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Aktuelle Studien zur akuten lymphatischen Leukämie

Vielversprechende Therapieansätze und diagnostische Marker

<p class="article-intro">Bei der Jahrestagung 2018 der European Hematology Association (EHA) befassten sich zwei Hauptsessions mit der akuten lymphatischen Leukämie (ALL). Neben neuen Erkenntnissen in der Grundlagenforschung, zum Beispiel zu prognostischen Markern, wurden klinische Daten präsentiert, die große Auswirkungen auf die Therapie haben dürften.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die CAR-T-Therapie ist im Kommen.</li> <li>Eine Vorbehandlung mit Blinatumomab d&uuml;rfte kein Problem f&uuml;r CAR-T-Therapie sein.</li> <li>Die Rolle der reduzierten Chemotherapie in Kombination mit TKI bei der Ph+ ALL ist zu definieren.</li> <li>MRD: Sehr wichtig, man sollte sowohl BCR/ABL als auch Ig/ TCR durchf&uuml;hren.</li> <li>Die Molekulargenetik liefert zunehmend prognostische und pr&auml;diktive Marker.</li> </ul> </div> <h2>Tisagenlecleucel bei jungen Erwachsenen mit r/r B-Zell-ALL</h2> <p>Die CAR-T-Zell-Therapien, also Immuntherapien mit gentechnologisch ver&auml;nderten T-Zellen und synthetischen antigenspezifischen Rezeptoren (&bdquo;chimeric antigen receptor&ldquo; = CAR-T), sind in der H&auml;matoonkologie ein Thema mit steigender Relevanz. Beim EHA wurden Studien zu CAR-T-Zell-Therapien u.a. bei MM und ALL pr&auml;sentiert. Eine bemerkenswerte Studie untersuchte die Vertr&auml;glichkeit der Anti-CD19-CAR-T-Zell-Therapie mit Tisagenlecleucel bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit B-Zell-ALL.<sup>1</sup> Bei Kindern mit &bdquo;relapsed/refractory&ldquo; (r/r) B-Zell-ALL erzielte diese Therapie hohe Ansprechraten bei gut beherrschbaren Nebenwirkungen. Bei Erwachsenen ist sie dagegen mit einer erh&ouml;hten Rate von unerw&uuml;nschten Nebenwirkungen verbunden, unter anderem mit dem potenziell lebensbedrohlichen &bdquo;cytokine-release syndrome&ldquo; (CRS).<br /> F&uuml;r die beim EHA pr&auml;sentierte Untersuchung hat eine internationale Arbeitsgruppe die Daten der Studien ELIANA (n=75; NCT02435849) und ENSIGN (n=29; NCT02228096) analysiert. Ziel war, die Wirksamkeit und Sicherheit von Tisagenlecleucel bei jungen Erwachsenen (YA) zu untersuchen. Insgesamt wurden 104 Patienten eingeschlossen. Davon waren 84 j&uuml;nger als 18 Jahre und 20 zwischen 18 und 25 Jahren (YA) alt. Endpunkte waren: Gesamtremissionsrate (ORR = komplette Remission [CR] + CR mit unvollst&auml;ndiger h&auml;matologischer Erholung [CRi]), negative minimale Resterkrankung (MRD), Ansprechdauer (DOR), Gesamt&uuml;berleben (OS) und Sicherheit. Beide Kohorten hatten im Durchschnitt drei Vortherapien und nahezu gleiche Raten an Stammzelltransplantationen (55 % bei den YA; 62 % bei den &lt;18-J&auml;hrigen). Die ORR betrug bei den YA 70 % und bei den Jugendlichen 80 % . Die mediane DOR war zum Zeitpunkt der Publikation in beiden Kohorten noch nicht erreicht. Die Raten f&uuml;r rezidivfreies &Uuml;berleben (RFS) lagen nach 12 Monaten bei 52 % (YA) bzw. 60 % (&lt;18 Jahren); die Raten f&uuml;r OS nach 12 Monaten bei 57 % (YA) bzw. 76 % (&lt;18 Jahren). Grad-3/4-CRS wurden bei fast 50 % der Patienten beobachtet. Zu Todesf&auml;llen wegen CRS kam es nicht. Neurologische Nebenwirkungen (Grad 3, aber nicht Grad 4) traten bei 10&ndash;15 % der Patienten auf, 14&ndash;30 % entwickelten Grad-3-Infektionen.<br /> Obwohl es nur eine kleine Studie mit wenigen Patienten war, scheint Tisagenlecleucel in dieser Gruppe von ALL-Patienten eine gute Wirksamkeit mit langer Responsedauer bei behandelbaren Nebenwirkungen zu haben.<sup>1</sup></p> <h2>Blinatumomab-Vortherapie beeintr&auml;chtigt KTE-C19 nicht</h2> <p>Eine weitere Studie zur CAR-T-Zell- Therapie schloss Erwachsene mit r/r ALL ein, die in der ZUMA-3-Studie mit dem bispezifischen Antik&ouml;rper Blinatumomab (Blin) behandelt worden waren. Dieser ist gleichzeitig gegen den CD3-Rezeptor der T-Zellen und das Oberfl&auml;chenprotein CD19 der B-Zellen gerichtet.<sup>2</sup> Die beim EHA vorgestellte Arbeit untersuchte KTEC19, eine Anti-CD19-Antigenrezeptor- CAR-T-Zell-Therapie. KTE-C19 zeigte in der Phase I der ZUMA-3-Studie ein vielversprechendes Ansprechen bei r/r ALL (71 % CR oder CRi) bei beherrschbaren Nebenwirkungen. In der aktuellen Untersuchung wurde KTE-C19 in beiden Gruppen erfolgreich und mit vergleichbarer Charakteristik wie CD4/CD8-Ratio und prozentualer Transduktion produziert. Beide Gruppen hatten &auml;hnliche Anteile naiver Zellen (43 % vs. 36 % ) und Effektor- T-Zellen (19 % vs. 20 % ). In beiden Gruppen erreichten die CAR-T-Zell-Spiegel nach 7 bis 14 Tagen ihr Maximum. Insgesamt zeigten 63 % der mit Blin vorbehandelten Patienten (vs. 75 % ohne Blin) ein CR/Cri, 88 % waren MRD-negativ.<br /> Ein Grad-3-CRS trat bei 27 % der Blinvorbehandelten Patienten auf (vs. 28 % ohne Blin). 36 % der vorbehandelten Patienten (61 % ohne Blin) zeigten neurologische Symptome vom Grad 3. Dies zeigt, dass eine Vortherapie mit Blinatumomab eine nachfolgende CAR-T-Zell-Behandlung nicht negativ beeinflusst. Die dabei auftretenden Nebenwirkungen waren gut zu behandeln.<sup>2</sup></p> <h2>(Ph+) ALL-Patienten in der GRAAPH-2014-Studie</h2> <p>Interessant war auch die Interimsanalyse des GRAAPH-2014-Trials.<sup>3</sup> In dieser Studie konnte eine Subgruppe von Philadelphia- Chromosom-positiven (Ph+) ALLPatienten identifiziert werden, die sich &ndash; &auml;hnlich wie bei der chronischen myeloischen Leuk&auml;mie (CML) &ndash; durch die Persistenz von klonaler BCR-ABL1-H&auml;matopoiese auszeichnete. Bei der Ph-negativen ALL ist die Immunglobulin/T-Zell-Rezeptor- (Ig/TCR)-basierte MRD ein zuverl&auml;ssiger Marker f&uuml;r das Therapieansprechen und ein starker Pr&auml;diktor f&uuml;r Rezidive. Bei Ph+ ALL wird in der Regel BCR/ABL1 zur MRD-Messung verwendet, obwohl die prognostische Signifikanz geringer ist.<br /> In der GRAAPH-2014-Studie wurden bei Ph+ ALL zur MRD-Bestimmung Ig/ TCR und BCR/ABL1 verwendet. Rund 20 % der Patienten erreichten eine Ig/ TCR-Negativit&auml;t und wiesen somit keine Lymphoblasten mehr auf. Allerdings blieben sie BCR/ABL-positiv. Diese Patienten hatten gr&ouml;&szlig;tenteils einen Major-BCRABL1- Breakpoint.<br /> Bei Ph+-ALL-Patienten, die eine Ig/ TCR-MRD-Negativit&auml;t erreichen, aber BCR/ABL-positiv bleiben, k&ouml;nnte die Ursache, &auml;hnlich wie bei der CML, nicht in der Persistenz von Lymphoblasten liegen, sondern in einer zus&auml;tzlichen klonalen H&auml;matopoiese. Die prognostische Relevanz dieser Ergebnisse wird im weiteren Verlauf der GRAAPH-Studie untersucht. Allerdings weisen die Resultate schon jetzt darauf hin, dass Patienten mit nicht lymphoblastischer persistierender BCR/ABL1- H&auml;matopoiese m&ouml;glicherweise keine Intensivierung der Chemotherapie und keine antik&ouml;rperbasierte Anti-Lymphozyten- Therapie ben&ouml;tigen.<sup>3</sup></p> <h2>JAK-STAT als Outcome-Marker</h2> <p>In der Hauptsitzung zur translationalen Forschung wurde ein wichtiger neuer Marker f&uuml;r das Outcome bei ALL vorgestellt.<sup>4</sup> Chromosomale Ver&auml;nderungen sind etablierte prognostische Marker bei ALL-Patienten. In der UKALL14-Studie wurden Patienten mit BCR-ABL1, KMT2A-AFF1 (fr&uuml;her MLL-Gene bei t[4:11]), geringer Hypodiploidie oder einem komplex aberranten Karyotyp als Hochrisikopatienten identifiziert. Alle anderen, einschlie&szlig;lich der Patienten ohne eine der genannten Aberrationen (B-other ALL), wurden mit einem &bdquo;Standardrisiko&ldquo; eingestuft.<sup>5</sup> Allerdings haben aktuelle genetische Untersuchungen eine Vielzahl von neuen Genfusionen bei B-other ALL entdeckt.<br /> F&uuml;r die beim EHA pr&auml;sentierte Studie wurden alle B-other-ALL-Patienten der UKALL14 auf Ver&auml;nderungen in Genen der ABL-Klasse (ABL1, ABL2, PDGFRB, CSF1R), JAK-STAT (CRLF2, JAK2), ZNF384 und MEF2D gescreent. Zudem wurde deren Einfluss auf das Outcome untersucht. Die Nachbeobachtungszeit betrug im Mittel zwei Jahre.<br /> Etwa 5 % der Patienten wiesen Abnormalit&auml;ten der JAK-STAT-Gene CRLF2 oder JAK2 auf. Diese Patienten mit JAK-STATVer&auml;nderungen sprachen signifikant schlechter auf die initiale Therapie an und waren nach der Phase-I- und -II-Induktion h&auml;ufiger MRD-positiv (p=0,015 bzw. p&lt;0,001). Im Vergleich zu anderen BCPALL- Patienten hatten sie ein k&uuml;rzeres eventfreies &Uuml;berleben (EFS) und OS (p=0,01 f&uuml;r beide) aufgrund von h&ouml;heren Rezidiv-/Todesraten (p=0,017) und Todesraten (p=0,015). Daher sollten ALLPatienten mit JAK-STAT-Aberrationen als Hochrisikopatienten eingestuft werden.<sup>4</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rives S et al.: Outcomes of young adult (&ge;18-25 years) and pediatric (&lt;18 years) patients with relapsed/refractory acute lymphoblastic leukemia following treatment with chimeric antigen receptor (CAR) t-cell therapy. EHA 2018, Abstract S1565 <strong>2</strong> Oluwole OO et al.: Outcomes of patients with relapsed/refractory acute lymphoblastic leukemia treated with prior blinatumomab in ZUMA-3, a study of kTE-C19, an anti-CD19 chimeric antigen receptor (CAR) T cell therapy. EHA 2018, Abstract S1569 <strong>3</strong> Clappier E et al.: Persistent BCR-ABL1 clonal hematopoiesis after blast clearance identifies a CML-like subgroup of patients with Philadelphia chromosome-positive (ph+) ALL: interim results from the GRAAPH-2014 trial. EHA 2018, Abstract S1568 <strong>4</strong> Moorman A et al.: Comprehensive screening of Bother adult ALL patients treated on UKALL14 estimates frequency and prognostic impact of gene alterations and identifies JAK-STAT abnormalities as markers of poor outcome. EHA 2018, Abstract S826 <strong>5</strong> Patel B et al.: Pegylated- asparaginase during induction therapy for adult acute lymphoblastic leukaemia: toxicity data from the UKALL14 trial. Leukemia 2017; 31: 58-64</p> </div> </p>
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