<p class="article-intro">Die Prävalenz der benignen Prostatahyperplasie (BPH) und der unteren Harntraktsymptome (LUTS) steigt mit zunehmendem Alter der Patienten. Die Pathophysiologie von BPH/LUTS ist multifaktoriell und bis heute nicht komplett verstanden. Der folgende Beitrag gibt einen Überblick.</p>
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<p class="article-content"><div class="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <span style="text-decoration: underline;">Epidemiologie:</span> <ul> <li>etabliert, Demografie</li> </ul> <span style="text-decoration: underline;">Pathogenese von BPH/BPE:</span> <ul> <li>weitgehend ungeklärt</li> <li>Rolle des metabolischen Syndroms und der Inflammation</li> </ul> <span style="text-decoration: underline;">Pathogenese von LUTS:</span> <ul> <li>multifaktoriell</li> <li>uneinheitliches urodynamisches Muster</li> <li>differenziertere Abklärung (vor allem vor invasiven Eingriffen)</li> <li>Management (hoch-)betagter Patienten</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie</h2> <p>Histologische Veränderungen im Sinne einer benignen Prostatahyperplasie (BPH) treten erstmals um das 30. Lebensjahr auf. Ab dem 50. Lebensjahr weist etwa jeder zweite Mann eine klinisch vergrößerte Prostata (BPE, „benign prostatic enlargement“) auf und ab dem 50. Lebensjahr nehmen auch die unteren Harntraktsymptome (LUTS) zu. Mit zunehmendem Lebensalter steigt die Prävalenz von BPH/BPE/LUTS nahezu kontinuierlich an. Jenseits des 60. Lebensjahres haben etwa 30 % der Männer moderate bis ausgeprägte – und damit potenziell behandlungswürdige – LUTS, d.h. einen IPSS >7. Bedingt durch den demografischen Wandel wird die Zahl der betroffenen Männer (in Österreich derzeit 300 000) in den nächsten zwei Dekaden auf über eine halbe Million ansteigen. LUTS sind sehr heterogen und bestehen aus Symptomen der Harnspeicher- und Entleerungsphase sowie der Postmiktionsphase.</p> <h2>Pathophysiologie BPH/BPE</h2> <p>Die Pathogenese von BPH/BPE wird nach wie vor nur inkomplett verstanden. Aus meiner Sicht konnten diesbezüglich in den letzten Jahren keine relevanten Fortschritte erzielt werden. Die seit Jahrzehnten bekannten und etablierten Risikofaktoren sind das Alter und ein funktionierender Testosteronhaushalt. Warum manche Männer eine 40gr-, andere aber eine 150gr-Prostata entwickeln, ist nach wie vor unklar. Die Pathogenese wird heute als ein komplexes Zusammenspiel extrinsischer (Hormone, Neurotransmitter, immunologische Faktoren, Umwelteinflüsse, Ernährung), genetischer und intrinsischer (Epithel-Stroma-Interaktion) Faktoren verstanden. Rezente Metaanalysen zu Kandidatengenen konnten nur eine Handvoll von Genloci/Polymorphismen (u.a. für den Vitamin-D-Rezeptor) identifizieren, die möglicherweise eine gewisse Rolle spielen. Es existieren eine Reihe von Untersuchungen und systematische Reviews, die einen Zusammenhang zwischen dem metabolischen Syndrom und verschiedenen Parametern von BPH/BPE/LUTS nachweisen. In den meisten Studien haben Männer mit einem metabolischen Syndrom eine etwas größere Prostata (Differenz: 6–10ml) und weisen ein klinisch fortgeschritteneres Stadium auf. Der diesen Unterschieden zugrunde liegende Pathomechanismus ist weitgehend ungeklärt, möglicherweise spielt die intraprostatische Inflammation eine Rolle. Für diese Hypothese spricht auch eine rezente Post-hoc-Analyse des Placeboarms der REDUCE-Studie. In diese große Prostatakarzinom- Präventionsstudie wurden im Placeboarm über 4000 Männer inkludiert und für insgesamt 4 Jahre nachkontrolliert. Bei allen Männern lag zu Studieneintritt eine (negative) Prostatabiopsie vor. In der angesprochenen Analyse wurde nun das Vorhandensein einer Entzündung in der Prostatabiopsie in Bezug zum klinischen Verlauf über die vier Jahre Studiendauer gesetzt. Dabei zeigte sich, dass Männer, die zu Studieneintritt Zeichen einer Entzündung aufwiesen, im Vergleich zu jenen ohne Entzündung ein 2-fach erhöhtes Risiko haben, in den nächsten 4 Jahren eine Harnretention zu erfahren oder eine Prostataoperation zu benötigen.<br /> Insgesamt wird die Pathogenese von BPH/BPE nach wie vor inkomplett verstanden. Dieser Umstand erklärt auch die Tatsache, dass in den letzten 15 Jahren (bis auf die PDE-5-Inhibitoren, deren klinische Effizienz jedoch als limitiert angesehen werden muss) keine neue Präparate- Gruppe eingeführt wurde.</p> <h2>Pathophysiologie von LUTS</h2> <p>In Analogie zu BPH/BPE wird heute die Pathophysiologie von LUTS als multifaktorielles Geschehen interpretiert, welches selten auf nur einen Pathomechanismus reduziert werden kann. In einem Review von Soler et al. in „European Urology“ von 2013 wurden folgende Kofaktoren genannt: BPH/BPE, a1-Rezeptor- Aktivität, Überaktivität des autonomen Nervensystems, erhöhte afferente Aktivität, Veränderungen im Acetylcholin-Rezeptor- Status, Fibrose im Detrusor, ß3- Adrenorezeptor-Status, Rolle des Interstitiums, Ischämie (Arteriosklerose der Beckengefäße), erhöhte Rho-Kinase- Aktivität und eine Inflammation.<br /> Die Aufgabe einer sorgfältigen Diagnostik ist es, die den LUTS zugrunde liegende Pathophysiologie zu identifizieren und dementsprechend zu therapieren. LUTS können durch eine Reihe von Faktoren wie Obstruktion, Detrusorüberaktivität, Detrusorunterfunktion, nächtlicher Polyurie, chronischem Beckenschmerzsyndrom, neurogener Blasendysfunktion, Harnwegsinfektion, Fremdkörper, Harnröhrenstriktur, Blasentumor, distalem Ureterstein u.v.m. verursacht sein (siehe EAU Guidelines on non-neurogenic LUTS, www.eau.org). Der bei Weitem häufigste urodynamische Befund bei älteren Männern mit LUTS ist NICHT die Obstruktion, sondern die Detrusorüberaktivität: Je älter der Mann, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Obstruktion, bei den über 80-jährigen Männern ist dies nur mehr bei etwa 20 % der Fall; viel häufiger sind Detrusorüberaktivität und Detrusorunteraktivität.<br /> Eine einfache und nicht invasive Methode, mehr über die Pathogenese von LUTS zu erfahren, ist ein Miktionsprotokoll, welches für 2–3 repräsentative Tage durchgeführt werden sollte. Während die EAU-Leitlinie ein Miktionsprotokoll nur bei Patienten mit dominanten Symptomen der Harnspeicherphase fordern, geht die britische NICE-Leitlinie weiter und fordert bei JEDEM Patienten, der wegen LUTS abgeklärt wird, ein solches Protokoll. Eine populationsbasierte Untersuchung aus Frankreich konnte zeigen, dass 5 Jahre nach TURP etwa 40 % der Männer (wieder) BPH- und LUTS-Medikamente verschrieben bekommen. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer tiefergehenden Abklärung als die, die bis dato üblich ist. Ein diesbezüglich seit über 20 Jahren kontroversiell diskutiertes Thema ist die Rolle einer Urodynamik. Eine rezente Metaanalyse auf der Basis von 19 Studien mit insgesamt 2300 Patienten konnte zeigen, dass Männer mit einer urodynamisch nachgewiesenen Obstruktion deutlicher von einer invasiven Therapie (in der Regel eine TURP) profitierten als jene ohne Obstruktion. Die beobachtete Differenz war allerdings nicht berauschend: etwa 4,5 Punkte im IPSS und 4ml/sec im Q<sub>max</sub>. Ähnliche Metaanalysen liegen für Männer mit/ohne Detrusorunterfunktion vor. Proponenten für einen routinemäßigen Einsatz mag diese (statistisch signifikante) Differenz überzeugen, Gegner werden argumentieren, dass diese Differenz Kosten und Aufwand einer Routine-Urodynamik vor invasiver Therapie nicht rechtfertigt. An dieser Stelle sei auf die z.B. in den EAU-Leitlinien erarbeiteten Indikationen zur Urodynamik vor invasiver Therapie verwiesen. In diesem Zusammenhang wäre ein einfaches Screening-Tool von klinischer Relevanz. Mit dem „penile cuff test“ scheint nun erstmals eine solche Screening- Methode zur Verfügung zu stehen. Mehrere Publikationen konnten konsistent den sehr hohen negativen prädiktiven Wert in der Höhe von 95 % nachweisen: D.h., ist der „penile cuff test“ negativ, so besteht mit sehr großer Wahrscheinlichkeit keine infravesikale Obstruktion; der positive prädiktive Wert beträgt allerdings nur etwa 50 % . Der „penile cuff test“ dauert nur etwa 5–6 Minuten und ist für den Patienten wenig belastend. Ein alternativer Zugang ist der Einsatz von Nomogrammen, um eine infravesikale Obstruktion nicht invasiv vorherzusagen. In Zukunft werden diese Nomogramme möglicherweise z.B. durch die Blasenwanddicke, die intravesikale prostatische Protrusion (IPP = Mittellappen) oder eben den „penile cuff test“ ergänzt bzw. erweitert. Zum Abschluss möchte ich noch kurz auf die immer wichtiger werdende Problematik eines sorgfältigen geriatrischen Assessments von betagten/ hochbetagten Patienten vor invasiver Therapie eingehen. Eine rezente französische Studie konnte zum Beispiel zeigen, dass mittels eines einfachen geriatrischen Assessments die Komplikations- und Erfolgsrate vorhergesagt werden kann.</p></p>
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