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Patient Blood Management

«Es braucht einen Kulturwandel»

<p class="article-intro">Patient Blood Management (PBM) ist ein Konzept mit mehr als hundert Massnahmen, mit dem man vor allem eine präoperative Anämie vermeidet, perioperativ den Blutverlust verringert und während der Operation die Blutgerinnung kontrolliert. Damit können Transfusionen vermieden und das Outcome verbessert werden. Obwohl die WHO bereits 2010 PBM als wichtiges Prinzip zur Verbesserung der Transfusionssicherheit in ihre Agenda aufgenommen hat,<sup>1</sup> haben viele Spitäler das Konzept noch nicht eingeführt. Wir haben Prof. Dr. med. Patrick Meybohm gefragt, was man als Orthopäde über PBM wissen muss.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Warum haben so viele Spit&auml;ler PBM noch nicht umgesetzt?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Das stimmt so nicht. Die meisten Spit&auml;ler sind dabei, einzelne Bausteine einzuf&uuml;hren. Es ist ein kontinuierlicher Prozess, manche Kliniken haben schon viele Massnahmen eingef&uuml;hrt, andere erst wenige. Wir in Frankfurt haben sch&auml;tzungsweise gut die H&auml;lfte der international empfohlenen 100 PBM-Einzelmassnahmen umgesetzt. Insgesamt dauert es sicherlich f&uuml;nf Jahre, eine Klinik zu hundert Prozent &laquo;PBM-fit&raquo; zu machen.</p> <p><strong>Was ist die gr&ouml;sste H&uuml;rde?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Dass die Kollegen nicht verstehen, warum PBM so wichtig ist. Immer noch denken viele, Transfusionen seien sicher &ndash; schliesslich hat man das als Student und junger Arzt so gelernt. Blutprodukte bergen aber nicht nur die altbekannten Risiken wie Verwechslungen, Eisen&uuml;berladung, Hepatitis oder HIV, sondern auch neue Risiken. Wir wissen inzwischen, dass Fremdblut das Immunsystem moduliert und die Patienten anf&auml;lliger f&uuml;r Infektionen macht, etwa f&uuml;r eine Pneumonie. Abgesehen davon bergen die Transfusionen Risiken, die wir noch gar nicht kennen, wie Infektionen mit neuen Viren. Wir brauchen einen Kulturwandel, um den &laquo;Transfusionsreflex&raquo; zu vermeiden.</p> <p><strong>Was kann man als niedergelassener Orthop&auml;de f&uuml;r PBM tun?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> So fr&uuml;h wie m&ouml;glich vor einer geplanten Operation sollte man das H&auml;moglobin und ein kleines Blutbild bestimmen lassen, also einige Wochen vor dem Eingriff. Je fr&uuml;her man das macht, desto besser. Denn dann hat man gen&uuml;gend Zeit, auff&auml;llige Werte abzukl&auml;ren und zu therapieren. Die Orthop&auml;die ist f&uuml;r PBM ideal, denn die meisten Eingriffe sind von langer Hand geplant, und man kann eigentlich schon Monate vorher die Laboruntersuchungen anordnen.</p> <p><strong>Und wenn die Laborwerte auff&auml;llig sind?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Dann schickt man den Patienten zum Hausarzt oder Internisten &ndash; die Abkl&auml;rung und korrekte Therapie einer An&auml;mie sollte man lieber dem Fachmann &uuml;berlassen. Nimmt ein Patient zwei verschiedene Blutverd&uuml;nner &ndash; also etwa Marcumar und ASS &ndash; sollte man rechtzeitig vor der Operation die Gabe von einem stoppen.</p> <p><strong>40 Prozent der Patienten mit pr&auml;operativer An&auml;mie haben einen Eisenmangel.<sup>2</sup> Wie wird dieser behandelt?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Hat man einige Monate Zeit, dann erst einmal mit oralen Pr&auml;paraten &ndash; das steht auch in den Leitlinien.<sup>3, 4</sup> Hat man weniger Zeit, wirkt das orale Eisen nicht oder bricht der Patient die Tablettentherapie ab, gibt man Infusionen.</p> <p><strong>Kann man die Infusionen auch in der Praxis verabreichen?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Nur wenn man f&uuml;r den Notfall ger&uuml;stet ist. In bis zu 1 % der F&auml;lle kann es zu allergischen Reaktionen oder zu Blutdruckschwankungen kommen.</p> <p><strong>Was m&uuml;ssen Orthop&auml;den im Spital wissen?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Man sollte jeden Tropfen Blut sparen, also zum Beispiel so selten wie m&ouml;glich Blut abnehmen und nur wenig &ndash; hierf&uuml;r gibt es spezielle kleine Abnahmer&ouml;hrchen. Man sollte blutsparend operieren und, wenn es blutet, &laquo;cell saver&raquo; verwenden. Und man sollte den Patienten im OP gut w&auml;rmen, denn wenn er ausk&uuml;hlt, funktioniert die Blutgerinnung nicht so gut.</p> <p><strong>Sind die Patienten, die zu Ihnen kommen, vorbereitet?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Leider nicht. Jeden Tag kommen Patienten ohne H&auml;moglobinkontrolle.</p> <p><strong>Verschieben Sie dann die OP?</strong><br /> <strong>P. Meybohm:</strong> Nein &ndash; die Erwartungshaltung bei allen Beteiligten ist sehr hoch. W&uuml;rden wir die OP absetzen, geht der Patient m&ouml;glicherweise ins n&auml;chste Spital. Es braucht eben Zeit, die Kollegen und auch die Bev&ouml;lkerung aufzukl&auml;ren. Immerhin haben wir es geschafft, dass die Risiken einer pr&auml;operativen An&auml;mie jetzt in die Patientenaufkl&auml;rungsb&ouml;gen aufgenommen wurden. Viel besser w&auml;ren noch mehr Fortbildungen f&uuml;r Niedergelassene und Patientenbrosch&uuml;ren im Wartezimmer, damit der Kulturwandel auch klappt.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> WHO Resolution A63/20, 2010. Availability, safety and quality of blood products. apps.who.int/gb/ebwha/pdf_ files/WHA63/A63_20-en.pdf <strong>2</strong> Camaschella C et al.: N Engl J Med 2015; 372: 1832-43 <strong>3</strong> NICE Guidelines on Blood Transfusion. www.nice.org.uk/guidance/qs138 <strong>4</strong> Padhi S et al.: BMJ 2015; 351: h5832</p> </div> </p>
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