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Klinischer Nutzen der zirkulierenden Tumorzellen beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom
Jatros
Autor:
Barbara Rath, BSc.
Universitätsklinik für Chirurgie Medizinische Universität Wien
Autor:
Ao. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Hamilton
Universitätsklinik für Chirurgie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: gerhard.hamilton@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
14.12.2017
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<p class="article-intro">Tumoren setzen Zellen in die Zirkulation frei, sogenannte zirkulierende Tumorzellen („circulating tumor cells“, CTC), die als Biomarker detektiert und analysiert werden können.<sup>1</sup> Im Folgenden wird der klinische Nutzen dieser CTC beim nicht kleinzelligen Lungenkarzinom (NSCLC) näher erläutert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die moderne, zielgerichtete und personalisierte Onkologie benötigt Methoden zum Monitoring der Entwicklung der Tumoren sowie ihres Ansprechens auf die gewählte Therapie und zu einer raschen Erfassung einer Resistenzentwicklung. Bevorzugt werden dabei gering invasive Verfahren, sogenannte „liquid biopsies“, die auf Blutproben basieren und entweder CTC oder frei zirkulierende DNA (cfDNA) zur Analyse verwenden.<br /> CTC sind ursächlich an der Metastasierung von Tumoren beteiligt, die letzten Endes zu nicht mehr behandelbaren Malignomen und einer schlechten Prognose führt. Die Ziele sind eine frühe Erkennung einer malignen Erkrankung, das Gewinnen einer prognostischen Aussage und die rasche Auffindung von Rezidiven. Weiters sollen diese Techniken einen Surrogatmarker für das Ansprechen auf die Therapie oder das Vorliegen einer Resistenz liefern, im Speziellen im Zusammenhang mit Mutationen von Zielproteinen, wie den aktivierten Kinasen bei Lungenkarzinomen.<br /> CTC könnten zudem in Form von Transplantaten in Mausmodellen (Xenografts) eine Testung der Chemosensitivität ermöglichen und als repräsentative Proben des Gesamttumors eine einfache genetische Untersuchung aus Blutproben gestatten. Obwohl die Analyse von CTC seit geraumer Zeit durchgeführt wird, hat diese Methode noch keinen Eingang in die klinische Routine gefunden. Ursachen dafür sind die niedrige Anzahl an CTC, unterschiedliche Methoden ihrer Anreicherung und Identifikation und ungenügende Kenntnisse der Zellbiologie dieser speziellen Tumorzellen.<br /> Lungenkarzinome sind zu ca. 85 % NSCLC, die mittlerweile eine Haupttodesursache bei Krebserkrankungen darstellen. Zur verbesserten Behandlung dieses Tumortyps wären eine frühere Erkennung und ein präzises Monitoring des Tumorphänotyps notwendig. Während Patienten mit mutierten Onkogenen oder Expression von Immuncheckpointproteinen mit zielgerichteten Therapeutika gut behandelt werden können, wirkt bei den anderen Patienten die Chemotherapie nur ungenügend.</p> <h2>Nachweismethoden der CTC</h2> <p>Bei den meisten Tumorerkrankungen sind CTC nur in geringer Anzahl vorhanden und müssen daher mittels verschiedener Methoden vor der Charakterisierung angereichert werden. Die bekannteste Technik repräsentiert das CellSearch-System, bei dem die CTC durch Magneten mittels gegen EpCAM-gerichteter Antikörper („anti-epithelial cell adhesion molecule“) separiert werden (Abb. 1). Anschließend erfolgt in einer Färbekassette die Identifizierung als EpCAM+, Zytokeratin+, DAPI+ und CD45-negativer Zelltyp. Die Analyse erfolgt aus 7,5ml Blut und das CellSearch- System verfügt allein über eine Zulassung durch die Food and Drug Administration (FDA). Die Beschränkung dieser Methode ergibt sich aus der alleinigen Erfassung von EpCAM-positiven CTC, die wahrscheinlich nicht alle wichtigen CTC umfassen. Aus diesem Grund wurde eine Vielzahl von markerunabhängigen Techniken entwickelt, wie die bekannte ISET-Methode („isolation by size of tumor cells“), bei der die CTC durch einen Filter von den kleineren Blutzellen abgetrennt werden.<sup>1</sup> Weitere Vorrichtungen in Chip-Form basieren auf der Größe, Rigidität und Verteilung von CTC im Durchfluss oder auch auf den dielektrischen Eigenschaften der Zellen. Bei allen diesen Methoden wird die Identität der CTC in einem zweiten Schritt mit Färbemethoden oder PCR untersucht. Mit den markerunabhängigen Techniken wird eine höhere Anzahl an CTC beschrieben, doch sinkt dafür die Spezifität der Detektion.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1706_Weblinks_s37_abb1.jpg" alt="" width="1419" height="1034" /></p> <h2>Biologie der CTC</h2> <p>Nur wenige Tumoren, wie das kleinzellige Lungenkarzinom und das inflammatorische Mammakarzinom, weisen mehr als einige Hundert CTC/7,5ml Blut auf. Sonst sind CTC selten, der prognostische Grenzwert liegt bei 5 CTC für Mamma- und Prostatakarzinom sowie 3 CTC/7,5ml Blut für das Kolonkarzinom. Noch geringer ist die CTC-Anzahl beim NSCLC, bei dem von einem Grenzwert von 1–2 CTC/7,5ml Blut ausgegangen wird. Die Annahme, dass Tumoren Millionen von CTC pro Tag freisetzen, geht auf ein auf Patienten nicht übertragbares Tiermodell zurück.<sup>2</sup> Nur einige wenige CTC können Metastasen bilden, der überwiegende Teil degradiert in der Zirkulation (Abb. 2). Über die Intravasation, Ausbreitung und Extravasation der CTC ist wenig bekannt, doch entgegen den früheren Ansichten dürfte die Intravasation sehr früh im Inneren kleiner Tumoren nach der Ausbildung der ersten Blutgefäße ohne epitheliale- mesenchymale Transition (EMT) stattfinden.<sup>2</sup> Gute Perfusion, rasches Tumorwachstum und Inflammation dürften die Zahl der CTC bestimmen, wobei bei etwa der Hälfte der metastasierten Patienten keine CTC auffindbar sind. In einem kleinen Prozentsatz gutartiger Erkrankungen treten epitheliale Zellen in der Peripherie auf und erschweren die Diagnose.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Pneumo_1706_Weblinks_s37_abb2.jpg" alt="" width="1419" height="1302" /></p> <h2>Analyse der CTC bei Lungenkarzinomen</h2> <p>Bei Lungenkarzinomen wurde bei Hochrisikopatienten, nämlich Rauchern mit COPD, ein CTC-Screening mit ISET durchgeführt und bei 5/168 Probanden wurden dabei Frühveränderungen in der LD-CT gefunden und operiert.<sup>3</sup> Bei CTC-negativen Patienten wurden keine Auffälligkeiten entdeckt; und diese erste Studie wird derzeit mit 600 Patienten und der Abnahme von 30ml Blut validiert. Bei überwiegend metastasiertem NSCLC wurden bei Studien mit ca. 350 Patienten bei 20–40 % der Patienten CTC gefunden und die Auffindung von 1–2 CTC/7,5ml Blut mit dem Cell- Search-System als negativer prognostischer Indikator für das krankheitsfreie Überleben und das Gesamtüberleben beschrieben, im Gegensatz zu weiteren Studien mit markerunabhängigen Methoden.<sup>3</sup> RNA wird in der Zirkulation rasch abgebaut, daher ist die Analyse der PD-L1-Immuncheckpoint-Expression in der Peripherie mit CTC möglich, wenn Tumorzellen vorliegen und myeloische zytokeratinpositive Normalzellen von der Analyse ausgeschlossen werden.<sup>4</sup> Es wurde auch versucht, die Therapie von NSCLC-Patienten mittels CTC zu überwachen, mit divergierenden Resultaten bei den wenigen Patienten, die eine höhere CTC-Zahl aufwiesen. Mutationen in Treiberkinasen konnten in ausgewählten Fällen in Übereinstimmung mit dem Tumor in CTC nachgewiesen werden.<sup>3</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Insgesamt wird die Analyse von CTC bei NSCLC-Patienten durch ihre geringe Häufigkeit stark erschwert. Ein prognostischer Grenzwert von 1–2 CTC/7,5ml Blut ist eigentlich für eine definitive Analyse zu gering und bei der Hälfte der Patienten mit disseminierter Erkrankung sind keine CTC auffindbar. Laut Poisson-Statistik liegt die Wahrscheinlichkeit, bei Vorliegen von insgesamt 500 CTC in einer Blutprobe von 7,5ml keine oder 1–2 CTC zu detektieren, bei gerade einmal 50 % . Durch ein höheres Probenvolumen wird die Situation verbessert, es wird aber keine vollständige Sensitivität erreicht. Bedingt durch die geringe Anzahl an CTC, die unterschiedlichen verwendeten Anreicherungsmethoden und die fehlende Charakterisierung der Zellbiologie der CTC ist eine „liquid biopsy“ mithilfe von zirkulierenden Tumorzellen bei NSCLC-Patienten zurzeit nicht für eine klinische Anwendung geeignet.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Micalizzi DS et al.: A conduit to metastasis: circulating tumor cell biology. Genes Dev 2017; 31: 1827-40 <strong>2</strong> Hamilton G et al.: Circulating tumor cells in the parallel invasion model supporting early metastasis. Oncomedicine 2017; 2: 168-80 <strong>3</strong> Gallo M et al.: Clinical utility of circulating tumor cells in patients with non-small-cell lung cancer. Transl Lung Cancer Res 2017; 6: 486-98 <strong>4</strong> Schehr JL et al.: High specificity in circulating tumor cell identification is required for accurate evaluation of programmed death-ligand 1. PLoS One 2016; 11: e0159397</p>
</div>
</p>
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