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Chirurgische Heilung prolapsassoziierter Symptome der über- und unteraktiven Blase

<p class="article-intro">In den aktuellen Publikationen zu über- und unteraktiver Blase wird die Pathophysiologie dieser die Lebensqualität stark beeinträchtigenden Erkrankung vor allem in Veränderungen der Blase und der Harnröhre selber gesehen, also myogenen, urothelialen, urethrogenen, supraspinalen Veränderungen bzw. pathophysiologischen Kofaktoren wie metabolischen, affektiven, Hormon-Veränderungen und anderen eher hypothetischen Mutmassungen.<sup>1–3</sup> Es wird behauptet, dass diese Erkrankungen nicht heilbar seien, sodass nur palliative Therapien wie medikamentöse Behandlungen zum Einsatz kommen, die mit Nebenwirkungen belastet sind und hohe Abbruchraten aufweisen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Symptome wie Pollakisurie, Harndrangbeschwerden, Dranginkontinenz und Nykturie sind nicht nur typische Symptome der &uuml;beraktiven Blase (&Uuml;AB), sondern bei Frauen auch typische Symptome prolapsinduzierter Beschwerden. Symptome wie verz&ouml;gerter Miktionsbeginn, Stoppen und Starten, abgeschw&auml;chter Harnstrahl, Restharngef&uuml;hl und Restharn sind definitionsgem&auml;ss Symptome der unteraktiven Blase (UAB), aber ebenfalls Symptome prolapsinduzierter Blasenentleerungsst&ouml;rungen. Es ist Ziel dieser Arbeit, darauf hinzuweisen, dass sowohl Symptome der &uuml;berals auch der unteraktiven Blase h&auml;ufig bei Frauen mit vaginalem Prolaps bestehen und beide Symptomkomplexe chirurgisch geheilt werden k&ouml;nnen.</p> <h2>H&auml;ufigkeit vor und nach netzgest&uuml;tzter Prolapskorrektur</h2> <p>Zur Beantwortung der Frage, wie h&auml;ufig Symptome von &Uuml;AB und UAB bei Frauen auftreten und ob diese Symptome chirurgisch heilbar sind, analysierten wir die Daten der sogenannten Propelstudie (prospektive Multicenterstudie; 10 US- und 6 EUZentren, Einsatz von Elevate anterior/apikal und Elevate posterior/apikal, registriert unter ClinicalTrials.gov: NCT 00638235). 277 Frauen mit 2.&ndash;4.-gradigem Prolaps wurden operiert und mit PFDI-Fragen pr&auml;- und bis zu 24 Monaten postoperativ beobachtet.<br /> Tabelle 1 zeigt die Verteilung der Beschwerdegrade von Pollakisurie, Harndrang,</p> <p>Harndranginkontinenz und Nykturie in Assoziation zum Symptom schwacher Harnstrahl/verz&ouml;gerte Miktion. 79&ndash;82 % aller Frauen wiesen Beschwerden unterschiedlicher Schweregrade auf, wobei eine signifkante Assoziation von Symptomen der &Uuml;AB und UAB nachgewiesen wurde.<br /> Tabelle 2 zeigt die H&auml;ufigkeiten 12 Monate postoperativ. Nur noch 47&ndash;37 % der Frauen beklagten unterschiedliche Beschwerden, d. h. viele Frauen wurden geheilt. Genauere Analysen haben gezeigt, dass vor allem hochgradige Beschwerden in hohen Prozents&auml;tzen heilbar sind<sup>6, 7</sup> und dass die Symptomheilungen &uuml;ber den gesamten Beobachtunszeitraum von 2 Jahren anhielten. Sowohl Symptome von UAB und &Uuml;AB traten bei Frauen mit anteriorem, posteriorem und apikalem Descensus unterschiedlicher Stadien auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Uro_1902_Weblinks_s13_tab1.jpg" alt="" width="650" height="843" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Leading Opinions_Uro_1902_Weblinks_s13_tab2.jpg" alt="" width="650" height="741" /></p> <h2>Pathophysiologie der Entstehung von &Uuml;AB-Symptomen bei vaginalem Prolaps</h2> <p>Normalerweise ziehen 3 Muskelgruppen (M. pubococcygeus nach ventral, Levatorplatte nach dorsal und longitudinaler Muskel des Anus nach kaudal) gegen st&uuml;tzende Ligamente, sodass die Vagina gedehnt und der Blasenboden gest&uuml;tzt wird. Bei lockeren Ligamenten sind die Muskelkr&auml;fte geschw&auml;cht und es kommt zum vaginalen Prolaps. Bei fehlender gestraffter vorderer Vaginalwand k&ouml;nnen die Dehnungsrezeptoren am Blasenboden bereits bei geringer Blasenf&uuml;llung gereizt werden. Dies wird vom Gehirn &uuml;ber afferente Bahnen als volle Blase interpretiert, sodass der Miktionsreflex vorzeitig aktiviert wird.<sup>4, 5, 7</sup></p> <h2>Pathophysiologie der Entstehung von UAB-Symptomen</h2> <p>Bei einer normalen Miktion ziehen die hinteren Muskelgrupen des Blasenbodens den Blasenhals und die proximale Urethra nach dorsal und kaudal, wodurch sie ge&ouml;ffnet werden. Zus&auml;tzlich kommt es zur Erschlaffung des M. pubococcygeus und des Rhabdosphincters und zur Kontraktion des Detrusors. Bei vaginalem Prolaps sind die st&uuml;tzenden Ligamente gelockert, wodurch die hinteren Muskelgruppen in ihrer Aktion w&auml;hrend Miktion geschw&auml;cht werden k&ouml;nnen, sodass der Blasenauslass nicht ausreichend ge&ouml;ffnet wird, was zur obstruktiven Miktion f&uuml;hrt.<sup>4</sup><br /> Diese Mechanismen erkl&auml;ren, warum Prolapszust&auml;nde im anterioren, apikalen und posterioren Kompartment unterschiedlicher Schweregrade Symptome von &uuml;ber- und auch unteraktiver Blase verursachen k&ouml;nnen.</p> <div id="fazit"><h2>Fazit</h2> <p>Symptome von unter- und &uuml;beraktiver Blase treten bei Frauem mit vaginalem Prolaps h&auml;ufig auf und sind zu hohen Prozents&auml;tzen durch ad&auml;quate Prolapskorrektur langfristig heilbar. Hohe Abbruchraten der Medikamente zur Behandlung dieser Symptome1 deuten auf teils erhebliche Nebenwirkungen oder teils nicht ausreichende Wirksamkeit dieser Medikamente hin. Frauen mit Symptomen &uuml;ber- und unteraktiver Blase sollten auf einen verursachenden vaginalen Prolaps untersucht werden, um die Frauen bez&uuml;glich der chirurgischen Heilungsm&ouml;glichkeit beraten zu k&ouml;nnen.<sup>5&ndash;8</sup></p></p></div> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Peyronnet B et al.: A comprehensive review of overactive bladder pahophysiology: on the way to tailored treatment. Eur Urol 2019; 5: 988-1000 <strong>2</strong> Chapple CR et al.: The underactive bladder: a new clinical experience of underactive bladder. Eur Urol 2015; 68: 351-3 <strong>3</strong> Uren AD et al.: Qualitative exploration of the patient experience of underactive bladder. Eur Urol 2017; 72: 402-7 <strong>4</strong> Liedl B et al.: Update of the integral theory and system for management of pelvic floor dysfunction in females. Eur Urol Suppl 2018: 17(3) 100-8; doi.org/10.1016/j.eursup.2017.01.001 <strong>5</strong> Liedl B et al.: Overactive bladder symptoms can be caused by pelvic organ prolapse. Eur Urol 2019 (accepted for publication) <strong>6</strong> Liedl B et al.: Current treatment of pelvic organ prolapse correlated with chronic pelvic pain, bladder and bowel dysfunction. Curr Opin Urol 2017; 27 (3): 274-81<strong> 7</strong> Liedl B et al.: Can surgical reconstruction of vaginal and ligamentous laxity cure overactive bladder symptoms in women with pelvic organ prolapse? BJU Int 2019; 123(3): 493-510 <strong>8</strong> Liedl B et al.: Cure of underactive and overactive bladder symptoms in women by 1671 apical sling operations gives fresh insights into pathogenesis and need for definition change. Urol Int 2019; 1-7. doi.org/10.1159/000500329</p> </div> </p>
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