Altersunabhängiger Patellofemoralgelenkersatz

<p class="article-intro">Mit bestimmten Designs von isolierter patellofemoraler Arthroplastik ist eine zufriedenstellende Versorgung bei mehr als 80 % der Patienten möglich. Derzeit wird ein patellofemoraler Gelenkersatz insbesondere bei jüngeren Patienten implantiert, bei älteren Patienten wird meist die Totalendoprothese gewählt. Wird sich das in unseren Zeiten der immer älter werdenden Menschen verändern? Laut unseren Daten und Frühergebnissen zwei Jahre nach patellofemoralem Gelenkersatz gibt es keinen signifikanten Unterschied der klinischen Outcomes zwischen den verschiedenen Altersgruppen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Die isolierte patellofemorale Arthrose</h2> <p>Die arthrotische Ver&auml;nderung des Patellofemoralgelenks ist eine h&auml;ufige Pathologie mit einer Inzidenz von 79 % bei &uuml;ber 65-J&auml;hrigen &ndash; jedoch ist sie meist nur ein unsymptomatischer Nebenbefund. Ein Knieschmerz aufgrund einer isolierten Patellofemoralarthrose tritt in circa 10&ndash;24 % der F&auml;lle auf. Laut einer multizentrischen Studie von Dejour and Allain (2004) findet sich bei einem Drittel der Patienten mit symptomatischer patellofemoraler Arthrose in der Vorgeschichte ein Luxationsereignis der Patella, bei 9 % eine Patellafraktur, bei 8 % eine chronische Arthritis und bei 78 % finden sich radiologische Zeichen einer Trochleadysplasie. Eine 3- bis 8-mal erh&ouml;hte Pr&auml;valenz wurde bei Patienten mit patellofemoralem Malalignment oder patell&auml;rer Instabilit&auml;t beschrieben.</p> <h2>Behandlungsm&ouml;glichkeiten</h2> <p>Die Behandlung besteht prim&auml;r aus konservativen Therapiemassnahmen: Gewichtsabnahme, muskul&auml;re Stabilisierung/ Detonisierung und Mobilisation der Patella unter physiotherapeutischer Anleitung. Zudem k&ouml;nnen oral entz&uuml;ndungshemmende Medikamente oder eventuell intraartikul&auml;re Viskosupplementation eingesetzt werden. Auf diese Weise bessern sich bei den meisten der Patienten die Beschwerden. Nur bei einer Minderheit der Betroffenen ist ein operatives Vorgehen aufgrund von persistierender Beschwerdesymptomatik n&ouml;tig. Die M&ouml;glichkeiten sind das arthroskopische patellofemorale D&eacute;bridement, die laterale Facettektomie oder als Ultima Ratio der Gelenkersatz (isoliert patellofemoral oder total).<br /> Der isolierte patellofemorale Gelenkersatz stellt eine weniger invasive Alternative zur Knietotalendoprothese dar. Er geht mit verringertem Blutverlust und k&uuml;rzerer Hospitalisationsdauer einher. Insbesondere f&uuml;r &auml;ltere Patienten stellt dies bez&uuml;glich m&ouml;glicher Komplikationen ein wichtiges Kriterium dar.</p> <h2>Der patellofemorale Gelenkersatz</h2> <p>Der erste patellofemorale Gelenkersatz wurde von McKeever 1955 beschrieben. Seitdem sind viele verschiedene Designs auf dem Markt erschienen. Aufgrund zu Beginn oft unbefriedigender Ergebnisse wurde der Einbau eines patellofemoralen Gelenkersatzes f&uuml;r lange Zeit kontrovers diskutiert.<br /> Die ersten Modelle waren die Onlay- Prothesen: Diese ersetzen die gesamte Trochleaoberfl&auml;che. F&uuml;r die Richards- Prothese (Smith and Nephew) und die Avon-Prothese (Stryker) sind 10-Jahres&Uuml;berlebensraten von 73&ndash;84 % und eine Zufriedenheit von 77&ndash;90 % dokumentiert. Bei anderen Prothesen &ndash; z.B. LCS (Depuy), Femoro-Patella Vialla (Wright Medical) oder Lubinus-Prothese (Link) &ndash; sind weniger befriedigende Ergebnisse beschrieben.<br /> Bei den neuesten Modellen, den Inlay- Prothesen (z.B. HemiCAP-Wave-Prothese, Arthrosurface), zeigt sich &auml;hnlich wie bei den Onlay-Prothesen eine Zufriedenheitsrate von &uuml;ber 80 % . Hier wird nur die Trochleagrube ersetzt, die Prothese bettet sich &uuml;bergangslos mit dem Trochlearandknorpel in den subchondralen Knochen ein. Damit werden die native Anatomie der Trochlea und die Kniekinematik rekonstruiert. Ein Patellar&uuml;ckfl&auml;chenersatz ist mit diesem Prothesendesign weniger oft n&ouml;tig. Dar&uuml;ber hinaus ist im Vergleich zu Onlay- Prothesen weniger Progression der tibiofemoralen Degeneration beschrieben worden, welche einen h&auml;ufigen Grund f&uuml;r die Konversion in eine Totalprothese darstellt.</p> <h2>Operatives Resultat bei &auml;lteren Patienten</h2> <p>Van Jonbergen (2010) hat die Onlay- Prothese (Richards Typ II) untersucht. In dieser Studie wurden die Langzeitresultate von 185 Patienten (durchschnittlich 13,3 Jahre) analysiert. Es wurden keine Unterschiede in den Outcomes zwischen den Patientengruppen der unter oder &uuml;ber 50-J&auml;hrigen gefunden. Bei den neueren Prothesentypen, vor allem bei den Inlay- Prothesen, steht die Frage noch aus, ob sie auch bei &auml;lteren Patienten gleich gut anwendbar sind.</p> <h2>Material und Methoden</h2> <p>Wir haben eine retrospektive, monozentrische Fallserienstudie mit 22 Patienten durchgef&uuml;hrt, denen zwischen 2012 und 2015 vom gleichen Chirurgen eine patellofemorale Inlay-Prothese HemiCAP&reg; Wave (Arthrosurface, Franklin, MA, USA) implantiert wurde. Das durchschnittliche Patientenalter war 48,3 Jahre (31&ndash;82 Jahre). Zwei Altersgruppen wurden verglichen: die Patienten unter (n=14) und diejenigen &uuml;ber 50 Jahre (n=8).<br /> Pr&auml;- und postoperativ wurden standardisierte klinisch-radiologische Untersuchungen durchgef&uuml;hrt (R&ouml;ntgen des Knies in drei Ebenen), Aktenforschung betrieben sowie Frageb&ouml;gen mit klinischen Scores ausgeh&auml;ndigt bzw. telefonisch abgefragt. Radiologisch wurden die arthrotischen Ver&auml;nderungen von allen drei Kompartimenten (medial, lateral, patellofemoral) nach Kellgren- Lawrence eingestuft (gem&auml;ss Arthrosegrad von 0&ndash;4) und die Patellah&ouml;he nach dem Caton-Deschamps- Index ermittelt. Aus den Akten wurden begleitende operative Verfahren, Komplikationen, postoperative Bluttransfusionen und eventuell ben&ouml;tigte station&auml;re Rehabilitation erhoben.<br /> Die klinischen Scores waren der WOMAC- Score (Bewertung der Symptome, Steifheit, Schmerzen, Funktion und Alltagsaktivit&auml;ten; maximale Punktzahl bei absoluter Beschwerdefreiheit: 100 Punkte), der Lysholm-Score (Bewertung von Schmerzen, Blockierung, Instabilit&auml;t, Schwellung und Hinken; bei Abwesenheit maximal 100 Punkte) und der VAS-Score f&uuml;r Schmerzen (Maximum an Schmerzen: 10 Punkte).</p> <p>Zun&auml;chst wurden pr&auml;- und 2 Jahre postoperativ die klinischen und radiologischen Ergebnisse verglichen und der Delta-Wert bestimmt. Um den Delta-Wert zu erhalten, wurde der pr&auml;operative Wert vom postoperativen Wert abgezogen. Anschliessend wurde der Delta-Wert zwischen den beiden Altersgruppen untersucht. Eine statistische Analyse der Daten wurde mit Wilcoxon Signed-Rank Test und dem Pearson&rsquo;s Chi Square Test (JMP<sup>&reg;</sup> 13.0.0., SAS Institute Inc., Cary, NC, USA) gemacht.</p> <h2>Resultate</h2> <p>Von 22 Patienten waren 16 Patienten mit 18 implantierten Prothesen f&uuml;r das Follow-up erreichbar und wurden inkludiert, davon waren 7 &uuml;ber 50 Jahre alt. 8 Patienten erhielten gleichzeitig einen retropatell&auml;ren R&uuml;ckfl&auml;chenersatz, 4 Patienten erhielten einen kombinierten Eingriff mit Sanierung der patellofemoralen Instabilit&auml;t. Das durchschnittliche Follow-up war 22,8 Monate (18&ndash;30 Monate).<br /> 2 Patienten hatten beidseitige Operationen. Eine Patientin (46 Jahre alt) wurde aufgrund einer Konversion in eine Totalknieprothese 11 Monate postoperativ exkludiert. 4 Patienten wurden reoperiert: 2 mit Arthrolyse, 2 andere mit sekund&auml;rem patell&auml;rem R&uuml;ckfl&auml;chenersatz. Bei einem Patienten wurde das Inlay- Design w&auml;hrend des Follow-ups auf Onlay gewechselt.<br /> Bei 18 Prothesen berichteten 88,9 % der Patienten &uuml;ber ein zufriedenstellendes oder sehr zufriedenstellendes Ergebnis. In den klinischen Scores wurde eine signifikante Verbesserung gefunden: Der Lysholm- Score zeigte einen Anstieg von durchschnittlich 50,6 &plusmn; 22,9 auf postoperativ 76,4 &plusmn; 16,7 (p=0,013, Abb. 1). Der WOMAC-Score stieg von 49,2 &plusmn; 19,2 auf 76,3 &plusmn; 19,1 (p&lt;0,001). Der VAS-Score wurde von 5,9 &plusmn; 2,4 auf 2,3 &plusmn; 2 signifikant verbessert (p&lt;0,001).<br /> Es wurde keine signifikante Progression der radiologischen Arthrosezeichen er&ouml;rtert. Jedoch zeigte der pr&auml;- und postoperative Kellgren-Lawrence-Score eine leichte, nicht signifikante Steigerungstendenz im medialen Gelenkspalt von 1,3 &plusmn; 0,5 pr&auml;operativ auf 1,5 &plusmn; 0,8 2 Jahre postoperativ (p=0,44) und im lateralen Gelenkspalt von 0,85 &plusmn; 0,8 auf 1,1 &plusmn; 0,8 (p=0,46). Es wurde keine signifikante Ver&auml;nderung der Patellah&ouml;he gefunden. W&auml;hrend des Follow-ups ben&ouml;tigte kein Patient eine Bluttransfusion oder station&auml;re Rehabilitation wegen eines protrahierten Verlaufs.</p> <p>Wir fanden keinen Unterschied zwischen den beiden Altersgruppen. Keiner der untersuchten Parameter zeigte eine Korrelation. Illustriert sind die Verbesserungen des klinischen Scores bei Lysholmund VAS-Score (p=0,054 bzw. p=0,7469, Abb. 2 und 3).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1704_Weblinks_lo_ortho_1704__s53_abb1-3.jpg" alt="" width="2150" height="1648" /></p> <h2>Diskussion</h2> <p>Bei unseren Patienten zeigte der patellofemorale Gelenkersatz auch bei &auml;lteren Patienten &auml;hnlich gute Ergebnisse wie bei den j&uuml;ngeren Patienten. Diese Ergebnisse sind vergleichbar mit den in der Literatur beschriebenen. Aufgrund der kleinen Patientengruppe und der k&uuml;rzeren Followup- Zeit muss dieses Resultat noch anhand einer gr&ouml;sseren Patientenzahl und einer l&auml;ngeren Follow-up-Zeit best&auml;tigt werden.<br /> Unsere Wahl bei isolierter patellofemoraler Arthrose und bei sonst aktiven Patienten ist weiterhin der isolierte Gelenkersatz. Unsere &auml;lteste Patientin war 82 Jahre alt, mit sehr gutem postoperativem Ergebnis.<br /> Ein Patellofemoralgelenkersatz hat gegen&uuml;ber der totalen Knieprothese den Vorteil, dass das nicht betroffene tibiofemorale Gelenkkompartiment (und damit die Menisken und Kreuzb&auml;nder) erhalten werden k&ouml;nnen und die physiologische Kniekinematik erhalten bleibt. Das Sparen von Knochenmaterial ist bei der &auml;lteren Patientengruppe ein weiterer wichtiger Punkt.<br /> Eine prospektive randomisierte Studie (Warwick Trial, Evidenzlevel I&ndash;II), die den Patellofemoralgelenkersatz mit dem Totalgelenkersatz vergleicht, steht noch aus, die Resultate sind noch nicht verf&uuml;gbar.<br /> Die Unzufriedenheit und die Revisionsrate nach isolierter patellofemoraler Prothese korrelieren mit den arthrotischen Ver&auml;nderungen tibiofemoraler Gelenkteile. Klar ist, dass die Indikation einer patellofemoralen Prothese streng gestellt und auf die Sanierung isolierter patellofemoraler Beschwerden beschr&auml;nkt bleiben muss.<br /> In unserem 2-Jahres-Follow-up haben wir eine Tendenz zur Verschlechterung der tibiofemoralen Arthrose im Sinne eines erh&ouml;hten Kellgren-Lawrence-Scores gefunden. Dies war jedoch nicht signifikant. Aufgrund der kleinen Patientenzahl k&ouml;nnen wir dar&uuml;ber noch keine sichere Aussage treffen. F&uuml;r eine weitere Abkl&auml;rung dieses Effektes w&auml;ren ein l&auml;ngeres Follow-up und mehr Probanden mit Kontrollgruppe sinnvoll.</p> <h2>Take-Home-Message</h2> <p>In unserer Fallserie konnte die patellofemorale Arthroplastik isolierte patellofemorale Beschwerden erfolgreich vermindern. Auch bei &auml;lteren, aktiven Patienten zeigen sich gute Fr&uuml;hergebnisse. Wegen der verringerten Morbidit&auml;t, des geringeren Blutverlusts sowie der schnelleren und leichteren Rehabilitationsphase, verglichen mit totalem Kniegelenkersatz, w&uuml;rden wir diese operative Versorgung nach strenger Indikationsstellung empfehlen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>bei den Verfassern</p> </div> </p>
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