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Erkenntnisse vom größten europäischen Urologenkongress

<p class="article-intro">Zum 33. Mal fand die Jahresversammlung der European Association of Urology statt, zum zweiten Mal in Kopenhagen. An fünf Kongresstagen wurden die neuesten Daten und Erkenntnisse bezüglich urologischer und onkourologischer Themen in einem umfassenden wissenschaftlichen Programm zusammengefasst. Es folgen interessante Studienergebnisse zu praxisrelevanten Problemen.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Daten der PIVOT-Studie kritisch hinterfragt</h2> <p>Die US-amerikanische PIVOT-Studie begleitete 731 Prostatakarzinompatienten mit lokalisierter Erkrankung &uuml;ber nahezu 20 Jahre.<sup>1</sup> Das wichtigste Ergebnis der Studie war, dass nahezu kein Unterschied in der Gesamtmortalit&auml;t zwischen Patienten, die eine Prostatektomie erhalten hatten, und denjenigen, die nur beobachtet wurden, bestand. Dieses Ergebnis bedeute eigentlich f&uuml;r den Praxisalltag, dass bei fast allen Prostatakarzinompatienten die Operation obsolet sei und das Patientenmanagement auf die Beobachtung reduziert werden k&ouml;nne, erkl&auml;rte Dr. Firas Abdollah, Detroit/USA, beim EAU. Abdollah und Kollegen analysierten Prostatakarzinompatienten von drei gro&szlig;en US-Krebsdatenbanken und verglichen diese mit dem Studienkollektiv der PIVOT-Studie.<sup>2</sup> Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass die Studienteilnehmer der PIVOT-Studie nicht den &bdquo;Real world&ldquo;-Patienten entsprechen und daher nur wenige, kritische R&uuml;ckschl&uuml;sse aus der Studie gezogen werden sollten.<br />Im Vergleich waren die Patienten in der PIVOT-Studie &auml;lter und kr&auml;nker als die allt&auml;gliche Patientenpopulation (Tab.&nbsp;1). Resultierend betrug die Gesamtmortalit&auml;t in der PIVOT-Studie 64 % &uuml;ber 12,7 Jahre, w&auml;hrend sie in den gro&szlig;en Vergleichsdatenbanken nur 8&ndash;23 % &uuml;ber eine Zeitspanne von 7,5&ndash;12,3 Jahren betrug. Das mittlere Alter der Patienten bei Diagnosestellung lag in der PIVOT-Studie bei 67 Jahren verglichen mit 65,8 Jahren (PLCO-Studie), 61,3 Jahren (SEER-Datenbank) bzw. 60,2 Jahren (National Cancer Database). Die Autoren schlussfolgerten, dass in der PIVOT-Studie ein Bias zu vermuten sei, der zu einer Selektion von Patienten mit schlechter Prognose gef&uuml;hrt habe. Eingeschlossen wurde damit ein Kollektiv, das wahrscheinlich nicht von einer Operation profitieren h&auml;tte k&ouml;nnen. Der Vergleich mit Patienten aus gro&szlig;en US-Datenbanken zeige, dass die PIVOT-Daten nicht ohne Weiteres f&uuml;r alle Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom bei Diagnose generalisiert werden sollten. Es bed&uuml;rfe nun einer kritischen &Uuml;berpr&uuml;fung der PIVOT-Studiendaten, um zu sehen, ob eventuell R&uuml;ckschl&uuml;sse f&uuml;r den Praxisalltag gezogen werden k&ouml;nnten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_s7.jpg" alt="" width="2151" height="1120" /></p> <h2>MRT sp&uuml;rt mehr Tumoren auf als Standardbiopsie</h2> <p>In der internationalen, randomisierten Studie PRECISION konnte gezeigt werden, dass durch ein MRT bei Diagnosestellung die Anzahl invasiver Prostatabiopsien um nahezu ein Drittel gesenkt werden kann.<sup>3</sup> Gleichzeitig wurden mehr b&ouml;sartige und weniger &bdquo;harmlose&ldquo; Tumoren identifiziert, also die H&auml;ufigkeit von &Uuml;berdiagnosen reduziert. Die Relevanz dieser Ergebnisse wird durch die Ver&ouml;ffentlichung im &bdquo;New England Journal of Medicine&ldquo; bekr&auml;ftigt, die zur gleichen Zeit wie die Pr&auml;sentation beim EAU erfolgte.<br />In der PRECISION-Studie untersuchten Wissenschaftler von 23 Zentren 500 M&auml;nner entweder mit einer Standard-10&ndash;12-Stanzen-TRUS-Biopsie oder mit einem initialen MRT-Scan gefolgt von zielgerichteten Biopsien, wenn im MRT eine Abnormit&auml;t festgestellt wurde. Das vorrangige Ziel der randomisierten Studie war, den Anteil von M&auml;nnern zu identifizieren, die mit einem klinisch relevanten Prostatakarzinom, definiert als Gleason &ge;3+4, diagnostiziert wurden. Zudem sollte erfasst werden, wie hoch der Anteil an M&auml;nnern ist, die mit einem klinisch unbedeutenden Prostatakarzinom (Gleason 3+3) diagnostiziert werden. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass 28 % der M&auml;nner im MRT-Arm der Studie keiner Biopsie bedurften. Von den M&auml;nnern, bei denen nach dem MRT eine Biopsie als gerechtfertigt erschien, hatten 38 % einen klinisch relevanten Tumor. Im TRUS-Arm waren es 26 % . Zudem war die Anzahl von Patienten, die mit einem klinisch unbedeutenden Tumor diagnostiziert wurden, signifikant geringer (9 % vs. 22 % ; p&lt;0,001). Dies zeige, dass mit dem diagnostischen Weg &uuml;ber das initiale MRT die Anzahl an Biopsien insgesamt reduziert werden k&ouml;nne und bessere Ergebnisse verglichen mit der alleinigen TRUS-Biopsie erreicht w&uuml;rden, so das Fazit der Autoren.</p> <h2>Gro&szlig;es Bias-Potenzial bez&uuml;glich Darstellung der Beckenlymphknotendissektion</h2> <p>In einem systematischen Review wurden der relative Nutzen und der Schaden durch die Beckenlymphknotendissektion bez&uuml;glich des onkologischen und des nicht onkologischen Therapieerfolgs bei Prostatakarzinompatienten untersucht, die einer radikalen Prostatektomie unterzogen wurden. Dazu analysierten internationale Wissenschaftler die Daten von insgesamt 275 269 Patienten aus 66 Studien. Der onkologische Therapieerfolg war der Endpunkt von 29 der Studien und in 43 Studien wurden nicht onkologische Therapieziele erhoben.<br />In den meisten Studien wurde ein hohes Risiko f&uuml;r ein Bias oder eine Vermischung von Daten gesehen (Abb. 1). Widerspr&uuml;chliche Ergebnisse wurden beispielsweise beobachtet, wenn das biochemische und das pathologische Rezidiv verglichen wurden oder wenn kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen f&uuml;r das Gesamt&uuml;berleben zu be&shy;obachten war. Widerspr&uuml;chlicherweise zeigte die Mehrheit der Studien, dass die extensivere Beckenlymphknotendissektion mit einem ung&uuml;nstigeren Ergebnis in Bezug auf die Operationsdauer, den Blutverlust, die L&auml;nge des Krankenhausaufenthalts und die postoperativen Komplikationen einherging. Es wurde kein Unterschied bei der Urinkontinenz oder der Wiedererlangung der erektilen Funktion festgestellt.<br />Die Beckenlymphknotendissektion war, obwohl sie die verl&auml;sslichsten Staging-Ergebnisse liefert, mit einem schlechteren intraoperativen und perioperativen Outcome assoziiert. Ein direkter therapeutischer Effekt konnte unterdessen in der verf&uuml;gbaren Literatur nicht nachgewiesen werden. Die Autoren folgern aus den Ergebnissen ihrer Analyse, dass die geringe Qualit&auml;t der Evidenz die Notwendigkeit der Durchf&uuml;hrung einer robusten und ad&auml;quat gepowerten klinischen Studie unterstreiche.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Urologik_Uro_1802_Weblinks_s7_2.jpg" alt="" width="2190" height="1183" /></p> <h2>Peniskarzinompatienten &uuml;berleben l&auml;nger bei Behandlung nach Leitlinien</h2> <p>In einer internationalen Untersuchung wurde die Praxis der Penisamputation bei 425 Patienten mit Peniskarzinom untersucht.<sup>5</sup> Beteiligt waren 12 Zentren in Italien, Spanien, den USA, Brasilien und Ungarn. Es wurde bei 74,8 % der eingeschlossenen F&auml;lle eine Prim&auml;rtherapie nach EAU-Leitlinien beobachtet, was im Umkehrschluss bedeutet, dass ein Viertel der Patienten nicht leitliniengerecht behandelt wurde. F&uuml;r viele M&auml;nner ist der Gedanke der Penisamputation schlimmer als der Tumor selbst. Dennoch waren es nur 17 % der Patienten, die die leitliniengerechte Operation ablehnten. In 52 % war es die Entscheidung des Operateurs.<br />Die gesammelten Daten zum &Uuml;berleben der Studienteilnehmer zeigen, dass die leitliniengerechte Operation das Gesamt&uuml;berleben signifikant beeinflusst. Durch eine ad&auml;quate Behandlung konnte das Risiko zu versterben halbiert werden (HR: 0,47; p=0,037). Die Autoren betonen daher, dass die Einhaltung der EAU-Leitlinien in der operativen Behandlung des Peniskarzinoms in allen behandelnden Zentren bef&uuml;rwortet und gef&ouml;rdert werden sollte.</p> <p><strong>Quelle:</strong> <br />33. Jahresversammlung der European Association of Urology (EAU), 16.&ndash;20. M&auml;rz 2018, Kopenhagen</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Wilt TJ et al.: Follow-up of prostatectomy versus observation for early prostate cancer. N Engl J Med 2017; 377: 132-42 <strong>2</strong> Abdollah F et al.: Assessing the external validity of the updated prostate cancer (PCa) intervention versus observation trial (PIVOT). EAU 2018, Abstr. #162 <strong>3</strong> Kasivisvanathan V et al.: Prostate evaluation for clinically important disease: sampling using image-guidance or not? (The PRECISION study, NCT02380027). EAU 2018, Abstr. #1225 <strong>4</strong> Fossati N et al.: The benefits and harms of differ&shy;ent extents of lymph node dissection during radical prostatectomy for prostate cancer: a systematic review. EAU 2018, Abstr. #PT009 <strong>5</strong> Cindolo L et al.: The adherence to the EAU Guidelines dramatically influences the survival of patients with penile cancer: result from a retrospective international study (PECAD study). EAU 2018, Abstr. #24</p> </div> </p>
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