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Lokalisiertes Prostatakarzinom

Therapie mittels irreversibler Elektroporation (IRE)

<p class="article-intro">Das lokalisierte Prostatakarzinom wird anhand des prostataspezifischen Antigens (PSA), der Gewebeuntersuchung (Gleason-Score) sowie des klinischen Tumorstadiums in Risikogruppen eingeteilt. Die Therapieempfehlung richtet sich nach diesen Kriterien (D’Amico-Kriterien). Für wenig aggressive Tumoren eignet sich die aktive Überwachung. Viele Patienten ziehen jedoch eine radikale Behandlung vor. Die fokale Therapie (FT) kann diesen Männern einen Mittelweg zwischen der radikalen Therapie und der aktiven Überwachung eröffnen.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die IRE (NanoKnifeTM) besitzt ein vielversprechendes Potenzial f&uuml;r die fokale Therapie des Prostatakar&shy;zinoms.</li> <li>Eine Anwendung der IRE ausserhalb wissenschaftlicher Studien kann aktuell nicht empfohlen werden.</li> <li>Die weitere wissenschaftliche Evaluation der IRE in der Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms ist aufgrund der vorliegenden Daten konsequent und gerechtfertigt.</li> </ul> </div> <p>Die bew&auml;hrten Therapieverfahren, die Bestrahlung und die operative Entfernung der Prostata, bieten zwar eine exzellente lokale Tumorkontrolle, sind jedoch mit teils erheblichen Nebenwirkungen (Inkontinenz, erektile Dysfunktion, Darmtoxizit&auml;t) verbunden. Bei wenig aggressiven Tumoren ist die aktive &Uuml;berwachung (&laquo;active surveillance&raquo;) eine valide Alternative. Im Rahmen der aktiven &Uuml;berwachung muss sich der Patient in regelm&auml;ssigen Abst&auml;nden Nachuntersuchungen (PSA, Tastuntersuchung und Rebiopsien) unterziehen. Schreitet der Krankheitsprozess jedoch fort, wird dem Betroffenen ein Wechsel zu einer definitiven Therapie geraten. F&uuml;r viele Patienten bedeutet das &laquo;Nichtstun&raquo; bei der aktiven &Uuml;berwachung eine psychische Belastung. Sie entscheiden sich daher f&uuml;r eine radikale Therapie mit all ihren Konsequenzen und Nebenwirkungen (Stichwort &Uuml;bertherapie). Des Weiteren erhalten M&auml;nner, die im Verlauf einer aktiven &Uuml;berwachung formal nicht mehr die Kriterien zur Fortsetzung der &Uuml;berwachung erf&uuml;llen, eine definitive radikale Therapie.<sup>1 </sup><br />Ziel der fokalen Therapie (FT) ist es, diesen Patienten einen Mittelweg zwischen der radikalen Therapie einerseits und der aktiven &Uuml;berwachung andererseits zu er&ouml;ffnen. Bei der FT ist die Behandlung auf den Tumor und das umgebende Gewebe gerichtet, sodass auf die Behandlung des Gesamtorgans verzichtet werden kann. H&auml;ufige Nebenwirkungen k&ouml;nnen somit reduziert werden. Verschiedene Therapieverfahren stehen zur Verf&uuml;gung. Die bereits seit L&auml;ngerem eingesetzten Techniken wie Kryotherapie und HIFU (hochintensiver fokussierter Ultraschall) haben sich bisher nicht fl&auml;chendeckend durchsetzen k&ouml;nnen. In dieser &Uuml;bersichtsarbeit wird ein weiteres fokales Therapieverfahren des lokalisierten Prostatakarzinoms vorgestellt, die irreversible Elektroporation (IRE).</p> <h2>Grundlagen zur IRE</h2> <p>Die IRE ist ein 2005 entwickeltes nonthermales Gewebeablationsverfahren, das bereits seit den 1960er-Jahren kommerziell zur industriellen Lebensmittelsterilisation genutzt wird.<sup>2, 3</sup> Die Methode hat unter dem Namen NanoKnifeTM (AngioDynamics) seit 2006 eine 510(k)-FDA-Zulassung. Das Neue ist, dass der verabreichte Strom durch aufwendige mathematische Modelle so berechnet wird, dass es nicht zu einer sch&auml;digenden W&auml;rmeentwicklung innerhalb des elektrischen Feldes, sprich innerhalb des Behandlungsgebietes, kommt. Daher r&uuml;hrt auch die Bezeichnung der molekularen Selektivit&auml;t der Behandlung: NTIRE &ndash; non-thermal irreversible electroporation.<sup>4</sup> Bei der Behandlung des Prostatakarzinoms mittels IRE werden d&uuml;nne Elektroden bildgesteuert &uuml;ber den Damm (transperineal) in die Tumorareale eingef&uuml;hrt. Zwischen jeweils zwei Elektroden werden dann in Form ultrakurzer Pulse (10&ndash;100 Millionstelsekunden) Spannungen von einigen tausend Volt angelegt. Diese erzeugen durch lokale, starke elektrische Felder Poren verschiedener Gr&ouml;sse (Nanoporen, &Oslash; 80&ndash;490nm) in den Zellmembranen der Zellen innerhalb des Behandlungsfeldes, die sich nicht wieder verschliessen und die Zellen dadurch zerst&ouml;ren. Die Form und Gr&ouml;sse des Behandlungsfeldes werden durch die Elektrodenpositionen und die elektrische Feldst&auml;rke gesteuert &ndash; typischerweise k&ouml;nnen Behandlungsvolumina von 1 bis 60ccm realisiert werden. In diesem Behandlungsfeld bleiben nicht zellul&auml;re Strukturen wie Fasern und die interstitielle Matrix erhalten, da diese nicht dem Effekt der starken elektrischen Felder unterliegen. Anatomische Strukturen mit einem strukturellen Ger&uuml;st wie Gef&auml;sse, Nerven, Hohlorgane, Sphinkter und Darm bleiben somit erhalten.<sup>5</sup></p> <h2>Studienlage reicht noch nicht aus</h2> <p>Bisher wurde keine Evidenz zur Anwendung der IRE als Therapiealternative zur Behandlung des lokalisierten Prostatakarzinoms erzielt. Derzeit liegen mathematische Simulationen, experimentelle Untersuchungen, Studienprotokollpublikationen von klinischen Phase-1- und -2-Studien, Fallserien und Studien mit ersten vorl&auml;ufigen Ergebnissen zur Behandlungssicherheit und Durchf&uuml;hrbarkeit der fokalen IRE beim lokal begrenzten Prostatakarzinom vor. Diese Studien umfassen jedoch ein zu kleines und meist zu heterogenes Patientenkollektiv mit einem geringen Nachsorgeintervall. Im Folgenden werden Daten einer aktuell publizierten &Uuml;bersichtsarbeit pr&auml;sentiert.<sup>6</sup> Insgesamt wurden in diesem systematischen Review Daten von 75 Patienten analysiert. Das mittlere Alter der Patienten betrug 65 Jahre und der mediane PSA lag bei 6,1ng/ml vor Beginn der Behandlung. Die Ergebnisse der zwei eingeschlossenen retrospektiven Analysen werden im Folgenden zusammengefasst. Valerio et al untersuchten in zwei Zentren (Princess Grace Hospital, London, und St. Vincent&rsquo;s Prostate Cancer Centre, Sydney) die Nebenwirkungen und funktionellen Ergebnisse von Patienten mit einem lokalisierten Prostatakarzinom, die eine fokale Therapie mittels IRE erhielten. Nach den D&rsquo;Amico-Kriterien geh&ouml;rten 26 % der Patienten zur Niedrigrisikogruppe, 71 % zur Gruppe mit mittlerem Risiko und 3 % zur Hochrisikogruppe. Die funktionellen Ergebnisse hinsichtlich Kontinenz (100 % ) und Potenz (95 % ) waren nahezu unver&auml;ndert bez&uuml;glich des Ausgangswertes. Vier Patienten unterzogen sich im Folgenden einer weiteren FT, ein Patient mit einem Gleason-3+4-Prostatakarzinom wurde radikal prostatektomiert.<sup>7</sup> <br />Ting et al untersuchten Patienten 6 Monate nach IRE mittels multiparametrischer Magnetresonanztomografie (mpMRT), der Therapieerfolg wurde 7 Monate sp&auml;ter mittels Prostatabiopsie &uuml;berpr&uuml;ft. Die mpMRT- und Biopsiebefunde wurden in drei Gruppen unterteilt: (1) im behandelten Areal (&laquo;infield&raquo;), (2) direkt am behandelten Areal (&laquo;adjacent&raquo;) oder (3) ausserhalb des behandelten Areals (&laquo;outfield&raquo;). Weder die mpMRT (n=24) noch die Biopsie (n=21) diagnostizierten suspekte Befunde innerhalb der Behandlungszone. Direkt am behandelten Areal wurden durch die mpMRT 21 % (n=5) verd&auml;chtige Befunde entdeckt, von denen 19 % (n=4) durch die Biopsie best&auml;tigt wurden. Bei 8 % (n=2) der Patienten wurde ein Tumor ausserhalb des Behandlungsgebietes mittels mpMRT diagnostiziert, in 5 % (n=1) durch die Biopsie. Die &laquo;overall-&raquo; und &laquo;disease-specific survival rate&raquo; beider Kollektive lagen bei je 100 % . Die Schonung der Potenz lag bei 95 % ; 100 % aller Patienten waren &laquo;pad-free&raquo;, d.h. ohne Zuhilfenahme von Einlagen kontinent.<sup>8</sup> <br />Eine aktuelle Studie zur Behandlung des Prostatakarzinoms durch IRE (Multi-Center Randomized Clinical Trial Irreversible Electroporation for the Ablation of Localized Prostate Cancer: NCT01835977) wird die Datenlage weiter verbessern. Im Rahmen dieser Studie werden 200 Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom mit der IRE behandelt. Die Studie wurde im Juni 2015 begonnen und soll voraussichtlich bis zum Juni 2019 laufen (Ende der Aufnahme von Patienten voraussichtlich Juni 2018). Finanziert wird die Studie vom Clinical Research Office of the En&shy;dourological Society. Der Studienleiter ist Prof. Jean de la Rosette von der Universit&auml;t Amsterdam.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Uro_1701_Weblinks_s29.jpg" alt="" width="2154" height="1451" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die IRE besitzt das Potenzial, das Armamentarium der fokalen Therapieoptionen beim lokalisierten Prostatakarzinom in selektierten Patienten zu erg&auml;nzen. Erste Daten zur Lebensqualit&auml;t, zu Nebenwirkungen und zur Tumorkontrolle nach der Behandlung mit dem Verfahren sind vielversprechend. Aufgrund der derzeit vorliegenden Datenlage muss allerdings von einem Einsatz ausserhalb wissenschaftlicher Studien abgeraten werden. Eine weitere Evaluation der IRE in der Therapie des lokalisierten Prostatakarzinoms im Rahmen wissenschaftlicher Studien ist logisch und konsequent.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hamdy FC et al: 10-year outcomes after monitoring, surgery, or radiotherapy for localized prostate cancer. N Engl J Med 2016; 375: 1415-24 <strong>2</strong> Davalos RV et al: Tissue ablation with irreversible electroporation. Ann Biomed Eng 2005; 33: 223-31 <strong>3</strong> Doevenspeck H: Influencing cells and cell walls by electrostatic impulses. Fleischwirtschaft 1961 ; 13: 986-7 <strong>4</strong> Wendler JJ et al: First delayed resection findings after irreversible electroporation (IRE) of human localised renal cell carcinoma (RCC) in the IRENE pilot phase 2a trial. Cardiovasc Intervent Radiol 2016; 39: 239-50 <strong>5</strong><strong> Onik </strong>G: Focal therapy for prostate cancer using irreversible electroporation. In: Image Guided Prostate Cancer Treatments. Berlin, Heidelberg: Springer 2014: 235-41 <strong>6</strong> Valerio M et al: New and established technology in focal ablation of the prostate: a systematic review. Eur Urol 2017; 71: 17-34 <strong>7</strong> Valerio M et al: Initial assessment of safety and clinical feasibility of irreversible electroporation in the focal treatment of prostate cancer. Prostate Cancer Prostatic Dis 2014; 17: 343-7 <strong>8</strong> Ting F et al: Focal irreversible electroporation for prostate cancer: functional outcomes and short-term oncological control. Prostate Cancer Prostatic Dis 2016; 19: 46-52</p> </div> </p>
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