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Zucker schädigt die Gefäße – bei Kranken und Gesunden

Bei Diabetes auf Herz-Kreislauf- Erkrankungen achten

<p class="article-intro">Die Präsidentinnen der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG) und der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft (ÖKG) weisen gemeinsam auf den engen Zusammenhang zwischen Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin. Jeder, der an einer der beiden Erkrankungen leidet, sollte auch sein persönliches Risiko für die jeweils andere beachten und beobachten. In der Früherkennung ist hier das Engagement der Allgemeinmediziner von besonderer Bedeutung.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Ist das Herz betroffen, ist der Alltag betroffen</h2> <p>Diabetes allein ist bereits eine Krankheit mit hohen organisatorischen Anforderungen. Betroffene m&uuml;ssen zumeist mehrmals t&auml;glich Blutzucker messen, ihre Ern&auml;hrung auf die Behandlung abstimmen und ausreichend Bewegung in ihren Alltag einbauen. Eine zweite Diagnose erh&ouml;ht den Stress und ist auch psychisch belastend, wie Wolfgang Frick von den Aktiven Diabetikern Austria aus eigener Erfahrung zu berichten wei&szlig;: &bdquo;Im Jahr 2003 wurde bei mir Diabetes Typ 2 diagnostiziert. Ursachen waren starkes &Uuml;bergewicht, Bewegungsmangel und berufsbedingter Stress. Durch eine Lebensstil&auml;nderung konnte ich mein Gewicht deutlich reduzieren und damit meine Blutwerte auf ein sehr gutes Niveau senken, aber 2006 hatte ich meinen ersten leichten Herzinfarkt. Ich erhielt einen Herzschrittmacher und war so weit wieder fit. Allerdings hat sich langsam, aber sukzessive mein HbA<sub>1c</sub>-Wert aufgrund von zu wenig intensiver Bewegung wieder verschlechtert. 2015 hatte ich dann meinen zweiten Herzinfarkt und bei der Behandlung wurde zus&auml;tzlich eine Herzmuskelschw&auml;che diagnostiziert. Meine k&ouml;rperliche Leistungsf&auml;higkeit war zu diesem Zeitpunkt, salopp formuliert, im Keller. Ich konnte mit gr&ouml;&szlig;ter M&uuml;he gerade noch zwei Stockwerke bew&auml;ltigen und nicht mehr als vier Kilometer gehen. Damit war es f&uuml;r mich auch unm&ouml;glich geworden, meinen Beruf als selbstst&auml;ndiger Bautechniker auszu&uuml;ben. Das alles hatte dann eine psychische Krise zur Folge. Ich musste mit all den Lebenseinschr&auml;nkungen erst zurechtkommen. Heute bin ich damit im Reinen, aber es war eine harte Zeit.&ldquo;</p> <h2>Besonderes Bewusstsein f&uuml;r die Herzgesundheit</h2> <p>&bdquo;Bei Menschen mit Diabetes ist auf die Herzgesundheit ein besonderes Augenmerk zu legen&ldquo;, berichtet Univ.-Prof. Dr. Alexandra Kautzky-Willer von der Univ.-Klinik f&uuml;r Innere Medizin III, Abteilung f&uuml;r Endokrinologie und Stoffwechsel, an der MedUni Wien und Pr&auml;sidentin der &Ouml;sterreichischen Diabetes Gesellschaft. &bdquo;Die Betroffenen selbst haben oft mehr Angst vor anderen m&ouml;glichen Folgeerkrankungen des Diabetes, die augenscheinlicher sind, wie Amputationen, Erblindung oder Nierenversagen. Deutlich h&auml;ufiger folgen aber Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems auf einen nicht erkannten oder nicht optimal behandelten Diabetes. Obwohl neue Untersuchungen zeigen, dass aufgrund der besseren Behandlung die Sterblichkeit an Herz- Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetes im letzten Jahrzehnt sogar st&auml;rker r&uuml;ckl&auml;ufig war als bei Nichtdiabetikern, stirbt noch immer ungef&auml;hr die H&auml;lfte der Menschen mit Diabetes an Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzschw&auml;che, Rhythmusst&ouml;rungen oder anderen Gef&auml;&szlig;komplikationen. Auff&auml;llig ist dabei auch, dass gerade Frauen und junge Menschen mit Diabetes weniger profitiert haben.&ldquo;<br /> Die Pr&auml;sidentin der &Ouml;sterreichischen Kardiologischen Gesellschaft (&Ouml;KG), Prim. Univ.-Prof. Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer von der 5. Medizinischen Abteilung im Sozialmedizinischen Zentrum S&uuml;d &ndash; Kaiser-Franz-Josef-Spital, erg&auml;nzt: &bdquo;34 000 &Ouml;sterreicherinnen und &Ouml;sterreicher erleiden pro Jahr einen Herzinfarkt. Jeder vierte Patient mit einem Herzinfarkt hat Diabetes. Viele wissen es vorher noch gar nicht und erfahren es im Zuge der Behandlung in der Kardiologie. Bei Patienten mit einer koronaren Herzkrankheit liegt die Wahrscheinlichkeit, eine Diabeteserkrankung zu bekommen, bei &uuml;ber 60 Prozent.&ldquo;</p> <h2>Diabetes und Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gehen Hand in Hand</h2> <p>Der Begriff Herz-Kreislauf-Erkrankungen umfasst viele verschiedene Erkrankungen, die das Herz und die Blutgef&auml;&szlig;e betreffen: Am bekanntesten ist der Herzinfarkt, aber auch die Herzschw&auml;che oder die sogenannte koronare Herzkrankheit, bei der Blutgef&auml;&szlig;e beeintr&auml;chtigt sind, die den Herzmuskel mit Sauerstoff versorgen, z&auml;hlen dazu. Weitere Gef&auml;&szlig;krankheiten sind der Schlaganfall im Gehirn und die periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK) vor allem in den Beinen. Ein chronisch hoher Blutzucker beg&uuml;nstigt die Arteriosklerose (Gef&auml;&szlig;verkalkung), die Ursache all dieser Erkrankungen. Zum Beispiel ist bei M&auml;nnern mit Diabetes das Herzinfarktrisiko um das Zwei- bis Dreifache h&ouml;her als bei gesunden M&auml;nnern und bei Frauen mit Diabetes sogar um bis zum Vierfachen.</p> <h2>Zucker schadet den Gef&auml;&szlig;en &ndash; direkt und indirekt</h2> <p>Ein Zuviel an Zucker ist Gift f&uuml;r die Gef&auml;&szlig;e. Sch&auml;digungen der Gef&auml;&szlig;e werden beim gesunden Menschen durch Reparaturmechanismen im Lauf der Zeit ausgeglichen. Durch einen &Uuml;berschuss an Zucker im Blut verringert sich diese Regenerationsf&auml;higkeit der Gef&auml;&szlig;w&auml;nde um etwa 80 Prozent. Dadurch f&ouml;rdert Diabetes, weil bei dieser Krankheit der Zucker im Blut gar nicht oder nicht schnell genug abgebaut wird, direkt die Gef&auml;&szlig;verkalkung. Zus&auml;tzlich haben Menschen mit Typ-2-Diabetes sehr h&auml;ufig weitere Risikofaktoren f&uuml;r Gef&auml;&szlig;verkalkungen. Dazu z&auml;hlen vor allem schlechte Blutfettwerte und erh&ouml;hter Blutdruck sowie Fettleber und vor allem bauchbetontes &Uuml;bergewicht. Auch das obstruktive Schlafapnoe-Syndrom, an dem viele Menschen mit Diabetes leiden, beg&uuml;nstigt einen Herzinfarkt. Typisch daf&uuml;r sind lautes, unregelm&auml;&szlig;iges Schnarchen, Atemaussetzer und starke Tagesm&uuml;digkeit. Rauchen ist ebenfalls ein wichtiger Risikofaktor f&uuml;r einen Herzinfarkt und gleichzeitig f&uuml;r Diabetes.</p> <h2>Herzinfarkt wird bei Diabetes oft erst versp&auml;tet erkannt</h2> <p>Der Herzmuskel wird von den sogenannten Koronararterien mit Blut versorgt. Sie umfassen den Herzmuskel wie ein Kranz. Wenn sich in einer der Koronararterien ein Gef&auml;&szlig;verschluss ereignet, wird dieser Teil des Herzens nicht mehr mit Blut versorgt. Wird diese Durchblutung nicht rasch wiederhergestellt, stirbt das betroffene Herzmuskelgewebe ab. Das bezeichnet man als Herzinfarkt. &bdquo;Gerade bei Frauen mit Diabetes sind vor der Menopause auch Herzerkrankungen ohne nachweisbaren Gef&auml;&szlig;verschluss h&auml;ufig, aufgrund von Durchblutungsst&ouml;rungen der kleinsten Gef&auml;&szlig;e und Gef&auml;&szlig;verkrampfungen&ldquo; erg&auml;nzt Kautzky-Willer. &bdquo;Insgesamt ist jedenfalls das relative Risiko, nach einem Herzinfarkt zu sterben, bei Frauen mit Diabetes h&ouml;her als bei M&auml;nnern mit Diabetes.&ldquo; Bei Menschen mit Diabetes, die einen Herzinfarkt bekommen, fehlen oft infarkttypische Warnzeichen. Sie erkennen nicht, dass sie gerade einen Herzinfarkt erleiden. Ein chronisch hoher Blutzucker f&uuml;hrt n&auml;mlich auch zu St&ouml;rungen des Nervensystems. Symptome wie die heftigen Brustschmerzen, die entscheidend sind, um die lebensbedrohliche Situation eines Herzinfarkts richtig einzusch&auml;tzen, werden nicht wahrgenommen. So werden notfallmedizinische Ma&szlig;nahmen oft versp&auml;tet eingesetzt.</p> <h2>Konsequente Diabetesbehandung minimiert das Infarktrisiko</h2> <p>Das Risiko f&uuml;r einen Herzinfarkt bei Diabetes mellitus kann durch eine optimale medikament&ouml;se Behandlung des Diabetes gesenkt werden. Wichtig ist, dass gleichzeitig auch alle anderen Risikofaktoren Beachtung finden. Dies erfordert eine &Auml;nderung des Lebensstils, also gesunde Ern&auml;hrung, Rauchstopp, Gewichtsreduktion bei &Uuml;bergewicht und t&auml;gliche Bewegung. &bdquo;Die gute Nachricht: Eine aktuelle Untersuchung aus Schweden beweist, dass bei Typ-2-Diabetes das erh&ouml;hte Risiko f&uuml;r Herzinfarkt und Schlaganfall und die erh&ouml;hte Sterblichkeit verschwinden, wenn f&uuml;nf wichtige Risikofaktoren (HbA<sub>1c</sub> als Ma&szlig; f&uuml;r die Stoffwechseleinstellung, LDLCholesterin, Eiwei&szlig;ausscheidung im Harn, Rauchen und Blutdruck) im Zielbereich liegen&ldquo;, betont Kautzky-Willer.</p> <h2>Anzeichen f&uuml;r weitere Erkrankungen beobachten</h2> <p>&bdquo;In der Kardiologie konnten wir gro&szlig;e Fortschritte bei der Therapie von Herz- Kreislauf-Erkrankungen erreichen. Beispiele daf&uuml;r sind die Weiterentwicklungen bei Stents und Byp&auml;ssen. Aber auch die medikament&ouml;se Therapie des Diabetes hat gro&szlig;en positiven Einfluss auf kardiologische Erkrankungen&ldquo;, so Podczeck-Schweighofer. Sie appelliert an die Allgemeinmediziner: &bdquo;Die wichtigste Schnittstelle in der Fr&uuml;herkennung sind die Haus&auml;rztinnen und Haus&auml;rzte: Wenn diese Vorsorgeuntersuchungen proaktiv anbieten, ist viel gewonnen, denn die Fr&uuml;herkennung von Diabetes hilft entscheidend bei der Erhaltung der Gef&auml;&szlig;e. Menschen mit Diabetes, aber ebenso Menschen mit einer Herzkrankheit sollten die Risikofaktoren f&uuml;r die jeweils andere Erkrankung &uuml;berpr&uuml;fen lassen.&ldquo;<br /> Kautzky-Willer erg&auml;nzt: &bdquo;Neue Lipidsenker, Blutverd&uuml;nnungsmittel und Blutdruckmedikamente und aktuell auch innovative Diabetesmedikamente, die zus&auml;tzlich zur Blutzuckersenkung auch das Herz- Kreislauf-Risiko vermindern, tragen zur besseren Lebensqualit&auml;t und Abnahme der Sterblichkeit bei; neue internationale Konsensus- Empfehlungen f&uuml;r die Behandlung des Typ-2-Diabetes stellen die Besonderheit in der Behandlung von Hochrisikopatienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen ins Zentrum.&ldquo; Sie betont abschlie&szlig;end: &bdquo;Schon im Vorstadium des Diabetes Typ 2 mit Erh&ouml;hung des N&uuml;chternblutzuckers oder &uuml;berh&ouml;htem Anstieg des Blutzuckers nach Nahrungsaufnahme kommt es zu Sch&auml;digungen der Gef&auml;&szlig;e. Darum sollten alle Menschen und vor allem jene mit einem erkannten Diabetes an ihre Herzgesundheit denken!&ldquo;</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Presseaussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft, 29. Oktober 2018, Wien </p>
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