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ELGA-Einführung hat der Angestellten-Kurie die Augen geöffnet

Spitalsärzte kritisieren Gesundheitsakte

<p class="article-intro">Zahlreiche DAM-Leser reagierten auf meinen Beitrag „Eine Kammer genügt“ mit Zustimmung. Insbesondere die unkoordinierte Öffentlichkeitsarbeit unserer Standesvertretung steht bei den Kollegen in der Kritik. Auch wenn die Fusion aller zehn Ärztekammern derzeit leider noch eine Vision ist, sollte wenigstens die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) zum alleinigen Sprachrohr für bundesweite Themen aufgewertet werden. Nichts liegt näher, als mit ELGA den Einstieg in einen geordneten Außenauftritt zu wagen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) betrifft bundesweit alle &Auml;rzte, egal ob angestellt oder niedergelassen. Presseauftritte der Bundesl&auml;ndervertretungen, wie etwa der Wiener oder der Nieder&ouml;sterreichischen Kammer, in Sachen ELGA sollten vermieden werden. Geht es um besagtes Thema, h&auml;tten nun immer drei Kollegen nebeneinander auf dem Podium einer Pressekonferenz Platz zu nehmen: der &Ouml;&Auml;K-Pr&auml;sident und die Bundeskurienobm&auml;nner f&uuml;r die angestellten und die niedergelassenen &Auml;rzte. Ein Solo-Auftritt des Bundeskurienobmanns der Angestellten, wie in diesem Beitrag ausf&uuml;hrlich beschrieben, w&uuml;rde sich damit er&uuml;brigen. Bei derartigen &bdquo;Alleing&auml;ngen&ldquo; steht der leise Verdacht im Raum, nicht anwesende Kammer-Verantwortungstr&auml;ger seien anderer Ansicht. Leider ist das auch immer wieder der Fall. Aus diesem Grund sollten im Vorfeld bindende Beschl&uuml;sse der entsprechenden Gremien gefasst werden. So w&auml;re zu verhindern, dass vielleicht schon drei Tage nach dem Presseauftritt ein L&auml;nderkammer-Chef die Argumente des &Ouml;&Auml;K-Triumvirats abschw&auml;cht oder gar konterkariert. Nach au&szlig;en getragene Meinungsvielfalt mag ein Markenzeichen der Wiener Gr&uuml;nen sein (siehe Heumarkt-Turm), in der &auml;rztlichen Standesvertretung hat sie nichts verloren.</p> <h2>Niedrige Wahlbeteiligung als Zeichen der Unzufriedenheit?</h2> <p>Die aktuellen Urneng&auml;nge in den Bundesl&auml;ndern erbrachten katastrophal niedrige Wahlbeteiligungen. Mehr als die H&auml;lfte der Zwangsmitglieder f&uuml;hlten sich nicht ausreichend motiviert, ihre Stimme abzugeben. So schritten etwa in Nieder&ouml;sterreich nur 41,6 % der 7607 Wahlberechtigten zur Urne. Bei den nieder&ouml;sterreichischen Turnus&auml;rzten waren es gar nur 25 % . Den absoluten Tiefpunkt in Sachen Wahlbeteiligung lieferte die &Auml;rztekammer unseres westlichsten Bundeslandes. Nur 39 % der insgesamt 1592 wahlberechtigten Vorarlberger gaben diesmal ihre Stimme ab. Der Urnengang im L&auml;ndle war eine reine Farce. Auf dem Stimmzettel fand sich, gleichlautend f&uuml;r Niedergelassene und Angestellte, lediglich eine einzige Liste. Erinnerungen an den ehemaligen Ostblock werden wach! Mit derartigen Wahlen tauchen unsere Standesvertreter in eine Parallelwelt ab. Sie f&uuml;hlen sich trotzdem berufen, f&uuml;r die gesamte &Auml;rzteschaft zu sprechen. Das demokratiepolitische Feingef&uuml;hl scheint verloren gegangen zu sein. Woher nehmen Kammerfunktion&auml;re die Gewissheit, die schweigende Mehrheit auf ihrer Seite zu haben? Eine derart schwache Legitimation mag vielleicht f&uuml;r die F&uuml;hrung der &Ouml;sterreichischen Hochsch&uuml;lerschaft gen&uuml;gen, f&uuml;r eine kraftvolle Vertretung der &Auml;rzte ist sie nicht ausreichend. Die Ursachen f&uuml;r die Unzufriedenheit mit der Standesf&uuml;hrung sind vielf&auml;ltig. Als ein Grund kann die chaotische Haltung gegen&uuml;ber ELGA genannt werden.</p> <h2>Kritik des Bundeskurienobmanns der angestellten &Auml;rzte</h2> <p>Ende M&auml;rz lud Dr. Harald Mayer, Vizepr&auml;sident der &Ouml;&Auml;K und Obmann der Bundeskurie Angestellte &Auml;rzte, zu einer Pressekonferenz mit dem Titel &bdquo;R&uuml;ckblick auf ein Jahr ELGA im Spital&ldquo;. Den Journalisten wurde eine 6-seitige Presseinformation in die Hand gedr&uuml;ckt. An dem ausf&uuml;hrlichen Text muss tagelang gearbeitet worden sein. Mit einer Akribie sondergleichen wurden die Schwachstellen der Akte aufgelistet. Allein der &Uuml;berschrift &bdquo;Kritik an ELGA&ldquo; folgten drei DIN-A4-Seiten. Alle Details hier wiederzugeben w&uuml;rde den Rahmen dieser Ausf&uuml;hrungen sprengen. Besonderen Unmut zeigte der Bundeskurienobmann &uuml;ber das Recht der Patienten, gewisse Befunde aus ELGA ausblenden zu lassen. F&uuml;r ihn gebe es nur eine L&ouml;sung: Entweder man gebe alle Daten an oder man steige komplett aus ELGA aus. Dass &Auml;rzten die Patientendaten nur selektiv zur Verf&uuml;gung gestellt w&uuml;rden, so Mayer, gehe gar nicht. F&uuml;r das angesprochene Patientenrecht gibt es eine klare Bezeichnung: &bdquo;situativer Widerspruch&ldquo;. Das ELGA-Gesetz gilt seit Anfang 2013. Seit J&auml;nner 2014 ist das &bdquo;ELGA-Handbuch&ldquo;, erschienen im Manz-Verlag, im Handel. Die drei Autoren, unter anderem Sektionschef Dr. Clemens Martin Auer, handeln darin den rechtlichen Hintergrund der Akte ab. In H&uuml;lle und F&uuml;lle werden Praxisbeispiele dargelegt, obwohl die Akte zum Zeitpunkt der Erstellung noch ein theoretisches Gebilde war. In besagtem Handbuch kann jedermann ab Seite 78 Details zu den Widerspruchsrechten nachlesen.</p> <h2>Opt-out-M&ouml;glichkeiten seit 5 Jahren im Gesetz festgeschrieben</h2> <p>Das im ELGA-Gesetz eingebettete Gesundheitstelematikgesetz (GTelG 2012) l&auml;sst keine Unklarheiten aufkommen. Laut diesen Vorgaben hat jeder an ELGA teilnehmende Patient das Recht auf drei verschiedene Opt-out-M&ouml;glichkeiten: generellen Widerspruch (&sect;15 Abs. 2 GTelG 2012), partiellen Widerspruch (&sect;15 Abs. 2 GTelG 2012) und situativen Widerspruch (&sect;16 Abs. 1 Z2 GTelG 2012).<br /> Der generelle Widerspruch bedarf keiner zus&auml;tzlichen Erl&auml;uterung. Bei der partiellen Form handelt es sich um die M&ouml;glichkeit, an bestimmten ELGA-Anwendungen, etwa der E-Medikation, nicht teilzunehmen. Vom situativen Opt-out wird dann gesprochen, wenn der Patient die ELGA-Teilnahme nur f&uuml;r einen bestimmten Behandlungsfall verweigert. Im Rahmen der E-Medikation bedeutet der situative Widerspruch z.B. das vom Teilnehmer gew&uuml;nschte Ausblenden eines gewissen Pr&auml;parates. F&uuml;r die Kassenpraxis besonders erschwerend ist der Umstand, dass der Arzt als sogenannter Gesundheitsdienstanbieter (GDA) gezwungen ist, den Patienten &uuml;ber die M&ouml;glichkeit des Ausblendens an Ort und Stelle zu informieren. Dem ELGA-Teilnehmer wird in dieser Angelegenheit komplette Unwissenheit zugestanden. Es versteht sich von selbst, dass die, was das Praxisleben betrifft, ahnungslosen ELGA-Erfinder den GDA die Verpflichtung auferlegen, besagte Aufkl&auml;rung auch zu dokumentieren.<br /> Bei der oben geschilderten Presseveranstaltung fiel jedoch vor allem das Fehlen jeglicher Konsequenz aus der ge&auml;u&szlig;erten Kritik auf. Einem Spitzenvertreter der &Auml;rztekammer stehen hier nur zwei M&ouml;glichkeiten zur Auswahl: entweder z&auml;hneknirschend diesen b&uuml;rokratischen Wahnsinn mitzutragen oder aber die ersatzlose Abschaffung zu fordern und anzuk&uuml;ndigen: Geschehe diese Gesetzes&auml;nderung nicht, werde die komplette &Auml;rzteschaft die ELGA-Mitarbeit einstellen.</p> <h2>Warnungen des Haus&auml;rzteverbandes missachtet</h2> <p>Es darf daran erinnert werden, dass allen voran Repr&auml;sentanten des &Ouml;sterreichischen Haus&auml;rzteverbandes (&Ouml;HV) vor Beschlusswerdung des besagten Gesetzes Alarm geschlagen haben. Mittels zahlreicher Veranstaltungen und Presseaussendungen wurde unter anderem die M&ouml;glichkeit des Ausblendens einzelner Befunde und Medikamente scharf kritisiert. Eine unvollst&auml;ndige Akte dieser Art trage mehr zu Verwirrung denn zu exakter Befunderhebung bei. Bei jeder Krankenhausaufnahme mutieren &Auml;rzte zu Kriminalbeamten, welche in akribischer Kleinarbeit Ausgeblendetes an die Oberfl&auml;che bef&ouml;rdern m&uuml;ssen. Anstatt von Anfang an diesem b&uuml;rokratischen Unding eine klare Absage zu erteilen, versuchten Kammerfunktion&auml;re damals auf Zeitgewinn zu spielen. Tenor: &bdquo;Bis diese Bestimmung schlagend wird, rinnt noch viel Wasser die Donau hinunter.&ldquo; Klare Worte des &Ouml;&Auml;K-Pr&auml;sidiums w&auml;ren vonn&ouml;ten gewesen. Ein wirksamer Widerstand ging im Wirrwarr der Wortmeldungen von zehn &Auml;rztekammern unter. Die Palette der Wortspender erstreckte sich von den Kammerpr&auml;sidenten bis zu diversen EDV-Referenten. Selbst jeder dritte Funktion&auml;r aus der vierten Reihe f&uuml;hlte sich damals berufen, seine pers&ouml;nliche Ansicht &uuml;ber ELGA in die &Ouml;ffentlichkeit zu tragen. Die ELGA-Macher klatschten sich vor Freude in die H&auml;nde. Meinungsvielfalt der unn&ouml;tigsten Art ebnete ihnen den Weg zu einer &bdquo;anwenderfeindlichen&ldquo; Akte.</p> <h2>Steiermark-Pr&auml;sident: &bdquo;E-Medikation gescheitert!&ldquo;</h2> <p>Mitte Mai stellte sich die neu gew&auml;hlte Spitze der &Auml;rztekammer Steiermark den Fragen der &bdquo;Kleinen Zeitung&ldquo;. Pr&auml;sident Dr. Herwig Lindner wurde vom Interviewer unter anderem nach der Zukunft von ELGA und der E-Medikation gefragt. Bei ELGA m&uuml;ssten Tempo und Umfang einmal stimmen. Die E-Medikation w&auml;re miserabel vorbereitet worden &ndash; und sei aus seiner Sicht gescheitert, so die Antwort Lindners. Schon ein paar Tage zuvor ging ein anderer &Auml;rztevertreter aus der Steiermark mit seiner Kritik an die &Ouml;ffentlichkeit: Dr. Karlheinz Kornh&auml;usl, Sprecher der Spitals&auml;rzte des Bundeslandes, bem&auml;ngelte unter anderem das Fehlen einer Suchfunktion. Unz&auml;hlige Dokumente im PDF-Format w&uuml;rden einfach aneinandergereiht. Im Augenblick, so Kornh&auml;usl, schaue ELGA wie eine PDF-M&uuml;llhalde aus. Eine abschlie&szlig;ende Zusammenfassung &uuml;berlasse ich dem schon mehrfach erw&auml;hnten Kammerfunktion&auml;r aus Ober&ouml;sterreich Dr. Harald Mayer im Originalton: &bdquo;Wir sind derzeit weit weg davon, dass uns diese Elektronik helfen kann. Sie nimmt uns Zeit weg, die wir gerne wieder f&uuml;r die Patienten h&auml;tten, f&uuml;r die Behandlung und das Gespr&auml;ch.&ldquo;</p></p>
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