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„Direct anterior approach“ (DAA) durch den ilioinguinalen Zugang in der Hüftendoprothetik

<p class="article-intro">Der DAA mit Bikini-Inzision ist nicht nur eine Modifikation der Hautschnittführung im anterioren Zugang, er ist auch eine innovative und zugleich ästhetische Lösung. Der Operateur ist dabei weder auf einen Extensionstisch noch auf weitere aufwendige Instrumentarien angewiesen. Ferner kann er über diesen Zugang nach Belieben sowohl die Kurzschaft- als auch die Standardschaftprothese implantieren. Die Minimalinvasivität dieser Methode, insbesondere die Erhaltung des Tractus iliotibialis und der Außenrotatoren, sorgt für die exzellente postoperative Stabilität des Gelenkes. Somit kann hier eine Fast-Track-Chirurgie mit positivem Einfluss auf die Krankenhausverweildauer angewendet werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Je nach ethnischer Herkunft wird die Inzidenz der Coxarthrose zwischen 0,001 % und 2 % , die Pr&auml;valenz zwischen 0,5 % und 36 % gesch&auml;tzt.<sup>1</sup> In Europa findet sich eine bereits klinisch symptomatische Coxarthrose bei mehr als 8 % der Bev&ouml;lkerung im Alter von 50&ndash;70 Jahren.<sup>2</sup> Die Tatsache, dass der Anteil der an Cox&shy;arthrose erkrankten jungen und aktiven Patienten zunimmt, verlangt nicht nur operative L&ouml;sungen, die die Anwendung von Fast-Track-Chirurgie erm&ouml;glichen, sondern erfordert auch neue &Uuml;berlegungen kosmetischer Art.</p> <h2>Neue Ideen f&uuml;r ein bekanntes Konzept</h2> <p>In der H&uuml;ftendoprothetik gewinnt der kosmetische Aspekt der Operation neben den verbesserten fr&uuml;hfunktionellen Ergebnissen, dem postoperativen Beinl&auml;ngenausgleich, der Verminderung des intraoperativen Blutverlustes und der Reduktion des postoperativen Analgetikaverbrauchs zunehmend an Bedeutung. Es ist bereits bekannt, dass der anteriore Zugang sowohl die Muskulatur (v.a. die Abduktoren) als auch den Tractus iliotibialis verschont, dem eine Schl&uuml;sselrolle im postoperativen funktionellen Ergebnis zugeschrieben wird. Bei einer Verletzung des Tractus iliotibialis kommt es nicht selten auch zur Verletzung des darunter liegenden M. tensor fasciae latae (TFL). Das f&uuml;hrt zu Hypertrophie des TFL, die lokale Schmerzen verursachen kann.<sup>3</sup> Mit dem anterioren ilioinguinalen Zugang hat man zus&auml;tzlich einen &auml;sthetischen Vorteil, da der Hautschnitt entlang der Hautfalte der Leiste gesetzt wird, daher auch bekannt als Bikini-Inzision (Abb. 1). Das scheint vor allem f&uuml;r junge Patientinnen eine attraktive L&ouml;sung zu sein. Zwei weitere Vorteile dieser Methode: a) Man ben&ouml;tigt hier keinen Extensionstisch und somit keine aufwendige Investitionen. b) Dieser Zugang eignet sich sowohl f&uuml;r die Implantation von Kurzsch&auml;ften als auch von Standardsch&auml;ften.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s56.jpg" alt="Abb. 1,2" width="1912" height="843" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s57.jpg" alt="Abb. 3" width="868" height="868" /></p> <h2>Lagerung und OP-Technik</h2> <p>Die Operation erfolgt in R&uuml;ckenlagerung des Patienten, das kontralaterale Bein wird in einer m&auml;&szlig;igen Flexion und Abduktion auf einer gyn&auml;kologischen Schale gelagert; diese Lagerung ist bereits von der MIS-Technik der Stolzalpe bekannt. An der kontralateralen Seite des OP-Tisches und auf der H&ouml;he des Kniegelenkes wird ein abklappbarer Halterungsb&uuml;gel fixiert, durch dessen Hoch- und Wegklappen das zu operierende Bein in Position 4 fixiert werden bzw. frei beweglich bleiben kann (Abb. 2). Um den N. cutaneus femoris lateralis zu sch&uuml;tzen,<sup>4</sup> erfolgt unter dem querverlaufenden Hautschnitt in der Leiste der Muskelfaszienschnitt des M. tensor fasciae latae kraniokaudal, entlang der Muskelfaser (Abb. 3). F&uuml;r die weitere Pr&auml;paration muss zun&auml;chst der mediale Gef&auml;&szlig;pedikel des M. tensor fasciae latae (ein Ast der A. circumflexa fem. lat.) aufgesucht, unterbunden und anschlie&szlig;end durchtrennt werden. Nur so verschafft man sich einen ungehinderten Zugang zur anterioren Gelenkskapsel, die exzidiert wird. Hierbei wird der laterale Anteil des Muskelbauches des M. rectus femoris nach medial gehalten und bleibt somit verschont. Findet man aber ein kr&auml;ftiges, sich weit nach kaudal ausbreitendes Caput reflexum des M. rectus femoris vor, kann dieses teils gekerbt werden, um einen perfekten Zugang zur Gelenkskapsel zu erm&ouml;glichen. F&uuml;r die Femurschaftpr&auml;paration und Prothesenschaftimplantation wird das zu operierende Bein, nach Abklappen der Beinplatten und Hochklappen des Halterungsb&uuml;gels am OP-Tischrand, in Position 2 gebracht, zugleich &uuml;berstreckt und anschlie&szlig;end fixiert (Abb. 4). Die Fixation erfolgt durch das Herumf&uuml;hren des Fu&szlig;r&uuml;ckens um den Halterungsb&uuml;gel. Durch den Release der dorsalen Kapsel und des Abduktorenansatzes am Trochanter major, unter gleichzeitigem Schutz der Au&szlig;enrotatoren,<sup>5</sup> gelingt eine weitere Mobilisierung des proximalen Femurs nach ventral (Abb. 5). Nach dem Release der medialen Anteile der Kapsel (Lig. pubofemorale) wird die Sicht bis zum Trochanter minor frei. So kann man, zur optimalen Reproduktion der pr&auml;operativen Planung, den Abstand zwischen dem Trochanter minor und der Schnittebene am Femurhals mit einem kleinen Ma&szlig;band messen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1606_Weblinks_s57_2.jpg" alt="Abb. 4,5" width="2150" height="830" /></p> <h2>Eigene Erfahrung</h2> <p>Im Zeitraum von September 2015 bis August 2016 (12 Monate) f&uuml;hrten wir im LKH Stolzalpe bei einer kleinen Gruppe von 30 Patienten mit Coxarthrose die H&uuml;ftprothesenimplantationen durch den DAA-Zugang mit Bikini-Inzision durch. Hier kamen sowohl die zementfreien Kurzsch&auml;fte (28x) als auch Standardsch&auml;fte (2x) zum Einsatz.</p> <h2>Demografie</h2> <p>Wir verwendeten diese Technik bei 25 weiblichen und 5 m&auml;nnlichen Patienten mit Coxarthrose. Wir notierten 24 prim&auml;re und 6 sekund&auml;re Coxarthrosen. Der Altersdurchschnitt der Patienten war zur Zeit der Operation 68 Jahre (55&ndash;87 Jahre), der mittlere BMI war 26 (23&ndash;27).</p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Die durchschnittliche OP-Dauer war bei den ersten 5 Operationen ca. 100min, bei den darauffolgenden 11 Operationen 70min und bei den letzten 14 Operationen 60min. Analog zur OP-Dauer war auch der Blutverlust. W&auml;hrend der ersten 5 Operationen betrug er zwischen 600 und 700ml. Mit Verk&uuml;rzung der OP-Dauer verminderte sich auch der Blutverlust: Bei den letzten 13 Operationen lag er im Schnitt bei 250ml. Die OP-Dauer und der intraoperative Blutverlust lassen sich als &bdquo;learning curve&ldquo; verstehen. Des Weiteren hat sich das postoperative fr&uuml;hfunktionelle Ergebnis (gemessen anhand des HHS) objektiv gebessert.</p> <p>Der HHS der DAA-Gruppe war 6 Wochen postoperativ im Schnitt 88, w&auml;hrend der HHS der in unserem Krankenhaus nach der anterolateralen minimal invasiven Methode operierten Patienten durchschnittlich 80 war. Die postoperative Ossifikationsprophylaxe erfolgte nach Haus-Standard mit Cox-2-Hemmern (Celebrex) &uuml;ber eine Woche, die Schmerztherapie jedoch lediglich mit Novalgin- oder Tramadoltropfen als Bedarfsmedikation. Wir konnten in der DAA-Gruppe eine tendenzielle Reduktion des Analgetikaverbrauches beobachten. Die postoperative Mobilisierung erfolgte in dieser Serie nach demselben Algorithmus: Mobilisation mit 2 UA-St&uuml;tzkr&uuml;cken in 4-Punkte-Gang bereits am ersten Tag und Stiegensteigen durchschnittlich ab dem vierten postoperativen Tag.</p> <h2>Komplikationen</h2> <p>In der anf&auml;nglichen Lernphase beobachteten wir bei einem m&auml;nnlichen Patienten bereits eine Woche nach dem Eingriff einen tiefen Infekt (Fr&uuml;hinfekt), der trotz einer fr&uuml;hen Weichteilrevision sowie Kopf- und Inlaywechsel nicht beherrschbar war, sodass die Prothese schlie&szlig;lich 2-zeitig mit AB-Spacer gewechselt werden musste. Bei einem anderen m&auml;nnlichen Patienten entwickelte sich ca. 3 Monate postoperativ ein tiefer Infekt (Sp&auml;tinfekt), aufgrund dessen wiederum die Prothese 2-zeitig gewechselt wurde. Des Weiteren verzeichneten wir bei 4 Patienten passagere Hyp&auml;sthesien im proximalen lateralen Oberschenkel des operierten Beines, die sich im Schnitt nach 3 bis 6 Monaten zur&uuml;ckbildeten. Dar&uuml;ber hinaus berichtete das Pflegepersonal, unabh&auml;ngig von Beobachtungen des Chirurgen, bei 5 Patienten eine postoperative Schwellneigung im Oberschenkel der operierten Seite. Zwei von ihnen hatten aufgrund der vermehrten postoperativen Schmerzen einen erh&ouml;hten Analgetikaverbrauch.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Sun Y et al: Incidence and prevalence of osteoarthritis of the hip and knee in the general population. Z Orthop Unfall 1997; 135(3): 184-9 <strong>2</strong> Engelhardt M: Epidemiologie der Arthrose in Westeuropa. Dtsch Z Sportmed 2003; 6: 171-5 <strong>3</strong> Rodr&iacute;guez-Roiz JM et al: Hypertrophy of the tensor fascia lata muscle as a complication of total hip arthroplasty. Eur J Orthop Surg Traumatol 2016 Sep 19. [Epub ahead of print] <strong>4</strong> Bopp F: Minimalinvasive Zugangswege zur H&uuml;fte. OUP 2015; 2: 85-9 <strong>5</strong> Ito Y et al: Anatomic mapping of short external rotators shows the limit of their preservation during total hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 2012; 470(6): 1690-5</p> </div> </p>
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