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Infektionen

Rationaler Einsatz von Antibiotika und alternative Unterstützungsmaßnahmen

<p class="article-intro">Der Sommer naht und ein Großteil der österreichischen Bevölkerung geht auf Reisen – egal ob ein Wochenendtrip oder eine Reise in ferne Gefilde, der Österreicher ist unterwegs. Bei Reisen in (sub)tropische Gebiete liegt das Risiko, an einer akuten Diarrhö zu erkranken, bei durchschnittlich 40–60 % und steht somit bei den Reisesouvenirs an erster Stelle.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die wichtigste vorbeugende Ma&szlig;nahme ist und bleibt weiterhin eine ad&auml;quate H&auml;nde- und Nahrungsmittelhygiene.</li> <li>Zu einer prophylaktischen Antibiotikaeinnahme wird aufgrund von Resistenzproblemen weiterhin nur in Ausnahmef&auml;llen ge raten.</li> <li>Eine Selbstmedikation mit Ciprofloxacin, Azithromycin oder Rifaximin kann bei m&auml;&szlig;iger bis starker Diarrh&ouml; in Ausnahmef&auml;llen erwogen werden.</li> </ul> </div> <p>Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) kommt es pro Jahr durch mangelnde Hygiene und schlechte Wasserqualit&auml;t zu 842 000 Todesf&auml;llen. Sehr oft sind Rotaviren die Ausl&ouml;ser, vor allem betroffen sind Kinder unter 5 Jahren. 90 % der Durchf&auml;lle werden durch Bakterien verursacht, zumeist durch enterotoxische E. coli (ETEC). In zunehmendem Ma&szlig;e werden auch Noroviren beschrieben &ndash; nicht nur auf Kreuzfahrtschiffen.<br /> Das postinfekti&ouml;se Reizdarmsyndrom gilt als h&auml;ufige Folge der Reisediarrh&ouml;. Der Beginn einer Durchfallserkrankung tritt klassischerweise zwischen dem vierten und zehnten Tag nach Reisebeginn auf. Sie wird charakterisiert durch eine gesteigerte Darmt&auml;tigkeit von drei oder mehr fl&uuml;ssigen St&uuml;hlen/Tag, ist meistens von kurzer Dauer, selbstlimitierend und selten lebensbedrohlich! Bei milden Verl&auml;ufen kann das Urlaubsvergn&uuml;gen getr&uuml;bt werden, in schweren F&auml;llen kann die Diarrh&ouml; zu Dehydratation, Sepsis und zu einem Spitalsaufenthalt f&uuml;hren.<br /> Die Behandlung des Reisedurchfalls st&uuml;tzt sich auf drei S&auml;ulen &ndash; die Rehydratation, eine symptomatische Therapie und im Bedarfsfall eine Antibiotikagabe.<br /> Der ausreichende Ausgleich des Fl&uuml;ssigkeitsverlustes unterst&uuml;tzt durch orale Rehydratationsl&ouml;sungen (ORS) ist entscheidend. Substanzen wie Bismutsubsalicylate (in den USA als Verdauungshilfe erh&auml;ltlich, in &Ouml;sterreich jedoch nicht zugelassen), medizinische Kohle, Motilit&auml;tshemmer wie Loperamid, Sekretionshemmer wie Racecadotril, Ethacridinlactat oder Uzara-Wurzel finden ihren breiten Einsatz in der symptomatischen Therapie der Reisediarrh&ouml;, Substanzen wie Loperamid sollten wegen der Gefahr der Toxin- und Keimretention kritisch gesehen werden.<br /> Probiotika wurden zur Pr&auml;vention oft untersucht, die Daten der wenigen verf&uuml;gbaren Studien sind &auml;u&szlig;erst widerspr&uuml;chlich. Eine generelle Therapieempfehlung kann aus diesem Grund nicht ausgesprochen werden.<br /> Richtet man sich nach einer neueren praxisorientierten Einteilung des Reisedurchfalls, wird derzeit nur bei m&auml;&szlig;iger und schwerer Diarrh&ouml; eine antibiotische Selbstbehandlung akzeptiert, wobei bei Auftreten von Fieber und blutigen Durchf&auml;llen medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen ist. Die Wahl des Antibiotikums wird von Unvertr&auml;glichkeiten und dem Reiseziel abh&auml;ngig gemacht.<br /> Wegen zunehmender Resistenzen gegen Chinolone in S&uuml;dostasien (vor allem Entwicklung von resistenten Campylobacterst&auml;mmen) kommen Antibiotika wie Azithromycin und Rifaximin vermehrt zum Einsatz. Man sollte nicht vergessen zu erw&auml;hnen, dass eine empirische Antibiotikaeinnahme die durchschnittliche Dauer einer Durchfallserkrankung lediglich von drei auf eineinhalb Tage reduziert.<br /> Bereits nach einer Fernreise ohne gesundheitliche Probleme erh&ouml;ht sich die Kolonisation mit ESBL-Keimen (&bdquo;extended- spectrum beta-lactamase&ldquo;-produzierende Keime) auf 34 % , nach einer Fernreise mit Antibiotikagabe sogar auf 70 % . Nach einem Jahr bestehen immer noch 11 % Resistenzen.<br /> Die oft diskutierte &bdquo;antibiotische Prophylaxe&ldquo; wird nur in Einzelf&auml;llen empfohlen, da eine Antibiotikatherapie mit einer verst&auml;rkten Kolonisierung des Magen- Darm-Traktes mit hochresistenten Bakterien einhergeht. Die Dauer der Einnahme sollte einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen nicht &uuml;berschreiten und individuell abgewogen werden. Als Mittel der Wahl gilt Rifaximin 200mg 1&ndash;2 Tabletten/Tag. Die Einnahme bewirkt jedoch nur einen circa 25 % igen Schutz vor Darminfektionen.<br /> Eine prophylaktische Antibiotikagabe wird nur f&uuml;r Patienten erwogen, bei denen infolge einer Diarrh&ouml; mit schwerwiegenden Folgeerscheinungen zu rechnen w&auml;re, etwa bei geschw&auml;chtem Immunsystem, z.B. durch chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, chronisch-entz&uuml;ndliche Darmerkrankungen oder regelm&auml;&szlig;ige Einnahme von Protonenpumpenhemmern.</p> <h2>Alternative Unterst&uuml;tzungsma&szlig;nahmen</h2> <p>H&auml;nde- und Nahrungsmittelhygiene hat oberste Priorit&auml;t und es gilt nach wie vor die Empfehlung &bdquo;Boil it, cook it, peel it or forget it&ldquo;. Auch wenn zu diesem Thema kaum Studien existieren: Essen von Stra&szlig;enh&auml;ndlern oder Gark&uuml;chen, vorgeschnittene Fr&uuml;chte, nicht pasteurisierte Milch und Milchprodukte inklusive Eiscremes, Fr&uuml;chten und Gem&uuml;sesorten, die nicht gesch&auml;lt werden k&ouml;nnen, wie Weintrauben, Beeren oder Salate sollten vermieden werden. Aber auch Saucen und Snacks auf Tischen weisen h&auml;ufig eine hohe Keimzahl auf, da diese oft stundenlang ungek&uuml;hlt und ungesch&uuml;tzt vor Insekten bereitgestellt werden.</p> <h2>Don&rsquo;t drink water!</h2> <p>Auch Wasser aus geschlossenen Wasserflaschen kann eine Gefahrenquelle darstellen. Nur das Vorhandensein von Kohlens&auml;ure, das beim &Ouml;ffnen der Flasche h&ouml;rbar ist, gew&auml;hrleistet eine sichere Verarbeitung des Getr&auml;nkes &ndash; am besten mit Strohhalm und nicht aus einem Glas genie&szlig;en.<br /> Nicht sterilisiertes Wasser aus dem Wasserhahn oder anderen Wasserquellen ist ebenso eine Gefahrenquelle wie lokal hergestellte Eisw&uuml;rfel, &bdquo;crushed ice&ldquo; oder Fruchts&auml;fte. Alkohol sterilisiert weder Wasser noch Eis, somit k&ouml;nnen auch Mixgetr&auml;nke kontaminiert sein.</p> <h2>H&auml;ndewaschen</h2> <p>Es ist dies eine der besten pr&auml;ventiven Methoden. Denn 30 % der Darminfektionen w&auml;ren allein durch H&auml;ndewaschen vermeidbar. Ein absolut notwendiges Reiseutensil ist das H&auml;ndedesinfektionsmittel mit &gt;60 % Alkoholgehalt, das in jeder Apotheke in kleinen Packungsgr&ouml;&szlig;en f&uuml;r die Handtasche oder den Rucksack erh&auml;ltlich ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1806_Weblinks_dam_1805+6_s29_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="1165" /></p></p>
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