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ÖGP 2017

Klinischer Nutzen der zirkulierenden Tumorzellen beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom

<p class="article-intro">Tumoren setzen Zellen in die Zirkulation frei, sogenannte zirkulierende Tumorzellen („circulating tumor cells“, CTC), die als Biomarker detektiert und analysiert werden können.<sup>1</sup> Im Folgenden wird der klinische Nutzen dieser CTC beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) näher erläutert.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die moderne, zielgerichtete und personalisierte Onkologie ben&ouml;tigt Methoden zum Monitoring der Entwicklung der Tumoren sowie ihres Ansprechens auf die gew&auml;hlte Therapie und zu einer raschen Erfassung einer Resistenzentwicklung. Bevorzugt werden dabei gering invasive Verfahren, sogenannte &bdquo;liquid biopsies&ldquo;, die auf Blutproben basieren und entweder CTC oder frei zirkulierende DNA (cfDNA) zur Analyse verwenden.<br /> CTC sind urs&auml;chlich an der Metastasierung von Tumoren beteiligt, die letzten Endes zu nicht mehr behandelbaren Malignomen und einer schlechten Prognose f&uuml;hrt. Die Ziele sind eine fr&uuml;he Erkennung einer malignen Erkrankung, das Gewinnen einer prognostischen Aussage und die rasche Auffindung von Rezidiven. Weiters sollen diese Techniken einen Surrogatmarker f&uuml;r das Ansprechen auf die Therapie oder das Vorliegen einer Resistenz liefern, im Speziellen im Zusammenhang mit Mutationen von Zielproteinen, wie den aktivierten Kinasen bei Lungenkarzinomen.<br /> CTC k&ouml;nnten zudem in Form von Transplantaten in Mausmodellen (Xenografts) eine Testung der Chemosensitivit&auml;t erm&ouml;glichen und als repr&auml;sentative Proben des Gesamttumors eine einfache genetische Untersuchung aus Blutproben gestatten. Obwohl die Analyse von CTC seit geraumer Zeit durchgef&uuml;hrt wird, hat diese Methode noch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden. Ursachen daf&uuml;r sind die niedrige Anzahl an CTC, unterschiedliche Methoden ihrer Anreicherung und Identifikation und ungen&uuml;gende Kenntnisse der Zellbiologie dieser speziellen Tumorzellen.<br /> Lungenkarzinome sind zu ca. 85 % NSCLC, die mittlerweile eine Haupttodesursache bei Krebserkrankungen darstellen. Zur verbesserten Behandlung dieses Tumortyps w&auml;ren eine fr&uuml;here Erkennung und ein pr&auml;zises Monitoring des Tumorph&auml;notyps notwendig. W&auml;hrend Patienten mit mutierten Onkogenen oder Expression von Immuncheckpointproteinen mit zielgerichteten Therapeutika gut behandelt werden k&ouml;nnen, wirkt bei den anderen Patienten die Chemotherapie nur ungen&uuml;gend.</p> <h2>Nachweismethoden der CTC</h2> <p>Bei den meisten Tumorerkrankungen sind CTC nur in geringer Anzahl vorhanden und m&uuml;ssen daher mittels verschiedener Methoden vor der Charakterisierung angereichert werden. Die bekannteste Technik repr&auml;sentiert das CellSearch-System, bei dem die CTC durch Magneten mittels gegen EpCAM-gerichteter Antik&ouml;rper (&bdquo;anti-epithelial cell adhesion molecule&ldquo;) separiert werden (Abb. 1). Anschlie&szlig;end erfolgt in einer F&auml;rbekassette die Identifizierung als EpCAM+, Zytokeratin+, DAPI+ und CD45-negativer Zelltyp. Die Analyse erfolgt aus 7,5ml Blut und das CellSearch- System verf&uuml;gt allein &uuml;ber eine Zulassung durch die Food and Drug Administration (FDA). Die Beschr&auml;nkung dieser Methode ergibt sich aus der alleinigen Erfassung von EpCAM-positiven CTC, die wahrscheinlich nicht alle wichtigen CTC umfassen. Aus diesem Grund wurde eine Vielzahl von markerunabh&auml;ngigen Techniken entwickelt, wie die bekannte ISET-Methode (&bdquo;isolation by size of tumor cells&ldquo;), bei der die CTC durch einen Filter von den kleineren Blutzellen abgetrennt werden.<sup>1</sup> Weitere Vorrichtungen in Chip-Form basieren auf der Gr&ouml;&szlig;e, Rigidit&auml;t und Verteilung von CTC im Durchfluss oder auch auf den dielektrischen Eigenschaften der Zellen. Bei allen diesen Methoden wird die Identit&auml;t der CTC in einem zweiten Schritt mit F&auml;rbemethoden oder PCR untersucht. Mit den markerunabh&auml;ngigen Techniken wird eine h&ouml;here Anzahl an CTC beschrieben, doch sinkt daf&uuml;r die Spezifit&auml;t der Detektion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1706_Weblinks_s37_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1034" /></p> <h2>Biologie der CTC</h2> <p>Nur wenige Tumoren, wie das kleinzellige Lungenkarzinom und das inflammatorische Mammakarzinom, weisen mehr als einige Hundert CTC/7,5ml Blut auf. Sonst sind CTC selten, der prognostische Grenzwert liegt bei 5 CTC f&uuml;r Mamma- und Prostatakarzinom sowie 3 CTC/7,5ml Blut f&uuml;r das Kolonkarzinom. Noch geringer ist die CTC-Anzahl beim NSCLC, bei dem von einem Grenzwert von 1&ndash;2 CTC/7,5ml Blut ausgegangen wird. Die Annahme, dass Tumoren Millionen von CTC pro Tag freisetzen, geht auf ein auf Patienten nicht &uuml;bertragbares Tiermodell zur&uuml;ck.<sup>2</sup> Nur einige wenige CTC k&ouml;nnen Metastasen bilden, der &uuml;berwiegende Teil degradiert in der Zirkulation (Abb. 2). &Uuml;ber die Intravasation, Ausbreitung und Extravasation der CTC ist wenig bekannt, doch entgegen den fr&uuml;heren Ansichten d&uuml;rfte die Intravasation sehr fr&uuml;h im Inneren kleiner Tumoren nach der Ausbildung der ersten Blutgef&auml;&szlig;e ohne epitheliale- mesenchymale Transition (EMT) stattfinden.<sup>2</sup> Gute Perfusion, rasches Tumorwachstum und Inflammation d&uuml;rften die Zahl der CTC bestimmen, wobei bei etwa der H&auml;lfte der metastasierten Patienten keine CTC auffindbar sind. In einem kleinen Prozentsatz gutartiger Erkrankungen treten epitheliale Zellen in der Peripherie auf und erschweren die Diagnose.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1706_Weblinks_s37_abb2.jpg" alt="" width="1419" height="1302" /></p> <h2>Analyse der CTC bei Lungenkarzinomen</h2> <p>Bei Lungenkarzinomen wurde bei Hochrisikopatienten, n&auml;mlich Rauchern mit COPD, ein CTC-Screening mit ISET durchgef&uuml;hrt und bei 5/168 Probanden wurden dabei Fr&uuml;hver&auml;nderungen in der LD-CT gefunden und operiert.<sup>3</sup> Bei CTC-negativen Patienten wurden keine Auff&auml;lligkeiten entdeckt; und diese erste Studie wird derzeit mit 600 Patienten und der Abnahme von 30ml Blut validiert. Bei &uuml;berwiegend metastasiertem NSCLC wurden bei Studien mit ca. 350 Patienten bei 20&ndash;40 % der Patienten CTC gefunden und die Auffindung von 1&ndash;2 CTC/7,5ml Blut mit dem Cell- Search-System als negativer prognostischer Indikator f&uuml;r das krankheitsfreie &Uuml;berleben und das Gesamt&uuml;berleben beschrieben, im Gegensatz zu weiteren Studien mit markerunabh&auml;ngigen Methoden.<sup>3</sup> RNA wird in der Zirkulation rasch abgebaut, daher ist die Analyse der PD-L1-Immuncheckpoint-Expression in der Peripherie mit CTC m&ouml;glich, wenn Tumorzellen vorliegen und myeloische zytokeratinpositive Normalzellen von der Analyse ausgeschlossen werden.<sup>4</sup> Es wurde auch versucht, die Therapie von NSCLC-Patienten mittels CTC zu &uuml;berwachen, mit divergierenden Resultaten bei den wenigen Patienten, die eine h&ouml;here CTC-Zahl aufwiesen. Mutationen in Treiberkinasen konnten in ausgew&auml;hlten F&auml;llen in &Uuml;bereinstimmung mit dem Tumor in CTC nachgewiesen werden.<sup>3</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Insgesamt wird die Analyse von CTC bei NSCLC-Patienten durch ihre geringe H&auml;ufigkeit stark erschwert. Ein prognostischer Grenzwert von 1&ndash;2 CTC/7,5ml Blut ist eigentlich f&uuml;r eine definitive Analyse zu gering und bei der H&auml;lfte der Patienten mit disseminierter Erkrankung sind keine CTC auffindbar. Laut Poisson-Statistik liegt die Wahrscheinlichkeit, bei Vorliegen von insgesamt 500 CTC in einer Blutprobe von 7,5ml keine oder 1&ndash;2 CTC zu detektieren, bei gerade einmal 50 % . Durch ein h&ouml;heres Probenvolumen wird die Situation verbessert, es wird aber keine vollst&auml;ndige Sensitivit&auml;t erreicht. Bedingt durch die geringe Anzahl an CTC, die unterschiedlichen verwendeten Anreicherungsmethoden und die fehlende Charakterisierung der Zellbiologie der CTC ist eine &bdquo;liquid biopsy&ldquo; mithilfe von zirkulierenden Tumorzellen bei NSCLC-Patienten zurzeit nicht f&uuml;r eine klinische Anwendung geeignet.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Micalizzi DS et al.: A conduit to metastasis: circulating tumor cell biology. Genes Dev 2017; 31: 1827-40 <strong>2</strong> Hamilton G et al.: Circulating tumor cells in the parallel invasion model supporting early metastasis. Oncomedicine 2017; 2: 168-80 <strong>3</strong> Gallo M et al.: Clinical utility of circulating tumor cells in patients with non-small-cell lung cancer. Transl Lung Cancer Res 2017; 6: 486-98 <strong>4</strong> Schehr JL et al.: High specificity in circulating tumor cell identification is required for accurate evaluation of programmed death-ligand 1. PLoS One 2016; 11: e0159397</p> </div> </p>
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