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Am Anfang war die Hand

<p class="article-intro">Die Hände sind von jeher das wichtigste Instrument des Arztes. Greifen und Begreifen, Handeln und Behandeln als wichtige Elemente der Heilkunst tragen die Hand und ihre Funktion sogar im Wortlaut. Besonders in der Orthopädie spielt die Hand als Diagnostikum eine wichtige Rolle. „Wer angreift, der begreift“, sagt Prof. Dr. Hans Tilscher.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Seit 1969 veranstaltet Prof. Dr. Hans Tilscher, Gr&uuml;nder und Pr&auml;sident der &Ouml;sterreichischen &Auml;rztegesellschaft f&uuml;r Manuelle Medizin und konservative Orthop&auml;die (&Ouml;&Auml;GMM), allj&auml;hrlich einen Kurs f&uuml;r manuelle Medizin in P&ouml;rtschach. Zur 50. Veranstaltung stellte er die Hand selbst in den Mittelpunkt. Der Kongress &bdquo;Am Anfang war die Hand&ldquo; bot an drei Tagen ein reichhaltiges interdisziplin&auml;res Programm. In Vortr&auml;gen und Workshops wurde die Hand sowohl als Behandlungsziel bei Schmerzen, Ver&shy;letzungen und Funktionsst&ouml;rungen als auch als &bdquo;Werkzeug&ldquo; f&uuml;r Diagnostik und Therapie in der manuellen Medizin betrachtet.</p> <h2>Szintigrafie und Radiosynoviorthese der Hand</h2> <p>Experten aus &Ouml;sterreich, Deutschland und der Schweiz folgten Prof. Tilschers Einladung nach K&auml;rnten. So kam auch der Pr&auml;sident der Deutschen Gesellschaft f&uuml;r Manuelle Medizin, Doz. Dr. Dipl.-Phys. Rigobert Klett, aus Gie&szlig;en und sprach in zwei Referaten &uuml;ber die Hand als diagnostisches Instrument und &uuml;ber die nuklearmedizinische Diagnostik und Therapie der Hand. <br />Die Skelettszintigrafie zeigt laut Klett bei schwierigen traumatologischen Fragestellungen hohe Sensitivit&auml;t und kann Frakturen sicher ausschlie&szlig;en. Bei Erkrankungen, die mit funktionellen Ver&auml;nderungen, wie z.B. einer Perfusions- oder Knochenstoffwechselst&ouml;rung, einhergehen, sei die Szintigrafie auch in ihrer Spezifit&auml;t der radiologischen Bildgebung &uuml;berlegen. Bei entz&uuml;ndlich-rheumatischen Erkrankungen ist die Ganzk&ouml;rperdarstellung die Dom&auml;ne der Szintigrafie, aber auch die gezielte Diagnostik der Hand ergibt wesentliche Aussagen f&uuml;r die Fr&uuml;hdiagnose und Therapieplanung: &bdquo;Die Szintigrafie der Finger- und Handgelenke kann die Entwicklung einer rheumatoiden Arthritis in den n&auml;chsten zwei Jahren zu 92 % voraussagen. Im Vergleich dazu liegt die Sensitivit&auml;t der MRT hier bei 83 % , die des R&ouml;ntgen bei 50 % &ldquo;, sagt Klett. &bdquo;Der Erfolg einer eingeleiteten Basistherapie ist im Verlauf mittels Weichteilphase der Skelettszintigrafie beurteilbar.&ldquo;<br />Eine nuklearmedizinische therapeutische Methode bei Synovialitis und aktivierter Arthrose ist die Radiosynoviorthese. &bdquo;Prospektive Studien zeigen bei rheumatoider Arthritis und seronegativen Arthritiden Erfolgsraten zwischen 62 und 88 Prozent&ldquo;, so Klett. &bdquo;Bei aktivierter Arthrose h&auml;ngt die Erfolgsrate vom Ausma&szlig; der kn&ouml;chernen Ver&auml;nderungen ab und liegt zwischen 45 und 85 Prozent. Die besten Ergebnisse werden am Daumensattelgelenk erzielt.&ldquo;</p> <h2>Die Maus in der Hand</h2> <p>&Uuml;ber ein Krankheitsbild, das in der Menschheitsgeschichte erst vor Kurzem aufgetaucht ist, referierte Prof. Dr. Gerold Ebenbichler von der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin, Wien: &bdquo;Die meisten Computerbefehle und -aktionen werden mit einer Computermaus durchgef&uuml;hrt. Der Unterarm ist dabei meist in Pronation und das Handgelenk abh&auml;ngig von der Maush&ouml;he in mehr oder weniger starker Extensions- und Ulnardeviationsstellung.&ldquo; In die Bewegungen zur Steuerung der Maus sind Gelenke von den Fingern bis zur Schulter involviert. Bei &uuml;berm&auml;&szlig;iger Beanspruchung k&ouml;nnen verschiedene Beschwerden in Hand, Unterarm, Schulter, Nacken und Wirbels&auml;ule entstehen, die unter dem Begriff &bdquo;Repetitive Strain Injury&ldquo;-Syndrom (RSI-Syndrom) zusammengefasst werden.<br />&bdquo;Eine monotone, repetitive und ergonomisch ung&uuml;nstige Haltung der Hand mit Pronation, Ulnardeviation und verst&auml;rkter Extension im Handgelenk k&ouml;nnte das geh&auml;ufte Auftreten von Kompressionssyndromen wie Karpaltunnelsyndrom und De-Quervain-Syndrom erkl&auml;ren&ldquo;, so Ebenbichler. Weitere m&ouml;gliche Folgen eines Langzeit-Mausgebrauchs sind Arthrosen im PIP- und DIP-Gelenk, schnellende Finger, Insertionstendinosen (Fingerstrecker, Supraspinatus und Bizepssehne) und muskul&auml;re Verspannungen, vorwiegend in der Pars horizontalis des M. trapezius.</p> <h2>&bdquo;Darf ich Sie angreifen?&ldquo;</h2> <p>Rechtsanwalt Dr. Stephan Trautmann, Wien, beleuchtete in seinem Vortrag einige juridische Aspekte von &bdquo;Handgreiflichkeiten&ldquo; im Gesundheitsbereich und gab Tipps f&uuml;r die Praxis mit auf den Weg.<br />&bdquo;Bevor man einen Patienten angreift, sollte man ank&uuml;ndigen, was man vorhat, wo man ihn ber&uuml;hren wird und warum das notwendig ist&ldquo;, r&auml;t Trautmann. Das kann Missverst&auml;ndnisse vermeiden und bietet dem Behandler auch eine gewisse rechtliche Absicherung, falls es sp&auml;ter zu Vorw&uuml;rfen wegen &Uuml;bergriffen kommen sollte. Bestimmte Berufsgruppen, die l&auml;ngeren k&ouml;rperlichen Kontakt mit Patienten haben, wie z.B. Masseure, sollten Art und Ausma&szlig; der geplanten Behandlung mit dem Patienten sogar schriftlich fixieren. <br />Weil mit H&auml;nden leider auch Krankheitskeime &uuml;bertragen werden k&ouml;nnen, ist der Trend zum begr&uuml;&szlig;enden H&auml;ndesch&uuml;tteln r&uuml;ckl&auml;ufig, insbesondere in Ordinationen und Krankenanstalten. &bdquo;Eine Klinik in Bochum r&auml;t ihren Angestellten sogar per Erlass vom Handgeben ab&ldquo;, berichtet Trautmann. Weil viele Menschen aber nicht auf diese Grundgeste der H&ouml;flichkeit verzichten m&ouml;chten, sollte man zumindest daf&uuml;r sorgen, dass in Gesundheitseinrichtungen M&ouml;glichkeiten f&uuml;r die H&auml;ndedesinfektion vorhanden sind. <br />&bdquo;Als Dienstgeber haben Sie eine F&uuml;rsorge- und Aufsichtsverpflichtung f&uuml;r Ihre Mitarbeiter&ldquo;, erinnert Trautmann. Diese geht weit &uuml;ber Dinge wie H&auml;ndedesinfektion hinaus. &bdquo;Sie m&uuml;ssen auch daf&uuml;r sorgen, dass es unter Ihren Mitarbeitern zu keinen (sexuellen) &Uuml;bergriffen kommt, dass Autorit&auml;tsverh&auml;ltnisse nicht ausgenutzt werden. Sie haben die Verpflichtung, Pr&auml;ventivma&szlig;nahmen zu treffen. Wenn es zu einem Verfahren kommt, k&ouml;nnen Sie als Dienstgeber zur Verantwortung gezogen werden&ldquo;, so Trautmann.</p> <h2>Evidenz steigend</h2> <p>&bdquo;Massage als Therapieform wurde schon von Hippokrates empfohlen und wird seit Jahrhunderten erfolgreich bei Funktionsst&ouml;rungen und Erkrankungen des St&uuml;tz- und Bewegungsapparates eingesetzt&ldquo;, so Prim. Dr. Christian Wiederer, &auml;rztlicher Leiter Kurhaus Bad Gleichenberg und Klinikum am Kurpark Baden. &bdquo;In den letzten Jahren hat sie als Teil multimodaler Behandlungskonzepte noch mehr an Bedeutung gewonnen.&ldquo;<br />Trotz ihrer langen Geschichte und den vielf&auml;ltigen beobachteten Effekten (mechanische, biochemische, reflektorische, psychogene und immunmodulierende) gibt es f&uuml;r die Massage &ndash; wie auch f&uuml;r andere physikalische Therapieformen &ndash; keinen Nachweis der Wirksamkeit im Sinne von evidenzbasierter Medizin, sagt Wiederer. Der Grund daf&uuml;r ist, dass ein Studiendesign mit doppelter Verblindung nicht m&ouml;glich ist und somit hohe Evidenzlevel nicht erreichbar sind. Massage ist zudem schwer standardisierbar, weil abh&auml;ngig vom ausf&uuml;hrenden Therapeuten. <br />&bdquo;Mangelnde Wissenschaftlichkeit, fehlende Transparenz und Uneinheitlichkeit &ndash; das sind die Vorw&uuml;rfe, mit denen die manuelle Medizin oft konfrontiert wird&ldquo;, sagt auch Dr. Bernard Terrier aus Baden in der Schweiz. Die europ&auml;ische Dachgesellschaft der manuellen Medizin (European Scientific Society f&uuml;r Manual Medicine, ESSOMM) will dem entgegenwirken. Sie b&uuml;ndelt die Werte ihrer Mitglieder und vertritt sie gegen&uuml;ber anderen Fachbereichen glaubhaft und wissenschaftlich nachvollziehbar. &bdquo;Sie ist das manualmedizinische Sprachrohr ihrer Mitglieder&ldquo;, so Terrier. Aus &Ouml;sterreich ist derzeit neben der &Ouml;&Auml;GMM auch die &Ouml;sterreichische Arbeitsgemeinschaft Manuelle Medizin (&Ouml;AMM) mit dabei.<br />In Anlehnung an die Vorgaben der Europ&auml;ischen Union der medizinischen Fach&auml;rzte (Union Europ&eacute;enne des M&eacute;dicines Sp&eacute;cialistes, UEMS) hat die ESSOMM ein Konsensusdokument verabschiedet, das &bdquo;European Core Curriculum Manual Medicine&ldquo;, sowie ein Ausbildungskonzept f&uuml;r ein erstes Curriculum &uuml;ber 100 Ausbildungsstunden, um eine solide Ausbildungsstruktur zu schaffen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: <br>Kongress „50 Jahre Manuelle Medizin in Pörtschach. Am Anfang war die Hand“, 6.–8. Juli 2018, Pörtschach </p>
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