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ÖDG warnt vor rechtlichen und gesundheitspolitischen Lücken

Keine Angst vor Kindern mit Diabetes in Schule und Kindergarten

<p class="article-intro">Die Österreichische Diabetes Gesellschaft (ÖDG) macht auf die speziellen Bedürfnisse von Kindern mit Diabetes aufmerksam und zeigt, was sich für diese in der Schule und im Kindergarten ändern sollte: diabetesspezifische Aufklärung und mehr Rechtssicherheit für Pädagogen sowie zusätzliches medizinisches Personal in Schulen und Kindergärten.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Jedes Jahr erkranken in &Ouml;sterreich rund 300 Kinder unter 15 Jahren an Diabetes mellitus Typ 1. Immer mehr Kinder sind bei der Diagnose sogar j&uuml;nger als f&uuml;nf Jahre! Insgesamt sind gesch&auml;tzte 4.000 &ouml;sterreichische Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren von dieser Autoimmunerkrankung betroffen. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten knapp 20 Jahren verdoppelt.</p> <h2>Kinder mit Diabetes brauchen manchmal etwas mehr Hilfe</h2> <p>Jedes Kind mit Diabetes &ndash; vor allem j&uuml;ngere Kinder &ndash; ben&ouml;tigen nicht nur die Unterst&uuml;tzung ihrer Eltern, sondern manchmal auch die Hilfe ihrer P&auml;dagoginnen und P&auml;dagogen. Dies sind nicht unbedingt komplexe medizinische Hilfestellungen, die nur von Fachpersonal zu bew&auml;ltigen sind, sondern viel &ouml;fter kleine Erinnerungen, R&uuml;cksicht auf notwendige Messungen, die Supervision bei einfachen Rechenvorg&auml;ngen der Insulinpumpe oder Basiswissen in Erster Hilfe und vor allem Verst&auml;ndnis f&uuml;r spezifische krankheitsbedingte Notwendigkeiten.</p> <h2>Lehrer wissen zu wenig &uuml;ber Diabetes</h2> <p>Die Studie &bdquo;Das diabetische Schulkind&ldquo; der P&auml;dagogischen Hochschule Steiermark zeigt, dass nur 48 % der Lehrerinnen und Lehrer informiert sind, dass sie ein diabetisches Kind unterrichten. 41 % w&uuml;rden im Notfall falsch reagieren bzw. normale Erste-Hilfe-Kenntnisse nicht richtig anwenden. &bdquo;Oft ist nicht einmal der Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes bekannt&ldquo;, erkl&auml;rt Priv.-Doz. Dr. Elke Fr&ouml;hlich-Reiterer vom Department f&uuml;r Allgemeine P&auml;diatrie der Medizinischen Universit&auml;t Graz und Vorstandsmitglied der &Ouml;DG. &bdquo;Turnlehrer sind manchmal sehr engagiert und wollen Kinder mit Diabetes beim Sport unbedingt mitmachen lassen. Sie wissen aber zu wenig &uuml;ber die notwendige Balance zwischen Bewegung, Insulin und Kohlenhydraten.&ldquo; <br />Im Alltag zeigen sich viele unterschiedliche Facetten des Problems: &bdquo;Manche Lehrer lehnen es schlichtweg ab, mit der Insulinpumpe bei einem Volksschulkind etwas zu tun zu haben oder es auf einen Schikurs mitzunehmen. Wieder andere bestehen auf der elterlichen Begleitung bei Wandertagen, was berufsbedingt f&uuml;r viele Eltern nicht m&ouml;glich ist&ldquo;, betont Fr&ouml;hlich-Reiterer. &bdquo;Es scheint sehr willk&uuml;rlich zu sein und von der Einstellung, der Angst und dem Wissensstand der jeweiligen Lehrperson abzuh&auml;ngen, ob ein Kind mit Typ-1-Diabetes wirklich an allen Schulveranstaltungen teilnehmen darf. Obwohl es f&uuml;r jeden nachvollziehbar ist, was das Ausgeschlossensein aus der Klassengemeinschaft f&uuml;r ein Kind bedeutet, zudem ist es auch rechtlich bedenklich, ein Kind wegen seiner Erkrankung vom Unterricht auszuschlie&szlig;en.&ldquo;</p> <div id="rot"> <p>&bdquo;Oft ist P&auml;dagogen der Unterschied zwischen Typ-1- und Typ-2-Diabetes nicht bekannt. Daher wissen sie auch zu wenig &uuml;ber die notwendige Balance zwischen Bewegung, Insulin und Kohlenhydraten etwa im Turnunterricht oder auf Ausfl&uuml;gen.&ldquo; E. Fr&ouml;hlich-Reiterer, Graz</p> </div> <h2>Die &Ouml;DG fordert diabetesspezifische Weiterbildungen f&uuml;r P&auml;dagogen</h2> <p>Viele Lehrerinnen und Lehrer haben einfach Angst. Gute und richtige Informationen k&ouml;nnen hier Sicherheit und Ruhe schaffen, die letztlich alle in der Schule brauchen. Der falsche Umgang mit Kindern mit Diabetes kann aber auch zu potenziellen Gesundheitsgef&auml;hrdungen f&uuml;hren. Fr&ouml;hlich-Reiterer erkl&auml;rt, dass die Haltung &bdquo;Gesundheit und Krankheit haben nichts mit dem Unterricht zu tun&ldquo; ein verh&auml;ngnisvoller Irrtum ist: &bdquo;F&uuml;r Lehrer sind der richtige Umgang mit Sport, das entsprechende Erkennen von und Reagieren bei &Uuml;ber-/Unterzuckerung, das Wissen um m&ouml;gliche Probleme und Kenntnisse der Ersten Hilfe leider nicht selbstverst&auml;ndlich. P&auml;dagogen sollen im Umgang mit chronisch kranken Kindern und Jugendlichen sensibilisiert und bei der Aus&uuml;bung ihrer T&auml;tigkeit unterst&uuml;tzt werden.&ldquo; Schon kleine p&auml;dagogische Entscheidungen, wie z.B. die Pausengestaltung oder Stundenplan&auml;nderungen mit ge&auml;ndertem Bewegungsverhalten, haben gro&szlig;en Einfluss auf das Management einer Diabeteserkrankung.</p> <h2>Zust&auml;ndigkeitsunstimmigkeiten unter den Ministerien</h2> <p>Viele Hilfeleistungen werden von Lehrkr&auml;ften auch in einem rechtlichen Graubereich erbracht. &bdquo;Die Zust&auml;ndigkeit f&uuml;r chronisch kranke Kinder wird seit vielen Jahren zwischen dem Bundesministerium f&uuml;r Bildung und dem f&uuml;r Gesundheit hin- und hergeschoben. So wird das Problem der Zust&auml;ndigkeit und Verantwortung ungel&ouml;st auf die unteren Hierarchieebenen abgew&auml;lzt und letztlich auf Einzelpersonen abgeschoben. Es fehlen klare Regelungen, gesetzliche Grundlagen, informiertes Personal und eine gemeinsame sichere L&ouml;sung, wie sie der gemeinsamen Verantwortung der entsprechenden Ministerien f&uuml;r chronisch kranke Kinder entspricht die der gemeinsamen Verantwortung der betroffenen Ministerien f&uuml;r chronisch kranke Kinder entspricht&ldquo;, erl&auml;utert Dr. Lilly Damm vom Zentrum f&uuml;r Public Health der MedUni Wien. <br />Des Weiteren fehlen Gesundheitsberufe in den Schulen (z.B. Schulkrankenschwestern, Schulassistenzen), wie sie international empfohlen werden und in den meisten L&auml;ndern bereits erfolgreich im Einsatz sind. &bdquo;Falls Unterst&uuml;tzungsleistungen durch Gesundheits- oder Assistenzberufe f&uuml;r die Ausbildung von Kindern mit Diabetes zus&auml;tzlich oder vor&uuml;bergehend erforderlich sind, m&uuml;ssen sie den Kinderg&auml;rten und Schulen zur Verf&uuml;gung gestellt werden &ndash; und zwar ohne Extra&shy;kosten f&uuml;r die Eltern der Betroffenen!&ldquo;, fordert Damm. <br />Der Kurzfilm &bdquo;Beinah zu sp&auml;t&ldquo; (<a href="http://www.typ1diabetes.at/" target="_blank">http://www.typ1diabetes.at/</a>), der auf Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen aufmerksam macht, sollte per Erlass allen Schulen und allen p&auml;dagogischen Hochschulen zur Kenntnis gebracht werden.</p> <p>In der Steiermark macht sich der Verein Diab&auml;r (<a href="http://www.diabaer.at" target="_blank">http://www.diabaer.at</a>) f&uuml;r Kinder mit Diabetes stark: Der Verein wurde von betroffenen Eltern gegr&uuml;ndet und setzt sich gezielt f&uuml;r die Verbesserung der Betreuung der betroffenen Kinder und Jugendlichen ein. Auf Initiative von Diab&auml;r nahm das Land Steiermark in seinen Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention explizit das Thema &bdquo;Gleichstellung von chronisch kranken Kindern und Jugendlichen in Schulen&ldquo; auf. &bdquo;Dies ist ein weiterer Meilenstein in der Umsetzung dieses Anliegens f&uuml;r ganz &Ouml;sterreich&ldquo;, freut sich Fr&ouml;hlich-Reiterer. Auch die &ouml;sterreichweite B&uuml;rgerinitiative &bdquo;Gleiche Rechte f&uuml;r chronisch kranke Kinder&ldquo; (BI Nr.60: <a href="https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00060/" target="_blank">https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/BI/BI_00060/</a>) macht seit Jahren auf die bestehenden Probleme aufmerksam. Derzeit liegt sie im Unterausschuss f&uuml;r Unterricht: Man darf gespannt sein auf ihre Behandlung im weiteren parlamentarischen Prozess. <em>(red)</em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle:<br> Aussendung der Österreichischen Diabetes Gesellschaft (ÖDG), 5. September 2016, Wien </p>
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