<p class="article-intro">Neue Substanzen und Kombinationen haben Fortschritte in der Therapie des Nierenzell- und des Urothelkarzinoms gebracht. Im Folgenden wird ein Überblick über die jeweiligen Optionen für die Erst- und Zweitlinientherapie dieser Tumoren gegeben.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die doppelte Immuntherapie in der Erstlinie bei RCC führt zu überlegenen OS-Raten.</li> <li>In der Zweitlinie bei RCC gibt es gute Daten zu TKIs und neuen Kombinationen.</li> <li>Beim Urothelkarzinom verlängerte die Einführung der Immuntherapie das PFS signifikant.</li> <li>In der Zweitlinientherapie des Urothelkarzinoms können neue Substanzen die Ansprechraten auf 40 % steigern.</li> </ul> </div> <h2>Nierenzellkarzinom (RCC)</h2> <p>Das Nierenzellkarzinom (RCC) ist der dritthäufigste urologische Tumor des Erwachsenen. Der klarzellige histologische Subtyp ist dabei mit 80 % der Vorreiter. Bei Erstdiagnose weisen etwa 30 % der Patienten eine Fernmetastasierung auf und 20 bis 30 % der Patienten entwickeln nach initial kurativer Therapie Metastasen.<br /> Im Fall des klarzelligen RCC wurden seit 2006 insgesamt 13 Substanzen mit unterschiedlichen Wirkmechanismen (Tyrosinkinase-Hemmer [TKI], mTOR-Inhibitoren, Checkpoint-Inhibitoren [I/O]) im metastasierten Setting in Europa zugelassen. Weiterhin sind neoadjuvante und adjuvante immunonkologische Therapien Gegenstand von klinischen Studien und sollten nicht in der klinischen Routine eingesetzt werden.</p> <p><strong>Erstlinientherapie</strong><br /> Anhand der vor Kurzem aktualisierten ESMO-Guidelines ist unabhängig vom Risikoprofil, welches weiterhin vor Therapiebeginn bei jedem Patienten erhoben werden sollte, aus einer kombinierten Immuntherapie (Ipilimumab + Nivolumab; nur für Patienten mit „intermediate risk“ oder „poor risk“) oder einer Kombination von einem Checkpoint-Inhibitor mit einem VEGF-TKI (Pembrolizumab + Axitinib) zu wählen. Eine weitere Kombination, Avelumab mit Axitinib, ist erst kürzlich von der EMA zugelassen worden.<br /> Aktuell stellt sich daher die Frage, welcher Patient von einer doppelten Immuntherapie bzw. von der Kombination TKI plus I/O profitiert. Für die doppelte I/OGabe sprechen auf jeden Fall die längsten Follow-up-Daten dieser Therapie. Mit 42 Monaten medianem Follow-up in der CheckMate-214-Studie ist die Kombination Ipilimumab plus Nivolumab 4 x, gefolgt von Nivolumab mono versus Sunitinib, bei intermediären bzw. Hochrisikopatienten hinsichtlich des Gesamtüberlebens (47 vs. 26,6 Monate; HR: 0,66) klar überlegen. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass jene 10 % der Patienten, die eine komplette Remission erreichten, anhaltend tumorfrei blieben. Insgesamt benötigten 47 % der Patienten nach Therapieende keine weitere Systemtherapie. Kritisch zu sehen ist allerdings die immunvermittelte Toxizität, welche jedoch, wie auch aus den Daten zur Lebensqualität (QOL) ersichtlich ist, im Rahmen der Nivolumab-Erhaltungstherapie deutlich abnimmt.<br /> Für die TKI-I/O-Kombination sprechen allerdings die hohen Ansprechraten von fast 60 % sowie die geringere immunvermittelte Toxizität. Die unreifen Überlebensdaten sowie die chronische TKI-Toxizität sind hingegen nicht zu vernachlässigen. Für manche Patienten, insbesondere jene mit schlechterem Performance-Status und vielen Komorbiditäten, könnte eine Therapiedeeskalation, die anhand prädiktiver Markerprofile ausgewählt wird, die Lösung sein.<br /> In der KEYNOTE-427-Studie konnte beispielsweise mit einer Pembrolizumab-Monotherapie bei Patienten mit einer PD-L1-Expression (CPS <1) eine Ansprechrate von 50 % erreicht werden. Auf der anderen Seite könnte auch eine Eskalation der Therapie bei Nichtansprechen dazu führen, dass Therapien besser auf die individuellen Patientenbedürfnisse zugeschnitten werden. Die hochinteressante Phase-II-Studie TITAN-RCC konnte zeigen, dass ein „Immuno-Boost“ mit Ipilimumab bei Nichtansprechen auf die Monotherapie mit Nivolumab eine Steigerung der Ansprechrate von 28 auf 37 % bringt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2003_Weblinks_jat_onko_2003_s43_abb1_niedersuess.jpg" alt="" width="550" height="338" /></p> <p><strong>Zweitlinientherapie</strong><br /> Auch in der Zweitlinientherapie gibt es vielversprechende neue Daten. Retrospektive Analysen sowie laufende Studien zeigen, dass es nach Therapieversagen der kombinierten Doppel-I/O-Therapie, aber auch von I/O-TKI-Kombinationen ein suffizientes Ansprechen auf TKIs bzw. neue Kombinationen, zum Beispiel Pembrolizumab mit Lenvatinib, gibt. Neue Substanzen wie HIF-2-Inhibitoren oder Telanglenastat werden aktuell in mehreren Studien untersucht.</p> <h2>Urothelkarzinom</h2> <p>Die Therapie des Urothelkarzinoms wurde in den vergangenen vier Jahren neu definiert: Durch die Einführung der Immuntherapie konnte das Gesamtüberleben bei dieser hoch aggressiv verlaufenden epithelialen Tumorerkrankung signifikant verlängert werden. Durch neue Substanzen und eine bessere Patientenselektion sollen zukünftig weitere Verbesserungen erreicht werden.</p> <p><strong>Erstlinientherapie</strong><br /> Weiterhin ist eine Cisplatin-haltige Therapie bei Cisplatin-fitten Patienten der Standard in der Erstlinientherapie des metastasierten Urothelkarzinoms. Für Cisplatin- unfitte Patienten – immerhin 50 % – wird bei hoher PD-L1-Expression eine Immuntherapie mit Pembrolizumab bzw. Atezolizumab empfohlen, während bei niedriger PD-L1-Expression ein Carboplatin- haltiges Schema verwendet wird.<br /> Die aktuellste Frage in der Erstlinie beschäftigt sich allerdings mit der Kombination von Chemotherapie und Immuntherapie (Abb. 2).<br /> In der IMvigor-130-Studie wurden mehr als 1200 Patienten in einen von drei Armen randomisiert: Platin/Gemcitabin + Atezolizumab, Atezolizumab alleine oder Platin/Gemcitabin alleine. Einer der primären Endpunkte, das progressionsfreie Überleben (PFS), wurde mit einer Hazard Ratio von 0,82 signifikant erreicht. Die Daten für den koprimären Endpunkt, das Gesamtüberleben (OS), sind derzeit noch unreif. Es zeichnet sich jedoch ein positiver Trend ab. Das Toxizitätsprofil wurde durch die Zugabe des PD-1-Inhibitors jedenfalls nicht negativ beeinflusst.<br /> Problematisch für eine klare Schlussfolgerung sind an der IMvigor-130-Studie die unreifen Überlebensdaten sowie der niedrige Anteil an Patienten, die mit einer Cisplatin- haltigen Kombination behandelt wurden. Subgruppenanalysen je nach Therapiewahl (Cisplatin/Carboplatin bzw. PD-L1-Status) sowie die Ergebnisse der laufenden Phase-III-Studien mit unterschiedlichen Ansätzen werden zu einer besseren Patientenselektion bezüglich Mono- oder Kombinations-Immuntherapie, mit oder ohne Chemotherapie, beitragen.<br /> Neue Substanzen, die sogenannten ADC („antibody drug conjugates“), halten rezent Einzug in die Therapie des metastasierten Urothelkarzinoms.<br /> In der Erstlinie spielt die Kombination von Enfortumab Vedotin, einem Konjugat, welches über Nectin-4 in die Urothelzelle eingeschleust wird und dort einen Mikrotubuli- Inhibitor freisetzt, in Kombination mit Pembrolizumab eine spannende Rolle. In Kombination mit Pembrolizumab wird sie in der EV-103-Studie bei Platin-unfitten Patienten derzeit getestet. Beim diesjährigen ASCO-GU-Kongress wurde eine Ansprechrate von 73,3 % mit einer Rate an kompletten Remissionen von fast 16 % bei 45 Patienten mit >90 % viszeralem Metastasierungsmuster berichtet. Welchen Stellenwert diese Platin-freie Kombination mit einem relativ guten Toxizitätsprofil letztlich haben wird, ist abzuwarten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Onko_2003_Weblinks_jat_onko_2003_s44_abb2_niedersuess.jpg" alt="" width="550" height="161" /></p> <p><strong>Zweitlinientherapie</strong><br /> Die Zweitlinientherapie des metastasierten Urothelkarzinoms nach Platinversagen war bis zur Einführung der Checkpoint-Inhibitoren wenig Erfolg versprechend. Das mediane Überleben mit Vinflunin oder einem Taxan (in Europa nicht zugelassen) lag bei 6 bis 8 Monaten. Diese Zeit konnte durch die Immuntherapie zwar fast verdoppelt werden, die Ansprechrate auf Immuntherapie ist mit 20 % bei unselektierten Patienten jedoch weiterhin nicht zufriedenstellend.<br /> Basierend auf molekularen Markern, beispielsweise Mutationen im FGF-Rezeptor, können diese Patienten gezielter behandelt werden. Mit Erdafitinib, einem Pan-FGFRInhibitor, der von der FDA bereits zugelassen ist, konnte eine Ansprechrate von 40 % mit einem medianen Überleben von 13,8 Monaten erreicht werden. Bei uns ist diese Substanz im Rahmen eines „Compassionate use“-Programms verfügbar.<br /> Enfortumab Vedotin erreicht als Monotherapie bei vorbehandelten Patienten ebenfalls Ansprechraten von 44 % und steigert das mediane Gesamtüberleben auf mehr als 1 Jahr. In der Zweitlinientherapie wurde die Substanz daher bereits von der FDA zugelassen.<br /> Sacituzumab Govitecan, ebenfalls ein ADC, wurde in der Studie TROPHY-01 untersucht. Bei stark vorbehandelten Patienten mit ≥3 Vortherapien konnte in einer kleinen Phase-II-Studie eine Responserate von 29 % ORR erreicht werden.<br /> Zahlreiche neue Ansätze mit unterschiedlichen Therapiekombinationen und neuen Substanzen werden aktuell in multiplen Phase-I- bis -III-Studien in den unterschiedlichsten Therapielinien getestet und lassen die Therapie des Urothelkarzinoms weiterhin spannend bleiben.</p></p>
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