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Rettet das Ovar!

<p class="article-intro">Ovarialzysten können in jedem Alter eines weiblichen Individuums (inklusive pränatal) vorkommen, und zwar als Normalbefunde. Dieses Wissen soll uns vor falschen und übereiligen Handlungen schützen und so helfen, das Ovar immer und jederzeit erhalten zu wollen. Es gibt einige wenige Ausnahmen, wo dies nicht möglich ist. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist in diesen Fällen unabdingbar und enorm wichtig.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Rettet das Ovar!</li> <li>Interdisziplin&auml;re Zusammenarbeit ist notwendig.</li> <li>In den meisten F&auml;llen von zystischen Ovarialbefunden in der Kinder- und Jugendgyn&auml;kologie kann beobachtet und zugewartet werden.</li> <li>Ovarialzysten sind Normalbefunde.</li> <li>Auch torquierte und livide verf&auml;rbte Ovarien sollen belassen werden.</li> </ul> </div> <p>Adnextumoren werden unterteilt in Zysten der Tuben, sogenannte Hydatidenzysten oder Morgagni-Zysten, zystische Befunde des Ligamentum latum oder des Ovars selber. Es kann sich um eine Extrauteringravidit&auml;t (EUG) oder auch um einen Tuboovarialabszess (TOA) handeln. Andere differenzialdiagnostische M&ouml;glichkeiten f&uuml;r zystische Massen im Abdominalbereich sind in Tabelle 1 aufgelistet.<br /> In 2,6 F&auml;llen von 100 000 M&auml;dchen- Geburten wird ein zystischer Ovarialbefund diagnostiziert. Bei 50 % handelt es sich um zystische Befunde, bei den anderen 50 % um Tumoren, benigne oder maligne. Maligne Ovarialtumoren machen 1 % aller malignen Erkrankungen im Alter von 0 bis 17 Jahren aus.<sup>1, 2</sup> Dank der Identifizierung von Tumormarkern (Beta- HCG, AFP, LDH) sowie Fortschritten in bildgebenden Verfahren konnten die fertilit&auml;tserhaltenden und konservativen Behandlungsoptionen deutlich verbessert werden. Die grosse Mehrheit der Ovarpathologien im Kindesalter ist benigne, die genaue Diagnosestellung und das interdisziplin&auml;re Management sind eminent wichtig, um das Risiko einer Torsion und den Verlust des Organs zu reduzieren sowie die Prognose von malignen Erkrankungen zu verbessern.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s24_tab1.jpg" alt="" width="685" height="1802" /></p> <h2>Fetale Ovarialzysten</h2> <p>Zysten in der Pr&auml;natalperiode werden bei 30&ndash;70 % in routinem&auml;ssig durchgef&uuml;hrten Ultraschalluntersuchungen der Schwangeren diagnostiziert. Ovarialzysten sind nach den zystischen Ver&auml;nderungen der Nieren die zweith&auml;ufigsten Zysten des Urogenitalsystems. Ihr Auftreten wird als Folge von maternalen und fetalen Hormonver&auml;nderungen in der Schwangerschaft gedeutet. Geh&auml;uft treten sie auf in F&auml;llen von Pr&auml;eklampsie, Diabetes mellitus, Polyhydramnion, Blutgruppeninkompatibilit&auml;t und Autoimmunerkrankungen. Die spontane R&uuml;ckbildung dieser Zysten ist die Regel, sei es ante- oder postnatal.<sup>3, 4</sup> Falls im Verlauf keine Regredienz des Befundes zu beobachten ist, muss differenzialdiagnostisch eine sehr seltene ovarielle Neoplasie in Erw&auml;gung gezogen werden.<sup>5</sup> Auf diese wird in diesem Artikel nicht n&auml;her eingegangen. Beispiele f&uuml;r fetale Ovarialzysten finden sich in den Abbildungen 1a und 1b.<br /> Risiken stellen intrazystische H&auml;morrhagien dar, ebenso eine Zystenruptur mit m&ouml;glicher intraabdomineller Blutung. Eine Kompression des Urogenital- oder Gastrointestinaltraktes durch die Zyste, je nach Gr&ouml;sse des Befundes, kann beobachtet werden. Die Ovarialtorsion mit nachfolgender Nekrose des Organs ist selten, jedoch ebenfalls m&ouml;glich. Gelegentlich kann ein zystisches Ovar in eine kongenitale Inguinalhernie inkarzerieren, was zu einer Nekrose desselben f&uuml;hren kann. Grosse Zysten (&gt;5cm) k&ouml;nnen ein Geburtshindernis darstellen und zu einem &laquo;respiratory distress syndrome&raquo; f&uuml;hren.<sup>6</sup><br /> Es ist deshalb von grosser Wichtigkeit, die diagnostizierten Befunde in regelm&auml;ssigen Abst&auml;nden zu kontrollieren. Gr&ouml;ssere Zysten k&ouml;nnen antenatal punktiert werden, wenn dies nicht m&ouml;glich ist, wird bei einer Gr&ouml;sse von &gt;6cm Diameter die elektive Sectio caesarea empfohlen, um eine Dystokie zu vermeiden.<sup>2</sup> Die Vorstellung des Neugeborenen in der kinder- und jugendgyn&auml;kologischen Sprechstunde macht Sinn.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s25_abb1.jpg" alt="" width="2187" height="996" /></p> <h2>Neonatale Ovarialzysten</h2> <p>Meist handelt es sich um im Ober- oder Mittelbauch palpable Massen, welche sonst asymptomatisch bleiben. Auch hier handelt es sich um zystische Bildungen infolge fetaler und maternaler hormonaler Ver&auml;nderungen in utero. Innerhalb von 3&ndash;6 Monaten erfolgt die spontane Regredienz, selten persistiert ein Befund &uuml;ber 1&ndash;2 Jahre. Bei einer Zystengr&ouml;sse &uuml;ber 5cm besteht die Gefahr der Ovarialtorsion mit Verlust des Organs. Die Aspiration des Zysteninhaltes oder die chirurgische Intervention mit Organerhalt muss in Erw&auml;gung gezogen werden.<sup>7</sup></p> <h2>Ovarialzysten in der Pr&auml;pubert&auml;t</h2> <p>Meist handelt es sich um die Folge einer GnRH-Hormonstimulation mit Follikelpersistenz.<br /> Die anatomische Kenntnis der kindlichen Ovarien ist notwendig. Hormonaktive Zysten k&ouml;nnen gelegentlich zu einer Pseudopubertas praecox f&uuml;hren, wobei es zu einer vaginalen Blutung sowie einer fr&uuml;hzeitigen Thelarche kommen kann. Differenzialdiagnostisch muss dann an eine echte Pubertas praecox, eine Hyperthyreose, an McCune-Alkbright-Syndrom oder einen Aromatasemangel gedacht werden. Klinisch findet sich eine abdominal palpable Masse. Es k&ouml;nnen akute Bauchschmerzen auftreten, welche eine Appendizitis, eine Perforation oder eine Torsion vermuten lassen k&ouml;nnen.<br /> Treten &Uuml;belkeit, V&ouml;llegef&uuml;hl und Bl&auml;hungen auf, muss auch an einen Tumor gedacht werden. Pollakisurie oder Harnretention k&ouml;nnen auftreten.<br /> Aber auch hier gilt: Eine chirurgische Intervention ist nur selten notwendig. Das Ovar befindet sich in der Kindheit nicht in einer totalen hormonellen Ruhephase. Die meisten Zysten bilden sich spontan zur&uuml;ck und auch auftretende Blutungen k&ouml;nnen kurzfristig zu einer Exazerbation der Beschwerden f&uuml;hren, sind jedoch in aller Regel selbstlimitierend. Die Beruhigung der Patientin und der Eltern kann Wunder bewirken.</p> <p>Eine retrospektive Studie konnte belegen, dass von 51 Zysten, welche gr&ouml;sser als 5cm waren, komplex oder simpel, 90 % innerhalb zweier Wochen spontan verschwanden.<br /> 23 Kinder wurden chirurgisch behandelt, wobei es sich dabei in 10 F&auml;llen um tumor&ouml;se Neubildungen handelte (6 Teratome, 2 Zystadenome, 1 Granulasazelltumor und ein Sertoli-Leydigzell-Tumor). In aller Regel handelt es sich jedoch um funktionelle Ovarialzysten, entstanden als Variante des normalen physiologischen Prozesses im Eierstock. Sie sind praktisch immer selbstlimitierend und meist die Folge einer St&ouml;rung der Follikelreifung. Es handelt sich dabei um Follikelzysten, Corpus- luteum-Zysten oder Theka-Lutein- Zysten. Die Folge sind Menstruationsunregelm&auml;ssigkeiten, Bauchschmerzen, eventuell Pollakisurie und Obstipation.</p> <h2>Ovarialzysten im Jugendalter</h2> <p>Ovarialzysten im Jugendalter sind sehr h&auml;ufig und meist die Folge einer Follikelpersistenz oder es handelt sich um eine Corpus-luteum-Zyste. Diese k&ouml;nnen durch Einblutung gross werden (bis zu 10cm), sind jedoch meist selbstlimitierend. Selten ist eine starke, h&auml;modynamisch wirksame Blutung m&ouml;glich, sodass die Blutstillung und Zystektomie notwendig werden. Ebenfalls selten sind es benigne Ovarialtumoren oder Endometriosezysten. Beim Vorhandensein von soliden Anteilen soll differenzialdiagnostisch an einen malignen Ovarialtumor gedacht werden.<sup>8</sup> Voraussetzung f&uuml;r die Beurteilung eines zystischen Ovarialbefundes ist das Wissen, dass bei einer Gr&ouml;sse von kleiner als 3cm von einem normalen Follikel gesprochen werden kann. Diese bed&uuml;rfen weder weiterer Abkl&auml;rungen noch Verlaufskontrollen.</p> <ul> <li>Befunde kleiner als 6cm sollen bei fehlenden Symptomen beobachtet werden. Die zus&auml;tzliche Verschreibung von Ovulationshemmern ist nicht obligat und kann situativ erfolgen (Suppression der hypothalamisch-ovariellen Achse). Es wird so lediglich die Entstehung weiterer Zysten verhindert.<sup>9</sup> Bei Gr&ouml;ssenzunahme oder Auftreten von Symptomen soll die laparoskopische Zystektomie in Erw&auml;gung gezogen werden. Bei Symptomfreiheit kann auch bei gr&ouml;sseren Zysten zugewartet werden.<sup>3</sup> Die Angst vor einem malignen Tumor f&uuml;hrt verst&auml;ndlicherweise h&auml;ufig dazu, dass ein operativer Eingriff vorgenommen wird. Verschiedene Kriterien k&ouml;nnen helfen, eine Malignit&auml;t auszuschliessen:</li> <li>Toronto (Rogers): Tumor gr&ouml;sser als 8cm und komplex: hoher Verdacht.</li> <li>Indianapolis (Papic): Tumor gr&ouml;sser als 10cm, solide Komponente vorhanden und einer der drei Tumormarker positiv (AFP, Beta-HCG, LDG): hoher Verdacht.</li> </ul> <p>Sind alle diese erw&auml;hnten Kriterien negativ, kann man davon ausgehen, dass es sich um eine benigne Adnexmasse handelt und somit eine Therapie bei Beschwerdefreiheit nicht eilt.<br /> Zuf&auml;llig gefundene Zysten, z.B. anl&auml;sslich einer Appendektomie, sollen weder punktiert noch exzidiert werden, da dies zu Schmerzen und/oder paratubaren Verwachsungen bis hin zur Sterilit&auml;t f&uuml;hren kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Gyn_1803_Weblinks_lo_gyn_1803_s26_abb2.jpg" alt="" width="1456" height="865" /></p> <h2>Komplikationen</h2> <p>Eine gef&uuml;rchtete Komplikation der Ovarialzysten stellt die Ovarialtorsion dar. Diese ist extrem schmerzhaft und kann zum Verlust des Organs f&uuml;hren. Die Ovarialtorsion stellt den f&uuml;nfth&auml;ufigsten gyn&auml;kologischen Notfall dar. In der Gruppe der 1- bis 20-j&auml;hrigen M&auml;dchen kommen 4,9/100 000 Ovarialtorsionen vor und machen 2,7 % aller akuten Abdomen im Kindesalter aus. Auch bei Ovarien normaler Gr&ouml;sse in der Vorpubert&auml;t treten Torsionen geh&auml;uft auf, da das Organ noch sehr mobil ist. 15 % aller Ovarialtorsionen finden in der Vorpubert&auml;t bei normalen Ovarien statt. &Uuml;belkeit, Erbrechen, starke Schmerzen und m&ouml;glicherweise subfebrile Temperaturen weisen darauf hin, dass ein notfallm&auml;ssiger chirurgischer Eingriff indiziert ist. Ursachen f&uuml;r eine Torsion sind mobile Mesovare oder Tuben, lange Ligamente, akute Wechsel des intraabdominalen Druckes, sportliche Aktivit&auml;ten und gelegentlich eine famili&auml;re Veranlagung. Der Ultraschall als diagnostische Best&auml;tigung ist meist eindeutig (&laquo;whirlpool sign&raquo;).<sup>5</sup> Das Ovar erscheint vergr&ouml;ssert und die Follikel sind an die Peripherie verdr&auml;ngt durch das &ouml;demat&ouml;se Gewebe im Zentrum. Das Ovar liegt nicht mehr orthotop und freie Fl&uuml;ssigkeit wird gefunden. Intraoperativ erscheint das Ovar h&auml;ufig dunkel verf&auml;rbt und nekrotisch, was leider immer noch zu viele Operateure dazu verleitet, dieses Organ zu entfernen. Dies sollte jedoch nicht geschehen, da die spontane Erholung die Regel ist, was auch in der Literatur hinreichend belegt ist. Falls m&ouml;glich soll der zystische Befund entfernt werden, falls nicht m&ouml;glich, unbedingt belassen und nur falls notwendig in einer &laquo;Second-Look-Operation&raquo; die persistierende Masse entfernt werden. Ultraschallkontrollen im Intervall (nach 4&ndash;6 Wochen) sind angebracht. Ein Review-Artikel dazu ist in Druck.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Breen JL, Maxson WS: Ovarian tumors in children and adolescents. Clin Obstet Gynecol 1977; 20: 607 <strong>2</strong> BreenJL et al.: Genital tract tumors in children. Pediatr Clin North Am 1981; 28: 355 <strong>3</strong> Murray S, London S: Management of ovarian cysts in neonates, children and adolescents. Adolescent Ped Gynecol 1995; 5: 27 <strong>4</strong> Zampieri et al.: Foetal and neonatal ovarian cysts: a 5-year experience. Arch Gynecol Obstet 2008; 277: 303-306 <strong>5</strong> Bryant AE, Laufer MR: Fetal ovarian cysts: incidence, diagnosis and management. J Reprod Med 2004; 49(5): 329-337 <strong>6</strong> Bagolan P et al.: The management of fetal ovarian cysts. J Pediatri Surg 2002; 37(1): 25-30 <strong>7</strong> Strickland JL: Ovarian cysts in neonates, children and adolescents. Curr Opin Obstet Gynecol 2002; 14(5): 459-465 <strong>8</strong> Kirkham YA, Kives S: Ovarian cysts in adolescents: medical and surgical management. Adolesc Med State Art Rev 2012; 23(1): 178-191 <strong>9</strong> Warner BW et al.: Conservative management of large ovarian cysts in children: the value of serial pelvic ultrasonography. Surgery 1992; 112(4): 749-755 <strong>10</strong> Lack EE, Goldstein DP: Primary ovarian tumors in childhood and adolescence. Curr Probl Obstet Gynecol 1984; 8: 1</p> </div> </p>
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