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Neue Leitlinie zur Polymyalgia rheumatica

<p class="article-intro">Die deutschsprachigen Gesellschaften für Rheumatologie (DGRh, ÖGR und SGR) haben in Zusammenarbeit mit weiteren Organisationen eine Leitlinie zur Behandlung der Polymyalgia rheumatica (PMR) erarbeitet.<sup>1</sup> Von den gebündelten Empfehlungen erhoffen sich die Experten einen spürbaren Nutzen für die Patienten, da die Therapie bislang uneinheitlich gehandhabt wird. Die neue Leitlinie enthält vor allem detaillierte Empfehlungen zur Therapie mit Kortison.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Doc Martin aus der gleichnamigen TV-Serie diagnostiziert im Gespr&auml;ch mit einem Angestellten des Hotelpersonals &bdquo;so nebenbei&ldquo; eine PMR. Der Mann ist typischerweise &uuml;ber 50, hat Schulterschmerzen, eine verdickte Schl&auml;fenarterie und bis zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, dass er von einer rheumatischen Erkrankung betroffen ist. Die fr&uuml;hzeitige Diagnose und Therapieeinleitung sind aber insbesondere bei gleichzeitigem Vorliegen einer Riesenzellarteriitis (RZA) wesentlich, da die Entz&uuml;ndung der Arterien schnell zu schlimmen Komplikationen f&uuml;hren kann. Vor allem die isch&auml;mische Optikusneuropathie mit drohender Erblindung ist gef&uuml;rchtet.</p> <h2>Symptome sprechen f&uuml;r sich</h2> <p>Die PMR ist, obwohl in der &Ouml;ffentlichkeit kaum bekannt, keineswegs selten. &bdquo;Bei Personen im h&ouml;heren Lebensalter ist sie nach der rheumatoiden Arthritis die zweith&auml;ufigste entz&uuml;ndlich-rheumatische Erkrankung&ldquo;, erl&auml;utert Prof. Dr. Frank Buttgereit von der Charit&eacute; &ndash; Universit&auml;tsmedizin Berlin, unter dessen Leitung die Leitlinie erstellt wurde. <br />Charakteristisch ist, dass die Erkrankung selten vor dem 50. Lebensjahr auftritt und Frauen dreimal h&auml;ufiger betroffen sind als M&auml;nner. Prof. Dr. Marcus K&ouml;ller, Primar am SMZ S&uuml;d &ndash; Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien, beschreibt das klassische klinische Bild: Die Patienten schildern meist &bdquo;Muskelschmerzen&ldquo; oder auch &bdquo;Knochenschmerzen&ldquo; sowie Steifigkeit in Schultern, Nacken und Oberarmen, besonders am Morgen. Das K&auml;mmen bzw. Frisieren f&auml;llt schwer oder ist gar nicht m&ouml;glich. &bdquo;70 bis 95 Prozent der Betroffenen haben bilaterale Schulterg&uuml;rtelschmerzen, 50 bis 70 Prozent beidseitige Beckeng&uuml;rtelschmerzen&ldquo;, so K&ouml;ller. Nackenschmerzen, &Ouml;deme am Hand- bzw. Fu&szlig;r&uuml;cken und periphere Arthritiden sind weitere Hinweise auf PMR. Zus&auml;tzlich k&ouml;nnen Fieber, Abgeschlagenheit, Appetitlosigkeit und Gewichtsverlust auftreten. <br />In der Blutuntersuchung k&ouml;nnen eine erh&ouml;hte Blutsenkungsgeschwindigkeit und/oder ein Anstieg von C-reaktivem Protein als Zeichen einer entz&uuml;ndlichen Erkrankung auffallen. Einen spezifischen Marker f&uuml;r PMR gibt es nicht, jedoch k&ouml;nnen in einem relativ kurzen Anamnesegespr&auml;ch &bdquo;starke Hinweise&ldquo; gesammelt werden, so K&ouml;ller. Die neuen EULAR/ACR-Klassifikationskriterien sind hilfreich, um das Krankheitsbild zu identifizieren.<sup>2, 3</sup></p> <h2>Keine Alternative zu Kortison</h2> <p>Die Behandlung der PMR besteht gem&auml;&szlig; der neuen S3-Leitlinie<sup>1</sup> in der Gabe von oralen Glukokortikoiden. Die Therapie soll unmittelbar nach Diagnosestellung eingeleitet werden &ndash; das ist laut Prof. Buttgereit eine wichtige Empfehlung dieser Leitlinie. Bei den meisten Patienten komme es zu einer raschen und deutlich ausgepr&auml;gten Linderung der Beschwerden. &bdquo;Viele Betroffene kommen dann ohne weitere Schmerzmittel aus&ldquo;, so der Experte.<br />&bdquo;Kortison wirkt sehr rasch und sehr gut&ldquo;, best&auml;tigt K&ouml;ller. Die Dosierung der Glukokortikoid-Therapie soll f&uuml;r jeden PMR-Patienten individuell angepasst werden. Sie sollte immer so hoch wie n&ouml;tig, aber so niedrig wie m&ouml;glich sein. Wichtig ist, dass die Initialdosis nicht zu niedrig angesetzt wird: Laut der neuen Leitlinie sollte sie zwischen 15 und 25mg Prednison-&Auml;quivalent pro Tag liegen. Es sollen keine Initialdosen von &le;7,5mg/Tag oder von &gt;30mg/Tag angewendet werden.<br />Um die Risiken und Nebenwirkungen so gering wie m&ouml;glich zu halten, wird den Patienten empfohlen, das Medikament morgens einzunehmen. &bdquo;Das vermindert das Auftreten von Schlafst&ouml;rungen und verringert die Beeintr&auml;chtigungen des Hormonsystems&ldquo;, so Buttgereit. <br />Nach dem Abklingen der Beschwerden wird die Kortisondosis langsam, aber m&ouml;glichst kontinuierlich gesenkt &ndash; &bdquo;basierend auf einem regelm&auml;&szlig;igen Monitoring der Krankheitsaktivit&auml;t des Patienten, der Laborparameter und des Auftretens von Nebenwirkungen&ldquo;, so der Wortlaut der Leitlinie. Hierzu gibt es keine festen Vorgaben, jedoch Empfehlungen zum Vorgehen bei der Dosisreduktion und dazu, welche Dosis nach welcher Zeit erreicht werden sollte.<sup>1</sup> <br />Zus&auml;tzlich zur Glukokortikoid-Therapie sollte insbesondere bei Risikopatienten die Gabe von Methotrexat fr&uuml;hzeitig in Betracht gezogen werden. Begleitend zur medikament&ouml;sen Behandlung r&auml;t die Leitlinie vor allem bei &auml;lteren und gebrechlichen Personen zu einer Physiotherapie. Dadurch soll verhindert werden, dass die Patienten im Verlauf der Erkrankung dauerhafte Einbu&szlig;en ihrer Beweglichkeit erleiden. <br />Aus Sicht der Leitlinienautoren gibt es derzeit keine Alternativen zur Behandlung mit Glukokortikoiden. In Studien seien Patienten zwar teilweise erfolgreich mit Biologika behandelt worden, f&uuml;r eine Empfehlung seien die Erfahrungen derzeit noch nicht ausreichend. <br />Langfristig sind die Aussichten bei einer leitliniengerechten Behandlung durch einen Rheumatologen f&uuml;r Betroffene gut. &bdquo;Viele Patienten erholen sich vollst&auml;ndig von der Erkrankung und ben&ouml;tigen nach einiger Zeit keine Medikamente mehr&ldquo;, sagt Buttgereit.</p> <h2>Auf Riesenzellarteriitis achten</h2> <p>PMR kann zusammen mit einer RZA auftreten, einer systemischen Entz&uuml;ndung der Arterien (h&auml;ufig betroffen: Arteria temporalis, Arteria ophthalmica und Aortenbogen). &bdquo;Etwa jeder f&uuml;nfte PMR-Patient hat auch eine RZA und bis zu zwei Drittel der RZA-Patienten zeigen PMR-Symptome&ldquo;, sagt K&ouml;ller. In MR-Studien ist der Overlap zwischen den beiden Erkrankungen sogar noch h&ouml;her. Eine Studie entdeckte klinisch stumme Gef&auml;&szlig;entz&uuml;ndungen bei 12 von 13 PMR-Patienten.<sup>4</sup><br />Auch f&uuml;r die RZA gibt es Klassifikationskriterien der ACR. &bdquo;Bei der Diagnostik der Riesenzellarteriitis darf man sich nicht immer auf die Blutsenkungsgeschwindigkeit verlassen&ldquo;, betont K&ouml;ller. Denn sie ist nicht zwingend erh&ouml;ht: &bdquo;Behandeln Sie die Symptome, nicht die Befunde!&ldquo; K&ouml;ller empfiehlt, auf Kopf- und Kauschmerzen, Auff&auml;lligkeiten der Schl&auml;fenarterie, Visusst&ouml;rungen und Claudicatio (vor allem der oberen Extremit&auml;t) zu achten. Bei der Abkl&auml;rung von Fieber unklarer Genese (FUO) bei &auml;lteren Menschen sollte ebenfalls immer auch eine PMR bzw. RZA in Betracht gezogen werden, denn RZA verursacht etwa 2 % , in der Population der &uuml;ber 65-J&auml;hrigen sogar 16 % aller F&auml;lle von unklarem Fieber.<br />Der histologische Nachweis aus der Biopsie der Arteria temporalis gilt zwar immer noch als Standard bei Befall dieser Arterie, aber bei einem hochgradigen klinischen Verdacht hat auch das in der Sonographie typische HALO-Zeichen eine ausreichend hohe Sensitivit&auml;t und Spezifit&auml;t. Ein histologischer Befund muss in diesen Situationen nach Meinung K&ouml;llers nicht abgewartet werden: &bdquo;Die Gefahr einer Augenbeteiligung ist viel zu gro&szlig;, man sollte daher bei Verdacht auf RZA sofort mit der Steroidtherapie beginnen.&ldquo; F&uuml;r extrakranielle Manifestationen der RZA sind Fluorodeoxyglucose-Positronen-Emission-Tomographie (FDG-PET) oder PET-CT geeignet.<br />Das Therapieregime f&uuml;r die RZA beinhaltet initiale Prednisolon-Dosen von 40&ndash;60mg/Tag, bei Visusverlust 500&ndash;1000mg Methyl-Prednisolon i.v. &uuml;ber 3 Tage. Je nach Verlauf erfolgt die Dosisreduktion mithilfe von Methotrexat laut den EULAR-Empfehlungen. Wie bei der PMR zeigen auch bei RZA TNF-Hemmer keine Wirkung. Aber mit dem IL-6-Hemmer Tocilizumab steht eine Behandlungsalternative f&uuml;r therapieresistente F&auml;lle zur Verf&uuml;gung. <br />K&ouml;ller betont, dass es wichtig sei, auch bei behandelten RZA-Patienten im Lauf der Therapie immer wieder an die m&ouml;gliche Entwicklung von Aortenaneurysmen zu denken und regelm&auml;&szlig;ig Untersuchungen in diese Richtung anzuordnen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: • Pressemitteilung der DGRh, Mai 2018 • 18. Wiener Rheumatag, 4. Mai 2018, Wien </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Buttgereit F et al.: S3-Leitlinie zur Behandlung der Polymyalgia rheumatica. Z Rheumatol 2018; 77(5): 429-41 <strong>2</strong> Dasgupta B et al.: 2012 provisional classification criteria for polymyalgia rheumatica: a European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology collaborative initiative. Arthritis Rheum 2012; 64: 943-54 <strong>3</strong> Dasgupta B et al.: 2012 provisional classification criteria for polymyalgia rheumatica: a European League Against Rheumatism/American College of Rheumatology collaborative initiative. Ann Rheum Dis 2012; 71: 484-92 <strong>4</strong> Moosig F et al.: Correlation between 18-fluorodeoxyglucose accumulation in large vessels and serological markers of inflammation in polymyalgia rheumatica: a quantitative PET study. Ann Rheum Dis 2004; 63(7): 870-3</p> </div> </p>
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