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Allgemeinmediziner im Imagetief

<p class="article-intro">Miese Honorierung, fehlende Patientensteuerung und geringe Wertschätzung drängen den Hausarzt ins Abseits.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Beteuerungen vom angeblich besten Gesundheitssystem der Welt werden leiser. Der Land&auml;rztemangel und das permanente Chaos in den Spitalsambulanzen haben einen Wandel in der Berichterstattung vollzogen. Pl&ouml;tzlich werden Schwachstellen des Systems schonungslos aufgezeigt. Der &bdquo;Kurier&ldquo; zum Beispiel liefert Mitte April folgende Schlagzeile: &bdquo;Woran das Gesundheitssystem derzeit krankt.&ldquo; Die Rubrik zum Land&auml;rztemangel bekommt die &Uuml;berschrift: &bdquo;F&uuml;r so wenig Geld macht das keiner gern.&ldquo; So schnell kann es gehen. &Uuml;ber Jahrzehnte waren wir dem Ruf ausgesetzt, Schwerverdiener zu sein. Beim Erwerb teurer Autos oder bei Errichtung schmucker Landh&auml;user schlugen uns oft Neid und Missgunst entgegen. Jetzt w&auml;ren die B&uuml;rgermeister einiger Landgemeinden hellauf begeistert, wenn ein Kassen-Allgemeinmediziner Baumaschinen auffahren lie&szlig;e, um im Ortsgebiet ein Wohnhaus inklusive Praxisr&auml;umlichkeiten zu errichten. Zwischenzeitlich sind Gemeindevertreter schon froh, einen Jungarzt wenigstens zum t&auml;glichen Einpendeln gewinnen zu k&ouml;nnen, ganz egal, wo der Mediziner dann abends sein m&uuml;des Haupt bettet.</p> <h2>Ex-Gr&uuml;nen-Abgeordnete: Haus&auml;rzte schlecht bezahlt</h2> <p>Schon fr&uuml;h haben einige Politiker klare Worte zum finanziellen Ertrag von Hausarztpraxen gefunden. Man denke dabei etwa an die ehemalige Gr&uuml;nen-Abgeordnete im Nationalrat Gabriela Moser. Die Ober&ouml;sterreicherin fasste im August 2017 mit klaren Worten zusammen, woran es im Bereich Gesundheit kranke: &bdquo;An der ganzen Palette von h&ouml;chst unterschiedlichen Finanzierungsquellen &uuml;ber den Spit&auml;lerwildwuchs an Landesgrenzen bis hin zur schlechten Bezahlung f&uuml;r Allgemeinmediziner, den Engp&auml;ssen und Wartezeiten f&uuml;r Patienten und der Kuvertmedizin.&ldquo; So weit die Aussage einer Politikerin, welcher nicht nachgesagt werden kann, Bundessprecherin der Schwerverdiener zu sein. Ein Landsmann von Gabriela Moser ist da ganz anderer Ansicht. Der Obmann der Ober&ouml;sterreichischen Gebietskrankenkasse (O&Ouml;GKK), Albert Maringer, l&auml;sst die Leser der &bdquo;Bezirksrundschau Kirchdorf&ldquo; wissen, Hausarzt sei sowohl menschlich als auch finanziell ein lohnender Beruf. Auf Zahlenangaben verzichtet der Obmann. Funktion&auml;re anderer Krankenkassen sprudeln bei so einer Gelegenheit die durchschnittlichen Honorarsummen der Vertrags&auml;rzte f&uuml;r Allgemeinmedizin heraus. Sie bauen damit geschickt auf die Unwissenheit von &bdquo;Otto Normalverbraucher&ldquo;. Der kann mit solchen Angaben nichts anfangen, er hat ja keine Ahnung, was dem Hausarzt nach Abzug aller Aufwendungen und Steuern in der Geldb&ouml;rse bleibt.</p> <h2>Vorwurf des Krankredens</h2> <p>Manche Verantwortungstr&auml;ger erheben den Vorwurf, der Beruf des Hausarztes werde nur schlechtgeredet. Dazu z&auml;hlt der O&Ouml;GKK-Obmann. In besagter &bdquo;Bezirksrundschau&ldquo; l&auml;sst er seinen Gedanken freien Lauf: &bdquo;Das Krankreden des wundervollen Berufs als Hausarzt muss ein Ende finden.&ldquo; Irgendwie klingt durch, Jung&auml;rzte werden von uns Miesmachern durch Falschinformation vom Landarztjob abgehalten. Maringer im Originalton: &bdquo;Jahrelanger gesundheitspolitischer Hickhack, vor allem auf Bundesebene, hat ein Bild vom Hausarztberuf gezeichnet, welches weit weg von der Realit&auml;t ist und junge &Auml;rzte abschreckt, diesen Weg einzuschlagen.&ldquo; Leider ist das Gegenteil der Fall. Die unmenschliche Kassenb&uuml;rokratie zum Beispiel hat noch nicht den Weg in die Massenmedien gefunden. W&auml;re das der Fall, st&uuml;nden weit mehr Hausarztpraxen ohne Nachfolger da. F&uuml;hlen hingegen Kassenfunktion&auml;re den Druck von b&uuml;rokratischen Belastungen, scheint der Weg f&uuml;r sie in die &Ouml;ffentlichkeit ein leichter.</p> <h2>Hanusch-KH : Fenstertausch durch Kassen-Hofrat</h2> <p>Ein Beispiel: Der Generaldirektor der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK), Hofrat Ing. Mag. Erich Sulzbacher, klagt in einer Ausgabe der Zeitung &bdquo;Die Presse am Sonntag&ldquo;, die Kasse habe sich bei ihren Bauprojekten an mindestens 300 &Ouml;-Normen zu halten. 530 dieser Richtlinien gebe es in Gesamt&ouml;sterreich. Der notwendige Austausch von zehn Fenstern im Logistikzentrum des Hanusch-Krankenhauses war mit rund 120 000 Euro (exkl. Umsatzsteuer) veranschlagt. Die Einhaltung aller Bestimmungen l&auml;sst jedoch den Endpreis der zehn Fenster auf 260 000 Euro (exkl. Umsatzsteuer) hinaufschnellen. Diese Darstellung des Generaldirektors schreit nach einem Vergleich mit der Kassen&auml;rzteschaft. F&uuml;r die Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) ist es eine gesundheitspolitische Verirrung, Spitalsbetreiber zu sein. G&auml;be es einen bundesweit g&uuml;ltigen Aufgabenkatalog f&uuml;r Krankenversicherungen, h&auml;tten Kassenhofr&auml;te wie Sulzbacher gar nicht die Aufgabe, sich mit der Erneuerung von Spitalsfenstern herumzu&auml;rgern. Seit Jahrzehnten empfehlen s&auml;mtliche Experten, die WGKK m&ouml;ge sich von ihrem Hanusch-Krankenhaus trennen. Vergeblich! Im Gegensatz zu Kassenbeamten haben Vertrags&auml;rzte f&uuml;r ihre Praxisr&auml;umlichkeiten selbst aufzukommen. Der WGKK-Boss muss die Fenster nicht aus der eigenen Tasche bezahlen. Seine Mitarbeiter sind auch nicht gezwungen, sich in der Freizeit mit den Fensterkeilern herumzuschlagen. Zur Einhaltung aller 300 &Ouml;-Normen wird bezahlte Dienstzeit in Anspruch genommen. Weder Kassenfunktion&auml;re noch WGKK-Bedienstete sind gezwungen, f&uuml;r die Finanzierung des notwendigen Fensteraustausches Kredite aufzunehmen. So weit der Unterschied zum freiberuflich t&auml;tigen Kassenvertragsarzt.</p> <h2>Fach&auml;rzteschwemme degradiert Hausarzt</h2> <p>In L&auml;ndern mit hoher Wertsch&auml;tzung des Allgemeinmediziners ist die Anzahl der frei praktizierenden Fach&auml;rzte gering. In Norwegen zum Beispiel sind Fachkollegen fast nur in Spit&auml;lern anzutreffen. Solange sich der aktuelle Trend in &Ouml;sterreich fortsetzt, dass junge Kollegen mehrheitlich nach der Facharztausbildung im Spital bleiben und dann nebenbei eine Ordination als Wahlarzt f&uuml;hren, muss es mit dem heimischen Hausarzt weiter bergab gehen. Schon rein zahlenm&auml;&szlig;ig wird er in die Defensive gedr&auml;ngt. Nur mehr 8 % der aktiven &Auml;rzte unseres Landes sind Kassen-Allgemeinmediziner. Das ist ein Negativrekord. Die Anzahl der Wahlarztpraxen diverser Fachrichtungen hingegen explodiert. Ein &ouml;sterreichisches Spezifikum, denn nur bei uns gibt es die Kostenr&uuml;ckerstattung f&uuml;r Honorarnoten von Niedergelassenen ohne Vertragsbindung. Solange den Sozialversicherten das Recht zugestanden wird, gleich direkt den Facharzt anzusteuern oder nach eigenem Gutd&uuml;nken eine Spitalsambulanz aufzusuchen, muss der Kassen-Allgemeinmediziner im Imagetief verweilen. Unter diesen Umst&auml;nden bleibt er ein Arzt zweiter Wahl.</p> <h2>Herabw&uuml;rdigung bleibt ohne Konsequenz</h2> <p>Es vergeht kein Monat, in dem nicht irgendeine selbsternannte Expertin oder ein Experte die praktischen &Auml;rzte als schlecht ausgebildet und fachlich inkompetent hinstellt. Als Beispiel fasse ich die angeblich zu leichtfertige Verordnung von Benzodiazepinen durch die Allgemeinmediziner heraus. Anfang Februar erhob Frau Univ.-Prof. Dr. Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz im Wiener AKH, in einem &bdquo;Kurier&ldquo;-Bericht von Michaela Reibenwein den Vorwurf, Haus&auml;rzte h&auml;tten ein Ausbildungsdefizit und w&uuml;rden daher teils zu viele Benzodiazepine verschreiben. Tenor der Fachkollegin: Aufgrund eines Mangels an Psychiatern k&auml;men die Patienten &uuml;berhaupt erst in die Verlegenheit, vom Allgemeinmediziner behandelt zu werden. So die diskriminierenden Ausf&uuml;hrungen im Innenteil auf Seite 15. Auf der Titelseite der besagten Tageszeitung vom 5. Februar 2018 wurde noch dicker aufgetragen: &bdquo;Oft w&uuml;rden Haus&auml;rzte ohne ad&auml;quate Ausbildung ihre Patienten therapieren.&ldquo; Bei diesen F&auml;llen der Herabw&uuml;rdigung kenne ich keine Zur&uuml;ckhaltung. Meist wende ich mich umgehend an die Redaktion. Dabei erkl&auml;re ich gleich die Folgen des permanenten Miesmachens von Allgemeinmedizinern: &bdquo;In dieser Atmosph&auml;re der Geringsch&auml;tzung werden immer weniger Jung&auml;rzte Bereitschaft zeigen, freistehende Planstellen f&uuml;r Allgemeinmedizin zu &uuml;bernehmen.&ldquo; Die Antwort der &bdquo;Kurier&ldquo;-Redakteurin Reibenwein kommt prompt. Ein Auszug: &bdquo;Ich bin f&uuml;r den Inhalt der Seite 15 die zust&auml;ndige Ansprechpartnerin. Die Seite 1 allerdings wird bei uns vom Blattmacher des Tages gemacht. Der hat das vielleicht etwas &uuml;berspitzt formuliert.&ldquo; Nicht immer sind die R&uuml;ckmeldungen so nobel formuliert. Manchmal m&uuml;ndet es in einen Kampf mit harten Bandagen. Es ist kein Leichtes, dem Imageverlust des Hausarztes aktiv entgegenzutreten.</p></p>
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