<p class="article-intro">Die kontinuierliche Glukosemessung und die sensorunterstützte Insulinpumpentherapie helfen, die Therapieziele zu erreichen, und erleichtern unseren Patienten das Leben mit Diabetes mellitus Typ 1. Wie ist der aktuelle Stand dieser Systeme und was können wir uns in naher Zukunft noch an technologischen Verbesserungen erwarten?</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die FGM hat die Glukosebestimmung bei insulinbehandelten Patienten revolutioniert. Die Therapiekontrolle und -steuerung können effizienter, unblutig und für den Patienten informativer erfolgen. Eine große Zahl von Patienten, auch ohne spezifische Indikation, kann damit versorgt werden, da die Krankenkassen die Kosten übernehmen.</li> <li>Die CGM unterscheidet sich von der FGM in erster Linie dadurch, dass es möglich ist, Alarme auszulösen, welche den Patienten vor Hypo- oder Hyperglykämien warnen. Bei speziellen Problemen wie nächtlichen Hypoglykämien oder Störungen der Hypoglykämiewahrnehmung bewähren sich Systeme in Kombination mit Insulinpumpen, die die Insulinzufuhr regulieren. Die Kostenübernahme durch die Krankenkasse ist bei der CGM an eine Indikation gebunden.</li> <li>Schulung ist bei beiden Systemen die unbedingte Voraussetzung für die Anwendung.</li> </ul> </div> <p>Nur eine Minderheit unserer Patienten mit Diabetes mellitus Typ 1 erreicht trotz funktioneller Insulintherapie mit Insulinanaloga die geforderten Stoffwechselziele, d.h. HbA<sub>1c</sub>-Werte so niedrig wie möglich, ohne dass es dabei zu schweren Hypoglykämien kommt.<sup>1</sup> Intensive Insulintherapie und niedrige HbA<sub>1c</sub>-Werte erhöhen aber das Risiko für Hypoglykämien. Besonders gefährdet sind Kinder, Jugendliche und Menschen mit langer Diabetesdauer.<sup>2</sup> Häufige Hypoglykämien sind mit einer reduzierten Hypoglykämiewahrnehmung assoziiert und diese steht wieder in einem direkten Zusammenhang mit dem Nichteinhalten von Therapiealgorithmen.<sup>3</sup> Ein weiteres schwerwiegendes Problem ist das Auftreten von unbemerkten nächtlichen Hypoglykämien, die die Ursache für kardiovaskuläre Ereignisse sein können.<sup>4</sup> Auf der anderen Seite demonstrierte das Diabetes Research in Children Network (DirecNet) den Zusammenhang zwischen der Abnahme der grauen Substanz des Gehirns und dem Auftreten von Hyperglykämie und glykämischer Variabilität bei Kindern.<sup>5, 6</sup> Technologische Fortschritte wie die kontinuierliche Glukosemessung und die sensorunterstützte Insulinpumpentherapie helfen, die Therapieziele zu erreichen, und erleichtern das tägliche Leben der Patienten.</p> <h2>Prinzip der kontinuierlichen Glukosemessung (CGM) und ihre Evidenz</h2> <p>Bei den in Österreich zur Verfügung stehenden Geräten erfolgt die kontinuierliche Messung der Glukose subkutan über einen Sensor im interstitiellen Gewebe. Dabei wird alle paar Minuten ein Durchschnittswert ermittelt. Zur Kalibrierung der Systeme wird ein Blutglukosewert benötigt. CGM kann bei Kindern und Erwachsenen angewandt werden. Die Daten können „verblindet“ erhoben und retrospektiv analysiert werden – was die Anwendung in Studien erleichtert – oder auch auf einem Monitor sichtbar gemacht und zu unmittelbaren Therapieanpassungen herangezogen werden. Alarme warnen bei den Real-Time-Systemen vor Hyper- und Hypoglykämien. Wichtig zu beachten ist, dass eine Verzögerung zwischen der Ermittlung des interstitiellen Werts und des Blutglukosewerts von ca. 10–20min besteht. Die Verzögerung kann sich verlängern, wenn sich der Blutzuckerwert sehr rasch ändert. Trends bei der interstitiellen Glukosemessung sind für die Änderung der Blutglukosewerte repräsentativ.<br /> Der Nutzen des therapeutischen Einsatzes von CGM konnte in Metaanalysen gezeigt werden.<sup>7</sup> Aber wie so oft lassen sich klinisch bedeutsame HbA<sub>1c</sub>-Verbesserungen und die Verhinderung von Hypoglykämien nicht für alle Patientengruppen gleich erzielen. Ein schönes Bespiel dafür ist der Effekt von CGM bei gut kontrollierten Patienten (HbA<sub>1c</sub> <7 % ) in der JDRF-Studie<sup>8</sup>, in der es in allen Altersgruppen zu einer signifikanten Reduktion der Zeit kam, welche im hypoglykämischen Bereich verbracht wurde. Die HbA<sub>1c</sub>-Werte konnten aber im Gegensatz zur Kontrollgruppe gehalten werden. Bestätigt wurde das Ergebnis in einer europäischen Studie ebenfalls in allen Altersgruppen.<sup>9</sup></p> <h2>Die Flash-Glukosemessung (FGM) und ihre Evidenz</h2> <p>Seit mittlerweile mehr als einem Jahr auch von der Krankenkasse refundiert, steht die Flash-Glukosemessung Patienten mit funktioneller Insulintherapie zur Verfügung. Dabei handelt es sich um ein Real- Time-System ohne Alarmfunktion. Durch einen 1-Sekunden-Scan wird der aktuelle Glukosewert, basierend auf den Ergebnissen einer Minute, inklusive einer Trendinformation abgebildet. Bei der FGM ist keine blutige Kalibrierung notwendig. Zurzeit belegen noch wenige Studien die Evidenz der Methode. Eine davon ist die IMPACTStudie. In dieser konnte gezeigt werden, dass die Anwender der FGM signifikant weniger Zeit im hypoglykämischen Bereich (<70mg/dl) verbrachten als die Kontrollgruppe.<sup>11</sup> Dabei kam es zu keiner HbA<sub>1c</sub>-Verschlechterung bei einem HbA<sub>1c</sub> von 6,74 % ± 0,56 % . In der REPLACE-Studie<sup>12</sup>, welche Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 (DM2) und FGM untersuchte, konnte das Studienziel, die signifikante Absenkung des HbA<sub>1c</sub>-Wertes, nicht erreicht werden. Die Lebensqualität wurde jedoch in beiden Studien verbessert. Im Rahmen des ATTD-Kongresses<sup>13</sup> in Paris wurden Anwendungsdaten unter Alltagsbedingungen präsentiert. Dabei verbrachten die Teilnehmer, abhängig von der täglichen Scanrate, durchschnittlich um 40 % mehr Zeit im Zielbereich von 70 bis 180mg/dl. Die Flash-Glukosemessung kann bei Kindern und bei schwangeren Frauen eingesetzt werden.<br /> Neu auf den Markt gekommen ist ein Langzeitglukosesensor, welcher über einen nicht enzymatischen, Fluoreszenzbasierten Messwandler kontinuierlich Daten generiert. Dieser wird subkutan implantiert. Ein Transmitter versorgt den Sensor mit Strom und sendet die Glukosewerte und den Trend an ein Smartphone. Alarme warnen den Patienten vor Hypound Hyperglykämien. Der Sensor kann 3 Monate am Patienten verbleiben und muss dann getauscht werden. Geplant ist aber eine längere Liegedauer des Sensors. Evidenz außerhalb der notwendigen Zulassungsstudien gibt es noch nicht.</p> <h2>Sensorunterstützte Insulinpumpentherapie</h2> <p>Die Insulinpumpentherapie in Kombination mit kontinuierlicher subkutaner Glukosemessung führt im Vergleich zu funktioneller Insulintherapie mit einem Pen, ebenso wie im Vergleich zur CSII ohne Sensor, zu einer verbesserten glykämischen Kontrolle bei Erwachsenen und bei Kindern. Geringere Zeiten im hypoglykämischen Bereich waren in allen durchgeführten Studien die Regel.<sup>13, 14</sup></p> <h2>Insulinpumpentherapie und „low glucose suspend“ (LGS)</h2> <p>55 % der schweren Hypoglykämien (DCCT) treten während der Schlafenszeit auf. Die Rate der schweren Hypoglykämien bei Kindern ist mit 75 % noch höher.<sup>15</sup> Die Hypoglykämiealarme der CGM verhindern die Unterzuckerungen in der Nacht jedoch nicht zwangsläufig. Schon nach kurzer Zeit kam es in der Studie in 71 % der Fälle zu keiner Reaktion der Patienten mehr.<sup>15, 16</sup> Dies führte zur Entwicklung von CGM in Kombination mit einer Insulinpumpe, welche sich bei einem vorher definierten Glukosewert für 2 Stunden abstellt. LGS („low glucose suspend“) verhindert bei Patienten mit häufigen nächtlichen Hypoglykämien diese signifikant, ohne dass es zu einer Erhöhung des HbA<sub>1c</sub>-Wertes kommt. Besonders eindrucksvoll ist das Ergebnis bei Patienten mit gestörter Hypoglykämiewahrnehmung. Schwere Hypoglykämien konnten vollständig verhindert und milde Hypoglykämien reduziert werden. LGS führte nicht zu reaktiven Hyperglykämien oder zu einer Erhöhung des HbA1c und ist eine sichere Option bei Kindern und Erwachsenen mit Typ-1-Diabetes.<sup>16, 17</sup></p> <h2>Sensorunterstützte Insulinpumpentherapie und prädiktive Hypoglykämieabschaltung</h2> <p>Eine weitere Verbesserung ist die Verwendung von kontinuierlicher Glukosemessung in Kombination mit einer Insulinpumpe unter der Kontrolle von Algorithmen, welche die Insulinzufuhr regulieren. Es steht bereits ein alltagstaugliches System zur Verfügung, welches die Insulinabgabe unterbricht, wenn der Glukosesensorwert weniger als 70mg/dl über dem „Grenzwert niedrig“ liegt und voraussichtlich in 30 Minuten den „Grenzwert niedrig“ unterschreitet. Die Unterbrechung der Insulinabgabe wird aufgehoben, wenn der Patient manuell zuschaltet oder der Glukosewert ≥20mg/dl über dem „Grenzwert niedrig“ ist, in 30 Minuten ≥40mg/dl darüberliegen wird und seit der Abschaltung ≥30 Minuten vergangen sind oder die Insulinabgabe über 2 Stunden hinweg unterbrochen war. Nach Wiederaufnahme der Insulinabgabe müssen ≥30min vergehen, bis eine erneute Abschaltung möglich ist. Somit ist es gelungen, einen Algorithmus zu entwickeln, der neben einem Grenzwert vor allem die Geschwindigkeit der Glukoseänderung einbezieht (Abb. 1): Je niedriger zum Beispiel die Glukosewerte im Wirkungsbereich der prädiktiven Hypoglykämieabschaltung sind, umso geringer ist die Abfallgeschwindigkeit, bei der der Algorithmus die Insulinzufuhr ausschaltet. Erste Evidenz bestätigt die klinischen Erfahrungen, dass dieser Algorithmus gut funktioniert.<sup>18</sup></p> <h2>„Hybrid closed loop“-System</h2> <p>Die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA hat das erste „Hybrid closed loop“- System für Menschen mit Diabetes mellitus Typ 1 genehmigt. Darunter versteht man, dass der Patient weiterhin dem System mitteilen muss, wenn er Kohlenhydrate zu sich nimmt. Es findet aber eine automatische Regulation der Glukose durch Zu- oder Abschaltung von Insulin im Rahmen eines definierten Zielbereichs statt. Erste Daten haben gezeigt, dass es im Rahmen von Studien zu keinen schweren Hypoglykämien oder Ketoazidosen gekommen ist.</p> <h2>Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg</h2> <p>Die kontinuierliche Glukosemessung und auch die Flash-Glukosemessung haben nicht wie ein Medikament per se eine Wirkung auf den Stoffwechsel und unterscheiden sich in ihrer Möglichkeit, die Therapie zu unterstützen. Der Effekt solcher Systeme liegt in einem hohen Ausmaß in der Hand des jeweiligen Patienten. Sie ermöglichen aber einem gut geschulten Patienten im Lebensalltag ein Plus an Sicherheit, welches üblicherweise in klinischen Studien nicht erfasst wird.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1704_Weblinks_jatros_diab_s31_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="1026" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1704_Weblinks_jatros_diab_s31_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="710" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Diabetes_1704_Weblinks_jatros_diab_s32_abb1.jpg" alt="" width="1457" height="1236" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Österreichische Diabetes Gesellschaft: Leitlinien für die Praxis 2016: Diabetes mellitus – Anleitungen für die Praxis. Überarbeitete und erweiterte Fassung 2016. Wien Klin Wochenschr 2016; 128(2): 33-215 <strong>2</strong> DCCT Group: Adverse events and their association with treatment regimens in the diabetes control and complications trial. Diabetes Care 1995; 18: 1415-27 <strong>3</strong> Smith CB et al.: Hypoglycemia unawareness is associated with reduced adherence to therapeutic decisions in patients with type 1 diabetes: evidence from a clinical audit. Diabetes Care 2009; 32(7): 1196-8 <strong>4</strong> Gill GV et al.: Cardiac arrhythmia and nocturnal hypoglycaemia in type 1 diabetes - the ‘dead in bed’ syndrome revisited. Diabetologia 2009; 52: 42-5 <strong>5</strong> Marzelli MJ et al.: Neuroanatomical correlates of dysglycemia in young children with type 1 diabetes. Diabetes Research in Children Network (DirecNet). Diabetes 2014; 63(1): 343-53 <strong>6</strong> Mauras N et al.: Longitudinal assessment of neuroanatomical and cognitive differences in young children with type 1 diabetes: association with hyperglycemia. Diabetes Research in Children Network (DirecNet). Diabetes 2015; 64(5): 1770-9 <strong>7</strong> Pickup JC, Sutton AJ.: Severe hypoglycaemia and glycaemic control in type 1 diabetes: metaanalysis of multiple daily insulin injections compared with continuous subcutaneous insulin infusion. Diabet Med 2008; 25: 765-74 <strong>8</strong> JDRF Study Group: The effect of continuous glucose monitoring in well-controlled type 1 diabetes. Diabetes Care 2009; 32(8): 1378-83 <strong>9</strong> Battelino T.: Effect of continuous glucose monitoring on hypoglycemia in type 1 diabetes. Diabetes Care 2011; 34(4): 795-800 <strong>10</strong> Bolinder J et al.: Novel glucose-sensing technology and hypoglycaemia in type 1 diabetes: a multicentre, non-masked, randomised controlled trial. Lancet 2016; 388(10057): 2254-63 <strong>11</strong> Haak T.: ATTD (Advanced Technologies & Treatments for Diabetes) Conference 2016, 3.–6. Februar, Mailand <strong>12</strong> International Conference on Advanced Technologies & Treatments for Diabetes 2017, 15.–18. Februar, Paris <strong>13</strong> Bergenstal RM et al.; STAR 3 Study Group: Effectiveness of sensor-augmented insulin- pump therapy in type 1 diabetes. N Engl J Med 2010; 363(4): 311-20 <strong>14</strong> Battelino T et al.; SWITCH Study Group: The use and efficacy of continuous glucose monitoring in type 1 diabetes treated with insulin pump therapy: a randomised controlled trial. Diabetologia 2012; 55(12): 3155-62 <strong>15</strong> Buckingham B et al.: Response to nocturnal alarms using a realtime glucose sensor. Diabetes Technol Ther 2005; 7: 440-7 <strong>16</strong> Klonoff DC et al.: ASPIRE In-Home: rationale, design, and methods of a study to evaluate the safety and efficacy of automatic insulin suspension for nocturnal hypoglycemia. J Diabetes Sci Technol 2013; 7(4): 1005-10 <strong>17</strong> Ly TT et al.: Effect of sensor-augmented insulin pump therapy and automated insulin suspension vs standard insulin pump therapy on hypoglycemia in patients with type 1 diabetes: a randomized clinical trial. JAMA 2013; 310(12): 1240-7 <strong>18</strong> Danne T et al.: The PILGRIM study: in silico modeling of a predictive low glucose management system and feasibility in youth with type 1 diabetes during exercise. Diabetes Technol Ther 2014; 16(6): 338-47</p>
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