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Mikrobiom und Krebs

Liegt im Darm die Zukunft der Immuntherapie?

<p class="article-intro">Das Mikrobiom – und somit auch die Darmflora – scheint mitverantwortlich für die Entstehung und den Erhalt der Immunreaktionen gegen Krebszellen zu sein. Die Effektivität der Therapie mit Checkpoint- Inhibitoren kann – auf Basis von präklinischen Studien – durch Modulation des Mikrobioms der Tumorträger gesteigert werden. Da fragt man sich nun: Geht die Wirksamkeit von Immuntherapien über den Darm?</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Der menschliche K&ouml;rper beherbergt etwa 100 Billionen Mikroben (Bakterien, Pilze und Viren mit insgesamt etwa 3,3 Millionen Genen), die in Symbiose mit dem Organismus leben &ndash; wobei von einem gesch&auml;tzten Gesamtgewicht von 1,5kg ausgegangen wird.</p> <p>Die Gesamtheit aller mikrobiellen Gene bzw. Genome (DNA) im menschlichen Organismus wird als <em>Mikrobiom</em> bezeichnet und ist vom Begriff der <em>Mikrobiota</em>, die die Gesamtheit aller Mikroorganismen darstellt, zu unterscheiden. Erst in den letzten Jahren wurde erkannt, dass dieses System einen gewaltigen Einfluss auf viele Funktionen des menschlichen Organismus hat. Man bezeichnet das Mikrobiom als eigenes &bdquo;Super&ldquo;-Organ. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Verdauung, bei der Resorption von N&auml;hrstoffen und der Hom&ouml;ostase von Darmzellen. Aber auch f&uuml;r die Funktion des Nerven- und Immunsystems ist das Mikrobiom offensichtlich von gro&szlig;er Bedeutung.</p> <p>Das Mikrobiom spielt auch eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung des Immunsystems, sowohl bei der nat&uuml;rlichen als auch der adaptiven (T-Zell-mediierte, Antik&ouml;rper-abh&auml;ngige Immunit&auml;t) Abwehr des Organismus. Dies beginnt in fr&uuml;hester Jugend und ist f&uuml;r das ganze Leben ein bestimmender Faktor. Der Geburtsprozess (vaginal oder mittels Kaiserschnitt) soll ebenso wie das Stillen einen Einfluss auf die Zusammensetzung/ Diversit&auml;t des Mikrobioms haben. Es gibt nun zahlreiche experimentelle Hinweise, dass das Mikrobiom eine komplexe Rolle bei der Modulation der Pro- und Anti-Tumor-Immunantwort spielt. Ver&auml;nderungen der intestinalen Barriere enden in bakteriellen Ver&auml;nderungen und damit in chronisch entz&uuml;ndlichen Prozessen. Dauern letztere Prozesse &uuml;ber Jahre, f&uuml;hren sie von ver&auml;nderten Immunantworten bis hin zur immunologischen Ersch&ouml;pfung und steigern damit das Risiko f&uuml;r Krebsentstehung und -progression.</p> <p>Es ist dokumentiert, dass verschiedene Mikrobiota-Profile mit der Entstehung bestimmter Krebsarten, mit der Schwere von Nebenwirkungen und auch mit dem Ansprechen gegen&uuml;ber immuntherapeutischen Interventionen in Korrelation zu bringen sind. So wurde in einem Mausmodell gezeigt, dass die Therapieergebnisse bzw. -erfolge mit einem Checkpoint- Inhibitor (Anti-CTLA-4) von der Pr&auml;senz gewisser Mikrobiota im Darm abh&auml;ngig waren. Tumoren in Antibiotika-behandelten bzw. in &bdquo;germ-free&ldquo; M&auml;usen hatten keine Reaktion auf die Checkpoint-Blockade gezeigt. In einer weiteren Studie wurde dokumentiert, dass die Pr&auml;senz von Bifidobakterium mit dem Antitumoreffekt korreliert. Eine orale Gabe dieses Bakteriums f&uuml;hrte zu einer Tumorkontrolle wie bei einer Therapie mit Anti-PD-L1; und die Kombination von beidem resultierte in einer nahezu kompletten Tumorelimination. Diese Ergebnisse unterst&uuml;tzen die Hypothese, dass das Mikrobiom &ndash; die Darmflora &ndash; die Wirksamkeit (?!) von Immuntherapien mit Checkpoint- Inhibitoren positiv beeinflussen kann.</p> <p>Heute findet offensichtlich eine wesentliche Wende im Denken der Tumorimmunologen statt. War man fr&uuml;her besonders auf die Lymphknoten als die Stelle, wo die Auseinandersetzung &ndash; das Priming &ndash; mit dem Antigen stattfindet, fixiert, so ist man nun geneigt, dem Darm-Immunsystem diese Rolle zuzuordnen. Es scheint eine komplexe Interaktion zwischen dem Darm-Mikrobiom, dem intestinalen Immunapparat und der systemischen Immunfunktion zu bestehen. Eine St&ouml;rung dieser Balance durch exogene Faktoren/Einfl&uuml;sse wie z.B. Antibiotika, Ern&auml;hrung (?) etc. kann auch zu einer Verminderung der immunologischen &Uuml;berwachung &ndash; der &bdquo;Immunosurveillance&ldquo; &ndash; gegen Krebs f&uuml;hren.</p> <p>In Bezug auf den individuellen Patienten bedeutet dies, dass die Bestimmung der Zusammensetzung des Mikrobioms von wesentlicher klinischer Relevanz sein kann. Noch kann auf Basis der Analyse des Darm-Mikrobioms keine Vorhersage bez&uuml;glich des Ansprechens auf Immuntherapien, aber auch auf andere Therapiemodalit&auml;ten gemacht werden. Die Manipulation des Darm-Mikrobioms z.B. durch Gabe von &bdquo;Bakteriencocktails&ldquo; oder spezifischen &bdquo;Ern&auml;hrungsrezepten&ldquo; k&ouml;nnte einen neuen Weg f&uuml;r eine personalisierte Krebs-Immuntherapie er&ouml;ffnen. Liegt darin die Zukunft der Immunonkologie?</p></p>
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