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Rezente Hormontherapieoptionen beim Prostatakarzinom

<p class="article-intro">Vor fast 8 Jahrzehnten erkannte Charles Huggins die Testosteronabhängigkeit des Prostatakarzinoms. Seither ist die Androgendeprivationstherapie (ADT) Grundlage der Behandlung metastasierter Stadien. Dabei ist es das Ziel, den Testosteronspiegel (T-Spiegel) auf das sogenannte Kastrationsniveau zu senken, in der Hoffnung, dass dadurch Krebszellen in Apoptose gehen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Androgendeprivationstherapie</h2> <p>War es zu Beginn die einfache chirurgische Kastration, so bevorzugt man seit &uuml;ber 30 Jahren die medikament&ouml;se Kastration mit LHRH-Agonisten bzw. sp&auml;ter auch mit LHRH-Antagonisten. Ob letztlich die chirurgische und medikament&ouml;se Kastration &auml;quivalent wirken, konnte klinisch nie wirklich bewiesen werden, weil nur zwei kleine Vergleichsstudien existieren, deren sp&auml;tere kombinierte Analyse aber nur eine 67 % ige Wahrscheinlichkeit ergab, einen 30 % igen &Uuml;berlebensunterschied &uuml;berhaupt erkennen zu k&ouml;nnen. Auch ein direkter Vergleich zwischen LHRH-Agonisten und -Antagonisten fehlt, zumal es f&uuml;r die Zulassung der einzelnen Pr&auml;parate v&ouml;llig ausreichte, ein Absenken des T-Spiegels auf das Kastrationsniveau zu zeigen. Aber selbst die Definition des Kastrationsniveaus war unklar und orientierte sich nicht an klinischen Endpunkten, sondern am messtechnischen Detektionslimit.<br /> Beobachtungen und retrospektive Analysen lassen jedoch vermuten: je tiefer der erreichte T-Spiegel, desto besser das klinische Ergebnis. Dennoch werden alle drei Formen heute als gleichwertig betrachtet, nicht zuletzt auch deshalb, weil sich jede ausschliesslich gegen die prim&auml;re, testikul&auml;re Androgenquelle richtet und alle &uuml;brigen Synthesem&ouml;glichkeiten, von denen wir mittlerweile wissen, unber&uuml;cksichtigt l&auml;sst.<br /> Ebenso unklar blieb bis heute der optimale Zeitpunkt des Therapiebeginns, weil eine Lebensverl&auml;ngerung durch ADT nie wirklich gezeigt werden konnte. Zwar d&uuml;rfen wir davon ausgehen, dass ein fr&uuml;her Beginn zumindest bei einigen Patienten mit signifikant weniger Komplikationen einhergeht. Dem steht jedoch eine Reihe von Langzeitnebenwirkungen gegen&uuml;ber und nicht zuletzt gilt es zu bedenken, dass die ADT fr&uuml;her oder sp&auml;ter versagt und eine Kastrationsresistenz praktisch unvermeidbar ist, weshalb g&auml;ngige Leitlinien eine sofortige ADT zwar f&uuml;r symptomatische Patienten empfehlen, diese f&uuml;r asymptomatische Patienten hingegen nur als m&ouml;gliche, aber nicht zwingende Option beschreiben.<br /> Abgesehen von einigen wenigen Langzeit- Respondern ist die Zeit bis zum Versagen der ADT mit durchschnittlich 12 bis 18 Monaten nach wie vor relativ kurz, weshalb seit jeher nach Verbesserungen gesucht wurde.</p> <h2>Maximale Androgenblockade</h2> <p>Da neben testikul&auml;ren auch adrenale Androgene wirken, wurde in den 1980er- Jahren das Konzept der maximalen Androgenblockade (MAB) propagiert, bei dem in der Regel ein LHRH-Analogon mit einem nicht steroidalen Antiandrogen der ersten Generation (Flutamid, Nilutamid, Bicalutamid) oder mit Cyproteronacetat kombiniert wurde. Gest&uuml;tzt wurde das Konzept auch durch die Beobachtung, dass nach Gabe eines LHRH-Analogons der Testosteron- Serumspiegel zwar um 90&ndash;95 % , die Gewebespiegel jedoch nur um ca. 55 % absinken. Von insgesamt 36 prospektiv randomisierten Studien zeigten zwar nur drei einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil. Allerdings gab es keine einzige Studie, die ein schlechteres &Uuml;berleben unter MAB gebracht h&auml;tte und auch Metaanalysen best&auml;tigten, dass von einer MAB ein zwar statistisch signifikanter, aber nur kleiner und somit fraglich relevanter &Uuml;berlebensvorteil ausgeht, weshalb sich das Konzept auch nie wirklich durchgesetzt hat. Aus heutiger Sicht hatten alle diese Studien schwere methodische und konzeptionelle M&auml;ngel. Zum einen waren die Patientenzahlen viel zu gering, um &Uuml;berlebensvorteile &uuml;berhaupt erkennen zu k&ouml;nnen, andererseits wurde im Falle einer Progression das Antiandrogen nicht abgesetzt, sondern bis zum Tod weitergegeben, weil das sogenannte Antiandrogen- Withdrawal-Ph&auml;nomen basierend auf einer Antagonisten-Agonisten-Konversion &uuml;berhaupt noch nicht bekannt war.</p> <h2>LATITUDE und STAMPEDE</h2> <p>Die j&uuml;ngsten Ergebnisse der Latitude- Studie und eines weiteren Arms der STAMPEDE-Studie haben das Konzept der MAB quasi rehabilitiert. In beiden Studien wurde die Gabe eines LHRH-Agonisten mit versus ohne Abirateron/Prednison prospektiv untersucht und beide Studien zeigten &uuml;bereinstimmend neben weiteren Vorteilen bei sekund&auml;ren Endpunkten auch einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil f&uuml;r die Kombination (Abb. 1 + 2), weshalb vor Kurzem auch die Zulassung f&uuml;r Abirateron/Prednison in dieser Indikation erfolgte. Wenngleich Abirateron kein Androgenrezeptor- Antagonist, sondern ein Testosteron-Synthesehemmer ist, zielt diese Kombination ebenfalls auf eine bestm&ouml;gliche Androgendeprivation ab, wobei der Ort der Testosteronbildung (testikul&auml;r, adrenal oder &ndash; wie wir neuerdings wissen &ndash; sogar intratumoral) zweitrangig bleibt.</p> <p><img style="undefined" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1707_Weblinks_s56_abb1.jpg" alt="" width="1458" height="872" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1707_Weblinks_s56_abb2.jpg" alt="" width="1454" height="827" /></p> <h2>Intermittierende Androgenblockade</h2> <p>Da die Wirkung der ADT aus pathogenetischer Sicht auf einer Apoptose beruht, diese wiederum eine Eigenschaft der differenzierten Zelle ist, andererseits aber die ADT zur &laquo;Entdifferenzierung&raquo; der Zellen f&uuml;hrt, wurde das Konzept der intermittierenden Androgenblockade (IAB) entwickelt. Erhofftes Ziel war es, den Krebszellen in den Phasen ungest&ouml;rter Testosteronproduktion die M&ouml;glichkeit zur Redifferenzierung und somit Erholung des apoptotischen Potenzials zu geben.<br /> Trotz dieser bestechenden Logik blieben die klinischen Ergebnisse weit hinter den Erwartungen zur&uuml;ck. Tatsache ist, dass im metastasierten Stadium keine einzige randomisierte Studie, egal ob es sich um ein Superiority- oder Non-Inferiority-Design handelte, ihren Endpunkt erreichte. Auch die gr&ouml;sste Studie mit mehr als 1500 Patienten (INT-0162/SWOG 9346) konnte nicht beweisen, dass IAB nicht vielleicht doch schlechter ist als eine kontinuierliche Behandlung; zumindest war im intermittierenden Arm die karzinomspezifische Mortalit&auml;t um 7 % schlechter. Lediglich eine einzige Studie (NCIC PR-7) bei nicht metastasierten Patienten mit biochemischem Rezidiv nach Strahlentherapie war positiv, sodass dieses therapeutische Konzept f&uuml;r metastasierte Patienten heutzutage nicht wirklich empfohlen werden kann.</p> <h2>Fr&uuml;he chemohormonale Therapie</h2> <p>Um die Ergebnisse der ADT zu verbessern, wurde auch das Konzept einer fr&uuml;hen chemohormonalen Therapie &uuml;ber viele Jahre hindurch verfolgt. Fr&uuml;he Studien aus den 1980er- und 1990er-Jahren waren zwar ermutigend, konnten aber mit den damals verf&uuml;gbaren Zytostatika und den viel zu kleinen Patientenzahlen keinen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil zeigen. Nachdem aber im kastrationsresistenten Stadium (mCRPC) mit Docetaxel erstmals das &Uuml;berleben &ndash; wenn auch gering, aber doch signifikant &ndash; verl&auml;ngert werden konnte, erwachte das Interesse an diesem Konzept aufs Neue.<br /> Obwohl die erste Studie (GETUG-15) keinen signifikanten Vorteil brachte, folgten zwei positive Studien (CHAARTED &amp; STAMPEDE), sodass die fr&uuml;he chemohormonale Therapie zumindest f&uuml;r Patienten mit hoher Tumorlast als Standard gilt und so auch in den Leitlinien verankert wurde.</p> <h2>Ausblick</h2> <p>Somit stehen heute gleich mehrere unterschiedliche prim&auml;re Therapieoptionen zur Verf&uuml;gung und laufende Studien &ndash; sei es mit Androgenrezeptorantagonisten der zweiten und dritten Generation oder mit unterschiedlichen Kombinationen &ndash; werden mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere hinzuf&uuml;gen. Bleibt also die Frage, welcher Patient denn nun von welchem Konzept wirklich oder am meisten profitiert.<br /> Soweit wir das heute beurteilen k&ouml;nnen, scheint der chemohormonale Ansatz eher f&uuml;r Patienten mit hoher Tumorlast geeignet zu sein, wenngleich die Studien sich diesbez&uuml;glich etwas widersprechen und die Definition von &laquo;high volume&raquo; in der CHAARTED-Studie eher willk&uuml;rlich erscheint. Auch wird sie nur im Falle einer De-novo-Metastasierung empfohlen, was aber durchaus Sinn macht, weil die einzige negative Studie den h&ouml;chsten Anteil an Patienten mit vorheriger lokaler Therapie aufwies (44 % vs. 27 % bzw. 6 % ), was das negative Ergebnis m&ouml;glicherweise erkl&auml;ren mag. In LATITUDE wurde anders selektiert und es wurden sogenannte High-Risk-Patienten eingeschlossen, wobei die Subgruppenanalysen &uuml;bereinstimmend mit STAMPEDE keinen signifikanten Vorteil f&uuml;r &auml;ltere Patienten (&gt;70 Jahre bzw. &gt;75 Jahre) zeigten.<br /> Das Fehlen eindeutiger klinischer Selektionskriterien oder verl&auml;sslicher pr&auml;diktiver Marker unterstreicht einmal mehr die Bedeutung einer interdisziplin&auml;ren Entscheidungsfindung, um potenzielle Nutzniesser der jeweiligen Strategie bestm&ouml;glich zu identifizieren, aber auch einer ausf&uuml;hrlichen Diskussion der jeweiligen Vor- und Nachteile mit den betroffenen Patienten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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