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Risikofaktoren und Prävention
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Monika Lechleitner
Landeskrankenhaus Hochzirl-Natters, Zirl<br> E-Mail: monika.lechleitner@tirol-kliniken.at
30
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08.09.2016
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<p class="article-intro">Zu den Meilensteinen 2015 mit Schwerpunkt kardiometabolische Risikofaktoren und Prävention zählt eine Reihe großer Interventionsstudien, die vor allem die kardiovaskulären Effekte neuer antidiabetischer Substanzklassen und die medikamentöse Lipidsenkung betreffen (Abb. 1). Einzelstudien und Metaanalysen konnten darüber hinaus die Datenlage hinsichtlich optimaler Zielwerte in der antihypertensiven Therapie erweitern. Eindrucksvolle Ergebnisse zeigen auch die Publikationen zur Effektivität bariatrisch-chirurgischer Maßnahmen in der Therapie des Typ-2-Diabetes und in der Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen bei Patienten mit Adipositas.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Neue antidiabetische Substanzklassen zeigen auch hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos günstige Effekte: <ul> <li>○ Die kardiovaskuläre Sicherheit wurde für DPP-4-Hemmer in klinischen Studien belegt.</li> <li>○ Unter Therapie mit dem SGLT2-Inhibitor Empagliflozin war in der EMPA-REG-OUTCOME-Studie eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität und der Hospitalisierungsrate aufgrund einer Herzinsuffizienz zu beobachten.</li> </ul> </li> <li>Für nicht diabetische Patienten weist die SPRINT-Studie auf Vorteile einer strikteren antihypertensiven Therapie hin.</li> </ul> </div> <h2>Antidiabetika und kardiovaskuläre Effekte</h2> <p>Das Vorliegen eines Diabetes mellitus führt zu einer signifikanten Zunahme des kardiovaskulären Risikos. Seit 2008 muss die kardiovaskuläre Sicherheit neuer antidiabetischer Substanzklassen entsprechend den Vorgaben der FDA durch Studiendaten belegt werden. Inkretintherapeutika (GLP-1-Analoga und DPP-4-Hemmer) und SGLT-2-Inhibitoren stehen seit einigen Jahren als neuere Therapieformen zur Behandlung des Typ-2-­Diabetes zur Verfügung. Von Vorteil sind vor allem das geringe Hypoglykämierisiko und die günstigen Gewichtseffekte.<br /> Im Rahmen der 2015 publizierten ­<em>TECOS-Studie</em> erfolgte eine Überprüfung der kardiovaskulären Sicherheit des DPP-4-Hemmers Sitagliptin.<sup>1</sup> Die große Studienpopulation umfasste 14.671 Patienten mit Typ-2-Diabetes und manifester kardiovaskulärer Erkrankung. Während des Beobachtungszeitraumes von 3 Jahren kam es unter der Therapie mit Sitagliptin im Vergleich zu Placebo als Erweiterung der herkömmlichen antiglykämischen Therapie zu keiner Zunahme der Rate an kardiovaskulären Ereignissen. Diese Ergebnisse stimmen mit den Daten zur kardiovaskulären Sicherheit, die für Saxagliptin in der ­SAVOR-TIMI-53-Studie und für Alo­gliptin in der EXAMINE-Studie erhoben wurden, überein. Während unter Saxagliptin eine Zunahme der Rate an Hospitalisierungen aufgrund von Herzinsuffizienz beobachtet wurde, fand sich in der TECOS-Studie keine erhöhte Häufigkeit dieser Komplikation.<br /> Wenige Wochen nach der Publikation der TECOS-Studie erfolgte die Vorstellung der Daten der <em>EMPA-REG-OUTCOME-Studie</em>.<sup>2</sup> In dieser ursprünglich ebenfalls als Studie zur kardiovaskulären Sicherheit geplanten Untersuchung wurden 7.020 Patienten mit Diabetes mellitus Typ 2 aus 590 Zentren in 42 Ländern inkludiert. Alle teilnehmenden Patienten wiesen eine diagnostizierte kardiovaskuläre Erkrankung auf, bei rund 50 % bestand ein Zustand nach Myokardinfarkt, bei 10 % eine manifeste Herzinsuffizienz. Die Dauer des Diabetes mellitus Typ 2 betrug bei über der Hälfte der Teilnehmer über 10 Jahre. Bemerkenswert ist auch, dass die Studienteilnehmer bereits zu Beginn der Untersuchung hinsichtlich der kardiovaskulären Risikofaktoren gut behandelt waren, über 90 % standen unter einer antihypertensiven Therapie, 75 % erhielten ein Statin. Ausgesprochen hoch war auch die Studienadhärenz, 97 % der Teilnehmer nahmen bis zum Abschluss der Studie an den Untersuchungen teil.<br /> In der Randomisierung erfolgte die Zuordnung in einen aktiven Behandlungsarm mit dem SGLT-2-Inhibitor Empagliflozin in einer Dosierung von 10mg und 25mg tgl. bzw. in einen Kontroll­arm mit Placebo zusätzlich zur bestehenden Therapie. Während des Beobachtungszeitraums von 3,1 Jahren fand sich unter Empagliflozin eine signifikante Reduktion der kardiovaskulären Mortalität (3,7 % versus 5,9 % in der Placebogruppe; 35 % ige Risikoreduktion) und der Rate an Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz (2,7 % versus 4,1 % ; 35 % ige Risikoreduktion). Der primäre Endpunkt, definiert durch nicht fatalen Myokardinfarkt, Apoplexie und kardiovaskuläre Mortalität, betrug unter Empagliflozin 10,5 % gegenüber 12,1 % unter Placebo. Diese ausgesprochen günstigen Effekte von Empagliflozin waren bereits kurz nach Behandlungsbeginn zu beobachten. Die möglichen zugrunde liegenden Mechanismen werden derzeit diskutiert und sind Anlass zu weiteren detaillierten Auswertungen und Analysen.</p> <h2>Medikamentöse Lipidsenkung</h2> <p>Hinsichtlich der Publikationen zur Therapie der Dyslipidämie ist für 2015 vor allem die <em>IMPROVE-IT-Studie</em> anzuführen.<sup>3</sup> Ziel dieser Studie war es, den Effekt einer Zusatztherapie mit dem Cholesterinabsorptionsinhibitor Ezetimib in Kombination mit Simvastatin 40mg auf die LDL-Cholesterinsenkung und die Rate an kardiovaskulären Ereignissen zu evaluieren. An der Untersuchung nahmen 18.144 Patienten nach einem akuten Koronarsyndrom teil, es erfolgte eine Randomisierung in einen Kombinationstherapiearm mit Simvastatin 40mg und Ezetimib 10mg bzw. Simvastatin und Placebo. Die Beobachtungsdauer umfasste 6 Jahre.<br /> Die LDL-Cholesterinwerte in der Simvastatin-Ezetimib-Gruppe betrugen 53,7mg/dl und in der Simvastatin-Place­bo-Gruppe 69,5mg/dl. Diese ausgeprägtere LDL-Cholesterinsenkung war gefolgt von einer deutlicheren Reduktion des kombinierten primären Endpunktes, definiert durch die kardiovaskuläre Mortalität, nicht fatalen Myokardinfarkt, instabile Angina pectoris mit Hospitalisierungsnotwendigkeit und koronare Revaskularisation (32 % versus 34,7 % ). Subanalysen der IMPROVE-IT-Studie bestätigten auch die Reduktion der Apoplexierate infolge einer ausgeprägteren Cholesterinreduktion durch die Kombi­nationsthe­rapie von Simvastatin mit Ezetimib.<sup>4</sup> Insgesamt belegt die IMPROVE-IT-Studie mit ihrer Kombinationstherapieform den klaren Vorteil einer intensiveren LDL-Cholesterinreduktion für das kardiovaskuläre Risiko.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite25.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>PCSK-9-Inhibitoren</h2> <p>Mit Alirocumab und Evolocumab stehen 2 PCSK-9-Inhibitoren für die klinische Praxis zur Verfügung. PCSK-9-Inhibitoren sind humane monoklonale Antikörper, welche das Enzym Proprotein-Convertase-Subtilisin-Kexin Typ 9 inaktivieren und damit den lysosomalen Abbau von LDL-Rezeptoren reduzieren. PCSK-9-Inhibitoren führen so zu einer verstärkten LDL-Rezeptorexpression an der Zelloberfläche. Die Verabreichung dieser neuen lipidsenkenden Substanzen erfolgt in Form einer subkutanen Injektion. Die Zulassungsstudien haben die Effektivität und Sicherheit in der LDL-Cholesterinsenkung bestätigt. Im Jahr 2015 wurde im Rahmen der ODYSSEY- und OSLER-Studien aufgezeigt, dass eine Erweiterung einer Standardtherapie mit Statinen durch Alirocumab bzw. Evolocumab auch in einer Reduktion der Rate an kardiovaskulären Ereignissen resultiert.<sup>5, 6</sup></p> <h2>Antihypertensive Therapie</h2> <p>Hinsichtlich der Zielblutdruckwerte im Rahmen einer antihypertensiven Therapie sind die Ergebnisse der <em>SPRINT-Studie</em> für die klinische Praxis von großer Bedeutung.<sup>7</sup> An dieser Studie nahmen 9.361 nicht diabetische Patienten mit kardiovaskulärem Risiko und systolischen Blutdruckwerten über 130mmHg teil. Ziel war es, die Effekte einer Blutdruckreduktion mit einem systolischen Zielwert unter 120mmHg mit denen eines Zielwertes von 140mmHg zu vergleichen. Die tatsächlich erreichten systolischen Blutdruckwerte betrugen im intensiven Behandlungsarm 121,4mmHg und in der Vergleichsgruppe 136,2mmHg. Die Studie wurde vorzeitig nach 3,26 Jahren abgebrochen, da im intensiven Behandlungsarm eine signifikante Reduktion der Ereignisrate, insbesondere in Bezug auf Herzinsuffizienz, kardiovaskuläre Mortalität und Gesamtmortalität, zu beobachten war (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite26_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <p>Die Datenlage zur <em>Zielwertdefinition in der antihypertensiven Therapie diabetischer Patienten</em> wurde durch die Ergebnisse einer Metaanalyse, die 40 Studien mit insgesamt 100.354 Teilnehmern umfasste, erweitert (Abb. 3).<sup>8</sup> Bei systolischen Ausgangsblutdruckwerten von 140mmHg oder höher führte die Blutdruckreduktion um jeweils 10mmHg zu einer signifikanten Reduktion der Mortalität (RR 0,87; 95 % CI: 0,78–0,96), der Rate an kardiovaskulären Ereignissen (RR 0,89; 95 % CI: 0,83–0,95), des Schlaganfallrisikos (RR 0,73; 95 % CI: 0,64–0,83), der Albuminurie (RR 0,83; 95 % CI: 0,79–0,87) und der Retinopathie (RR 0,87; 95 % CI: 0,76–0,99).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite26_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Diätformen und bariatrische Chirurgie</h2> <p>In der Prävention und Therapie von Übergewicht und Adipositas, und damit auch in der Prävention des Typ-2-­Diabetes und kardiovaskulärer Erkrankungen, spielen Ernährungsempfehlungen und Interventionen zur Steigerung der körperlichen Aktivität eine wichtige Rolle. Eine rezent publizierte <em>Metaanalyse</em> aus 11 Interventionsstudien mit 1.369 Teilnehmern untersuchte die Effektivität einer <em>fett- bzw. kohlehydratreduzierten Diätform</em>.<sup>9</sup> Die kohlehydratreduzierten Diätformen resultierten in einer deutlicheren Gewichtsreduktion mit einem Unterschied von –2,17kg im Vergleich zu den fettreduzierten Diäten, allerdings zeigte sich auch eine Zunahme des LDL-Cholesterins. Eine <em>Metaanalyse zur mediterranen Ernährung</em> konnte den klaren Vorteil dieser Ernährungsform hinsichtlich des kardiovaskulären Risikos bestätigen.<sup>10</sup><br /> Als Maximaltherapie in der Behandlung der Adipositas gilt die <em>bariatrische Chir­urgie</em>. Für diabetische Patienten konnte in einer großen, 2015 publizierten Studie aufgezeigt werden, dass durch die ausgeprägte Gewichtsabnahme nach baria­trischer Chirurgie während eines Beobachtungszeitraums von 3,5 Jahren die Gesamtmortalität um 58 % reduziert wird (HR 0,42; 95 % CI: 0,30–0,57), die Myokardinfarktrate um 49 % (HR 0,51; 95 % CI: 0,29–0,91) und die kardiovaskuläre Mortalität um 59 % (HR 0,41; 95 % CI: 0,19–0,90).<sup>11</sup></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Green JB et al: Effect of sitagliptin on cardiovascular outcomes in type 2 diabetes. N Engl J Med 2015; 373: 232-42<br /><strong>2</strong> Zin B et al: Empagliflozin, cardiovascular outcomes, and mortality. N Engl J Med 2015; 373: 2117-28<br /><strong>3</strong> Cannon CP et al: Ezetimibe added to statin therapy ­after acute coronary syndromes. N Engl J Med 2015; 372: 2387-97<br /><strong>4</strong> De Caterina R et al: Cholesterol-lowering interventions and stroke: insights from IMPROVE-IT. Atherosclerosis 2016; 248: 216-8<br /><strong>5</strong> Robinson JG et al: Efficacy and safety of slirocumab in reducing lipids and cardiovascular events. N Engl J Med 2015; 372: 1489-99<br /><strong>6</strong> Sabatine MS et al: Efficacy and safety of evolocumab in reducing lipids and cardiovascular events. N Engl J Med 2015; 372: 1500-9<br /><strong>7</strong> The SPRINT Research Group: A randomized trial of i­ntensive versus standard blood-pressure control. N Engl J Med 2015; 373: 2103-16<br /><strong>8</strong> Emdin CA et al: Blood pressure lowering in type 2 ­diabetes: a systematic review and meta-analysis. JAMA 2015; 313: 603-15<br /><strong>9</strong> Manssor N et al: Effects of low-carbohydrate diets v. low-fat diets on body weight and cardiovascular risk factors: a meta-analysis of randomised controlled ­trials. Br J Nutr 2016; 115: 466-79<br /><strong>10</strong> Grosso G et al: A comprehensive meta-analysis on ­evidence of Mediterranean diet and cardiovascular ­disease: are individual components equal? Crit Rev Food Sci Nutr 2015 [Epub ahead of print]<br /><strong>11</strong> Eliasson B et al: Cardiovascular disease and mortality in patients with type 2 diabetes and bariatric surgery in Sweden: a nationwide, matched, observational cohort study. Lancet Diabetes Endocrinol 2015; 3: 847-54</p>
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