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Komplexe Primär- und Revisionsendoprothetik der Hüfte

Die Rolle des dorsalen Zuganges

<p class="article-intro">Obwohl der anteriore Zugang in der Primär- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang grundsätzlich vorzuziehen ist, gibt es dennoch einige Indikationen, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Speziell bei gewissen posttraumatischen Situationen und segmentalen Defekten des hinteren Pfeilers bietet er Versorgungsmöglichkeiten, die sonst nicht vorhanden wären.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Obwohl der anteriore Zugang in der Prim&auml;r- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang grunds&auml;tzlich vorzuziehen ist, gibt es dennoch einige Indikationen, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Speziell bei gewissen posttraumatischen Situationen und segmentalen Defekten des hinteren Pfeilers bietet er Versorgungsm&ouml;glichkeiten, die sonst nicht vorhanden w&auml;ren.</p> <p>Der direkte vordere Zugang, als der einzige internervale und intermuskul&auml;re minimal invasive Zugang, erlaubt eine ausgezeichnete Exposition des Acetabulums in der Prim&auml;rendoprothetik bis hin zur komplexen Pfannenrevision. Der vordere Zugang ist hinsichtlich der Erweiterung nach proximal nicht limitiert, im Gegensatz zum anterolateralen und transglutealen Zugang. Obwohl der anteriore Zugang in der Prim&auml;r- und Revisionsendoprothetik dem dorsalen Zugang vorgezogen werden sollte, gibt es dennoch einige Indikationen in der komplexen Prim&auml;rendoprothetik als auch bei der komplexen Pfannenrevision, bei denen der dorsale Zugang von Vorteil ist. Der dorsale Zugang in Seitenlage ist zwar der weltweit am h&auml;ufigsten verwendete Zugangsweg in der H&uuml;ftendoprothetik, findet aber in &Ouml;sterreich so gut wie keine Verbreitung.</p> <p>Ziel dieser Arbeit ist es, diese speziellen Indikationsstellungen zu besprechen und auch auf einige Details der Operation einzugehen.</p> <p>Es gibt eine Vielzahl von Variationen des dorsalen Zuganges. Die Bandbreite reicht vom modifizierten Gibson-Zugang &uuml;ber den traditionellen Kocher-Langenbeck-Zugang zu den minimalinvasiveren dorsalen Zug&auml;ngen bis hin zum Superpath.</p> <p>Bei komplexen Eingriffen am Becken, bei denen eine gute Exposition des Beckens notwendig ist, hat sich der modifizierte Gibson-Zugang bew&auml;hrt. Er erlaubt bei Bedarf eine ausgezeichnete Darstellung des kn&ouml;chernen Beckens nach schonender Mobilisierung der Glutealmuskulatur unter Schonung der neurovaskul&auml;ren Versorgung der Abduktoren. Osteosynthesen bzw. Entfernungen von Osteosynthesematerial oder von Ossifikationen am dorsalen Becken k&ouml;nnen so durchgef&uuml;hrt werden. Der N. ischiadicus kann bei Bedarf gut dargestellt und somit das Risiko einer Sch&auml;digung reduziert werden.</p> <h2>Indikationen</h2> <p>Bei folgenden Gegebenheiten ist aus meiner Sicht ein dorsaler Zugang indiziert; sie w&uuml;rden &uuml;ber einen anderen Zugang nur suboptimal gel&ouml;st werden k&ouml;nnen:</p> <p>1. Wenn pathoanatomische Gegebenheiten einen dorsalen Zugang unumg&auml;nglich machen. Wenn z.B. Ossifikationen oder auch Tumore dorsal liegen und vor der Implantation entfernt werden m&uuml;ssen. Beispiel (Abb. 1): Bei diesem 72-j&auml;hrigen m&auml;nnlichen Patienten besteht ein St.p. Beckenfraktur mit durchgef&uuml;hrter Schraubenosteosynthese mit kompletter Verkn&ouml;cherung der Au&szlig;enrotatoren und funktioneller Ankylose des H&uuml;ftgelenkes. Hier wurde der N. ischiadicus dargestellt, die Verkn&ouml;cherungen wurden entfernt und eine HTEP implantiert (Kocher-Langenbeck-Zugang; Pfanne Continuum, Fa. Zimmer; Schaft Variall SLV, Fa. Zimmer).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_1.jpg" alt="" width="1417" height="1364" /></p> <p>2. Posttraumatische Coxarthrosen bei St.p. Beckenfrakturen mit osteosynthetischer Versorgung, wo das Osteosynthesematerial eine zementfreie Versorgung der Pfanne signifikant st&ouml;rt und entfernt werden muss. Wenn nur einzelne Schrauben st&ouml;ren, kann auch ein anderer Zugang verwendet werden. Zementierte Pfannen sollten nur beim geriatrischen Patienten angewandt werden; grunds&auml;tzlich ist eine zementfreie Versorgung anzustreben.</p> <p>Beispiel (Abb. 2): Bei diesem 32-j&auml;hrigen m&auml;nnlichen Patienten besteht eine sekund&auml;re Coxarthrose bei St.p. dorsaler Luxationsfraktur des rechten H&uuml;ftgelenkes mit erfolgter Osteosynthese mittels chirurgischer H&uuml;ftluxa&shy;tion mit Trochanterosteotomie. Sowohl die Platte als auch die Schrauben liegen im Weg und m&uuml;ssen entfernt werden. Es wurde eine zementfreie HTEP (Continuum Multihole, Fa. Zimmer, und AMISTEM-H, Fa. Medacta) &uuml;ber dorsalen Zugang (modifizierter Gibson-Zugang) mit einer Osteosynthesematerialentfernung durchgef&uuml;hrt.</p> <p>3. Periprothetische Frakturen des Beckens, wo eine Stabilisierung des hinteren Pfeilers notwendig ist. Beispiel (Abb. 3): Bei dieser 72-j&auml;hrigen Patientin besteht eine periprothetische Fraktur des Beckens mit verkippter Pfanne. Es wurde eine Osteosynthese des dorsalen Pfeilers mit anschlie&szlig;ender Implantation einer verschraubten Revisionspfanne (Continuum Multihole, Fa. Zimmer) &uuml;ber einen modifizierten Gibson-Zugang durchgef&uuml;hrt.</p> <p>4. Komplexe Pfannenrevision mit ausgepr&auml;gtem &bdquo;uncontained defect&ldquo; des hinteren Pfeilers, wo ein &bdquo;buttress augment&ldquo; verwendet werden muss und andere Versorgungsm&ouml;glichkeiten nicht ideal bzw. nicht mehr m&ouml;glich sind. Viele Defekte k&ouml;nnen von anterior bzw. transgluteal mittels Revisionspfanne +/&ndash; Augmenten, Burch-Schneider-Pfannen +/&ndash; Augmenten oder einer Sockelpfanne versorgt werden. Im Falle von bereits ausgebrochenen Sockelpfannen bzw. Burch-Schneider-Pfannen mit segmentalem Defekt der hinteren Pfeiler bietet die Versorgung mit einem &bdquo;trabecular metal construct&ldquo; mit &bdquo;buttress augment&ldquo; (TMARS Revision Shell, Fa. Zimmer) eine ausgezeichnete Versorgungsm&ouml;glichkeit. Beispiel (Abb. 4): Bei dieser 74-j&auml;hrigen Patientin besteht ein St.p. multiplen Pfannenwechseln mit ausgepr&auml;gtem kn&ouml;chernem Defekt dorsal und Beckendiskontinuit&auml;t (St.p. Pfannenverkippung einer Pressfit-Pfanne, dann Ausbruch der implantierten M&uuml;ller-Pfannendachschale, dann Ausbruch der Burch-Schneider-Pfanne, dann Wechsel auf Lumic-Sockelpfanne, dann Ausbruch der Lumic-Pfanne mit Iliumfraktur, Beckendiskontinuit&auml;t und Infektion, anschlie&szlig;ender Girdlestone-Situation mit Osteosynthese des Beckens). Hier wurden im Rahmen der Operation das Osteosynthesematerial entfernt und eine &bdquo;Trabecular metal&ldquo;-Pfanne (TMARS Revision Shell, Fa. Zimmer) mit mehreren &bdquo;Buttress&ldquo;-Augmenten und einer Dual-Mobility-Pfanne (EcoFit, Fa. Implantcast) sowie ein SLV-Schaft (Fa. Zimmer) implantiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_2.jpg" alt="" width="1417" height="1364" /></p> <h2>Fazit</h2> <p>&nbsp;</p> <ul> <li>Eine perfekte Lagerung ist essenziell, da man intraoperativ wenig M&ouml;glichkeiten hat, die Pfanne radiologisch gut zu &uuml;berpr&uuml;fen. Dies ist einer der gro&szlig;en Nachteile des dorsalen Zugangs. Das hei&szlig;t, eine ventrodorsale und auch kraniokaudale Verkippung im Rahmen der intraoperativen Manipulation m&uuml;ssen durch feste Lagerung zwischen Symphyse und Sakrum vermieden werden. Eine nicht ideale Lagerung erh&ouml;ht das Risiko f&uuml;r eine Pfannenfehlimplantation.</li> <li>Beim traditionellen Kocher-Langenbeck-Zugang wird der Gluteus maximus gesplittet. Dies reduziert die Expositionsm&ouml;glichkeiten nach kranial, da man auch hier bei proximaler Erweiterung auf den Endast des N. gluteus inferior trifft. Beim modifizierten Zugang nach Gibson bleibt man ventral des Gluteus maximus und kann diesen komplett nach dorsal klappen (Abb. 5A, B). Dies erlaubt eine sehr gute Exposition des Beckens und auch eine ausgezeichnete Darstellung des N. gluteus superior, welcher somit geschont werden kann (Abb. 5C, D).</li> <li>Da das Risiko f&uuml;r dorsale Luxation im Vergleich zu den vorderen Zug&auml;ngen gr&ouml;&szlig;er ist, wird grunds&auml;tzlich in einer etwas vermehrten kombinierten Anteversion implantiert.</li> <li>Transoss&auml;re Refixation der dorsalen Kapsel und Au&szlig;enrotatoren ist obligat.</li> <li>Die OP-Technik ist aufgrund der ungewohnten Orientierung zu Beginn schwierig. Daher ist das Erlernen dieser an einer Abteilung, wo der Eingriff regelm&auml;&szlig;ig durchgef&uuml;hrt wird, dringend zu empfehlen, um typische Komplikationen zu vermeiden.</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s14_3.jpg" alt="" width="684" height="2033" /></p> <p>&nbsp;</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Solomon LB et al.: An extended posterior approach to the hip and pelvis for complex acetabular reconstruction that preserves the gluteal muscles and their neurovascular supply. Bone Joint J 2014; 96-B(1): 48-53</p> <p>Weitere Literatur:</p> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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