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Chlorid – das vergessene Anion
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Thomas Fehr
Kantonsspital<br> Graubünden, Chur
30
Min. Lesezeit
01.11.2018
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<p class="article-content"><h2>Liebe Leserin, lieber Leser</h2> <p>Seit vielen Jahren herrscht vor allem in der Intensiv- und Notfallmedizin eine Debatte um die Frage, welche Infusionslösungen für den Volumenersatz bei kritisch kranken Patienten verwendet werden soll. Dabei dreht sich die Kontroverse vorwiegend um das Auftreten von renalen Endpunkten (Tod, Dialysepflichtigkeit, Auftreten von akutem Nierenversagen AKIN 2 oder 3 sowie persistierende chronische Niereninsuffizienz). <br />Im ersten Teil der Debatte ging es um die Verwendung von kolloiden versus kristalloiden Lösungen – speziell um den in der Intensivmedizin oft verwendeten Volumenexpander Hydroxyethylstärke (HAES). Diese Substanz ist ursächlich verantwortlich für eine Form des akuten Nierenversagens, welche mit der histologischen Läsion der «osmotischen Nephrose» einhergeht. Da bei Patienten mit Sepsis und/oder Schock und akutem Nierenversagen eher selten eine Nierenbiopsie vorgenommen wird, hat es Jahre gedauert, bis diese spezielle Entität erkannt und mit der Verwendung von HAES definitiv assoziiert werden konnte. Die Verwendung von HAES als Standard im Volumenersatz ist seither aus den Guidelines verschwunden und inzwischen sogar kontraindiziert. <br />Aktuell dreht sich die Diskussion um die Verwendung von kristalloiden Lösungen mit unterschiedlicher Elektrolytzusammensetzung, welche sich speziell im Chloridgehalt stark unterscheiden. Die sogenannte «physiologische» Kochsalzlösung (NaCl 0,9 % ) ist so gesehen alles andere als physiologisch, da die Osmolarität ca. 308mosm/l beträgt und sowohl die Natrium- als auch vor allem die Chloridkonzentration (je 154mmol/l) weit über den physiologischen Werten liegen. Im Gegensatz dazu enthalten die sogenannten «balancierten» Lösungen (wie z.B. Ringerlactat) viel physiologischere Kochsalzkonzentrationen. Die Infusion von hohen Mengen an Chlorid führt zu einem Anstieg der Serum-Chloridkonzentration und gleichzeitig zu einem Abfall von Bicarbonat, dem zweitwichtigsten Anion im Extrazellulärraum. Es entsteht also eine hyperchlorämische metabolische Azidose. Inwiefern diese iatrogen induzierte Elektrolytverschiebung von klinischer Bedeutung ist, wurde nun kürzlich in zwei vielbeachteten Studien bei kritisch kranken Patienten auf der Intensivpflegestation und bei nicht kritisch kranken Patienten auf der Notfallstation, welche einen Volumenersatz benötigt haben, untersucht. Lesen Sie in dieser Ausgabe von LEADING OPINIONS Innere Medizin mehr darüber! Als kurzes Fazit: In beiden Studien war die Gabe von balancierten Lösungen der Verwendung von NaCl 0,9 % bezüglich harter renaler Endpunkte signifikant überlegen. Ob dabei die hohen Chloridkonzentrationen pathophysiologisch entscheidend sind oder die metabolische Azidose, lässt sich mit diesen Studien nicht beantworten. Für den klinischen Alltag ist jedoch klar: Je «physiologischer» die Intervention beim Volumenersatz erfolgt, desto besser für den Patienten bzw. seine Nieren! <br /><br />Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre. <br /><br />Herzlich, Ihr <br /><strong>Prof. Dr. med. Thomas Fehr</strong></p></p>
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