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Weichteilsarkome der Hüfte und des Beckens

<p class="article-intro">Weichteilsarkome sind hochaggressive Tumoren, die oftmals nur unspezifische Symptome verursachen. Oft fehlen Schmerzen und die Größe nimmt nur langsam zu. Die Behandlung sollte unbedingt an einem Tumorzentrum erfolgen, wo nach bioptischer Verifizierung eine weite En-bloc-Resektion durchgeführt werden kann. Zusätzlich können abhängig von der Entität eine Radiotherapie und/oder eine Chemotherapie notwendig werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Patienten mit Tumoren mit einem Durchmesser gr&ouml;&szlig;er als 4cm sowie L&auml;sionen, die tief zur Muskelfaszie lokalisiert bzw. schmerzhaft und/oder gr&ouml;&szlig;enprogredient sind, m&uuml;ssen so schnell wie m&ouml;glich an das n&auml;chste Tumorzentrum zugewiesen werden.</li> <li>Gerade im H&uuml;ft- und Ges&auml;&szlig;bereich k&ouml;nnen die Symptome ein prim&auml;res H&uuml;ftleiden oder Radikulopathien vort&auml;uschen, weshalb im Zweifelsfall eine MRT vor jeglicher weiterer Intervention durchgef&uuml;hrt werden sollte.</li> <li>Im Tumorzentrum werden nach bioptischer Verifizierung des Tumors eine weite Resektion, bei der der Tumor umh&uuml;llt von einer Schicht an gesundem Gewebe entnommen wird, sowie optional eine Radiotherapie des Operationsgebietes bzw. eine adjuvante Chemotherapie bei Hochrisikopatienten durch&shy;gef&uuml;hrt.</li> </ul> </div> <p>Weichteilsarkome (WTS) sind eine seltene, aber hochaggressive Tumorentit&auml;t. Sie sind klinisch oft schwer von benignen Weichteiltumoren, wie Lipomen und Fibromen, zu unterscheiden. Daher sind akzidentelle Resektionen von WTS relativ h&auml;ufig: Knapp 40 % der WTS-Patienten, die an Tumorzentren zugewiesen werden, sind ausw&auml;rts &ndash; in der Annahme des Vorliegens eines benignen Tumors &ndash; bereits inad&auml;quat voroperiert worden.<sup>1</sup> Infolge derartiger onkologisch meist inkorrekter Resektionen ist das multidisziplin&auml;re Team am Tumorzentrum mit mehreren Problemen konfrontiert: Das Fehlen ad&auml;quater pr&auml;operativer Bildgebung, aber auch Unklarheiten &uuml;ber die Resektionsr&auml;nder (welche bei WTS unter allen Umst&auml;nden im Gesunden sein sollten) und unsachgem&auml;&szlig;e operative Zug&auml;nge erschweren die weitere Behandlung (Abb. 1).<sup>2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s20_1.jpg" alt="" width="2149" height="589" /></p> <p>Da Patienten mit Weichteiltumoren nicht grunds&auml;tzlich bei einem spezialisierten, tumororthop&auml;dischen Zentrum vorstellig werden, wurden folgende Richtlinien f&uuml;r die Abkl&auml;rung entwickelt:<sup>3</sup> Alle palpatorisch mehr als etwa golfballgro&szlig;en, verd&auml;chtigen L&auml;sionen sollen prim&auml;r mittels MRT mit Kontrastmittel untersucht werden, w&auml;hrend bei kleineren Tumoren die Sonografie als prim&auml;re Bildgebung ausreicht. Alle Tumoren, die in der Bildgebung gr&ouml;&szlig;er als 4cm im Durchmesser oder tief zur Muskelfaszie lokalisiert sind, m&uuml;ssen in weiterer Folge prim&auml;r an ein Tumorzentrum zugewiesen werden. Bei kleineren, gutartig imponierenden Tumoren kann eine Inzisions- oder Exzisionsbiopsie durchgef&uuml;hrt werden. Sollte sich histologisch wider Erwarten ein maligner Tumor best&auml;tigen, erfolgt als n&auml;chster Schritt die &Uuml;berweisung an das n&auml;chstgelegene Tumorzentrum.<br />Bestehen zus&auml;tzlich zu den beschriebenen Kriterien der tiefen Lokalisation und Gr&ouml;&szlig;e &uuml;ber 4cm im Durchmesser anamnestisch au&szlig;erdem Gr&ouml;&szlig;enprogredienz und/oder Schmerzen, sollte sofort eine &Uuml;berweisung an ein Tumorzentrum erfolgen.<sup>4</sup></p> <h2>WTS der H&uuml;fte und Ges&auml;&szlig;region</h2> <p>WTS kommen zwar am h&auml;ufigsten im Oberschenkel vor, gelegentlich entstehen sie aber auch in der Inguinalregion, an der lateralen H&uuml;fte und im Bereich des M. gluteus maximus. Gerade dort k&ouml;nnen WTS durch Schwellung und Schmerzen ein prim&auml;res H&uuml;ftproblem oder Radikulopathien vort&auml;uschen.<sup>5</sup> Aus diesem Grund kommt es nicht selten zu einer verz&ouml;gerten &Uuml;berweisung an ein Tumorzentrum.<sup>6</sup> In unserem Kollektiv von 531 WTS, die zwischen 1998 und 2016 reseziert wurden, fanden sich 49 F&auml;lle (9,2 % ) im Bereich des Beckens und der H&uuml;fte. In einer anderen Studie waren von &uuml;ber 2000 WTS nur 73 Tumoren (3,6 % ) &ndash; und damit weniger als in unserem Kollektiv &ndash; in der Ges&auml;&szlig;region lokalisiert. Von den &uuml;ber 50 bekannten histologischen Subtypen der WTS fanden sich in unserem Kollektiv bei 17 der Becken- und H&uuml;ft-WTS Myxofibrosarkome (34,7 % ) und bei 10 Liposarkome (20,4 % ). Mehr als die H&auml;lfte der WTS in Becken und H&uuml;fte wiesen einen hohen Malignit&auml;tsgrad auf (n=28; 57,1 % ), w&auml;hrend nur 9 WTS intermedi&auml;r (18,4 % ) und 12 (24,5 % ) niedrig maligne waren. <br />Der bioptische Zugang bei WTS der H&uuml;ft- und Ges&auml;&szlig;region h&auml;ngt davon ab, ob Gef&auml;&szlig;e und/oder Nerven kompromittiert sind. Prinzipiell ist die Biopsie m&ouml;glichst durch das Kompartment mit der k&uuml;rzestm&ouml;glichen Distanz zum Tumor unter Schonung von Nerven und Gef&auml;&szlig;en durchzuf&uuml;hren. Die Kontamination des umliegenden Gewebes kann dadurch minimiert werden. Eine assistierende Bildgebung w&auml;hrend der Biopsie (Sonografie oder Computertomografie) kann etwa bei Tumoren in der Inguinalregion hilfreich sein, um die n&auml;chstgelegenen Strukturen zu schonen. Dasselbe gilt insbesondere f&uuml;r tief lokalisierte Tumoren der Glutealregion, wo auch Probenmaterial bildgebungsgest&uuml;tzt entnommen werden kann.<br />In einer Studie von Behranwala wurde eine im Vergleich zu Sarkomen anderer Regionen erh&ouml;hte Lokalrezidivrate beobachtet (35,4 % ).<sup>5</sup> Diese Tatsache l&auml;sst sich dadurch erkl&auml;ren, dass weite Resektionsr&auml;nder in der Ges&auml;&szlig;region aufgrund der engen Beziehung zur Gef&auml;&szlig;-Nerven-Stra&szlig;e nur schwer einzuhalten sind.<sup>5</sup> Die gleichen Probleme treten inguinal auf, wo WTS oft knapp an den vaskul&auml;ren Strukturen (A. iliaca externa, A. femoralis) anliegen oder diese infiltrieren.<sup>7</sup> Brooks et al. berichten etwa &uuml;ber 88 WTS in der Inguinalregion. Bei 17 Patienten (19 % ) lag eine Infiltration gro&szlig;er Gef&auml;&szlig;e oder Nerven vor, weshalb 5 Patienten aus dieser Subgruppe letztlich amputiert werden mussten.<sup>8</sup></p> <h2>Therapie</h2> <p>Der Goldstandard der Therapie von WTS ist die vollst&auml;ndige Resektion des Tumors mit Resektionsr&auml;ndern weit im Gesunden in sogenannter &bdquo;No-touch&ldquo;-Technik. Die korrekte Weite des Resektionsabstandes ist allerdings noch Gegenstand von Diskussionen.<sup>9, 10</sup> Nur bei atypischen lipomat&ouml;sen Tumoren &ndash; ein Synonym f&uuml;r gut differenzierte (G1) Liposarkome in chirurgisch gut zug&auml;nglichen Lokalisationen an Rumpf und Extremit&auml;ten &ndash; k&ouml;nnen Resektionsr&auml;nder knapp im Gesunden entlang der bzw. bei intakter Tumorkapsel akzeptiert werden.<br />Bei WTS der H&uuml;ft- und Ges&auml;&szlig;region gestaltet sich die Resektion nicht nur wegen der engen Beziehung zum N. ischiadicus meist schwierig, sondern auch wegen der Tendenz dieser Tumoren, sich in Richtung Perineum und Becken auszubreiten.<sup>5</sup> Eine Infiltration des Knochens, etwa des proximalen Femurs, kann dessen Resektion und die Rekonstruktion unter Verwendung einer Tumorendoprothese nach sich ziehen. Autologe Gef&auml;&szlig;transplantate k&ouml;nnen erforderlich werden, wenn Gef&auml;&szlig;e vom Tumor eingeschlossen bzw. infiltriert sind und daher en bloc mit dem Pr&auml;parat entfernt werden m&uuml;ssen.<sup>11</sup><br />Bei weiten Resektionen in der Inguinalregion m&uuml;ssen oft Muskellappen zur Rekonstruktion der resultierenden Weichteildefekte eingesetzt werden.<sup>12</sup> Beckenteilresektionen k&ouml;nnen bei kleineren Tumoren ausreichen, um weite Resektionsgrenzen einzuhalten (Abb. 2). In seltenen F&auml;llen bleibt als Ultima Ratio eine Hemipelvektomie, sollten Nerven und Gef&auml;&szlig;e nicht zu erhalten sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s20_2.jpg" alt="" width="992" height="1315" /></p> <p>Radiotherapie kann sowohl pr&auml;operativ als auch postoperativ verabreicht werden. Vor allem bei h&ouml;hergradigen (G2 und G3) malignen Tumoren, eine Gr&ouml;&szlig;e von 5cm &uuml;bersteigenden und tief zur Muskelfaszie lokalisierten WTS ist die postoperative Bestrahlung des Operationsfeldes indiziert. Dies kann aufgrund der engen anatomischen Beziehung zu gro&szlig;en vaskul&auml;ren und neuronalen Strukturen gerade im Bereich der H&uuml;fte und der Ges&auml;&szlig;region zu Problemen f&uuml;hren.<br />Zwar kann eine Chemotherapie bei lokalisiertem WTS der Erwachsenen das krankheitsfreie &Uuml;berleben verl&auml;ngern, ein positiver Einfluss auf das gesamte Langzeit&uuml;berleben konnte dagegen bisher nicht nachgewiesen werden.<sup>13, 14</sup> Wie bei der Radiotherapie profitieren auch bei der Chemotherapie besonders jene Patienten, bei denen gro&szlig;e, tief lokalisierte und hochgradig maligne Tumorvarianten vorliegen.<sup>15, 16</sup></p> <p>Postoperative Wundheilungsst&ouml;rungen sind eine gef&uuml;rchtete Komplikation nach Resektion von WTS. Gerade nach weiten Resektionen gro&szlig;er Tumoren resultieren oft erhebliche Weichteildefekte, die nicht ohne plastisch-chirurgische Verfahren verschlossen werden k&ouml;nnen. Die Heilungssituation ist in diesen F&auml;llen oft prek&auml;r. Postoperative adjuvante Radiatio erh&ouml;ht zus&auml;tzlich das Risiko f&uuml;r Wundheilungsst&ouml;rungen. Aber auch die Lokalisation des WTS spielt eine Rolle; so sind etwa in der Inguinalregion Wundheilungsst&ouml;rungen per se h&auml;ufiger zu beobachten als an den Extremit&auml;ten oder am Stamm.<sup>7</sup></p> <p>Die Prognose von WTS ist vor allem von den Faktoren Patientenalter, anatomische Lokalisation, histologischer Typ und Malignit&auml;tsgrad des jeweiligen Tumors sowie von der Weite des Resektionsabstandes abh&auml;ngig.<sup>17, 18</sup> Hochgradig maligne, in der Tiefe lokalisierte, sehr gro&szlig;e WTS entwickeln in rund 60 % Fernmetastasen, w&auml;hrend nur 10 % der niedrig malignen WTS metastasieren.<sup>17</sup> Das Auftreten von Metastasen senkt die &Uuml;berlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit WTS dramatisch. Durch die Entwicklung von neueren Behandlungsstrategien mit einem multimodalen Ansatz hat sich aber generell das &Uuml;berleben auch dieser Patienten in den letzten 20 Jahren verbessert. Die Resektion der Metastasen &ndash; welche am h&auml;ufigsten in der Lunge lokalisiert sind &ndash; sowie Chemotherapie und palliative Radiotherapie k&ouml;nnen die Prognose dieser Patienten positiv beeinflussen.<br />Die Inzidenz von Lokalrezidiven ist dagegen unmittelbar von der Resektionstechnik abh&auml;ngig. F&uuml;r WTS, die an einem Tumorzentrum ad&auml;quat operiert wurden, liegen die 5-Jahres-Lokalrezidivraten zwischen 12 und 26 % . Dieselben Faktoren, welche die Entstehung von Lokalrezidiven und Fernmetastasen beeinflussen, haben auch einen Einfluss auf das Gesamt&uuml;berleben. W&auml;hrend mit einem gut differenzierten Liposarkom eine 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von 84 % zu verzeichnen ist, betr&auml;gt die 5-Jahres-&Uuml;berlebensrate von Patienten mit beispielsweise epithelioiden Sarkomen nur 49 % .<sup>19</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Smolle MA et al.: Ann R Coll Surg Engl 2015; 97(6): 434-8 <strong>2</strong> Kainhofer V et al.: Eur J Surg Oncol 2016; 42(6): 899-906 <strong>3</strong> Smolle MA et al.: EFORT Open Rev 2017; 2(10): 421-31 <strong>4</strong> Grimer RJ: Ann R Coll Surg Engl 2006; 88(6): 519-24 <strong>5</strong> Behranwala KA et al.: Ann Surg Oncol 2003; 10(8): 961-71 <strong>6</strong> Collin T et al.: Ann R Coll Surg Engl 2010; 92(4): 326-9 <strong>7</strong> Miyamoto S et al.: Ann Plast Surg 2017; 78(4): 443-7 <strong>8</strong> Brooks AD et al.: J Am Coll Surg 2001; 193(2): 130-6 <strong>9</strong> Ahmad R et al.: Oncologist 2016; 21(10): 1269-76 <strong>10</strong> Liu CY et al.: Ann Surg Oncol 2010; 17(8): 2102-11 <strong>11</strong> Radaelli S et al.: Surg Oncol 2016; 25(3): 125-31 <strong>12</strong> Aslim EJ et al.: Arch Plast Surg 2014; 41(5): 556-61 <strong>13</strong> Group ESESNW: Ann Oncol 2014; 25(Suppl 3): iii102-12 <strong>14</strong> Pasquali S, Gronchi A: Ther Adv Med Oncol 2017; 9(6): 415-29 <strong>15</strong> Woll PJ et al.: Lancet Oncol 2012; 13(10): 1045-54 <strong>16</strong> Posch F et al.: Clin Orthop Relat Res 2017; 475(5): 1427-35 <strong>17</strong> Italiano A et al.: Cancer 2014; 120(21): 3361-9 <strong>18</strong> Eilber FC et al.: Ann Surg 2003; 237(2): 218-26 <strong>19</strong> Corey RM et al.: Cancer Med 2014; 3(5): 1404-15</p> </div> </p>
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