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Hauptstammintervention – State of the Art 2019

<p class="article-intro">Die Therapie einer Stenose des Hauptstammes der linken Koronararterie galt früher als Domäne der Herzchirurgie. Neuere Studien belegen auch den Nutzen und die Sicherheit der interventionellen Revaskularisation. Im Sinne einer individualisierten Medizin ist die Auswahl des Verfahrens unter Berücksichtigung der Patientenvoraussetzungen entscheidend.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>An erfahrenen Zentren ist die ungesch&uuml;tzte Hauptstammintervention f&uuml;r ausgew&auml;hlte Patientinnen und Patienten effektiv und sicher.</li> <li>Die geeignete Methode der Revaskularisation (PCI, Bypass-OP oder kombiniertes Vorgehen) soll, vor allem bei komplexen F&auml;llen, in einem Heart-Team interdisziplin&auml;r diskutiert werden.</li> <li>Das Ausma&szlig; der koronaren Herzkrankheit (SYNTAX-Score), die klinischen Patientencharakteristika sowie anatomische und technische Aspekte sollen bei der Auswahl des Revaskularisationsverfahrens mitber&uuml;cksichtigt werden.</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Eine signifikante Stenose des Hauptstammes der linken Koronararterie findet sich bei 4&ndash;7 % aller Patienten, bei denen eine Koronarangiografie durchgef&uuml;hrt wird.<sup>1</sup> Dabei ist bereits eine Verengung von &uuml;ber 50 % als signifikant zu werten (Abb. 1). Der Gro&szlig;teil der Stenosen befindet sich im distalen Teil (63 %) des Hauptstammes, w&auml;hrend nur 22 % ostial und 15 % im Schaftbereich lokalisiert sind. Bei distalen Stenosen k&ouml;nnen auch die Abg&auml;nge des Ramus interventricularis anterior sowie des Ramus circumflexus mit betroffen sein. W&auml;hrend lange Zeit das Vorliegen einer signifikanten Hauptstammstenose als klare Indikation zu einer aortokoronaren Bypass-Operation gesehen wurde, besteht nun die Evidenz, dass in ausgew&auml;hlten F&auml;llen die perkutane koronare Intervention (PCI) eine Alternative ist. Erfolgt die PCI bei einem Patienten, dessen Hauptstamm nicht durch eine vorangegangene Bypass-Operation &bdquo;gesch&uuml;tzt&ldquo; worden ist, spricht man von einer &bdquo;ungesch&uuml;tzten&ldquo; Hauptstammintervention.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s13_abb1.jpg" alt="" width="350" height="446" /></p> <p>&nbsp;</p> <h2>Studienlage</h2> <p>Die bisher publizierten randomisierten Studien, die PCI und Bypass-OP bei Hauptstammstenose verglichen haben, sind aufgrund der Verwendung unterschiedlicher Stenttypen und Interventionstechniken sowie aufgrund verschiedener Endpunktdefinitionen und unterschiedlich langer Beobachtungzeitr&auml;ume (zwischen 3 und 10 Jahren) nicht gut vergleichbar.<sup>2&ndash;7</sup> In der Subgruppenanalyse der Patienten mit Hauptstammstenose der SYNTAX-Studie (n = 705 Patienten) konnte gezeigt werden, dass nach 5 Jahren kein signifikanter Unterschied im kombinierten Endpunkt aus Tod, Myokardinfarkt, Insult und wiederholter Revaskularisation zwischen der PCI-Gruppe (Paclitaxel drug-eluting stents [DES]) und der Bypass-Gruppe bestand.<sup>5</sup> Es wurde allerdings eine h&ouml;here Rate an Schlaganf&auml;llen in der Bypass-Gruppe und an wiederholten Revaskularisationen in der PCIGruppe verzeichnet. Wurden die Patienten gem&auml;&szlig; ihrem SYNTAX-Score aufgeteilt, so zeigte sich bei einem &bdquo;hohen&ldquo; SYNTAX-Score von 33 Punkten und mehr ein statistisch signifikanter Unterschied zugunsten der aortokoronaren Bypass-OP. In der EXCEL-Studie (n = 1905 Patienten) zeigte sich eine PCI mit einem Everolimus- DES in einem Beobachtungszeitraum von 3 Jahren non-inferior zu einer Bypass- Operation.<sup>6</sup> Nur Patienten mit einem niedrigen bis mittleren SYNTAX-Score konnten in diese Studie eingeschlossen werden. Der kombinierte Endpunkt beinhaltete in dieser Studie nur die &bdquo;harten&ldquo; Endpunkte Tod, Insult und Myokardinfarkt, jedoch nicht wiederholte Revaskularisation. In der ebenfalls 2016 publizierten NOBLE-Studie (n = 1201 Patienten) war die Hauptstamm-PCI mit einem DES (vorwiegend mit Biolimus beschichtete Stents, jedoch auch 11 % DES der ersten Generation<sup>8</sup>) w&auml;hrend eines Follow-ups von 5 Jahren der Bypass-OP unterlegen.<sup>7</sup> Der kombinierte Endpunkt von NOBLE setzte sich aus Tod, Myokardinfarkt (nicht periprozedural), Schlaganfall oder wiederholter Revaskularisation zusammen. Die Publikationen der 10-Jahres-Langzeitdaten oben genannter Studien werden noch tiefere Einblicke in den klinischen Verlauf nach Hauptstammrevaskularisation mittels PCI oder Bypass-OP geben. Diese Informationen werden in der Folge dabei helfen, die Therapieempfehlungen in Zukunft weiterzuentwickeln.</p> <h2>Guidelines</h2> <p>In den 2018 ver&ouml;ffentlichten Guidelines f&uuml;r myokardiale Revaskularisation der European Society of Cardiology (ESC) wird empfohlen, den SYNTAX-Score individuell zu berechnen und das Verfahren zu w&auml;hlen, das eine m&ouml;glichst vollst&auml;ndige koronare Revaskularisation sicherstellt.<sup>9</sup> Dabei erhielt die aortokoronare Bypass-Operation bei der Hauptstammstenose &ndash; unabh&auml;ngig vom SYNTAX-Score &ndash; eine Klasse-I-Empfehlung (Level of Evidence [LoE] A). Die PCI wurde in Abh&auml;ngigkeit des SYNTAX- Scores bewertet: Score 0&ndash;22 Punkte: Klasse I (LoE A), Score 23&ndash;32 Punkte: Klasse IIa (LoE A), Score &ge; 33 Punkte: Klasse III (LoE B).</p> <h2>Patientenauswahl</h2> <p>Das f&uuml;r den Patienten beste Verfahren der Revaskularisation soll &ndash; vor allem bei klinisch komplexen F&auml;llen &ndash; in einem Heart-Team interdisziplin&auml;r von interventionell t&auml;tigen Internisten und Herzchirurgen diskutiert werden. Das Ziel ist eine m&ouml;glichst vollst&auml;ndige koronare Revaskularisation. Dabei sollen klinische Patientencharakteristika sowie anatomische und technische Aspekte ber&uuml;cksichtigt werden.<sup>9</sup> So spricht das Vorliegen klinischer Faktoren wie schwerer Begleiterkrankungen, hohen Alters, Gebrechlichkeit, deutlich eingeschr&auml;nkter Lebenserwartung oder Mobilit&auml;t eher f&uuml;r eine interventionelle Sanierung, w&auml;hrend Diabetes mellitus, eine eingeschr&auml;nkte Linksventrikelfunktion unter 35 %, eine Kontraindikation f&uuml;r eine duale Pl&auml;ttchenhemmertherapie oder wiederholte In-Stent-Restenosen in der Anamnese eine Operation favorisieren. Bei einem geringeren Ausma&szlig; der koronaren Mehrgef&auml;&szlig;erkrankung (abgebildet durch einen niedrigen SYNTAX-Score) oder anatomischen Hindernissen wie einer ausgepr&auml;gten Skoliose, Thoraxdeformierungen, Z. n. Radiatio der Brustwand oder einer Porzellanaorta erscheint die interventionelle Revaskularisation sinnvoller. Ist ein zus&auml;tzlicher Eingriff an einer Herzklappe oder an der Aorta ascendens notwendig, die koronare Herzkrankheit st&auml;rker ausgepr&auml;gt (h&ouml;herer SYNTAX-Score) oder sind die Koronarien sehr stark verkalkt, profitieren die Patientinnen und Patienten eher von einer Herz-OP.</p> <h2>Hauptstammregister des Kepler Universit&auml;tsklinikums ausgewertet</h2> <p>Alle Patientinnen und Patienten, die seit dem Jahr 2002 eine ungesch&uuml;tzte Hauptstammintervention mittels DES an der Klinik f&uuml;r Kardiologie des Kepler Universit&auml;tsklinikums erhalten haben, wurden in ein Register eingeschlossen. Die Daten von den bis Ende 2013 behandelten Patienten wurden schon vorl&auml;ufig ausgewertet. Die 256 Patienten, unter denen auch 42 (16,4 %) mit akutem Koronarsyndrom (STEMI oder NSTEMI) waren, wiesen im Schnitt ein Alter von 71 Jahren auf. Etwa ein Drittel war weiblich. Die Stenosen waren zu 67 % im distalen Hauptstamm lokalisiert und wurden in 77 % der F&auml;lle mit einer 1-Stent-Strategie revaskularisiert. Die mediane Follow-up-Zeit betrug 4,2 Jahre (Interquartilenabstand: 2,0&ndash;7,0 Jahre). Bis auf 13 Patienten (5,1 %) konnten alle hinsichtlich klinischer Ereignisse nachverfolgt werden. Zur Beurteilung des Langzeitverlaufes nach ungesch&uuml;tzter Hauptstammintervention wurden sowohl die Mortalit&auml;t als auch ein kombinierter Endpunkt (MACCE) aus Tod jedweder Ursache, Zielgef&auml;&szlig;- oder Ziell&auml;sions- Revaskularisation sowie Myokardinfarkt oder Schlaganfall analysiert. Im Beobachtungszeitraum wurde durchschnittlich eine neuerliche Koronarangiografie durchgef&uuml;hrt. Die H&auml;lfte der Patienten (n = 129; 50,4 %) erreichte den kombinierten Endpunkt, 88 (34,4 %) Patienten verstarben. Mit einer Kaplan-Meier-Analyse konnte hinsichtlich Mortalit&auml;t und des kombinierten Endpunktes im Beobachtungszeitraum kein Unterschied nach Verwendung von DES der ersten oder zweiten Generation festgestellt werden. H&ouml;heres Lebensalter, niedrigere linksventrikul&auml;re Auswurffraktion, eingeschr&auml;nkte Nierenfunktion, Diabetes mellitus oder Vorhofflimmern in der Anamnese sowie ein h&ouml;herer EuroSCORE II waren mit einem schlechteren Outcome im Follow-up assoziiert. Obwohl f&uuml;r diesen Einsatz nicht validiert, zeigte sich nach Adjustierung f&uuml;r klinische Confounder lediglich der logistische EuroSCORE II als unabh&auml;ngiger Pr&auml;diktor einer erh&ouml;hten Langzeit-Mortalit&auml;t und MACCE-Rate in unserer Kohorte (HR 2,24 bzw. HR 1,50 bei Anstieg um eine Terzile, Abb. 2). Der logistische EuroSCORE II wurde prim&auml;r entwickelt, um die 30-Tages-Mortalit&auml;t nach Herzoperationen abzusch&auml;tzen. Dabei flie&szlig;en 18 Variablen (unter anderem Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen, klinischer Zustand, Akuit&auml;t und Art des Eingriffes) in die Kalkulation des Scores mit ein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1905_Weblinks_s13_abb2.jpg" alt="" width="650" height="907" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ragosta M et al.: Prevalence of unfavorable angiographic characteristics for percutaneous intervention in patients with unprotected left main coronary artery disease. Catheter Cardiovasc Interv 2006; 68(3): 357-62 <strong>2</strong> Buszman PE et al.: Left main stenting in comparison with surgical revascularization: 10-year outcomes of the (left main coronary artery stenting) LE MANS trial. JACC Cardiovasc Interv 2016; 9(4): 318-27 <strong>3</strong> Ahn JM et al.: Randomized trial of stents versus bypass surgery for left main coronary artery disease: 5-year outcomes of the PRECOMBAT Study. J Am Coll Cardiol 2015; 65(20): 2198-206 <strong>4</strong> Boudriot E et al.: Randomized comparison of percutaneous coronary intervention with sirolimus-eluting stents versus coronary artery bypass grafting in unprotected left main stem stenosis. J Am Coll Cardiol 2011; 57(5): 538-45 <strong>5</strong> Morice MC et al.: Five-year outcomes in patients with left main disease treated with either percutaneous coronary intervention or coronary artery bypass grafting in the synergy between percutaneous coronary intervention with taxus and cardiac surgery trial. Circulation 2014; 129(23): 2388- 94 <strong>6</strong> Stone GW et al.: Everolimus-eluting stents or bypass surgery for left main coronary artery disease. N Engl J Med 2016; 375(23): 2223-35<strong> 7</strong> Makikallio T et al.: Percutaneous coronary angioplasty versus coronary artery bypass grafting in treatment of unprotected left main stenosis (NOBLE): a prospective, randomised, open-label, noninferiority trial. Lancet 2016; 388(10061): 2743-52 <strong>8</strong> Park DW, Park SJ: Percutaneous coronary intervention of left main disease: pre- and post-EXCEL (evaluation of XIENCE everolimus eluting stent versus coronary artery bypass surgery for effectiveness of left main revascularization) and NOBLE (Nordic-Baltic-British Left Main Revascularization Study) era. Circ Cardiovasc Interv 2017; 10(6): e004792 <strong>9</strong> Neumann FJ et al.: 2018 ESC/EACTS Guidelines on myocardial revascularization. Eur Heart J 2019; 40(2): 87-165</p> </div> </p>
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