<p class="article-intro">Die Embolisation der prostatischen Arterien (PAE) zur Behandlung der benignen Prostatahyperplasie (BPH) wurde erstmals im Jahr 2000 beschrieben.<sup>1</sup> In der Folge vorwiegend an zwei Zentren in Brasilien und Portugal angewendet, hat dieses neue minimal invasive Verfahren in den letzten Jahren rasant «an Fahrt aufgenommen» und eine weite Verbreitung gefunden. Parallel hat auch die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen dazu exponentiell zugenommen. Allerdings sind die bislang publizierten Studien von nur geringem Evidenzgrad und qualifizieren somit nicht für die Aufnahme in Leitlinien.<sup>2</sup> Aus diesen Gründen wurde in St. Gallen eine prospektiv kontrollierte Vergleichsstudie gegen den operativen Standard transurethrale Resektion der Prostata (TURP) initiiert.<sup>3</sup></p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die PAE ist ein technisch anspruchsvolles minimal invasives Verfahren zur Behandlung der BPH mit einem guten Sicherheitsprofil.</li> <li>Die subjektiven Ergebnisse (I-PSS, Lebensqualität) sind vergleichbar mit denjenigen der TURP.</li> <li>Die funktionellen Miktionsparameter (Harnstrahlstärke, postmiktioneller Resturin) und das Ausmass der Desobstruktion sind bei der TURP besser.</li> <li>Beim Prostatakarzinom könnte die PAE als zytoreduktives Verfahren im Rahmen multimodaler Therapiekonzepte eine Rolle spielen.</li> </ul> </div> <h2>PAE bei benigner Prostatahyperplasie</h2> <p>Zwischen Februar 2014 und Mai 2017 wurden 99 Männer mit BPH, die allesamt Kandidaten für eine TURP waren, zufällig einem Arm mit PAE (n=48) und einem mit TURP (n=51) zugeteilt (Software SecuTrail).<sup>4</sup> Die Patientencharakteristika sind in der Tabelle 1 ersichtlich. Das Sponsoring war nicht kommerziell und die Handhabung der Daten erfolgte durch unabhängige Experten der Clinical Trials Unit (CTU). Die PAE wurde in Lokalanästhesie durch einen erfahrenen interventionellen Radiologen durchgeführt (L. H.). Der Zugang war in der rechten Leiste via A. femoralis communis und A. iliaca interna und die Embolisation erfolgte möglichst peripher mit 250– 400μm-Mikrosphären (Embozene, Boston Scientific), bilateral, falls machbar. Die monopolare TURP in Spinal- oder Allgemeinanästhesie führten vier Fachärzte für Urologie durch (H-P. S., L. M., D.S. E., D. A.). Deren Ergebnisse sind mit sehr grossen Serien aus Österreich oder Bayern vergleichbar resp. leicht besser.<sup>5, 6</sup><br /> Als primärer und leitlinienkonformer Endpunkt wurde die Verbesserung des Internationalen Prostatasymptom-Score (I-PSS) nach 12 Wochen festgelegt. Sekundäre Endpunkte umfassten die Harnstrahlmessung, den postmiktionellen Resturin, den «Chronic Prostatitis Symptom Index» (CPSI), den Internationalen Index für erektile Funktion (IIEF), das prostataspezifische Antigen (PSA), das Prostatavolumen, die Schmerzen anhand der «visual analogue scale» (VAS) und einige andere mehr.<sup>4</sup> Eine komplette urodynamische Untersuchung wurde vor Therapie, nach 12 Wochen und nach 2 Jahren gemacht, ebenso ein MRI des Beckens (Abb. 1).<br /> Beim primären Endpunkt I-PSS nach 12 Wochen ergab sich kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p=0,31). In der PAE-Gruppe sank der I-PSS um 9,2 Punkte und in der TURPGruppe um 10,8 Punkte. Die Punktezahl bezüglich Lebensqualität verringerte sich bei der TURP minimal stärker als bei der PAE (–2,7 Punkte versus –2,3 Punkte). Die Punktezahlen beim CPSI und beim IIEF waren ebenfalls statistisch nicht signifikant unterschiedlich.<br /> Bei den funktionellen sekundären Endpunkten ergaben sich klare Vorteile für die TURP. Die Harnflussstärke und der Restharn verbesserten sich deutlich stärker bei der TURP. Die Volumenreduktion der gesamten Prostata nach 12 Wochen betrug bei der TURP ca. 50 % und bei der PAE ca. 25 % . Der Anteil der Patienten, die bei der urodynamischen Druckflussmessung in eine weniger obstruktive Kategorie verschoben wurden, war bei der TURP 93 % und bei der PAE 56 % (p=0,003).<br /> Bei den Nebenwirkungen resp. Komplikationen ergaben sich signifikant weniger behandlungsassoziierte Komplikationen nach PAE (n=36 versus n=70; p=0,003). Die Verteilung der Nebenwirkungen aufgrund ihres Schweregrades war aber ähnlich für beide Behandlungsarme (p=0,44). Spezifische Komplikationen der PAE umfassten bei je einem Patienten ein Hämatom an der Punktionsstelle in der Leiste, ein sogenanntes Postembolisationssyndrom mit Fieber und eine limitierte Ischämie der Blasenwand, die eine transurethrale Resektion des nekrotischen Gewebes erforderlich machte. Ganz im Gegensatz zur bisherigen Literatur, in der dieser Parameter nicht konsequent erfasst wurde, ergab sich bei der PAE eine retrograde Ejakulation in 56 % der Fälle (bei der TURP in 84 % , was zu erwarten ist).<sup>4</sup><br /> Die Strahlenbelastung für den Patienten bei der PAE entspricht ungefähr derjenigen von zwei bis drei Computertomogrammen des Abdomens. Der finanzielle Aufwand und Ertrag der PAE und der TURP sind am Kantonsspital St. Gallen vergleichbar. Blutverlust war bei der PAE geringer, die Katheterverweildauer kürzer.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1802_Weblinks_lo_uro_1802_s9_tab1.jpg" alt="" width="1051" height="653" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Uro_1802_Weblinks_lo_uro_1802_s10_abb1.jpg" alt="" width="1441" height="1037" /></p> <h2>PAE beim lokalisierten Prostatakarzinom</h2> <p>Die drei Standardverfahren zur kurativen Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms (radikale Prostatektomie, perkutane Radiotherapie, LDR-Brachytherapie) werden derzeit durch eine Vielzahl von sogenannten fokalen Therapien herausgefordert. Diese weniger invasiven Verfahren haben zum Ziel, die Indexläsion – also den klinisch relevanten Tumorherd – zu eliminieren. In der weltweit ersten Pilotserie evaluierten wir die PAE als weitere Möglichkeit, um den Indextumor zu behandeln.<sup>7</sup> Zu diesem Zweck wurden 12 Männer (medianes Alter: 65 Jahre, Range 52–72) mit klinisch lokalisiertem Prostatakarzinom, bei denen die Indikation zur radikalen Prostatektomie gestellt worden war, zunächst einer PAE unterzogen und 6 Wochen später einer roboterassistierten laparoskopischen Prostatektomie (RALP). Unmittelbar vor PAE und vor RALP fand ein multiparametrisches MRI der Prostata statt. Die PAE erfolgte in Lokalanästhesie durch einen interventionellen Radiologen (L. H.) mit Embozene-Mikrosphären von 100μm Grösse. Die RALP erfolgte durch je einen Operateur am Kantonsspital St. Gallen (D.S. E.) und am Kantonsspital Luzern, jeweils standardisiert nach dem Pasadena-Konsensus. Die Aufarbeitung der radikalen Prostatektomiepräparate erfolgte in der Stufenschnitttechnik. Als primärer Endpunkt wurde die Tumorregression der Indexläsion beurteilt.<sup>8</sup><br /> Eine komplette Nekrose der Indexläsion wurde bei 2 der 12 der Patienten vorgefunden und eine partielle Tumorregression bei 5 der 12 Patienten. Die Nekrose fand v.a. in der zentralen Zone statt. Alle 12 Patienten hatten residuale vitale Tumorzellen, entweder in der Indexläsion oder in kleinen sekundären Herden. Alle Patienten hatten negative Absetzungsränder im radikalen Prostatektomiepräparat und nach 12 Wochen ein PSA <0,01ng/ml. Da kleinere Mikrosphären verwendet wurden als bei der randomisierten BPH-Studie, traten mehr Nebenwirkungen auf. Zwei Patienten hatten eine partielle Blasenwandnekrose, die reseziert wurde (einmal transurethral, einmal im Rahmen der RALP). Die technische Durchführbarkeit der RALP wurde von den beiden Operateuren als absolut ähnlich wie bei einer primären Prostata operation beurteilt.<sup>7</sup> Im verwendeten Setting scheint die PAE bei der Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms eher keine Rolle zu spielen, allenfalls könnte sie aber im Rahmen einer Zytoreduktion bei metastasierten Tumoren eingesetzt werden.<sup>9</sup></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die PAE, als minimal invasives Verfahren und in Lokalanästhesie durchführbar, ist zwar aktuell noch als experimentell anzusehen, dürfte aber schon in naher Zukunft einen festen Platz im Armamentarium der BPHTherapie einnehmen. Vermutlich wird sie zwischen medikamentöser Behandlung und TURP angesiedelt sein. Beim metastasierten Prostatakarzinom hingegen wird die Anwendung der PAE am ehesten als zytoreduktive Massnahme und nur in Kombination mit Medikamenten zu erwarten sein.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> DeMeritt JS et al.: J Vasc Interv Radiol 2000; 11: 767-70 <strong>2</strong> Shim SR et al.: J Urol 2017; 197: 465-79 <strong>3</strong> Abt D et al.: BMC Urol 2014; 14: 94 <strong>4</strong> Abt D et al.: BMJ 2018; 361: k2338 5 Madersbacher S et al.: Eur Urol 2005; 47: 499-504 <strong>6</strong> Reich O et al.: J Urol 2008;180:246-9 <strong>7</strong> Mordasini L et al.: J Vasc Interv Radiol 2018; 29: 589-97 <strong>8</strong> Mandard AM et al.: Cancer 1994; 73: 2680-6 <strong>9</strong> Haidl F, Pfister D, Heidenreich A: Eur Urol, in press</p>
</div>
</p>