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Infektionen der Scheide

Vaginalinfektionen sicher diagnostizieren und gezielt behandeln

<p class="article-intro">Bei Frauen im gebärfähigen Alter sind durch Pilze oder Bakterien verursachte Infektionen der Scheide ein häufig auftretendes Problem. Eine korrekte Diagnose und eine gezielte Therapie sind notwendig, um den betroffenen Frauen langfristig zu helfen. Prof. Werner Mendling erklärt, was dabei zu beachten ist.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welches sind die h&auml;ufigsten Erreger bei Scheideninfektionen?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Am h&auml;ufigsten ist die bakterielle Vaginose, die aber keine Infektion, sondern eine dysbiotische St&ouml;rung der Scheidenflora ist. Dabei wird die physiologische Scheidenflora von Keimen wie Gardnerella vaginalis, Prevotella spp., Mycoplasma hominis, Mobiluncus spp. verdr&auml;ngt. Daneben sind noch zahlreiche weitere Bakterienspezies beteiligt, die zum Teil nur schwer oder &uuml;berhaupt nicht kultiviert werden k&ouml;nnen. Daher ist auch &uuml;ber ihre Empfindlichkeit gegen&uuml;ber Antibiotika nichts bekannt. An zweiter Stelle steht die vulvovaginale Candidose, vorwiegend durch Candida albicans verursacht. Doch Vorsicht: Pilze finden sich auch in der gesunden Scheidenflora. Mit molekularbiologischen Methoden wurde bei bis zu zwei Dritteln der untersuchten Frauen eine Pilzbesiedelung der Scheide nachgewiesen. Zur Infektion kommt es erst bei geschw&auml;chtem Immunsystem. In Mitteleuropa seltener sind schlie&szlig;lich die Trichomoniasis und die aerobe Vaginitis.<sup>1</sup></p> <p><strong>Gibt es Zahlen zur H&auml;ufigkeit von Vaginalinfektionen?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Konkrete Zahlen gibt es nicht. Gerade wurde im &bdquo;Lancet&ldquo; eine Studie zur &bdquo;Pilzlast&ldquo; bei Frauen weltweit ver&ouml;ffentlicht. Die Autoren sch&auml;tzen, dass pro Jahr etwa 3900 pro 100 000 Frauen an einer wiederkehrenden vaginalen Pilzinfektion leiden. Dabei ist die Pr&auml;valenz in der Altersgruppe der 25- bis 34-J&auml;hrigen mit 9 Prozent am h&ouml;chsten.<sup>2</sup> F&uuml;r die bakterielle Vaginose gibt es ebenfalls nur Sch&auml;tzungen. Die Pr&auml;valenz liegt zwischen 5 Prozent bei Frauen, bei denen im Rahmen einer Vorsorgeuntersuchung ein Scheidenabstrich durchgef&uuml;hrt wird, und etwa 15 bis 25 Prozent bei Schwangeren.<sup>1</sup></p> <p><strong>Welches sind die Ausl&ouml;ser, die von einer physiologischen Keimbesiedelung zu einer Infektion f&uuml;hren?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Bei Pilzinfektionen liegt bei ansonsten gesunden Frauen eine &bdquo;immunologische Dysbalance&ldquo; vor. Risikofaktoren daf&uuml;r sind zum Beispiel die Einnahme von Antibiotika oder hoher Blutzucker bei Diabetikerinnen. Eine Rolle scheint aber auch psychosozialer Stress zu spielen, der das Immunsystem beeintr&auml;chtigt.<sup>3</sup><br /> Bei der bakteriellen Vaginose sind ebenfalls Risikofaktoren bekannt. Dazu geh&ouml;ren Rauchen, gleichgeschlechtliche Sexualkontakte von Frauen und ein zu niedriger Vitamin-D-Spiegel. Am wichtigsten ist jedoch der Partner. Es ist evident, dass ansonsten monogame Frauen bei einem Partnerwechsel an einer bakteriellen Vaginose oder einem Rezidiv erkranken, wenn der Partner bereits eine Infektion hat.</p> <p><strong>Sind solche Infektionen immer symptomatisch?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Das ist individuell sehr verschieden. In der Literatur liest man, dass etwa die H&auml;lfte der betroffenen Frauen keine Beschwerden hat. Ein typisches Symptom von Scheideninfektionen ist ein unangenehmer Geruch, der jedoch nicht jeder Betroffenen auff&auml;llt oder den sie f&uuml;r normal h&auml;lt. Wenn ich als Arzt eine Patientin mit einer bakteriellen Vaginose frage, ob sie deshalb Beschwerden hat, kann es sein, dass sie dies verneint.</p> <p><strong>Wie werden Scheideninfektionen diagnostiziert?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Das Nativpr&auml;parat ist neben der Anamnese und der Bestimmung des pH-Wertes das A und O der Basisdiagnostik f&uuml;r alle bakteriellen Infektionen und Pilzinfektionen der Scheide. Leider wird dies in der Praxis nicht immer gemacht oder nicht korrekt beurteilt. Man sollte beispielsweise immer hellh&ouml;rig werden, wenn Patientinnen berichten, dass sie eine Pilzinfektion haben, die nicht zu kurieren ist. Da Pilze zur physiologischen Scheidenflora geh&ouml;ren, gen&uuml;gt es f&uuml;r die Diagnose nicht, Pilzsporen im Pr&auml;parat nachzuweisen. Eine Infektion liegt nur dann vor, wenn man Pseudohyphen findet. Auch eine einzelne positive Pilzkultur ist aus den genannten Gr&uuml;nden nicht aussagekr&auml;ftig.<sup>1</sup></p> <p><strong>Gibt es Unterschiede zwischen jungen Frauen im geb&auml;rf&auml;higen Alter und &auml;lteren Frauen nach der Menopause?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Von bakteriellen Vaginosen k&ouml;nnen alle Altersgruppen von Frauen, die unter dem Einfluss von &Ouml;strogenen stehen, betroffen sein. Pilzinfektionen sind bei 20- bis 40-J&auml;hrigen h&auml;ufiger. Sie k&ouml;nnen sich nur in einer &ouml;strogenisierten Vagina entwickeln. Seit der Einf&uuml;hrung der Hormonersatztherapie in den Wechseljahren leiden auch &auml;ltere Frauen vermehrt an Vaginalmykosen. Es gibt zudem Hinweise, dass die Vaginalmykose durch Geschlechtsverkehr getriggert wird. Dabei spielen vermutlich weniger vom Partner &uuml;bertragene Infektionen eine Rolle als vielmehr mechanische Belastungen der Schleimhaut sowie allergische Reaktionen. Au&szlig;erdem k&ouml;nnen Mykosen beim orogenitalen Kontakt &uuml;bertragen werden, denn Menschen haben zu etwa 30 Prozent Pilze im Mund.</p> <p><strong>Abgesehen von den lokalen Beschwerden, welche Auswirkungen k&ouml;nnen Vaginalinfektionen haben?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Hier ist vor allem die bakterielle Vaginose ein Problem, denn sie geht mit einer erh&ouml;hten gyn&auml;kologischen und geburtshilflichen Morbidit&auml;t einher. So haben erkrankte Frauen ein h&ouml;heres Risiko f&uuml;r weitere Infektionen, unter anderem f&uuml;r HIV, f&uuml;r aufsteigende Infektionen &ndash; Zervizitis oder Salpingitis &ndash; und Komplikationen bei gyn&auml;kologischen Eingriffen. Geburtshilfliche Komplikationen einer bakteriellen Vaginose sind beispielsweise Fr&uuml;hgeburten und Wundheilungsst&ouml;rungen sowie Wundinfektionen nach einem Kaiserschnitt. Leider sind bei der Behandlung einer bakteriellen Vaginose in der Fr&uuml;hschwangerschaft noch viele Fragen offen. Man kann lediglich feststellen, dass eine gesunde Scheidenflora, die reich an Laktobazillen ist, die Schwangerschaft sch&uuml;tzt.</p> <p><strong>Wie sieht die Therapie grunds&auml;tzlich aus?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Die aktuellen europ&auml;ischen Leitlinien empfehlen zur Therapie einer symptomatischen bakteriellen Vaginose die Antibiotika Metronidazol und Clindamycin sowie Dequaliniumchlorid.<sup>1</sup> Dabei handelt es sich um ein Antiseptikum, das sich in mehreren kleinen Studien als gleichwertig zu Clindamycin erwiesen hat und deshalb in die Leitlinie aufgenommen wurde. Allerdings kann keines der Medikamente die bakterielle Vaginose vollst&auml;ndig eliminieren, rund 60 Prozent der Frauen erleiden nach etwa einem halben Jahr einen R&uuml;ckfall. Der Grund ist, dass es nicht m&ouml;glich ist, s&auml;mtliche Bakterienarten abzut&ouml;ten. Die &uuml;brig gebliebenen k&ouml;nnen sich wieder vermehren. Zudem bilden die Keime einen Biofilm auf der Scheidenhaut, der nicht vollst&auml;ndig entfernt werden kann und den N&auml;hrboden f&uuml;r eine erneute Infektion bildet. Warum dies aber nicht bei allen, sondern nur bei einem Teil der behandelten Frauen geschieht, ist noch Gegenstand der Forschung.<br /> F&uuml;r die Therapie vaginaler Candidosen empfehlen die Leitlinien orale Triazol- Antimykotika wie Itraconazol und Fluconazol sowie intravaginal anzuwendende Imidazol-Antimykotika wie Clotrimazol, Miconazol, Econazol und Ciclopiroxolamin.</p> <p><strong>Ist denn eine Rezidivprophylaxe &uuml;berhaupt m&ouml;glich?</strong><br /> <strong>W. Mendling:</strong> Die Studienlage dazu ist heterogen. Die orale und/oder vaginale Substitution von Laktobazillen &uuml;ber eine l&auml;ngere Zeit &ndash; rund drei Monate &ndash; ist hilfreich. Es gibt keine Daten dazu, aber ich empfehle die gleichzeitige Anwendung, da die vaginale Gabe sofort wirkt, die orale Einnahme aber nachhaltiger ist. Frauen, die wiederholt an vaginaler Candidose erkranken, profitieren ebenfalls von einer Substitution mit Laktobazillen. Auf diesem Gebiet sind allerdings noch weitere Studien n&ouml;tig.</p> <p><strong><em>Herr Prof. Mendling, vielen Dank f&uuml;r das Gespr&auml;ch!</em></strong></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Sherrard J et al.: Int J STD AIDS 2018; 956462418785451. Epub ahead of print (doi: 10.1177/0956462418785451) <strong>2</strong> Denning DW et al.: Lancet Infect Dis 2018. Epub ahead of print (doi: 10.1016/S1473-3099(18)30103-8) <strong>3</strong> Nansel TR et al.: Am J Obstet Gynecol 2006; 194: 381-6</p> </div> </p>
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