche Personen, die ein erh&ouml;htes Erkrankungsrisiko bei Schimmelbefall haben, stellt die durch eine Schimmelpilzmessung bedingte zeitliche Verz&ouml;gerung von Ma&szlig;nahmen ein erh&ouml;htes Risiko dar.</p> <h2>Risikogruppen</h2> <p>Personen, die ein erh&ouml;htes Erkrankungsrisiko bei Schimmelbefall haben und somit besonders zu sch&uuml;tzende Risikogruppen darstellen, sind:<br />&ndash; Personen mit Immunsuppression/Immunschw&auml;che nach den oben dargestellten drei Risikogruppen der Kommission f&uuml;r Krankenhaushygiene und Infektionspr&auml;vention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut,<sup>5</sup><br />&ndash; Personen mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose),<br />&ndash; Personen mit Asthma bronchiale.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Auch dann, wenn kausal der Zusammenhang zwischen Beschwerden/Befunden/Krankheiten und dem Vorkommen von Schimmel/Feuchte im Innenraum nicht nachgewiesen werden kann, ist aus pr&auml;ventiver und hygienischer Sicht beim Vorhandensein eines Feuchte-/Schimmelschadens die erste &bdquo;therapeutische&ldquo; Ma&szlig;nahme die z&uuml;gige fach- und sachgerechte Sanierung und bei schwerwiegenden Krankheitsbildern mit hohem Gesundheitsrisiko (Immunsuppression gem&auml;&szlig; den Kriterien der KRINKO,<sup>5</sup> zystische Fibrose, Asthma) die umgehende Expositionsminimierung.<br />Die Behandlung von Schimmelpilzinfektionen geh&ouml;rt in die H&auml;nde der Fach&auml;rzte, die auch die jeweilige Grunderkrankung behandeln, und/oder von fachkundigen Infektiologen. Spezifische antiallergische Behandlungen geh&ouml;ren in die H&auml;nde von bez&uuml;glich Schimmelpilzallergien erfahrenen Allergologen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1702_Weblinks_s34_3.jpg" alt="" width="2151" height="2908" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Wiesm&uuml;ller GA et al: AWMF-Schimmelpilz-Leitlinie &bdquo;Medizinisch klinische Diagnostik bei Schimmelpilzexposition in Innenr&auml;umen&ldquo; 2016; AWMF-Register-Nr. 161/001; online unter: <a href="http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/161-001.html">www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/161-001.html</a> (Stand 11. 4. 2016) <strong>2</strong> Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes: Leitfaden zur Vorbeugung, Untersuchung, Bewertung und Sanierung von Schimmelpilzwachstum in Innenr&auml;umen (&bdquo;Schimmelpilz-Leitfaden&ldquo;). Umweltbundesamt, Berlin, 2002; online unter: <a href="http://www.umweltbundesamt.org/fpdf-l/2199.pdf">www.umweltbundesamt.org/fpdf-l/2199.pdf</a> <strong>3</strong> Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes: Leitfaden zur Ursachensuche und Sanierung bei Schimmelpilzwachstum in Innenr&auml;umen (&bdquo;Schimmelpilzsanierungs-Leitfaden&ldquo;). Umweltbundesamt, Berlin, 2005; online unter: www.umweltbundesamt.org/fpdf-l/2951.pdf <strong>4</strong> Landesgesundheitsamt Baden-W&uuml;rttemberg: Handlungsempfehlung f&uuml;r die Sanierung von mit Schimmelpilzen befallenen Innenr&auml;umen. Stuttgart, 2006; online unter: <a href="http://www.landesgesundheitsamt.de/servlet/PB/show/1154726/0204_Handlungsempfehlung_Schimmelpilze.pdf">www.landesgesundheitsamt.de/servlet/PB/show/1154726/0204_Handlungsempfehlung_Schimmelpilze.pdf</a> <strong>5</strong> Kommission f&uuml;r Krankenhaushygiene und Infektionspr&auml;vention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI): Anforderungen an die Hygiene bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Bundesgesundheitsbl 2010; 53: 357-88 <strong>6</strong> Gabrio T et al: Untersuchungsmethoden zur Erfassung einer Schimmelpilzexposition &ndash; ein Update. Umweltmed &ndash; Hygiene &ndash; Arbeitsmed 2015; 20(3): 115-31 <strong>7</strong> Haftenberger M et al: Pr&auml;valenz von Sensibilisierungen gegen Inhalations- und Nahrungsmittelallergene. Ergebnisse der Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1). Bundesgesundheitsbl 2013; 56: 687-97 <strong>8</strong> Heinzerling LM et al: GA(2)LEN skin test study I: GA(2)LEN harmonization of skin prick testing: novel sensitization patterns for inhalant allergens in Europe. Allergy 2009; 64: 1498-1506 <strong>9</strong> Kommission &bdquo;Methoden und Qualit&auml;tssicherung in der Umweltmedizin&ldquo; des Robert Koch-Instituts: &bdquo;Qualit&auml;tssicherung beim Lymphozytentransformationstest&ldquo; &ndash; Addendum zum LTT-Papier der RKI-Kommission &bdquo;Methoden und Qualit&auml;tssicherung in der Umweltmedizin&ldquo;. Bundesgesundheitsbl &ndash; Gesundheitsforsch &ndash; Gesundheitsschutz 2008; 51: 1070-6 <strong>10</strong> TRBA 460 (Technische Regeln f&uuml;r Biologische Arbeitsstoffe 460), Einstufung von Pilzen in Risikogruppen. 2002; BArbBl 10</p> </div> </p>
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