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„Schwierige“ Patienten: eine Herausforderung

<p class="article-intro">Die Einordnung von Patienten als „schwierig“ kennt jeder Arzt. Es handelt sich dabei um eine heterogene Gruppe, wobei zu den „schwierigen“ Patienten nicht nur Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung zu zählen sind. Die Zuschreibung „schwierig“ darf aber nicht als Abwertung der hilfesuchenden Person, sondern sollte als Herausforderung verstanden werden. Es sind unterschiedliche, Individuum-zentrierte Therapieansätze notwendig, um eine für beide Seiten befriedigende Lösung zu finden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>In jedem medizinischen Fachbereich werden ca. 10&ndash;20 % aller Patienten als &bdquo;schwierig&ldquo; empfunden.</li> <li>Als herausfordernd wird meist nicht das Krankheitsbild an sich, sondern das Verhalten des Patienten empfunden.</li> <li>Diesem Verhalten kann &ndash; muss aber nicht &ndash; eine Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung zugrunde liegen. Das Wissen um die Eigenheiten der einzelnen Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen kann helfen, sich auf den Patienten bestm&ouml;glich einzustellen.</li> <li>&bdquo;Schwierige&ldquo; Patienten sollen nach M&ouml;glichkeit nicht als Belastung, sondern als Herausforderung gesehen werden, die zur Erweiterung des Behandlungsrepertoires beitr&auml;gt.</li> </ul> </div> <p>Jeder Arzt w&uuml;nscht sich m&ouml;glichst viele angenehme, am besten &bdquo;ideale&ldquo; Patienten. &bdquo;Ideale&ldquo; Patienten zeigen Vertrauen und Dankbarkeit, verzichten auf st&ouml;rende Eigenarten und Bed&uuml;rfnisse, unterwerfen sich widerstandslos allen &auml;rztlichen Anordnungen und Ma&szlig;nahmen, sind gepflegt und riechen gut. Aber jeder Arzt kennt auch Patienten, die er in die Kategorie &bdquo;schwierig&ldquo; einstufen w&uuml;rde. Generell wird davon ausgegangen, dass in jedem Fachbereich der Medizin etwa 10&ndash;20 % der Patienten als &bdquo;schwierig&ldquo; bezeichnet werden. Es gibt dabei Patienten, die von &ndash; fast &ndash; allen &Auml;rzten als &bdquo;schwierig&ldquo; eingestuft werden, aber auch nicht wenige Patienten, die von manchen &Auml;rzten als &bdquo;schwierig&ldquo;, von anderen &Auml;rzten aber als &bdquo;neutral&ldquo; oder sogar als angenehm erlebt werden: d.h., nicht jeder Arzt empfindet die gleichen Patienten als &bdquo;schwierig&ldquo;.</p> <h2>&bdquo;Schwieriger&ldquo; Patient! Warum?</h2> <p>Ob ein Patient als &bdquo;schwierig&ldquo; erlebt wird, h&auml;ngt also nicht nur vom betreffenden Patienten ab, sondern auch von vielen anderen Umst&auml;nden, die mit dem Patienten nichts oder nur wenig zu tun haben (z.B. Tagesverfassung des Arztes, Zeitdruck, &Auml;rger am Arbeitsplatz). Es gibt auch nicht den &bdquo;schwierigen&ldquo; Patienten. &bdquo;Schwierige&ldquo; Patienten sind vielmehr eine heterogene Gruppe, wobei die Einstufung als &bdquo;schwierig&ldquo; sich selten auf die Krankheit des Patienten bezieht, sondern vielmehr auf die betreffende Person. Auch wenn bestimmte Krankheitsbilder bzw. deren Tr&auml;ger oft als &bdquo;schwierig&ldquo; eingestuft werden (z.B. Patienten mit einem Dermatozoenwahn, mit einer k&ouml;rperdysmorphen St&ouml;rung), sind es weniger die Krankheitsbilder, sondern ist es vielmehr das Verhalten des Patienten, das als &bdquo;schwierig&ldquo; erlebt wird.</p> <p>&bdquo;Schwierige&ldquo; Patienten sind solche, die negative Gef&uuml;hle beim Gegen&uuml;ber (Arzt, Pflegepersonal) ausl&ouml;sen; dazu geh&ouml;ren &Auml;rger, Frust, Ungeduld, Hilflosigkeit, &Uuml;berforderung. Oft l&ouml;st schon die Ank&uuml;ndigung eines bestimmten Patienten solche aversiven Gef&uuml;hle aus, ohne noch mit dem Patienten direkten Kontakt gehabt zu haben (&bdquo;allergische Objektbeziehung&ldquo;).</p> <p>&bdquo;Schwierige&ldquo; Patienten sind ein Ph&auml;nomen auf mehreren Ebenen:</p> <ul> <li>Sie l&ouml;sen negative Gef&uuml;hle aus (z.B. &Auml;rger, Frust, Langeweile, Hilflosigkeit).</li> <li>Sie erzeugen innere Widerst&auml;nde gegen&uuml;ber ihrem Verhalten, das als Fehlverhalten eingestuft und als unangebracht empfunden wird.</li> <li>Sie fragen zu viel und kosten dadurch viel Zeit (die nicht honoriert wird).</li> <li>Sie stellen ma&szlig;lose Forderungen an den Behandler, zeigen aber selbst oft eine schlechte Compliance.</li> <li>Sie reagieren nicht auf &uuml;bliche Weise auf &auml;rztliche Empfehlungen und Therapien.</li> <li>Sie lehnen viele Therapieempfehlungen ab (z.B. Cortisongabe).Folgende Verhaltensweisen machen Patienten besonders oft zu &bdquo;schwierigen&ldquo;:</li> <li>ein offen aggressives bzw. passiv-aggressives Verhalten (z.B. Verweigerer, Ja-aber-Sager);</li> <li>eine &auml;ngstlich-hypochondrische oder depressiv-weinerliche apathische Grundhaltung;</li> <li>die &Uuml;berzeugung, alles besser zu wissen (z.B. Internetwissen);</li> <li>ein manipulierendes Verhalten (z.B. Gef&auml;lligkeitsgutachten einfordernd);</li> <li>ein undankbares oder kritisches Verhalten.</li> </ul> <h2>Pers&ouml;nlichkeitsstruktur vs. Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung</h2> <p>Viele Patienten, die als &bdquo;schwierig&ldquo; eingestuft werden, werden oft mit dem Etikett &bdquo;Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung&ldquo; versehen. Es sind aber nicht nur Patienten mit einer Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung schwierig, sondern bestimmte Verhaltensweisen werden als &bdquo;schwierig&ldquo; eingestuft.</p> <p>Was versteht man unter Pers&ouml;nlichkeit, was unter einer Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung? Pers&ouml;nlichkeit ist die Summe aller psychischen Eigenschaften und Verhaltensbereitschaften, die dem Einzelnen seine eigent&uuml;mliche, unverwechselbare Individualit&auml;t, seine pers&ouml;nliche Eigenart, gibt. Kennzeichen einer &bdquo;gesunden&ldquo; Pers&ouml;nlichkeit sind:</p> <ul> <li>Arbeits- und Leistungsf&auml;higkeit</li> <li>Liebes- und Lustf&auml;higkeit</li> <li>Beziehungsf&auml;higkeit</li> <li>Selbstannahme</li> <li>Verantwortungsbereitschaft</li> <li>Vergebungsbereitschaft</li> <li>positive Erwartungshaltung</li> </ul> <p>Eine &bdquo;v&ouml;llig gesunde Pers&ouml;nlichkeitsstruktur&ldquo; liegt bei den Menschen nur selten vor; im besten Falle eine &bdquo;normal gest&ouml;rte Pers&ouml;nlichkeit&ldquo;, also eine Person, die mit den meisten Lebensanforderungen gut zurechtkommt, flexibel und anpassungsf&auml;hig ist. &bdquo;Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen&ldquo; sind vor allem sozial unflexible, wenig angepasste und im Extrem normabweichende Verhaltensweisen (z.B. Aggression, Depression, mangelnde Kontrollf&auml;higkeit). Eine psychische St&ouml;rung liegt dann vor, wenn wesentliche Beeintr&auml;chtigungen der Funktionsf&auml;higkeit (beruflich, privat) auftreten und ein Leidensdruck und subjektive Beschwerden (beim Betreffenden oder der Umwelt) bestehen. Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen sind vor allem durch &ndash; unterschiedlich ausgepr&auml;gte &ndash; St&ouml;rungen in der Beziehungsf&auml;higkeit gekennzeichnet und wirken sich deshalb auch im Interaktionsverhalten gegen&uuml;ber dem Arzt aus (Tab. 1). <br />Jeder Arzt hat die Erfahrung gemacht, dass einem manche Patienten mehr liegen, andere weniger. So k&ouml;nnen manche &Auml;rzte besonders gut mit histrionischen oder narzisstischen Patienten, w&auml;hrend andere &Auml;rzte sich durch deren &uuml;bertriebenes, zum Teil manipulierendes Verhalten genervt f&uuml;hlen. <br />Das Erkennen der Eigenarten der verschiedenen Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rungen ist hilfreich, um sich einigerma&szlig;en auf die Eigenarten und Verhaltensweisen der jeweiligen Patienten einstellen zu k&ouml;nnen. Wichtig dabei ist es, nicht zu versuchen, den Patienten &auml;ndern zu wollen. Aber auch alle Patienten &bdquo;gleich behandeln&ldquo; zu wollen, ist nicht zielf&uuml;hrend, weil es dadurch nicht m&ouml;glich ist, die individuellen Eigenheiten des Patienten im Interaktionsverhalten zu ber&uuml;cksichtigen. <br />Bei Personen mit einer Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung kommen neben einer Beziehungsst&ouml;rung h&auml;ufig noch andere Probleme dazu, die direkt oder indirekt mit der gest&ouml;rten Pers&ouml;nlichkeitsstruktur zu tun haben: soziale Ausgrenzung, Mangel an sozialen Beziehungen oder sozialer Unterst&uuml;tzung, Arbeitslosigkeit, ung&uuml;nstige famili&auml;re Verh&auml;ltnisse, finanzielle Probleme usw. Diese Faktoren k&ouml;nnen wiederum zu einer verminderten Compliance, mangelnder Hygiene mit Ungepflegtheit, Misstrauen, Aggressivit&auml;t usw. beitragen.<br />Zu achten ist darauf, dass keine vorschnelle und unkritische Zuschreibung der Diagnose einer Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung erfolgt, weil dies zur Abstempelung eines Patienten als &bdquo;psychisch gest&ouml;rt&ldquo; f&uuml;hren kann und nicht zu einer erh&ouml;hten Bereitschaft, sich bestm&ouml;glich auf den betreffenden Patienten einzustellen und die immer auch vorhandenen positiven Anteile des Patienten zu erkennen (z.B. seinen Wunsch nach einer st&auml;rkeren Einbeziehung in den diagnostischen und therapeutischen Prozess).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Neuro_1702_Weblinks_s50.jpg" alt="" width="1419" height="1703" /></p> <h2>Umgang mit &bdquo;schwierigen&ldquo; Patienten</h2> <p>Es gibt kein Geheimrezept, das hilft, es allen Patienten recht zu machen bzw. ihnen und ihren Bed&uuml;rfnissen, Erwartungen, W&uuml;nschen usw. gerecht zu werden. Die &auml;rztliche Kunst besteht weitgehend darin, den Kranken und nicht nur die Krankheit optimal zu behandeln. Daraus ergibt sich, dass z.B. die Haltung &bdquo;Ich behandle alle Patienten gleich&ldquo; dazu f&uuml;hren kann, dass sich manche (viele?) Patienten nicht als wichtiges Individuum erleben, sondern nur als Fall. Klaus Grawe, ein bedeutender Psychotherapieforscher, weist darauf hin, dass wir noch weit von einer wirklich Individuum-zentrierten Therapie entfernt sind, n&auml;mlich zu wissen und danach zu handeln, welche Therapie welcher Patient in welchem Stadium durch welchen Therapeuten braucht.</p> <p>Wichtig ist auch, dass das als &bdquo;schwierig&ldquo; erlebte Verhalten eines Patienten als Symptom gesehen wird, das &ndash; wie erw&auml;hnt &ndash; heterogenen Ursprungs ist und dessen ad&auml;quate L&ouml;sung einer genauen Analyse m&ouml;glicher Ursachen bedarf:</p> <ul> <li>Analyse m&ouml;glicher Gr&uuml;nde beim Patienten: z.B. negative Vorerfahrungen mit &Auml;rzten oder medizinischen Einrichtungen; Vorliegen einer psychischen St&ouml;rung oder Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung.</li> <li>Analyse des Interaktionsverhaltens, der Arzt-Patienten-Beziehung dahingehend, ob die Bed&uuml;rfnisse des Patienten gen&uuml;gend beachtet werden, wie z.B. Wunsch nach intensiver Einbindung in den diagnostischen und therapeutischen Prozess.</li> <li>Analyse des eigenen Verhaltens: z.B. mangelnde eigene Flexibilit&auml;t; generell h&auml;ufig negative Meinung &uuml;ber Patienten; eigene psychische Probleme. Allgemeine Ans&auml;tze im Umgang mit dem Patienten k&ouml;nnen helfen, die Arzt-Patienten-Beziehung f&uuml;r beide Seiten einigerma&szlig;en befriedigend zu gestalten:</li> <li>Empathie: d.h. das verst&auml;ndnisvolle und vorurteilsfreie Annehmen und Begegnen eines Patienten; weiters das Verstehen dessen innerer Erlebniswelt, ohne ihn lenken, belehren, ermahnen oder &auml;ndern zu wollen.</li> <li>Wertsch&auml;tzung: d.h. wertsch&auml;tzendes Akzeptieren eines Patienten mit seinen individuellen Eigenschaften (s. Pers&ouml;nlichkeitsstruktur). So soll ein Patient, der als &bdquo;schwierig&ldquo; angek&uuml;ndigt wird, nicht automatisch in die Kategorie &bdquo;problematischer Mensch&ldquo; oder Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung eingeordnet werden. Das hei&szlig;t aber nicht, dass jedes (Fehl-)Verhalten eines Patienten akzeptiert werden muss.</li> <li>Echtheit: d.h. sich authentisch und glaubw&uuml;rdig verhalten. Gerade Patienten mit einer Pers&ouml;nlichkeitsst&ouml;rung haben &ndash; vor allem auch wegen ihrer (negativen) Vorerfahrungen &ndash; ein ausgepr&auml;gtes Gesp&uuml;r f&uuml;r eine echte Grundhaltung, die ihnen entgegengebracht wird.</li> </ul> <p>&bdquo;Schwierige&ldquo; Patienten sollen &ndash; wenn irgendwie m&ouml;glich &ndash; nicht nur als Belastung, sondern auch als Herausforderungen gesehen werden, die auch zu einer Erweiterung des eigenen Behandlungsrepertoires beitragen k&ouml;nnen, deutlich &uuml;ber die &ndash; nicht immer befriedigende &ndash; Routine hinausgehend.<br />Da der Umgang mit so vielen unterschiedlichen hilfsbed&uuml;rftigen Menschen und damit unterschiedlichen Charakterstrukturen und den damit verbundenen Verhaltensweisen das t&auml;gliche Brot jedes Arztes, besonders in der freien Praxis, ist, und dies &uuml;ber viele Jahre, ohne dass die Freude am Arbeiten beeintr&auml;chtigt werden soll, ist wenigstens ein gewisses Ma&szlig; an Selbstreflexion und Selbsterfahrung aufseiten des Arztes notwendig, um eventuell vorliegende &bdquo;schwache Punkte&ldquo; oder &bdquo;blinde Flecken&ldquo; zu erkennen. Dies kann am ehesten durch den Besuch von Balint-Gruppen, die Teilnahme an Fortbildungsseminaren der Psychodermatologie oder Intervisionsgruppen gew&auml;hrleistet werden.</p> <p>Der Inhalt dieses Artikels war auch Thema eines Vortrags bei der Fortbildung der AG Psychodermatologie, 3.&ndash;4. M&auml;rz 2017, Goldegg</p></p>
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