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EKT: eine unterschätzte Therapieoption?

Erweiterte Indikationen in der Elektrokonvulsionstherapie

<p class="article-intro">In Budapest fand Anfang November die 12. Jahrestagung des European Forum for Electroconvulsive Therapy (EFFECT) statt. Unter dem diesjährigen Motto „Back to basics – effective clinical practice in ECT“ wurden die neuesten Daten zur EKT diskutiert und Erfahrungen ausgetauscht. Seit der Gründung im November 2005 bringt EFFECT KlinikerInnen und ForscherInnen zusammen, mit dem Ziel, die EKT-Praxis zu verbessern und Strategien zu entwickeln, um gesellschaftliche Stigmata abzubauen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>&bdquo;Who benefits the most?&ldquo;</h2> <p>Eine vorgestellte Metaanalyse aus 34 Artikeln zeigte, dass die EKT besonders wirksam bei PatientInnen mit psychotischen Depressionen sowie bei &auml;lteren Menschen mit Depressionen ist. Das Vorhandensein psychotischer Symptome war ein positiver Pr&auml;diktor f&uuml;r die Remissions- (OR=1,47, p=0,001) und die Responserate (OR=1,69, p&lt;0,001) wie auch ein fortgeschrittenes Alter (SMD=0,26 f&uuml;r Remission und SMD= 0,35 f&uuml;r Response; p&lt;0,001). Der Schweregrad der Depression kann auf ein gutes Ansprechen hinweisen (SMD=0,19; p=0,001), nicht aber auf endg&uuml;ltige Remission. Die Daten zu melancholischen Symptomen waren nicht konklusiv.<sup>1</sup> Psychomotorische Ver&auml;nderungen (Agitation, Verlangsamung) sind ebenfalls Pr&auml;diktoren f&uuml;r gutes Therapieansprechen. Eine l&auml;ngere Dauer der aktuellen depressiven Episode wirkte sich negativ auf die Remission und Response aus. Komorbid vorhandene Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen verringern ein m&ouml;gliches Therapieansprechen, insbesondere die emotional instabile Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung. Ein weiterer pr&auml;diktiver Faktor f&uuml;r gutes Therapieansprechen war die interepisodische Remission im Krankheitsverlauf der affektiven Erkrankung.</p> <h2>EKT bei Verhaltensst&ouml;rungen der Demenz</h2> <p>Die nicht kognitiven Verhaltens- und psychologischen Symptome der Demenz (BPSD), insbesondere die Agitation, z&auml;hlen zu den am st&auml;rksten belastenden Symptomen f&uuml;r PatientInnen, BehandlerInnen und BetreuerInnen. Bis dato hat sich keine Pharmakotherapie f&uuml;r diese Symptomatik als sicher und von &uuml;berzeugender Wirkung bew&auml;hrt.<br /> In der vorgestellten Studie wurden retrospektiv die Sicherheit und Wirksamkeit der EKT bei PatientInnen mit Demenz untersucht, die eine EKT-Serie zur Behandlung der Agitation erhielten. Aggression und Agitation wurden mittels PAS-Score (Pittsburg Agitation Scale) vor und nach der EKT gemessen. 60 &auml;ltere PatientInnen (45 Frauen und 15 M&auml;nner, 75 % Frauen, Durchschnittsalter 77,5 &plusmn;8,0 Jahre) wurden in die Studie einbezogen. Die PatientInnen erhielten vor der EKT-Behandlung mehrere pharmakologische Therapieversuche und zeigten kein ausreichendes Ansprechen (mean 6,1 &plusmn;1,5). Der Baseline- PAS-Score betrug 9,3 &plusmn;3,7 und nahm nach drei (2,5 &plusmn;2,8) und sechs EKT-Behandlungen (1,5 &plusmn;2,3) signifikant ab.<sup>2</sup> Mit Ausnahme der transienten postinterventionellen Verwirrung wurden keine signifikanten Komplikationen im Zusammenhang mit der EKT-Behandlung beobachtet. Zur Reduktion der Agitation konnten durch die EKT-Behandlung zus&auml;tzlich eine Verringerung der Polypharmazie sowie eine Verbesserung des globalen Funktionsniveaus (GAF) der PatientInnen gezeigt werden.</p> <h2>EKT-assoziierte Angst</h2> <p>Obwohl die EKT eine sichere und effektive Behandlungsmethode ist, gibt es aufgrund der EKT-assoziierten Angst bei den PatientInnen negative Auswirkungen auf die Therapieadh&auml;renz. In der Literatur finden sich bis dato nur wenige Anhaltspunkte f&uuml;r das klinische Management der EKTassoziierten Angst.<sup>3</sup> Ein validierter Fragebogen zur Erhebung der EKT-assoziierten Angst war bisher nicht verf&uuml;gbar. Jasmien Obbels (University Psychiatric Center, KU Leuven, Belgien) berichtete &uuml;ber die Entwicklung des &bdquo;ECT-related anxiety questionnaire&ldquo; (ERAQ). Der ERAQ-Fragebogen erhebt die Angst (4 Kategorien, 17 Items) in Bezug auf die EKT in der klinischen Praxis und informiert die BehandlerInnen &uuml;ber die individuellen Aspekte, um gezielte Interventionen zu erm&ouml;glichen. Vorl&auml;ufige Ergebnisse zeigten, dass die EKT-assoziierte Angst sehr individuell ist und sich alleine durch erfolgreiche Behandlungserfahrungen meist nicht reduzieren l&auml;sst. Einzige Ausnahme war die psychotische Depression, hier konnte im Rahmen der Reduktion von psychotischen und depressiven Symptomen auch eine signifikante Abnahme der EKT-assoziierten Angst gezeigt werden.<sup>4</sup><br />Die besten vorl&auml;ufigen Ergebnisse zur gezielten Angstreduktion konnten mit der kontinuierlichen Betreuung durch Bezugspflegepersonen erzielt werden. Hier wurden die PatientInnen vom ersten Tag an von einer ihnen zugeteilten Pflegeperson zu jeder EKT-Behandlung begleitet. Alternativ zeigte auch eine Begleitung durch Angeh&ouml;rige gute Erfolge. Zuk&uuml;nftige Studien sollen erheben, welche Interventionen bei welchen PatientInnen und ihren spezifischen EKT-assoziierten &Auml;ngsten wirken.</p> <h2>EKT bei selbstverletzendem Verhalten und Autismus-Spektrum- St&ouml;rungen</h2> <p>Selbstverletzendes Verhalten (SIB) tritt h&auml;ufig bei Autismus-Spektrum-St&ouml;rungen (ASS) auf und kann zu gef&auml;hrlichen Verletzungen und schwerwiegenden psychosozialen Problemen f&uuml;hren. Der vorgestellte Review untersuchte von 1982 bis 2018 erschienene Literatur zum Thema EKT bei selbstverletzendem Verhalten (SIB), da der erste Fallbericht 1982 ver&ouml;ffentlicht wurde. Es wurden insgesamt elf Berichte gefunden, welche die EKT zur Behandlung von SIB bei autistischen oder intelligenzgeminderten PatientInnen untersuchten. Die untersuchten Fallberichte und deren assoziierte Literatur klassifizierten das SIB entlang des Spektrums der agitierten Katatonie, mit entsprechenden Implikationen f&uuml;r die EKT-Behandlung.<br />Eine zunehmende Anzahl rezenter Fallberichte konnte die schnelle und gut vertr&auml;gliche Besserung von therapieresistentem SIB mit EKT zeigen. Der aktuelle Review bietet einen &Uuml;berblick &uuml;ber die aktuelle Literatur, einschlie&szlig;lich der Konzeptualisierung repetitiver Selbstverletzungen entlang des Katatonie-Spektrums. Selbstverletzungen bleiben eine bedeutende Herausforderung bei ASS, insbesondere wenn die PatientInnen nicht angemessen auf verhaltensbezogene und psychopharmakologische Behandlungen ansprechen. Die EKT ist auch in dieser Indikation eine sichere und wirksame Behandlung und kann eine deutliche Senkung des SIB bei ASS und deren agitierter Katatonie bewirken.<sup>5</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Neuro_2006_Weblinks_jatros_neuro_1906_s22_tab1_carlberg.jpg" alt="" width="550" height="283" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Neuro_2006_Weblinks_jatros_neuro_1906_s23_tab2_carlberg.jpg" alt="" width="550" height="397" /></p> <p><br /> <em>Medial eingesetzte Video-Edukation f&uuml;r PatientInnen zum Abbau der Stigmata: https://youtu.be/NeBzTr05hC0 (Englisch) https://ed.ted.com/lessons/the-truth-aboutelectroconvulsive- therapy-ect-helen-m-farrell (Englisch mit deutschen Untertiteln)</em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 12<sup>th</sup> Annual Meeting of the European Forum for Electroconvulsive Therapy, 8.–9. November 2019, Budapest </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> van Diermen et al.: Prediction of electroconvulsive therapy response and remission in major depression: metaanalysis. Br J Psychiatry 2018; 212(5): 322<strong> 2</strong> Hermida AP et al.: Efficacy and safety of ECT for behavioral and psychological symptoms of dementia (BPSD): a retrospective chart review. Am J Geriatr Psychiatry 2019; doi: 10.1016/j. jagp.2019.09.008 [Epub ahead of print] <strong>3</strong> Obbels J et al.: ECT-related anxiety: a systematic review. ECT 2017; 33(4): 229-36 <strong>4</strong> Obbels J et al.: Monitoring ECT-related anxiety: the ECT-related anxiety questionnaire (ERAQ). Brain Stimulation 2019; 12(2): 424 <strong>5</strong> Wachtel LE et al.: Electroconvulsive therapy for self-injurious behaviour in autism spectrum disorders: recognizing catatonia is key. Curr Opin Psychiatry 2018; 31(2): 116-22</p> </div> </p>
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