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Jahrestagung der Österreichischen Schlaganfall-Gesellschaft

Hirn, Herz und Reha

<p class="article-intro">Schlaganfallspezialisten aus ganz Österreich trafen sich im Jänner in Klagenfurt, um im Rahmen ihrer Jahrestagung aktuelle Forschungsergebnisse zu diskutieren – wie etwa mikrovaskuläre Veränderungen im Gehirn, Katheterintervention außerhalb des derzeit üblichen Zeitfensters, Langzeitscreening bei Vorhofflimmern sowie zwei neue Positionspapiere. Ein Teil des Kongresses war traditionsgemäß dem Pflege- und Therapiepersonal gewidmet und behandelte das Thema der Rehabilitation.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Eines der wissenschaftlichen Highlights der Jahrestagung der &Ouml;sterreichischen Schlaganfall-Gesellschaft (&Ouml;GSF), die heuer vom 18. bis 20. J&auml;nner 2018 in Klagenfurt abgehalten wurde, ist allj&auml;hrlich die Hans-Chiari-Lecture, mit der herausragende Forscher geehrt werden. Dieses Mal wurde Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas, Vorstand der Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Neurologie an der MedUni Graz, eingeladen, um &uuml;ber die &bdquo;Mikrovaskul&auml;ren Ver&auml;nderungen im Gehirn&ldquo; vorzutragen. &bdquo;Mikrovaskul&auml;re L&auml;sionen, die zu einem Schlaganfall f&uuml;hren, sind bisher noch unzureichend erforscht. Fazekas und sein Team haben sich unter anderem dadurch ausgezeichnet, dass sie einen Score entwickelt haben &ndash; die Fazekas Visual Rating Scale &ndash;, welcher zur Quantifizierung der Kleingef&auml;&szlig;erkrankungen herangezogen werden kann&ldquo;, begr&uuml;ndet der Pr&auml;sident der &Ouml;GSF, Univ.-Prof. Dr. Stefan Kiechl, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Neurologie, MedUni Innsbruck, die Wahl des Vortragenden. &bdquo;Derzeit laufen internationale Studien zu sogenannten &sbquo;white matter lesions&lsquo; (Mechanismen und m&ouml;gliche Therapieans&auml;tze) und in den meisten dieser Studien wird der Fazekas- Score eingesetzt.&ldquo;</p> <h2>Schlaganfall: Katheter auch nach 6 Stunden sinnvoll</h2> <p>Neuigkeiten gab es zur endovaskul&auml;ren Schlaganfalltherapie. K&uuml;rzlich wurden zwei gro&szlig;e Studien<sup>1, 2</sup> zur Katheterbehandlung au&szlig;erhalb des derzeit &uuml;blichen 6-Stunden-Fensters publiziert. &bdquo;Konkret wurde untersucht, ob eine Katheterbehandlung f&uuml;r gewisse Patienten zwischen der 6. und 24. bzw. 16. Stunde nach einem Schlaganfallereignis erfolgreich ist&ldquo;, erl&auml;utert Kiechl. &bdquo;Beide Studien konnten einen deutlichen Nutzen der Katheterintervention in diesem erweiterten Zeitfenster nachweisen.&ldquo; Aber nicht jeder Patient kommt f&uuml;r diese sp&auml;tere Intervention infrage. Kiechl: &bdquo;Die Patienten wurden via Bildgebung &ndash; CT oder MRT &ndash; ausgew&auml;hlt und hatten trotz l&auml;nger zur&uuml;ckliegenden Schlaganfalls noch keinen gro&szlig;en Infarktkern. Speziell Patienten, bei denen der Schlaganfall w&auml;hrend des Schlafes aufgetreten ist, wurden in den beiden Studien ber&uuml;cksichtigt.&ldquo;<br /> Unter diesem Aspekt kommen noch mehr Schlaganfallpatienten f&uuml;r eine Kathetertherapie infrage. &bdquo;Insbesondere profitieren davon jene Patienten, die w&auml;hrend des Schlafes einen Schlaganfall erleiden, und das sind immerhin 30 Prozent aller Schlaganfallpatienten&ldquo;, gibt Kiechl zu bedenken. &bdquo;Einerseits wissen wir bei einem Schlaganfall im Schlaf nicht genau, wann dieser aufgetreten ist &ndash; ob kurz nach dem Einschlafen oder erst in den Morgenstunden. Und andererseits wurde bisher in vielen F&auml;llen gar keine Therapie durchgef&uuml;hrt, weil es dazu keine evidenzbasierten Daten gegeben hat. Diese Ergebnisse bedeuten einen gro&szlig;en Fortschritt, von dem sehr viele Patienten profitieren werden.&ldquo;</p> <h2>Paradigmenwechsel permanentes Foramen ovale (PFO)</h2> <p>Ein weiteres Highlight der Tagung war das Thema PFO. &bdquo;Nach wie vor ist nicht ganz gekl&auml;rt, ob es verschlossen werden sollte oder nicht&ldquo;, so Kiechl. &bdquo;Rezente Studien zeigen, dass ein Verschlie&szlig;en des PFO das Risiko f&uuml;r weitere Schlaganf&auml;lle vermindert &ndash; allerdings weisen die betroffenen Patienten nur ein sehr niedriges Schlaganfallrisiko auf. Der absolute Nutzen ist f&uuml;r den einzelnen Patienten somit sehr klein.&ldquo; Um einen Schlaganfall in dieser Patientengruppe pro Jahr zu verhindern, m&uuml;ssten 170 Patienten behandelt werden. &bdquo;Auch Risiken des Eingriffes sind nicht au&szlig;er Acht zu lassen, denn durch die Intervention selbst bzw. das implantierte Schirmchen kann der Patient Vorhofflimmern entwickeln&ldquo;, gibt Kiechl zu bedenken. &bdquo;Allerdings wissen wir bis dato nicht, wie gro&szlig; dieses Risiko langfristig tats&auml;chlich ist.&ldquo;<br /> &bdquo;Die Entscheidung f&uuml;r eine Intervention h&auml;ngt auch davon ab, wie gro&szlig; das PFO ist, ob es einen spontanen Kontrastmittel&uuml;bertritt gibt und ob das Schlaganfallmuster als embolisch zu werten ist&ldquo;, erg&auml;nzt Tagungspr&auml;sidentin EO&Auml; Dr. Sonja-Maria Obmann, Neurologische Abteilung, Klinikum Klagenfurt am W&ouml;rthersee. Derzeit arbeitet die &Ouml;GSF ein Positionspapier zum permanenten Foramen ovale aus, welches im Fr&uuml;hjahr erscheinen wird.</p> <h2>Langzeitscreening Vorhofflimmern</h2> <p>Ein Diskussionsschwerpunkt war der Entscheidungsalgorithmus hinsichtlich eines Langzeitscreenings f&uuml;r Vorhofflimmern. &bdquo;Bei Patienten, bei denen keine klare Schlaganfallursache zu finden ist, liegt h&auml;ufig ein paroxysmales Vorhofflimmern vor&ldquo;, informiert Kiechl. &bdquo;Seltene Episoden des Vorhofflimmerns k&ouml;nnen im 24-Stundenbzw. 3-Tage-EKG oft nicht erfasst werden.&ldquo; Ein Langzeitscreening, beispielsweise mit kleinen, subkutan implantierbaren Devices, w&auml;re also durchaus sinnvoll. Kiechl: &bdquo;Bisher war jedoch nicht klar, welche Patienten tats&auml;chlich davon profitieren w&uuml;rden. F&uuml;r die Auswahl der geeigneten Patienten haben wir nun einen Algorithmus ausgearbeitet, der ebenfalls im Fr&uuml;hjahr als Positionspapier pr&auml;sentiert wird.&ldquo; Die Basis des Algorithmus stellen Parameter wie das Schlaganfallmuster in der Bildgebung, bestimmte Ver&auml;nderungen in der Herzechokardiografie und im 24-Stunden-EKG (z.B. Patienten mit vielen Extrasystolen) sowie Risiken f&uuml;r Vorhofflimmern wie Alter oder Herzinsuffizienz dar. Mit einem einfachen Punktescore wird entschieden, ob ein Langzeitscreening erforderlich ist oder nicht.</p> <h2>Fr&uuml;he Mobilisation vermeidet Komplikationen</h2> <p>&bdquo;Patienten sollten bereits in den ersten 6 Stunden mobilisiert werden, wenn auch nur wenige Minuten lang. Nach den ersten 6 Stunden kann forciert mobilisiert werden und innerhalb von 24 Stunden sollte bei den meisten Patienten eine vollst&auml;ndige Mobilisierung &ndash; heraus aus dem Bett, aufsetzen und aufstehen &ndash; durchgef&uuml;hrt werden&ldquo;, zitiert Kiechl eine Studie<sup>3</sup>. &bdquo;Es hat sich aber auch gezeigt, dass die Patienten dabei an ihre Leistungsgrenze gehen sollten&ldquo;, unterstreicht Obmann. &bdquo;In der Theorie ist es w&uuml;nschenswert, dass die Patienten mehrmals t&auml;glich aktiviert werden und sich bewegen, wobei die Frequenz wichtiger ist als die Dauer der Aktivit&auml;t &ndash; aber in der Praxis scheitert das leider h&auml;ufig am Personalmangel.&ldquo;<br /> In der Rehabilitationsphase gilt es au&szlig;erdem an Schluckst&ouml;rungen zu denken. &bdquo;Ein Schluckscreening sollte bald nach dem Akutereignis erfolgen, um eine Schluckproblematik aufzudecken und damit R&uuml;ckschl&auml;ge in der Rehabilitation z.B. durch Aspirationspneumonien zu vermeiden&ldquo;, gibt Obmann zu bedenken.<br /> &bdquo;Die Schlaganfallversorgung kann nur interdisziplin&auml;r funktionieren, daher ist ein Austausch mit der Pflege und den Therapeuten wichtig&ldquo;, betont Obmann. Aus diesem Grund wird im Rahmen der Jahrestagung traditionell ein Pflege- und Therapeutensymposium abgehalten, bei dem evidenzbasierte Rehabilitationsmethoden im Mittelpunkt stehen. &bdquo;In der klinischen Praxis werden sehr viele unterschiedliche Methoden der Rehabilitation angewandt, die erst seit einigen Jahren wissenschaftlich evaluiert werden&ldquo;, so Kiechl. &bdquo;Zeitgleich mit unserem Positionspapier PFO werden wir auch das Positionspapier zur Rehabilitation ver&ouml;ffentlichen, in dem bewertet wird, welche Ma&szlig;nahmen effizient und evidenzbasiert sind und welche sich eher weniger als Standardtherapie eignen.&ldquo;<br /> &Uuml;ber das Pflege- und Therapeutensymposium zeigt sich Kiechl erfreut: &bdquo;Dieses Jahr konnten wir rund 100 Teilnehmer verzeichnen, was uns motiviert, diese wichtige Erg&auml;nzung zum Kongress weiter auszubauen.&ldquo;</p> <h2>Pr&auml;hospitales Schlaganfallmanagement</h2> <p>Der &Ouml;GSF ist es auch ein Anliegen, &ouml;sterreichweit das pr&auml;hospitale Schlaganfallmanagement zu optimieren. &bdquo;Aufgrund der unterschiedlichen Sanit&auml;terausbildungen, Leitstellenverfahren, Wege in den einzelnen Bundesl&auml;ndern etc. wird sehr unterschiedlich gearbeitet. Wir haben eine Arbeitsgruppe gegr&uuml;ndet, um die Rettungskette so zu optimieren, dass der Patient noch mehr profitiert&ldquo;, informiert Obmann. Im Rahmen des Kongresses wurden die &ouml;sterreichische Stroke-Skala sowie ein neuer Abfrage-Score vorgestellt, welche das pr&auml;hospitale Management von Schlaganfallpatienten vereinheitlichen sollen. Ein Beispiel ist der 2017 in K&auml;rnten etablierte Schlaganfallpfad. &bdquo;Neu dabei ist, dass Patienten mit schweren und/oder sich verschlechternden Schlaganf&auml;llen direkt mit dem Hubschrauber in das Schwerpunktzentrum nach Klagenfurt gebracht werden. Auf diese Weise wird vor allem Zeit gespart&ldquo;, berichtet Obmann. Der Grund liegt darin, dass Klagenfurt die Rekanalisationstherapie 24 Stunden 7 Tage die Woche anbietet und &uuml;ber eine eigene neurologische Intensivstation und eine neurochirurgische Abteilung verf&uuml;gt.</p> <h2>Auszeichnungen und der Charity-Lauf</h2> <p>Jedes Jahr vergibt die &Ouml;GSF Wissenschaftspreise f&uuml;r die besten Arbeiten aus der Schlaganfallforschung, die von einer internationalen Jury ausgew&auml;hlt werden.<br /> Mit dem &Ouml;GSF-Wissenschaftspreis 2018 wurden Dr. Christoph Palli, MedUni Graz, f&uuml;r seine Arbeit &bdquo;Early dysphagia screening by trained nurses reduces pneumonia rate in stroke patients&ldquo;<sup>4</sup> sowie Dr. Raimund Pechlaner, MedUni Innsbruck, f&uuml;r seine Arbeit &bdquo;Very-low-density lipoprotein- associated apolipoproteins predict cardiovascular events and are lowered by inhibition of APOC-III&ldquo;<sup>5</sup> ausgezeichnet. Der Diplomarbeitspreis der &Ouml;GSF 2018 wurde an Dr. Clemens Lang von der Med- Uni Wien f&uuml;r seine Diplomarbeit zum Thema &bdquo;Einfluss des Geschlechts auf den Schweregrad des isch&auml;mischen Schlaganfalls bei Vorhofflimmern&ldquo; verliehen.<br /> Au&szlig;erdem wurde am Welt-Schlaganfalltag im Oktober 2017 mit dem &bdquo;Fit-for-Brain Run&ldquo; ein Charity-Lauf ins Leben gerufen, um die Selbsthilfegruppe der &ouml;sterreichischen Schlaganfallpatienten zu unterst&uuml;tzen. Ein Scheck von mehr als 5000 Euro zum Aufbau einer Homepage wurde im Rahmen der Jahrestagung &uuml;berreicht.</p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1802_Weblinks_jatros_neuro_1802_s7_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="2597" /></p> <p>&nbsp;</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1802_Weblinks_jatros_neuro_1802_s6_info.jpg" alt="" width="1482" height="914" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: 21. Jahrestagung der Österreichischen Schlaganfall- Gesellschaft, 19.–20. Jänner 2018, Klagenfurt </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Albers GW et al.: N Engl J Med 2018; doi: 10.1056/NEJMoa1713973 <strong>2</strong> Nogueira RG et al.: N Engl J Med 2018; 378(1): 11-21 <strong>3</strong> AVERT Trial Collaboration group, Lancet 2015; 386(9988): 46-55 <strong>4</strong> Palli C et al.: Stroke 2017; 48(9): 2583-2585 <strong>5</strong> Pechlaner R et al.: J Am Coll Cardiol 2017; 69(7): 789-800</p> </div> </p>
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