Was passiert mit der Bandscheibe nach Wirbelkörperfrakturen?

<p class="article-intro">Die Datenlage zu Veränderungen der Bandscheiben nach der Behandlung von Wirbelkörperfrakturen ist sehr spärlich. Unsere Pilotstudie präsentiert die ersten präliminären Daten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte sind hervorragende Strategien f&uuml;r die Behandlung von Wirbelk&ouml;rperfrakturen entwickelt worden. Die minimal invasive Wirbels&auml;ulenchirurgie geh&ouml;rt heute zu den Standards in der Wirbels&auml;ulentraumatologie. Perkutane Instrumentierungstechniken in Kombination mit Zementaugmentation sind schonende und etablierte Behandlungsmethoden. Das Behandlungskonzept ist einfach und besteht in der Verst&auml;rkung der ventralen S&auml;ule durch Augmentation mit PMMA oder Kalziumphosphatzement, alleine oder in Kombination mit Fixation der dorsalen Elemente durch Pedikelschrauben. Somit wird eine reine Fixation der Wirbelk&ouml;rper ohne Herbeif&uuml;hrung einer Fusion durchgef&uuml;hrt.<br />Bei der reinen Fixationstechnik wird die Rolle der Bandscheibe v&ouml;llig au&szlig;er Acht gelassen. Bei jungen Patienten wird nach Konsolidierung der Fraktur h&auml;ufig die dorsale Fixation entfernt und das betroffene Segment freigegeben. Viele dieser Patienten sind beschwerdefrei oder beschwerdearm, ungeachtet der Verletzung der Bandscheibe. Es fehlen allerdings Langzeitbeobachtungen, die &uuml;ber den sp&auml;teren klinischen Verlauf berichten. Tats&auml;chlich ist die Datenlage &uuml;ber die Zustandsver&auml;nderung der Bandscheibe nach Wirbelk&ouml;rperfrakturen sehr sp&auml;rlich. Unseres Wissens findet man in der Literatur keine Studien, die sich mit den posttraumatischen Ver&auml;nderungen der Bandscheibe im Langzeitverlauf befassen. Aus klinischer Sicht allerdings ist es von gro&szlig;em Interesse, zu wissen, was mit der Bandscheibe passiert, damit die Entscheidung in Richtung einer Fixation oder Fusion getroffen werden kann. <br />Die Bandscheibe ist die gr&ouml;&szlig;te avaskul&auml;re Struktur des menschlichen K&ouml;rpers. Die Ern&auml;hrung der Bandscheibe erfolgt &uuml;ber eine Diffusion der N&auml;hrstoffe von den subchondralen Kapillaren der Grund- und Endplatten. Es ist bewiesen, dass eine mangelhafte Perfusion zur Degeneration der Bandscheibe f&uuml;hrt. Benneker und Mitarbeiter konnten in einer Kadaverstudie zeigen, dass eine signifikante Korrelation zwischen der Anzahl der Poren im Diskus und dem Grad der Degeneration existiert. So wiesen geringgradig degenerierte Bandscheiben bis zu 50 % mehr Poren auf als Bandscheiben mit einem h&ouml;heren Grad der Degeneration. In Anbetracht dieser Daten liegt die Annahme nahe, dass die Zerst&ouml;rung der Integrit&auml;t der End-/Grundplatten die Diffusion der Bandscheibe beeintr&auml;chtigt. Jedoch liegen, wie erw&auml;hnt, keinerlei funktionelle oder anatomisch-histologische Daten mit Bezug auf Ver&auml;nderungen der Bandscheibe nach Wirbelk&ouml;rperfrakturen vor. Das Ziel der vorliegenden Pilotstudie ist daher eine Evaluation der vorliegenden Ver&auml;nderungen der Bandscheibe nach Fraktur der Wirbelk&ouml;rper anhand der bildgebenden Diagnostik.</p> <h2>Patienten und Methoden</h2> <p>Patienten, die aufgrund einer Wirbelk&ouml;rperfraktur zwischen 2010 und 2015 operativ mit einer dorsalen Fixation mit oder ohne Kyphoplastie an der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Unfallchirurgie in Wien behandelt worden sind, sind in dieser Studie inkludiert (Abb. 1). Alle Patienten waren zwischen 18 und 60 Jahren alt und wurden pr&auml;operativ einer MRT unterzogen. Ausschlusskriterien waren pathologische Frakturen und eine vorbestehende Bandscheibendegeneration.<br />Um Verletzungen und degenerative Erscheinungen der Bandscheibe zu erfassen, wurden pr&auml;- und postoperative MRT-Untersuchungen der betroffenen Region angefertigt (1,5-T-Scanner mit spezieller &bdquo;spine coil&ldquo;; sagittal STIR-, T1-TSE- und T2-TSE-Sequenzen mit einer Matrix von 512x512 und einer Schichtdicke von 3mm). Dabei wurden zur Orientierung die pathomorphologischen MRT-Kriterien f&uuml;r die Beurteilung der Bandscheibenl&auml;sionen von Sanders et al. verwendet (Abb. 2). Dar&uuml;ber hinaus wurde ein konventionelles R&ouml;ntgenbild im Stehen ap. und seitlich angefertigt. Der segmentale Kyphose- sowie der Cobb-Winkel wurden ermittelt. Zus&auml;tzlich wurden die Patienten klinisch untersucht. Schmerzen, Zufriedenheit und Leistungsf&auml;higkeit der Patienten wurden mittels VAS-, SF-36-Score und Oswestry Disability Index (ODI) ermittelt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s36_1.jpg" alt="" width="1281" height="885" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1802_Weblinks_s36_2.jpg" alt="" width="1419" height="952" /></p> <h2>Ergebnisse</h2> <p>Es liegen die vollst&auml;ndigen Daten von 8 Patienten vor. Bei den eingeschlossenen Patienten handelt es sich um 4 Frauen und 4 M&auml;nner mit einem Altersdurchschnitt von 48,6 Jahren. Bei den Frakturen handelt es sich um insgesamt 10 Wirbelk&ouml;rper im thorakalen sowie im thorakolumbalen Abschnitt der Wirbels&auml;ule. Wir fanden insgesamt eine T4-Fraktur (AO: B1), zwei T5- (AO: B1), eine T11- (AO: A1), drei L1- (AO: A1), drei L2- (AO: A1, zweimal A3) sowie eine L3-Fraktur (AO: A2). Die Beobachtungszeit zwischen dem Trauma und der letzten Untersuchung betrug im Durchschnitt 48 Monate. Der lokale Kyphosewinkel betrug 23,65&deg; &plusmn; 11,41&deg; pr&auml;operativ und verbesserte sich auf 10,35&deg; &plusmn; 3,19&deg; postoperativ. Der lokale Kyphosewinkel bei der letzten Untersuchung betrug durchschnittlich 16,23&deg; &plusmn; 5,24&deg;.<br />Die pr&auml;operative MRT-Untersuchung zeigte eine Diskusl&auml;sion Grad 3 bei 5 von 8 Patienten, zumindest im betroffenen Hauptsegment. Ein weiterer Patient zeigte eine Grad-2-L&auml;sion. Bei einem Patienten wurde pr&auml;operativ eine Grad-1-L&auml;sion beobachtet. Eine einzige Patientin mit einer Impression der Deckplatte (A1) zeigte keine L&auml;sion der Bandscheibe (Grad 0) pr&auml;operativ. Die MRT-Untersuchung bei der letzten Kontrolle zeigte bei allen Patienten, die initial eine Grad-3-L&auml;sion hatten, naturgem&auml;&szlig; weiterhin Grad 3. Patienten mit Grad 1 oder 2 pr&auml;operativ verschlechterten sich zu Grad 3 im Verlauf. Lediglich die Patientin, die pr&auml;operativ keine Sch&auml;digung der Bandscheibe zeigte, verschlechterte sich nicht im Verlauf und wies auch bei der letzten Kontrolle einen Grad 0 auf. <br />Der mittlere ODI betrug 39,2 &plusmn; 10,2; dies entspricht einer m&auml;&szlig;igen Behinderung. VAS wurde bei der letzten Kontrolle mit 3,4 &plusmn; 2,4 angegeben.</p> <h2>Diskussion</h2> <p>Unsere Pilotstudie pr&auml;sentiert die ersten pr&auml;limin&auml;ren Daten &uuml;ber die Ver&auml;nderungen der Bandscheibe nach Wirbelk&ouml;rperfrakturen. Obwohl das Studienkollektiv sehr klein ist und daher keinerlei statistisch relevante Aussagekraft besteht, ist dennoch eindeutig zu sehen, dass nach Frakturen der Wirbelk&ouml;rper 75 % der Patienten eine relevante Sch&auml;digung der Bandscheibe, wie einen Riss oder eine Herniation, erleiden. Wir konnten bei unseren Patienten keine radiologischen Hinweise auf etwaige Reparationsvorg&auml;nge der Bandscheibe feststellen. Im Gegenteil, es kam bei 2 von 3 Patienten, die prim&auml;r keine Grad-3-Sch&auml;digung der Bandscheibe hatten, zu einer deutlichen Verschlechterung des Zustandes der Bandscheibe und letztendlich zur Entwicklung einer Grad-3-L&auml;sion. Eine sehr wichtige Beobachtung dieser Studie war die Feststellung, dass der Diskus nur bei 12,5 % (1/8) der Patienten keine Sch&auml;digung aufwies. Klarerweise war die Unversehrtheit der Bandscheibe nur in Kombination mit einer geringen Sch&auml;digung der Deckplatte assoziiert. In diesem Fall war es m&ouml;glich, durch die Reposition der Impression und Zementaugmentation des Wirbelk&ouml;rpers eine weitere Degeneration/Verletzung der Bandscheibe zu verhindern. <br />Es ist klar, dass aufgrund der geringen Patientenzahl keine Schlussfolgerung in Bezug auf weitere Behandlungsoptionen zul&auml;ssig ist. Dennoch sollten die vorliegenden klinischen Ergebnisse aus der Sicht des Autors in die Therapieplanung und Patientenaufkl&auml;rung einflie&szlig;en: <br />1. Die Ergebnisse legen nahe, zu ber&uuml;cksichtigen, dass das Ausma&szlig; der Bandscheibenverletzung und die fortschreitende Degeneration das postoperative Ergebnis (posttraumatische Kyphose) negativ beeinflussen k&ouml;nnen. <br />2. Die Patienten m&uuml;ssen dar&uuml;ber aufgekl&auml;rt werden, dass es in 75 % aller F&auml;lle zu einer relevanten Verletzung der Bandscheibe kommt. Trotz einer vollst&auml;ndigen Heilung der Fraktur kommt es in den meisten F&auml;llen zu einer Zunahme der Degeneration der Bandscheibe und damit zum Auftreten der damit verbundenen Symptome.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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