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Die Entwicklung geht in Richtung einer individualisierten Therapie
Jatros
Autor:
OA Dr. Andrea Mohn-Staudner
2. Interne Lungenabteilung OWS, Wien<br> E-Mail: andrea-mohn-staudner@wienkav.at
30
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Das Motto des diesjährigen ASCO lautete „Collective wisdom: the future of patient-centered care and research“. Dementsprechend standen heuer zahlreiche Studien zur zielgerichteten Therapie auf dem Programm, neben weiterführenden Ergebnissen und neuen Ansätzen in der Immunonkologie. Außerdem wurden Übersichten präsentiert, welche teilweise einen Vergleich zwischen gelebter Praxis und den Anforderungen aus Studienergebnissen zogen. Vieles befindet sich derzeit in der frühen Phase der Entwicklung, sodass es nur in einzelnen Bereichen abgeschlossene Studien gab, welche eine baldige Zulassung von Medikamenten erwarten lassen und damit eine neue Therapiemöglichkeit.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>NSCLC, Stadium II/III: bessere Differenzierung der Chemoradiatio und Möglichkeiten der Protonentherapie</li> <li>Neue Targets – neue Medikamente, bis auf Alectinib aber derzeit in Phase I oder II</li> <li>Immuntherapie – der nächste Schritt: Kombinationen bei NSCLC und SCLC, Studien in der Erstlinie</li> <li>SCLC: in Phase-I-Studie erstmals zielgerichtete Therapie mit Wirksamkeit in Monotherapie bei Patienten nach Chemotherapie</li> </ul> </div> <h2>Immunonkologie</h2> <p>Zur Immuntherapie wurden vor allem Updates der bekannten Zulassungsstudien und Subgruppenanalysen daraus von Nivolumab oder Pembrolizumab gezeigt, welche im Wesentlichen die gute Wirksamkeit samt niedriger Nebenwirkungsrate bestätigen (Abstracts #3070, 9015, 9024, 9025, 9026, 9028, 9038). Nachdem der erste Hype des Vorjahres abgeklungen scheint, beginnt sich die onkologische Community darüber Gedanken zu machen, was mit den übrigen 70–80 % der Patienten mit NSCLC passieren soll, welche keine lang anhaltende Remission erreichen. Neben verschiedensten Kombinationen der PD1-/PD-L1-Inhibitoren mit bekannten Substanzen oder Methoden (CTLA-4-Inhibitoren, z.B. Abstract #3001 – Abb. 1; #100, #9027; Chemotherapie #9016; Strahlentherapie) werden verschiedene, teilweise ziemlich futuristisch anmutende Möglichkeiten vorgestellt, die Präsenz der Lymphozyten im Tumorgewebe und ihre antitumoröse Aktivität zu steigern. Kurz gesagt geht es vor allem darum, einen „kalten“ Tumor in einen „heißen“ und damit vom Immunsystem erkennbaren Tumor umzuwandeln. <br /> Auch in der Immunonkologie geht die Entwicklung damit in Richtung einer stärker individualisierten Therapie mit Berücksichtigung der persönlichen Ausgangslage des Patienten. Was hier immer noch fehlt, ist allerdings ein verlässlicher prädiktiver Marker, da PD-L1 diese Ansprüche nicht vollständig erfüllt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite124_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>NSCLC Stadium IV</h2> <p><strong>„Targeted therapies“</strong><br /> In der Therapie des fortgeschrittenen NSCLC im Stadium IV mit einer Mutation gab es Präsentationen zu zahlreichen Substanzen der neueren Generation, auch in speziellen Indikationen. Inzwischen wurden auch neue Targets (RET #9012 „Luret“, 9013, 9014; cMET #9020, 9021, 9067; <em>BRAF</em>, HER2) besser definiert und die ersten Inhibitoren dagegen sind in Entwicklung.<br /> Für NSCLC-Patienten mit einem ALK-1-Rearrangement wurden die Ergebnisse einer großen Phase-III-Studie mit Alectinib (Abstract #9008) präsentiert: Alectinib ist ein hoch selektiver ALK-Inhibitor mit Aktivität im ZNS und bei erworbener ALK-Resistenz und wurde als First-Line-Therapie mit Crizotinib in dieser Indikation verglichen. Die Ergebnisse stammen aus dem japanischen Anteil der weltweiten Studie (J-ALEX) und zeigen eine deutliche Überlegenheit des Alectinib gegenüber Crizotinib in den Bereichen Ansprechrate und progressionsfreies Überleben (HR: 0,34, ZNS-Meta: HR: 0,08). Besonders die Ergebnisse bei den Patienten mit ZNS-Metastasen beeindruckten, da es bei diesem Tumortyp in bis zu 60 % zum Auftreten von zerebralen Metastasen kommt und diese durch Crizotinib nicht ausreichend behandelbar sind. Zusätzlich ergab sich eine deutlich geringere Toxizität.<br /> Da es sich um eine geplante Interimsauswertung handelte, lagen noch keine Daten zum Gesamtüberleben vor. Diskutiert wurde, ob es sich dabei um einen neuen Standard in der First-Line-Therapie bei ALK-Mutation handeln könnte, was mit einem verhaltenen „Ja“ beantwortet wurde. Es scheint so zu sein, dass nach den bisherigen Daten eine Upfront-Therapie mit Alectinib zumindest beim PFS einer Abfolge von Crizotinib und anschließend Alectinib überlegen sein könnte (>20 Monate versus 11 Monate + 9 Monate). Es werden jedenfalls die Ergebnisse der weltweiten ALEX-Studie mit Spannung erwartet.<br /> Weitere zielgerichtete Substanzen gegen ALK/ROS1 wie Brigatinib (#9007, 9057, 9060) und Lorlatinib (#9009) befinden sich in Phase I und II mit vielversprechender Wirksamkeit (auch im ZNS) und guter Tolerabilität bei mit Crizotinib vorbehandelten Patienten.<br /> Diskutiert wurden auch die Phase-I-Studien mit den neuen EGFR-Inhibitoren (Osimertinib: #9002, AZD3759: #9003 „BLOOM“) bei ZNS- oder leptomeningealen Metastasen. Diese zeigen eine gute ZNS-Gängigkeit mit positiven Ergebnissen, sodass die weitere Entwicklung und spezifische Studien in dieser Indikation erwünscht sind.<br /> <br /> <strong>Allgemein</strong><br /> Abstract #9004 war einer Phase-II-Studie gewidmet, welche die lokale konsolidierende Therapie zur Verbesserung des PFS bei Patienten mit oligometastasierendem NSCLC nach systemischer Induktionstherapie untersuchte. Dabei erhielten Patienten mit maximal 3 Metastasen (LK als 1 Site) und ohne Erguss sowie ohne Progress nach der systemischen Erstlinientherapie entweder eine lokale Konsolidierung in Form eines chirurgischen Eingriffs und/oder einer Strahlentherapie oder sie wurden entsprechend dem Standard mit einer Erhaltungstherapie oder mit Beobachtung weitergeführt (lokale Maßnahmen bei PD waren erlaubt). Die Patienten mit der Lokaltherapie hatten ein um 8 Monate längeres PFS – bemerkenswert, wenn auch nur wenige Patienten randomisiert worden waren. Die Daten zum Gesamtüberleben werden erwartet, jedenfalls erscheint das Stadium IV heterogen und sollte in diesen Fällen interdisziplinär diskutiert werden.<br /> Die französische Studiengruppe präsentierte die Ergebnisse der Phase-III-Studie ULTI­MATE (Abstr. # 9005), in welcher die wöchentliche Gabe von Paclitaxel in Kombination mit Bevacizumab als Zweit- oder Drittlinientherapie gegenüber Docetaxel verglichen wurde. Der primäre Endpunkt – das progressionsfreie Überleben – wurde erreicht, der Studienarm schnitt signifikant besser ab mit einer HR von 0,62 (PFS 5,4 versus 3,9 Monate), das OS war allerdings gleich (ein Cross-over war erlaubt). Es gab unterschiedliche Toxizitätsprofile, die Lebensqualität war vergleichbar. Letztendlich wurde diese Kombination als weitere Option im Relapse nach First-Line-Therapie bezeichnet.<br /> <br /><strong> Frühe Stadien</strong><br /> In einer gepoolten Analyse der Teilnehmer an den Studien der U.S. Cooperative Group wurde die konkomitante Radiochemotherapie im Stadium III (Abstract #8508) hinsichtlich der Ergebnisse für Patienten über und unter 70 Jahren untersucht. Dabei ist diese Therapie für Patienten über 70 Jahre offenbar mit einer höheren Rate an Toxizität und mit einem kürzeren OS verbunden (PFS gleich). Trotz der diskutierten Schwächen der Studie scheint es ratsam, bei älteren Patienten auf eine konkomitante Radiochemotherapie zu verzichten. Es wurde auch empfohlen, eine Risikostratifizierung, z.B. mittels eines geriatrischen Assessments, vorzunehmen, wie auch im Abstract #8509 untersucht wurde. Dabei wurden Werkzeuge des geriatrischen Assessments mit dem VES-13 („vulnerable elders survey“) kombiniert, wodurch eine Vorhersage für das Eintreten schwerer Nebenwirkungen möglich war, im Gegensatz zu den Einzelfaktoren wie Alter, ECOG PS, Komorbiditäten oder Gewichtsverlust.<br /> Weitere strahlentherapeutische Studien befassten sich mit dem Vergleich zwischen einer Photonen- und einer Protonentherapie (Abstracts #8500/8501). Die erste Präsentation brachte eine Phase-II-Studie mit negativem Ausgang, da die angenommenen Vorteile einer Protonentherapie nicht erreicht werden konnten. Dies wurde in der Diskussion im Detail besprochen, vor allem das Design und die statistische Analyse kritisiert. Im zweiten Fall wurde eine retrospektive Auswertung der National Cancer Data Base gezeigt, wobei sich hier bei den mit Protonen behandelten Patienten ein längeres Überleben im Stadium II und III zeigen ließ. Neben der retrospektiven Auswertung sind vor allem der limitierte Zugang zur Protonentherapie – hier spielen sozioökonomische Unterschiede eine große Rolle – und die damit verbundene vergleichsweise kleine Patientenzahl ein Problem (Abb. 2). Eine Level-1-Evidenz in dieser Frage wird von der laufenden Phase-III-Studie RTOG 1308 erwartet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite124_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Kleinzelliges Bronchialkarzinom (SCLC)</h2> <p>Mit dem Stadium „limited disease“ und der Radiochemotherapie beim SCLC befasste sich die Studie CONVERT, wie in Abstract #8504 dargestellt: konkomitante Radiochemotherapie 1x (66GHD) versus 2x (45GHD) täglich bei Patienten mit kleinzelligem N. bronchi (Phase III).<br /> Bei gutem PS ist die konkomitante CHRT Standard in einer Dosis von 40–50Gy, wobei die hyperfraktionierte Gabe (2x tgl.) in derselben Gesamtdosis einen Überlebensvorteil bringt. In den USA wird dies aber nur bei 21 % der Patienten durchgeführt und ist auch mit höherer Toxizität behaftet. Es wurde angenommen, dass die 1x tgl. Gabe mit höherer GHD (bis 70Gy theoretisch möglich) ein besseres OS bringen sollte. Es fand sich aber kein signifikanter Unterschied im medianen OS und 2-Jahres-Überleben zwischen beiden Armen, die Grad-3/4-Ösophagitis war vergleichbar. Damit bleibt die Frage, ob eine hoch dosierte 1x täglich verabreichte Radiatio vorteilhaft wäre, bis auf Weiteres ungeklärt.<br /> Seit Jahrzehnten gibt es keinen Fortschritt in der Chemotherapie des SCLC, nun wurde ein mögliches neues Target in dieser Histologie entdeckt: DLL3 ist ein atypischer inhibitorischer Notch-Ligand und wird in 80 % der SCLC und LCNEC (großzellige neuroendokrine Tumore) spezifisch exprimiert. Im Abstract #LBA8505 wurde Rovalpituzumab tesirine („DLL3-targeted antibody-drug conjugate“; Abb. 3) bei rezidivierendem und therapierefraktärem SCLC vorgestellt. In dieser Phase-I-Studie fanden sich vielversprechende Ansprechraten in der Zweit- und Drittlinie im Vergleich zu Standardtherapien, besonders bei Expression von DLL3 >50 % . Diese Substanz zeigt vor allem im Vergleich mit früheren Versuchen derartiger AK-Medikamenten-Konjugate ein akzeptables Nebenwirkungsprofil und wird weiter untersucht.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Onko_1604_Weblinks_Seite125.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Im Bereich des Lungenkarzinoms gab es heuer besonders vielfältige und zahlreiche Beiträge, aus denen hier nur eine kleine Auswahl getroffen werden konnte. Wie immer waren auch negative Ergebnisse dabei, womit einige Fragen weiter offen bleiben, aber auch durchaus interessante innovative Ansätze, die für die Zukunft die Hoffnung eröffnen auf eine effizientere Behandlung dieses weitverbreiteten Karzinoms.</p> </div></p>
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