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Management der rheumatoiden Arthritis

Das breite Spektrum der Basistherapeutika optimal nutzen

<p class="article-intro">Bei der rheumatoiden Arthritis (RA) beginnt die entzündungsbedingte Gelenkzerstörung sehr früh im Krankheitsverlauf, nämlich meistens schon in den ersten Monaten. Die Gelenkschäden bzw. Sekundärarthrosen (Abb. 1, 2) sind irreversibel; sie lassen sich medikamentös nicht mehr rückgängig machen. Das Ansprechen auf Basistherapeutika ist umso besser, je früher diese eingesetzt werden. Insbesondere kann das heute durchaus realistische Ziel einer Vollremission leichter früh als spät im Verlauf erreicht werden. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Idealerweise wird die Basistherapie innerhalb der ersten drei Monate nach Symptombeginn eingeleitet. Eine fr&uuml;hzeitige Diagnose ist deswegen wichtig. Sie wird aufgrund des Zusammentreffens der typischen Symptome, des Gelenkbefallsmusters und der Zusatzuntersuchungen (Labor mit Autoantik&ouml;rpern, Arthrosonografie, R&ouml;ntgenaufnahmen) gestellt, was zu Beginn der Erkrankung viel Erfahrung erfordert. Trotz der grossen Fortschritte in der medikament&ouml;sen Therapie sind f&uuml;r ein gutes Management oft die Physio- und Ergotherapie und gelegentlich auch die Rheumachirurgie erforderlich. Auf eine gute interdisziplin&auml;re Abstimmung der Behandlungsmassnahmen ist zu achten, insbesondere in der Zusammenarbeit von Grundversorger und Facharzt f&uuml;r Rheumatologie.</p> <h2>Glukokortikoide</h2> <p>Ihre rasche und stark entz&uuml;ndungshemmende Wirkung verleitet dazu, sie l&auml;ngerfristig in h&ouml;herer Dosierung anzuwenden, was aber mit einer hohen Toxizit&auml;t (z.B. Osteoporose als Folgeerkrankung) verbunden ist. Deswegen gilt eine Monotherapie mit Glukokortikoiden heute als obsolet. Diese sind nur indiziert f&uuml;r die kurzfristige &Uuml;berbr&uuml;ckung bis zum Wirkungseintritt der Basismedikamente und f&uuml;r einen langfristigen niedrig dosierten Einsatz (z.B. Prednison &le;7,5mg/d), falls die Basistherapeutika ungen&uuml;gend wirken. Dominieren einzelne Gelenke, sind intraartikul&auml;re Steroidinjektionen sinnvoll. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite44_1.jpg" alt="" width="" height="" /> <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite44_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Basismedikamente (DMARD)</h2> <p>F&uuml;r eine ad&auml;quate Kontrolle der Krankheitsaktivit&auml;t sind Basismedikamente bzw. &laquo;disease modifying antirheumatic drugs&raquo; (DMARD) in den meisten F&auml;llen unabdingbar. In ge&uuml;bten H&auml;nden sind sie l&auml;ngerfristig viel weniger toxisch als Glukokortikoide. Bei den synthetischen (herk&ouml;mmlichen) Substanzen setzt die Wirkung meist erst nach einer Latenz von etwa 2&ndash;3 Monaten ein. Basismedikamente vermindern nicht nur die Entz&uuml;ndungssymptome, sondern sie verm&ouml;gen auch den erosiv-destruktiven Prozess zu bremsen und ihn im Idealfall sogar ganz zum Stillstand zu bringen. Das Abstimmen der Therapie auf die individuellen Bed&uuml;rfnisse der Patienten ist schwierig und erfordert viel Erfahrung. Die Behandlung sollte deswegen immer in Zusammenarbeit mit einem Facharzt f&uuml;r Rheumatologie erfolgen. <br />Die Palette der Basismedikamente wird immer gr&ouml;sser. H&auml;ufig angewandte herk&ouml;mmliche synthetische Basismedikamente sind Methotrexat, Leflunomid, Sulfasalazin und Antimalarika. Seit Kurzem stehen zudem sogenannte &laquo;targeted synthetic DMARDs&raquo; zur Verf&uuml;gung. Als Erstes wurde Tofacitinib, ein Januskinaseinhibitor, eingef&uuml;hrt. Weitere dieser spezifisch in den Entz&uuml;ndungsprozess eingreifenden, niedermolekularen und peroral anwendbaren Substanzen, wie z.B. Baricitinib, sind in der Pipeline und werden in B&auml;lde zur Verf&uuml;gung stehen. Daneben sind die Biologika (Tab. 1) etabliert, welche die Therapie der RA in den letzten 10 bis 20 Jahren revolutioniert haben. Heute kann f&uuml;r die meisten Patienten eine gut wirksame und vertr&auml;gliche Medikation gefunden werden, wobei aber oft Kombinationen erforderlich sind. Das Erreichen einer Remission ist heute ein realistisches Ziel geworden. <br />Erste Wahl ist meistens Methotrexat. Es kann bestens kombiniert werden, z.B. mit Antimalarika, Leflunomid, Tofacitinib oder Biologika (Zweierkombinationen). Es sind aber auch Dreier- oder sogar Viererkombinationen m&ouml;glich. Durch den unterschiedlichen Wirkungsmechanismus der Einzelsubstanzen kann ein additiver und zum Teil sogar synergistischer Effekt erzielt werden. Dies erlaubt, die Dosierung der Einzelsubstanzen geringer zu halten, wodurch diese mit weniger Nebenwirkungen behaftet sind. Kombinationstherapien erfordern aber viel Erfahrung, insbesondere auch hinsichtlich &Uuml;berwachungsmassnahmen. Durch geschicktes Zusammenstellen der Einzelkomponenten gelingt es oft, eine ausgezeichnete Suppression der Krankheitsaktivit&auml;t zu erreichen, ohne dass st&ouml;rende Nebenwirkungen hinzunehmen sind. <br />Methotrexat, Leflunomid, Tofacitinib und alle Biologika wirken immunsuppressiv. Um das Infektionsrisiko nicht &uuml;berm&auml;ssig zu erh&ouml;hen, sollten Biologika und Tofacitinib nicht untereinander kombiniert werden. Auch Dreierkombinationen und hohe Steroiddosierungen sind zu vermeiden. <br />Biologika werden biotechnologisch hergestellt und greifen auf molekularer Ebene spezifisch in den Entz&uuml;ndungsprozess ein, beispielsweise durch Hemmung von TNF, Aktivit&auml;tsverminderung von Interleukin-6 (Tocilizumab), B-Zell-Depletion (Rituximab) oder Hemmung der T-Zell-Kostimulation (Abatacept). Von gewissen dieser Substanzen sind inzwischen Biosimilars (Generika) verf&uuml;gbar. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite45_!.jpg" alt="" width="" height="" /> <br />Mit den TNF-Hemmern gibt es die l&auml;ngsten Erfahrungen. Klinisch wirken diese in Monotherapie kaum besser als Methotrexat. Ihr Wirkungseintritt erfolgt aber viel schneller, insbesondere wird die systemische (humorale) Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t innerhalb von lediglich 2 Tagen supprimiert. Dies &auml;ussert sich oft durch eine schlagartige Besserung von Allgemeinsymptomen wie M&uuml;digkeit, Abgeschlagenheit und Inappetenz. Zudem ist der antierosive Effekt der TNF-Inhibitoren jenem von Methotrexat &uuml;berlegen. Sie sind ausgezeichnet mit synthetischen Basismedikamenten und insbesondere Methotrexat kombinierbar, was zu einer im Durchschnitt noch besseren klinischen und antierosiven Wirkung f&uuml;hrt. TNF-Hemmer werden subkutan injiziert oder intraven&ouml;s infundiert. Ihre Vertr&auml;glichkeit ist gut. Wichtigste Nebenwirkung sind Hautreaktionen an der Injektionsstelle oder Infusionsreaktionen. Unter einer TNF-Hemmung wird das Infektrisiko etwa verdoppelt, und es sind opportunistische Infektionen m&ouml;glich, besonders mit intrazellul&auml;ren Erregern. Da es zu Tuberkulosereaktivierungen kommen kann, ist ein vorg&auml;ngiges Tuberkulosescreening erforderlich. Wie bei anderen immunsuppressiven Therapien sind Pneumokokken- und j&auml;hrliche Grippeimpfungen sinnvoll. Eine Periodontitis, Hautl&auml;sionen (auch Mykosen) und andere m&ouml;gliche Eintrittspforten sind vor Therapiebeginn zu sanieren. Die Patienten m&uuml;ssen gut instruiert werden, bei infektverd&auml;chtigen Symptomen die Biologika zu stoppen und sich prompt zu melden. L&auml;sst sich ein Infektverdacht durch einen CRP-Anstieg erh&auml;rten, ist eine umgehende Hospitalisation sinnvoll, wenn der Infektfokus unklar bleibt oder eine parenterale Antibiotikatherapie bzw. eine &Uuml;berwachung erforderlich ist. <br />Anstelle von TNF-Hemmern kommen nach Versagen einer herk&ouml;mmlichen Basistherapie auch Abatacept und Tocilizumab infrage. Diese beiden Substanzen sowie Rituximab sind zudem bei unzureichendem Effekt einer Anti-TNF-Therapie indiziert. Abatacept hat ein ausgezeichnetes Vertr&auml;glichkeitsprofil. Von allen Biologika supprimiert Tocilizumab die systemische (humorale) Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t am st&auml;rksten; klinisch wirkt es signifikant besser als Methotrexat und auch Adalimumab. Rituximab hat den Vorteil, dass seine Therapiezyklen meist nicht h&auml;ufiger als 6-monatlich durchgef&uuml;hrt werden m&uuml;ssen; es wirkt am besten bei Rheumafaktor- und Anti-CCP-Antik&ouml;rper-positiven Patienten. F&uuml;r Abatacept, Tocilizumab und Rituximab sind &auml;hnliche Vorsichtsmassnahmen wie bei den TNF-Hemmern sinnvoll. Opportunistische Infekte treten unter ihnen aber seltener auf. Es muss ber&uuml;cksichtigt werden, dass bei einer Infektion unter Tocilizumab der CRP-Anstieg gehemmt werden kann. <br />Wegen ihrer aufwendigen Herstellung sind die Kosten der Biologika hoch. Sie sind deswegen nur dann zugelassen, wenn sich eine vorangehende Therapie mit herk&ouml;mmlichen Substanzen als unzureichend erweisen hat, und es muss vorher eine Kostengutsprache bei der Krankenkasse eingeholt werden. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite45_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>&Uuml;berwachung und Anpassung der Therapie</h2> <p>F&uuml;r einen Erfolg der Therapie sind eine kontinuierliche &Uuml;berwachung und Anpassung der Medikamente in Zusammenarbeit mit einem Facharzt f&uuml;r Rheumatologie unabdingbar. Am besten erfolgt dies im Rahmen eines Qualit&auml;tsmanagements, wof&uuml;r z.B. in der Schweiz das Register SCQM (Swiss Clinical Quality Management in Rheumatic Diseases) zur Verf&uuml;gung steht (www.scqm.ch). Im SCQM wird der Verlauf der Entz&uuml;ndungsaktivit&auml;t, der Gelenksch&auml;digung und der Krankheitsauswirkungen standardisiert erfasst, und zwar mittels Fragen, welche regelm&auml;ssig vom Patienten und vom Rheumatologen online oder auf Papier beantwortet werden. Die Assessments umfassen auch R&ouml;ntgen- und Laboruntersuchungen. Die zentral erfolgenden Auswertungen erlauben eine fortlaufende Optimierung der Therapie (Abb. 3). Als Mess-Verbesserungssystem ist das SCQM ausgereift, gut praktikabel und erfreut sich sowohl in Kliniken als auch bei niedergelassenen Rheumatologen grosser Beliebtheit. Aktualisierte Richtlinien der Schweizerischen Gesellschaft f&uuml;r Rheumatologie betreffend Einsatz und &Uuml;berwachung von Basismedikamenten sind z.B. unter www.rheuma-schweiz.ch verf&uuml;gbar.</p> <h2>Prophylaxe und Therapie von Begleiterkrankungen</h2> <p>Die wichtigsten Begleiterkrankungen sind die Osteoporose und Arteriosklerose. Unter Dauersteroidtherapie werden Bisphosphonate bereits dann eingesetzt, wenn eine mittelschwere bis schwere Osteopenie vorliegt. Sie sind also nicht erst bei Nachweis einer Osteoporose indiziert (siehe Empfehlungen &laquo;Steroid-Osteoporose&raquo; unter www.rheuma-schweiz.ch). <br />Bei der RA entwickelt sich die Arteriosklerose beschleunigt (Abb. 4). Im Vergleich zur Normalbev&ouml;lkerung treten kardiovaskul&auml;re Ereignisse um etwa 50 % h&auml;ufiger auf. Die klassischen kardiovaskul&auml;ren Risikofaktoren wie Rauchen, Diabetes, Hypertonie und Hypercholesterin&auml;mie sind deswegen gezielt zu suchen und aggressiv anzugehen. <img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Ortho_1603_Weblinks_seite46.jpg" alt="" width="" height="" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Smolen JS et al: Lancet 2016; May 3 (Epub ahead of print) <strong>2</strong> Singh JA et al: Arthritis Care Res 2016; 68: 1-25 <strong>3</strong> Smolen JS et al: Ann Rheum Dis 2014; 73: 492-509 <strong>4</strong> Bykerk VP, Schoels MM: Curr Opin Rheumatol 2013; 25: 375-83 <strong>5</strong> Forster A: Aktuelle Aspekte in der Therapie der rheumatoiden Arthritis. 2. Auflage. Bremen &ndash; London &ndash; Boston: Uni-Med, 2010</p> </div> </p>
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