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Venenstenting: neue Optionen in der Behandlung der Venenthrombose und des postthrombotischen Syndroms

<p class="article-intro">Moderne Thrombektomiesysteme und spezielle Venenstents ermöglichen die interventionelle Behandlung der akuten Beckenvenenthrombose sowie chronischer thrombotischer und nichtthrombotischer Venenverschlüsse. Neben einer sorgfältigen gefäßmedizinischen Abklärung und einer die individuellen Läsionscharakteristika berücksichtigenden Indikationsstellung sind die Expertise in der Intervention iliocavaler Läsionen und das entsprechende Equipment notwendige Voraussetzungen für diese Therapieoption.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei akuter Beckenvenenthrombose sollte bei jungen Patienten mit niedrigem Blutungsrisiko eine endovaskul&auml;re Behandlung in Erw&auml;gung gezogen werden, um das Risiko f&uuml;r ein sp&auml;teres postthrombotisches Syndrom zu reduzieren.</li> <li>Chronische iliocavale und iliofemorale Verschl&uuml;sse sollten bei klinisch relevanter ven&ouml;ser Hypertension endovaskul&auml;r</li> <li>F&uuml;r die endovaskul&auml;re Rekanalisation akuter oder chronischer iliocavaler und iliofemoraler L&auml;sionen bedarf es entsprechender Expertise, Material (geeignete Ballonkatheter, Thrombektomie- und Stentsysteme) sowie der M&ouml;glichkeit engmaschiger duplexsonografischer Nachkontrollen.</li> </ul> </div> <h2>Akute Venenthrombose</h2> <p>Das prim&auml;re Therapieziel der endovaskul&auml;ren Behandlung der tiefen (Becken-) Venenthrombose ist neben der raschen Beschwerdereduktion vor allem die Reduktion des Risikos einer Chronifizierung der Thrombose mit einer Entwicklung eines postthrombotischen Syndroms (PTS). Dieses Bestreben ist klar vom Ziel der oralen Antikoagulation nach Venenthrombose abzugrenzen, welche die Thromboseprogression sowie das Thromboserezidiv verhindern soll. Aufgrund der unterschiedlichen Therapieziele sollten medikament&ouml;se und interventionelle Therapie nicht als konkurrierende Therapieans&auml;tze, sondern als einander potenziell erg&auml;nzende Therapieoptionen bei Patienten mit akuter Venenthrombose gesehen werden. Bei der Indikationsstellung zur interventionellen Therapie sind die Anamnesedauer (&lt; 14 Tage) und die Thromboselokalisation (Abb. 1) ausschlaggebend: Von einer interventionellen Behandlung profitieren in erster Linie Patienten mit deszendierender iliofemoraler Thrombose. Bei iliofemoraler Thrombose liegt h&auml;ufig ein h&auml;modynamisches Hindernis (Beckenvenenkompression/- stenose, Hypoplasie der V. cava inferior oder des Cava-Confluens) als mechanischer Risikofaktor vor.<sup>1</sup> Im Rahmen einer interventionellen Behandlung k&ouml;nnen zugrunde liegende Obstruktionen mittels Stenting beseitigt werden.<br /> Zudem werden bei iliakalen Thrombosen unter konservativer Therapie deutlich niedrigere Rekanalisationsraten beobachtet als bei femoropoplitealen Thrombosen, was &ndash; nach iliakaler Thrombose &ndash; im h&ouml;heren Risiko f&uuml;r die Entwicklung eines PTS resultiert (Abb. 2).<sup>2</sup> Das erkl&auml;rt, warum in erster Linie Patienten mit Beckenvenenthrombose von einer interventionellen Behandlung (deren Ziel die Reduktion des PTS-Risikos ist) profitieren.<br /> Die Datenlage zur interventionellen Behandlung der akuten Venenthrombose ist kontroversiell: In drei randomisiert kontrollierten Studien wurde bei Patienten mit akuter Venenthrombose ein Vorteil der endovaskul&auml;ren Behandlung beschrieben. <sup>3&ndash;5</sup> Hingegen konnten die Autoren der zuletzt ver&ouml;ffentlichten ATTRACT-Studie &ndash; in einer bin&auml;ren Endpunktauswertung (PTS versus kein PTS) &ndash; keinen Vorteil einer Intervention hinsichtlich der Reduktion des Risikos f&uuml;r eine PTS-Entwicklung feststellen.<sup>6</sup> Die ATTRACT-Ergebnisse sollten jedoch in Hinblick auf folgende Kritikpunkte kritisch interpretiert werden: Aufgrund des z&ouml;gerlichen Patienteneinschlusses wurde in dieser Studie ein gemischtes Patientenkollektiv (iliofemorale und femoropopliteale Thrombosen) zugelassen. F&uuml;r die Diagnostik der den Thrombosen zugrunde liegenden Stenosen wurde kein intravaskul&auml;rer Ultraschall (IVUS) eingesetzt, obwohl der IVUS &ndash; gerade in dieser Indikation &ndash; der alleinigen Katheterangiografie deutlich &uuml;berlegen ist. Das resultiert in einem Untersch&auml;tzen des Stentbedarfs &ndash; die Stentrate in der ATTRACT-Studie war mit 28 % auffallend niedrig. Des Weiteren wurden bei ca. 50 % der Studienpatienten arterielle Stents anstatt geeigneter Venenstents verwendet. Ob dieses Vorgehen die Offenheit der behandelten Gef&auml;&szlig;e im Rahmen der Studie beeinflusst hat, kann leider mangels duplexsonografischer Studiendaten nicht beurteilt werden.<br /> Eine rezent publizierte Subgruppenanalyse der ATTRACT-Daten (Patienten mit iliofemoraler Thrombose) best&auml;tigt jedenfalls, dass die interventionelle Behandlung der akuten Beckenvenenthrombose den PTS-Schweregrad reduziert. Insbesondere wird das Risiko f&uuml;r die Entwicklung eines schweren PTS gesenkt. Bei jungen Patienten mit kurzer Anamnesedauer (&lt; 14 Tage) sollte daher bei Vorliegen einer deszendierenden Beckenvenenthrombose eine interventionelle Behandlung an einem erfahrenen Zentrum in Erw&auml;gung gezogen werden.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s16_abb1.jpg" alt="" width="1041" height="620" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s16_abb2.jpg" alt="" width="1041" height="876" /></p> <p>&nbsp;</p> <p>&nbsp;</p> <h2>Postthrombotisches Syndrom (PTS) und nichtthrombotische iliakale Venenl&auml;sionen (NIVL)</h2> <p>Nach einer Venenthrombose entwickeln (unter konservativer Therapie) 20 bis 50 % der Patienten ein PTS. Insbesondere nach Beckenvenenthrombose besteht ein hohes Risiko f&uuml;r die Entstehung eines klinisch relevanten PTS. Ein chronischer Verschluss der Beckenvenen oder der V. cava inferior resultiert im betroffenen Bein in ven&ouml;ser Hypertension, die in weiterer Folge zu ven&ouml;ser Claudicatio, varik&ouml;sen Kollateralvenenkreisl&auml;ufen und trophischen Hautver&auml;nderungen bis hin zu Ulzerationen f&uuml;hren kann. Gerade bei jungen Patienten kann bereits eine ven&ouml;se Claudicatio eine ma&szlig;gebliche Einschr&auml;nkung der Lebensqualit&auml;t bedeuten. Neben dem durch das chronische Beschwerdebild verursachten Verlust an Lebensqualit&auml;t hat das PTS auch sozio&ouml;konomische Folgen: US-amerikanische Berechnungen zeigen, dass ein PTS mit j&auml;hrlichen Gesundheitskosten von circa USD 7000 verbunden ist.<sup>7</sup><br /> Insbesondere bei proximalen (iliofemoralen und iliocavalen) Verschl&uuml;ssen kann durch konservative Therapiema&szlig;nahmen oft nur eine geringe Beschwerdereduktion erreicht werden. Die endovaskul&auml;re Rekanalisation erm&ouml;glicht eine effiziente Reduktion der zugrunde liegenden ven&ouml;sen Hypertension (Abb. 3). In gro&szlig;teils kleineren Single-Center-Studien konnten zufriedenstellende morphologische und klinische Ergebnisse durch die endovaskul&auml;re Rekanalisation mit modernen Venenstents gezeigt werden. Best&auml;tigt werden diese Resultate durch die ersten Ergebnisse zweier gr&ouml;&szlig;erer US-amerikanischer multizentrischer Studien (VIRTUS Trial und VERNACULAR Trial), die dieses Jahr erstmals auf Kongressen pr&auml;sentiert wurden (noch nicht publiziert). Die pr&auml;sentierten 24-Monats-Ergebnisse des VERNACULAR Trial best&auml;tigen eine prim&auml;re Stentoffenheitsrate von 84 % und eine deutliche Reduktion des PTS-Schweregrades nach Beckenvenenstenting. Auffallend ist jedoch, dass sich die VERNACULAR-Studie mit einer mittleren L&auml;sionsl&auml;nge von 68 mm und einer mittleren Stentanzahl von 1,3 (pro Patient) von den &bdquo;Real world&ldquo;- Gegebenheiten deutlich unterscheidet. Gerade bei schwerem PTS und ausgedehnten iliofemoralen oder iliocavalen L&auml;sionen ist in der Regel ein l&auml;ngerstreckiges Stenting der betroffenen Gef&auml;&szlig;segmente erforderlich. Eine Stentverl&auml;ngerung &uuml;ber das Leistenband nach distal/peripher wurde in der VERNACULAR-Studie in nur 10 % der F&auml;lle durchgef&uuml;hrt, ist jedoch in der klinischen Routine bei einem Gro&szlig;teil der F&auml;lle f&uuml;r eine anhaltende Stentoffenheit unumg&auml;nglich.<br /> K&uuml;rzere Stentl&auml;ngen sind meist nur bei Patienten mit nichtthrombotischen iliakalen Venenl&auml;sionen (NIVL) m&ouml;glich. Bei typischer Lokalisation wird der NIVL auch als May-Thurner-Anatomie &ndash; bzw. bei entsprechender Klinik &ndash; als May-Thurner- Syndrom (MTS) bezeichnet. Bei einem MTS liegt eine Kompression der linken V. iliaca communis zwischen der rechten A. iliaca communis und der Lendenwirbels&auml;ule vor. Neben dieser typischen Kompressionslokalisation existieren auch atypische Kompressionspunkte im Bereich der proximalen rechten V. iliaca communis sowie beidseits im Bereich der V. iliaca communis und V. iliaca externa weiter peripher/ distal. Auch NIVL k&ouml;nnen den Blutr&uuml;ckfluss aus der betroffenen Extremit&auml;t einschr&auml;nken und somit zur ven&ouml;sen Hypertension im betroffenen Bein f&uuml;hren. Die endovaskul&auml;re Behandlung von NIVL ist technisch einfacher und mit einer h&ouml;heren Offenheitsrate nach Stenting verbunden.<br /> Alle bisherigen Studien zum Stenting von PTS- oder MTS-L&auml;sionen verdeutlichen den Stellenwert moderner Venenstents. Ven&ouml;se Stents zeichnen sich vor allem durch eine hohe &bdquo;radial resistive force&ldquo;, eine &bdquo;crush resistance&ldquo; und eine entsprechende Flexibilit&auml;t aus. F&uuml;r unterschiedliche anatomische Segmente (V. cava inferior, V. iliaca communis, V. iliaca externa und V. femoralis communis) stehen mittlerweile verschiedene Stents mit unterschiedlichen biomechanischen Eigenschaften zur Verf&uuml;gung (Abb. 4). Trotzdem sind derzeit nur Beobachtungsstudien ohne Vergleichsgruppe verf&uuml;gbar, sodass es einen klaren Bedarf an prospektiv kontrollierten Studien zur endovaskul&auml;ren Behandlung von Patienten mit PTS und MTS gibt.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s16_abb3.jpg" alt="" width="1042" height="852" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s16_abb4.jpg" alt="" width="1560" height="512" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Antithrombotische Therapie</h2> <p>Auch zur antithrombotischen Therapie nach Venenstenting gibt es kaum Evidenz. Eine 2018 publizierte britische Untersuchung zeigt eine gro&szlig;e Diversit&auml;t der eingesetzten antithrombotischen Therapieregimes nach Venenstenting. In den in Bezug auf Venenstenting erfahrenen Gef&auml;&szlig;zentren wird meist initial eine therapeutische Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin durchgef&uuml;hrt, welche nach 2&ndash;4 Wochen auf eine orale Antikoagulation umgestellt wird. Der Stellenwert einer zus&auml;tzlichen (einfachen) pl&auml;ttchenfunktionshemmenden Therapie wird in zuk&uuml;nftigen Studien untersucht werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Chung JW et al.: Acute iliofemoral deep vein thrombosis: evaluation of underlying anatomic abnormalities by spiral CT venography. J Vasc Interv Radiol 2004; 15: 249-56<strong> 2</strong> Rosfors S et al.: A prospective follow-up study of acute deep venous thrombosis using colour duplex ultrasound, phlebography and venous occlusion plethysmography. Int Angiol 1997; 16: 39-44 <strong>3</strong> Elsharawy M, Elzayat E: Early results of thrombolysis vs anticoagulation in iliofemoral venous thrombosis. A randomised clinical trial. Eur J Vasc Endovasc Surg 2002; 24: 209-14 <strong>4</strong> Enden T et al.: Long-term outcome after additional catheter-directed thrombolysis versus standard treatment for acute iliofemoral deep vein thrombosis (the CaVenT study): a randomised controlled trial. Lancet 2012; 379: 31-8 <strong>5</strong> Sharifi M et al.: Endovenous therapy for deep venous thrombosis: the TORPEDO trial. Catheter Cardiovasc Interv 2010; 76: 316-25 <strong>6</strong> Vedantham S et al.: Pharmacomechanical catheter-directed thrombolysis for deep-vein thrombosis. N Engl J Med 2017; 377: 2240-52 <strong>7</strong> Kahn SR et al.: The postthrombotic syndrome: evidence-based prevention, diagnosis, and treatment strategies: a scientific statement from the American Heart Association. Circulation 2014; 130: 1636-61</p> </div> </p>
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