Historie und Zukunft der österreichischen Orthopädie
Jatros
Autor:
Mag. Christine Lindengrün
30
Min. Lesezeit
15.02.2018
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<p class="article-intro">In historischer Location fand diesmal die Jahrestagung des BVdO statt, nämlich im traditionsreichen Palais Eschenbach in Wien. Unter dem Motto „Orthopädie im Wandel der Zeit“ wurde einerseits auf bahnbrechende Errungenschaften zurückgeblickt und andererseits die Zukunft der Orthopädie in Österreich diskutiert. Darüber hinaus standen weitere wichtige orthopädische Themen, wie Osteoporose und Arthrose, auf dem Programm.</p>
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<p class="article-content"><h2>Zukunftswünsche für die Hüftsonografie</h2> <p>Für eine Keynote-Lecture zum Thema Säuglingshüftsonografie konnte der Begründer derselben, Prof. Dr. Reinhard Graf, gewonnen werden, der im Rahmen der Tagung zum Ehrenmitglied des BVdO ernannt wurde. In seinem Referat wies er darauf hin, dass das generelle Screening von Neugeborenen in Österreich eine große Errungenschaft sei, die nur in wenigen anderen Ländern angeboten wird. Aber leider werde die Untersuchung nicht immer korrekt durchgeführt. Der größte Risikofaktor für Hüftluxationen sei derzeit der untersuchende Arzt, so Graf, sofern er das Ultraschall-Screening nicht beherrsche. Es werde daher immer öfter diskutiert, ob die Hüftsonografie nicht besser von Radiologietechnologen bzw. medizinisch-technischen Radiologieassistenten durchgeführt werden sollte. Laut Grafs Beobachtungen liefert diese Berufsgruppe – im Vergleich zu Ärzten und Angehörigen der Pflegeberufe – nach Grundkursen die besten Ergebnisse. <br />National und international sei die Situation verbesserungswürdig, meint Graf. Zertifikate wären nötig und eine standardisierte Ausbildung von Trainern und Lernenden: „Eine Qualitätskontrolle nach deutschem Vorbild oder ein Feedbacksystem, wie es die Schweizer mit Kollegen aus der Mongolei installiert haben, ist vorbildlich.“ Von technischer Seite her wünscht sich Graf von der Industrie „eine automatische Bilderkennung, sodass automatisch Sonografien in der Standardebene gefunden werden, und auch einen automatischen Abtastvorgang“.</p> <h2>Osteoporose therapieren</h2> <p>Dr. Peter Bernecker, Primar im Pflegewohnhaus Leopoldstadt, Wien, gab einen Überblick über den aktuellen Stand der Osteoporosediagnose und -therapie. In der Diagnostik ist weiterhin die Ermittlung des T-Scores durch die Knochendichtemessung der erste Schritt. Jedoch treten viele Frakturen bei Frauen und Männern auf, die lediglich eine osteopenische oder sogar eine normale Knochendichte im DXA aufweisen. Für den Therapieentscheid sollte daher das individuelle Frakturrisiko maßgeblich sein. Dieses wird mittels FRAX-Scores oder mit dem entsprechenden Risikomodell des Dachverbands Osteologie (DVO) errechnet und beruht auf mehreren Parametern, von denen die Knochendichte nur einer ist.<br />Die Basistherapie der Osteoporose beinhaltet die ausreichende Versorgung mit Kalzium und Vitamin D durch Ernährung und/oder Nahrungsergänzung. Insbesondere bei antiresorptiver Therapie müsse unbedingt Kalzium ersetzt werden, betont Bernecker. Um gastrointestinale Nebenwirkungen zu reduzieren, rät Bernecker, die Kalziumdosis langsam zu steigern. So könne sich der Darm daran gewöhnen. Auf diese Weise könne auch die Therapietreue erhöht werden, denn erfahrungsgemäß setzen viele Patienten die Kalziumtherapie wegen gastrointestinaler Beschwerden wieder ab. Bernecker empfiehlt seinen Patienten auch den sogenannten Kalziumrechner (www.kalziumrechner.at). Auf dieser Website können Patienten mithilfe eines Ernährungstagebuches einfach und schnell ihre tägliche Kalziumzufuhr berechnen und dokumentieren.</p> <h2>Arthrose: keine Lüge</h2> <p>Die Entwicklung der Arthrose zur Volkskrankheit schreitet ungebrochen voran, berichtete BVdO-Präsident Prof. Dr. Ronald Dorotka im Vorfeld der Jahrestagung. Im Alter von 60 Jahren sind laut WHO weltweit ca. 10 % der Männer und 20 % der Frauen an einer schmerzhaften Arthrose erkrankt. Diese Zahlen steigen mit zunehmendem Alter. In Österreich haben geschätzt 1,4 Millionen Personen Knorpelschäden, etwa ein Drittel davon leidet an schmerzhafter Arthrose. <br />Wichtig sei allgemein die Abgrenzung zur rheumatischen Arthritis. Die Diagnose erfolgt durch die orthopädisch-körperliche Untersuchung und wird in weiterer Folge mit einem Gelenksröntgen bestätigt. Eine zusätzliche MR-Tomografie bringe in den meisten Fällen, vor allem bei fortgeschrittenen Abnützungen, keine nützliche Zusatzinformation, so Dorotka.<br />In der Behandlung, aber auch zur Vorbeugung ist die Lebensstilanpassung die wichtigste und zugleich auch die am schwierigsten einzuhaltende Maßnahme. Physiotherapie im Sinne einer Bewegungstherapie sollte ebenso ein Bestandteil der Therapie sein. „Im Sinne der Ursachenbekämpfung ist es auch wichtig, bei einigen Patienten die mechanischen Ursachen von Arthrosen auszuschalten“, sagt Dorotka. „Das muss nicht immer Operation bedeuten, sondern kann durchaus mit einfachen Mitteln wie stabilisierenden oder korrigierenden Gelenksbandagen oder Schuheinlagen erreicht werden.“<br />Zur Wirkung von Knorpelaufbaupräparaten sei die Datenlage noch immer nicht überzeugend. Medikamente, die in das betroffene Gelenk injiziert werden, können jedoch Schmerzen und Entzündungen lindern und den Stoffwechsel anregen. „Kortison wird gezielt bei akut entzündeten Arthrosegelenken kurzfristig eingesetzt, kann aber nicht als Dauertherapie angesehen werden“, erklärt Dorotka. Hyaluron­spritzen wirken ebenso reizhemmend, ein echter Knorpelaufbau konnte allerdings bis heute nicht nachgewiesen werden. In letzter Zeit werde auch plättchenreiches Plasma aus Eigenblut eingesetzt, allerdings sei auch hier noch nicht gänzlich wissenschaftlich geklärt, welche Wirkungen die freigesetzten Wachstumsfaktoren in einem Arthrosegelenk haben.<br />An operativen Therapien gibt es den Gelenkersatz; bei jüngeren Patienten werden in frühen Stadien auch Geradstellungsoperationen oder Knorpeltransplantationen durchgeführt. „Vereinzelt werden Stammzellinjektionen in Arthrosegelenke angeboten“, so Dorotka. Deren Wirkung sei noch vollkommen unklar: „In einer aktuellen Studie der Britischen Zeitschrift für Sportmedizin wurden die bisherigen bekannten Ergebnisse dieser Methode unter die Lupe genommen. Das nüchterne Ergebnis der Forschergruppe war, dass Stammzellinjektionen bei Arthrosen derzeit nicht zu empfehlen sind.“<br />Zu dem derzeit in den Sozialen Medien kursierenden Patientenratgeber „Die Arthrose-Lüge“ meint Dorotka: „Hier wird von einem selbsternannten ,Schmerzspezialisten‘, der weder über eine fundierte medizinische noch physiotherapeutische Ausbildung verfügt, behauptet, dass Arthrose durch seine Methode mit Bewegungsübungen heilbar sei. Dazu müssen wir als Fachärzte für Orthopädie in Übereinkunft mit allen namhaften nationalen und internationalen Wissenschaftlern festhalten, dass allgemein bei Knorpelschäden der vollständige Wiederaufbau eines Originalknorpels nicht möglich ist, weder durch spezielle Übungen noch durch irgendeine andere nicht operative oder operative Methode. Die tausendfachen Forschungsergebnisse sind so klar, dass man durchaus sagen kann: Hier liegt ein unrichtiges Heilsversprechen vor.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung des Berufsverbands Österreichischer Fachärzte für Orthopädie und orthopädische Chirurgie (BVdO), 2. Dezember 2017, Wien
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