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Level-1-Evidenz für den frühen Einsatz von Abirateron beim metastasierten kastrationsnaiven Prostatakarzinom
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Arnoud J Templeton
FMH Medizinische Onkologie und FMH Innere Medizin<br> Leitender Arzt Onkologie<br> St. Claraspital, Basel<br> E-Mail: arnoud.templeton@claraspital.ch
30
Min. Lesezeit
21.09.2017
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<p class="article-intro">Die Ergebnisse der klinischen Studie LATITUDE, die in der Plenarsitzung am diesjährigen ASCO Annual Meeting vorgestellt worden sind, zeigen, dass bei Männern mit Erstdiagnose eines metastasierten Prostatakarzinoms eine Behandlung mit Abirateron/ Prednison in Ergänzung zur Androgendeprivation, im Vergleich zur alleinigen Androgendeprivation, das Gesamtüberleben deutlich verlängern kann. Diese und andere Highlights aus der Uroonkologie werden im folgenden Beitrag vorgestellt.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Abirateron beim metastasierten kastrationsnaiven Prostatakarzinom</h2> <p>Der ergänzende Einsatz von Docetaxel zu Beginn der Androgendeprivation (ADT) zur Behandlung von Männern mit metastasiertem hormonnaivem Prostatakarzinom hatte vor Kurzem einen beeindruckenden Überlebensvorteil gezeigt. Nun wurden am ASCO Annual Meeting zwei Studien zur Ergänzung von Abirateronacetat plus Prednison in dieser Situation präsentiert und zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert.<sup>1, 2</sup> In die LATITUDE-Studie wurden Männer mit de novo metastasiertem Prostatakarzinom mit mindestens zwei Hochrisikokriterien (Gleason Score 8–10, mindestens 3 Knochenmetastasen, viszerale Metastasen) eingeschlossen, wohingegen in die STAMPEDE- Studie Männer mit Prostatakarzinom eingeschlossen wurden, bei welchen eine ADT begonnen wurde (M1 oder N1 M0 oder =2 von T3/4, PSA >40ng/ml, Gleason Score >7). Das mediane Alter betrug in beiden Studien 67 Jahre. Viszerale Metastasen lagen bei 3 % (STAMPEDE) bzw. 20 % der Studienteilnehmer (LATITUDE) vor; bei knapp der Hälfte der Teilnehmer in der STAMPEDE-Studie lagen keine Fernmetastasen vor.<br /> Beide Studien zeigten einen hochsignifikanten und klinisch relevanten Überlebensvorteil durch den zusätzlichen Einsatz von Abirateron, mit einer Hazard- Ratio von 0,63 (STAMPEDE-Studie<sup>1</sup>) bzw. 0,62 (LATITUDE-Studie<sup>2</sup>; Abb. 1). Auch sekundäre Endpunkte wie progressionsfreies Überleben oder die Zeit bis zum Auftreten von symptomatischen skelettalen Ereignissen waren positiv (Tab. 1). In der STAMPEDE-Studien-Subgruppe mit nicht metastasierter Erkrankung war der Überlebensvorteil statistisch nicht signifikant, das «failure-free survival» jedoch verlängert. Die mediane Dauer der Therapie mit Abirateron betrug 24 Monate in der LATITUDE-Studie und 33 Monate in der STAMPEDE-Studie (für Männer mit Fernmetastasen). Insgesamt traten unter Abirateron etwa 15 % mehr Nebenwirkungen der Grade 3 oder 4 auf (am häufigsten Hypertonie und Hypokaliämie).<br /> Die Daten der LATITUDE-Studie wurden von E. Small von der University of California diskutiert, welcher darauf hinwies, dass die Überlebenskurven praktisch identisch sind mit denen der «highvolume population» der CHAARTED-Studie (definiert als viszerale Metastasen oder =4 Knochenmetastasen, davon =1 nicht in Wirbelkörpern und Pelvis).<sup>3</sup> Mit den vorgestellten Daten liegt nun Level- 1-Evidenz für den Einsatz von Abirateron mit Beginn der Androgendeprivation als Alternative zur frühen chemohormonellen Therapie mit Docetaxel vor, insbesondere bei Männern mit metastasiertem Prostatakarzinom bei Erstdiagnose (de novo M1) und High-Risk-Kriterien gemäss LATITUDE-Studie, welche sich unter Berücksichtigung von Komorbiditäten und Lebenserwartung hierfür qualifizieren. Eine Aussage über die zu bevorzugende Therapie ist aufgrund der vorliegenden Studien nicht möglich und sollte unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Therapiedauer, zu erwartenden Toxizität, Kosten, Verfügbarkeit («Off-label»-Indikation) und individuellen Präferenzen besprochen werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s42-tab1.jpg" alt="" width="1419" height="656" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s42-abb1.jpg" alt="" width="1457" height="968" /></p> <p> </p> <h2>Dauer der Androgendeprivation bei kurativer Radiotherapie</h2> <p>In einer Phase-III-Studie wurden 630 Männer mit lokalisiertem High-Risk-Prostatakarzinom (T3/4, PSA >20, Gleason Score >7) randomisiert zu 18 Monaten Androgendeprivation (ADT) vs. 36 Monate, zusätzlich zur Radiotherapie (insgesamt 70Gy).<sup>4</sup> Primäre Endpunkte der Studie waren Gesamtüberleben (OS), krankheitsspezifisches Überleben und Lebensqualität. Nach einem medianen Follow-up von 9,4 Jahren zeigte sich kein Unterschied im OS (HR: 1,02; p=0,84, Abb. 2) und auch nicht im krankheitsspezifischen Überleben (HR: 0,95; p=0,83). Die Lebensqualität, insbesondere bezüglich Hitzewallungen und «enjoyable sex», war höher bei kürzerer ADT. Lediglich die Zeit bis zu einem PSA-Anstieg >2ng/ml über Nadir («biochemical failure-free survival ») war im experimentellen Arm etwas kürzer (HR: 0,71; p=0,024). Auch wenn die Studie statistisch nicht dafür angelegt war, eine Noninferiorität zu zeigen, kann von einem klinischen Standpunkt auf Grundlage dieser Daten die zur Radiotherapie verabreichte Androgendeprivation wohl auf 18 Monate beschränkt werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Onko_1705_Weblinks_s42-abb2.jpg" alt="" width="1455" height="980" /></p> <h2>Abirateron versus Enzalutamid</h2> <p>Eine von K. Chi et al. präsentierte Studie hat 202 Männer mit metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakarzinom zu Abirateron/Prednison oder Enzalutamid randomisiert.<sup>5</sup> Nach 12 Wochen Therapie zeigte sich bei 55 % der mit Abirateron behandelten Patienten ein PSA-Abfall von 50 % oder mehr, im Vergleich zu 77 % unter Enzalutamid (p=0,001). Die Zeit bis zur Progression («time to progression», TTP) war jedoch nicht unterschiedlich (10,2 vs. 14,9 Monate; HR: 0,83; p=0,37). Interessanterweise berichteten die Autoren zudem über eine kürzere TTP bei Männern, bei welchen zirkulierende DNA (ctDNA) nachgewiesen werden konnte (5,4 vs. 12,0 Monate; HR: 2,05; p<0,001). Quantifizierbare ctDNA war assoziiert mit anderen prognostisch ungünstigen Faktoren (höhere Spiegel von PSA, LDH und ALP).</p> <h2>Lymphadenektomie bei Prostatektomie</h2> <p>In einer Studie mit 291 Männern mit Intermediate- oder High-Risk-Prostatakarzinom (PSA =10ng/ml und/oder =cT2b und/oder Gleason Score =7) wurden diese randomisiert zu «limited» (bilaterial obturatorisch) vs. «extended» Lymphadenektomie (bilateral obturatorisch, iliakal extern/intern/kommun und präsakral) während der Prostatektomie.<sup>6</sup> Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von (kurzen) 3 Jahren war das biochemisch rezidivfreie Überleben (primärer Endpunkt, definiert als PSA =0,2ng/ml) in beiden Armen gleich (HR: 0,92; p=0,69) und unterschied sich auch nicht in den Subgruppen von Männern mit High-Risk-Erkrankung (37 % der Patienten; HR: 0,78; p=0,42) und Intermediate- Risk-Erkrankung (63 % der Patienten; HR: 0,97; p=0,42). Unter der «limited » Lymphadenektomie war die Operationszeit median 54 Minuten kürzer (230 vs. 284 Minuten), der Blutverlust geringer (600 vs. 700ml), die Hospitalisationsdauer kürzer (2 vs. 3 Tage) und die Rate an Komplikationen geringer (Clavien-Dindo-Grad =3 in 8 % vs. 3 % ).</p> <h2>Prognostische Biomarker</h2> <p>Die NCCN-Risikoklassifikation beim lokalisierten Prostatakarzinom basiert auf T-Stadium, Gleason Score, PSA, PSA-Density und Befall der Stanzbiopsien. In einer grossen Studie wurde nun gezeigt, dass durch Kombination mit einem genetischen Test (Decipher<sup>®</sup>) eine genauere Risikoeinteilung möglich ist.<sup>7</sup> Beim metastasierten kastrationsresistenten Prostatakarzinom sind viele prognostische Marker bekannt. Präsentiert wurden nun einerseits Daten, welche zeigten, dass ein Abfall der Zahl von zirkulierenden Tumorzellen (CTC) unter die Nachweisgrenze im Vergleich zu anderen CTC- oder PSA-Veränderungen (Abfall um 30 % , 50 % , 70 % etc.) die beste prognostische Information ergibt («mean weighted» C-Index 0,81, wobei 1,0 eine perfekte Diskrimination bedeutet und 0,5 keine Diskrimination).<sup>8</sup> In einer Analyse der COU-AA-301-Studie (Abirateron nach Chemotherapie) betrug z.B. das mediane Gesamtüberleben bei Respondern (CTC bei Baseline >0 und nach 12 Wochen nicht mehr nachweisbar = CTC0) 23,9 Monate (n=141) im Vergleich zu 10,0 Monaten bei Nonrespondern (n=598).<sup>9</sup> Ebenfalls von prognostischem Wert ist der «automated bone scan index» (aBSI), welcher mithilfe eines elektronischen Algorithmus Knochenszintigrafien bewertet (Metastasen im Vergleich zum Gesamtskelett). Der aBSI ist signifikant mit Gesamtüberleben, prostatakrebsspezifischem Überleben, radiologisch progressionsfreiem Überleben, der Zeit bis zu neuen Knochenmetastasen, der Zeit bis zu symptomatischen skelettalen Ereignissen und der Zeit bis zur symptomatischen Progression korreliert, nicht aber (wie zu erwarten) mit der Zeit bis zur Progression von Weichteilmetastasen.<sup>10</sup></p></p>
<p class="article-footer">
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<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> James et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 263s (abs. LBA5003); NEJM 2017 June 3 <strong>2</strong> Fizazi K et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 5s (abs. LBA3); NEJM 2017 June 4 <strong>3</strong> Sweeney et al.: NEJM 2015, ESMO 2016 <strong>4</strong> Nabid et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 265s (abs. 5008) <strong>5</strong> Chi et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 263s (abs. 5002) <strong>6</strong> Lestingi et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 267s (abs. 5018) <strong>7</strong> Spratt et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 263s (abs. 5000) <strong>8</strong> Heller et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 264s (abs. 5007) <strong>9</strong> Scher et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 266s (abs. 5015) <strong>10</strong> Armstrong et al.: J Clin Oncol 2017; 35(15S): 264s (abs. 5006)</p>
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</p>
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