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Der kindliche Schmerz

<p class="article-intro">Wenn Kinder Schmerzen äußern, dann haben sie auch Beschwerden in somatischer oder somatoformer Weise und sollen in jedem Fall ernst genommen werden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Je kleiner das Kind, umso unspezifischer wird der Schmerz in der Regel ge&auml;u&szlig;ert. Dies bedeutet aber selbstverst&auml;ndlich nicht &bdquo;weniger Schmerz&ldquo;. Hier ist ein gemeinsames Einsch&auml;tzen der Situation durch Kind, Eltern und Arzt mit allen Sinnen gefragt. Eine gezielte individuelle Behandlung von Schmerzen kann auch beim Kind nur sinnvoll nach einer Klassifizierung des Schmerzes durch genaue Anamnese und nach sorgsamer klinischer Untersuchung erfolgen. Damit kann nicht nur die Schmerztherapie optimiert bzw. minimiert werden, sondern es k&ouml;nnen auch die unerw&uuml;nschten Nebenwirkungen reduziert und die Compliance erh&ouml;ht werden. Besonders wichtig erscheinen mir die rechtzeitige und ausreichende Schmerzvermeidung (&bdquo;do no harm&ldquo;) und die Beseitigung der Schmerzursache (akuter Schmerz ist prim&auml;r keine Erkrankung, sondern ein Warnsignal)!</p> <h2>Schmerzpr&auml;vention</h2> <p>Im Umgang mit Kindern haben das Gewinnen von Vertrauen durch kindgerechtes Handeln und damit das Nehmen von Angst h&ouml;chste Priorit&auml;t &ndash; alleine dadurch werden oft Schmerzmittel &uuml;berfl&uuml;ssig (Sicherheit geben, Zuwendung, Ehrlichkeit, Wohlf&uuml;hlklima schaffen). Genauso wichtig ist es, &bdquo;im Guten auseinanderzugehen&ldquo; &ndash; kleine Belohnungen k&ouml;nnen gelegentlich mitgegeben werden &ndash;, oft sind aber Lob und Anerkennung der Tapferkeit bereits genug Belohnung, S&uuml;&szlig;igkeiten werden von meiner Seite nicht empfohlen. Sind schmerzhafte Eingriffe n&ouml;tig, empfiehlt sich eine rasche Abwicklung durch eine gute Vorbereitung (idealerweise au&szlig;erhalb der Sichtweite des kleinen Patienten). Besonders f&uuml;r regelm&auml;&szlig;ige Eingriffe empfehle ich, pr&auml;ventiv Lokalan&auml;sthetika bzw. Zucker gro&szlig;z&uuml;gig anzuwenden (Abb. 1).<br /><br /> <strong>&bdquo;Zucker&ldquo; zur Schmerzpr&auml;vention</strong> Bei Fr&uuml;hgeborenen, Neugeborenen und S&auml;uglingen bis zum 6. Lebensmonat kann Glukose 33 % (25&ndash;70 % ) per os gemeinsam mit dem Schnuller verabreicht werden (oder einfach stillen); Dosierung: ca. 0,25ml/kg KG bis zu 6x tgl. p.o.; Zubereitung: 4g Glukose (entspricht standardisiertem Zuckerbriefchen) in 10ml Leitungswasser.<br /><br /> <strong>Lokalan&auml;sthetika</strong></p> <ul> <li>Xylocain Gel (ab Neugeborenenalter, &gt;37. SSW): zur Anwendung auf der Haut bzw. Schleimhaut; 1g Gel (ca. 1ml) enth&auml;lt 20mg Lidocain-Hydrochlorid; Indikation: zur Schleimhautan&auml;sthesie und als Gleitmittel f&uuml;r die m&auml;nnliche und weibliche Harnr&ouml;hre zum Einf&uuml;hren eines Katheters; Dosierung: 6mg Lidocain (=0,3ml Gel)/kg KG (maximal 1ml alle 6h); Wirkungseintritt nach 5min, Wirkdauer 20&ndash;30 Minuten</li> <li>EMLA Creme (ab Neugeborenenalter, &gt;37. SSW): zur Anwendung auf der Haut; 1g Creme enth&auml;lt 25mg Lidocain und 25mg Prilocain; Indikation: Oberfl&auml;chenan&auml;sthesie der Haut (Nadelstiche, chirurgische Eingriffe an der Haut, genitale Schleimhaut, vor Wundreinigung bei chronischen Wunden etc.); Dosierung: 1&ndash;2g Creme/Anwendung (= ca. 1&ndash;2ml); Wirkungseintritt nach 30&ndash;60min Einwirkzeit, Wirkdauer bis zu 6 Stunden (maximale Analgesie nach 30&ndash;60min)</li> <li>Xylocain Pump-Spray (Kinder ab 3 Jahren): zur Anwendung auf der Haut bzw. Schleimhaut; 10mg Lidocain/Spr&uuml;hsto&szlig;; Dosierung: 3mg/kg KG; Indikation: zur Schmerzverh&uuml;tung bei Reinigung von Sch&uuml;rfwunden, zur Oberfl&auml;chenan&auml;sthesie bei lokal begrenzten Verbrennungen; Wirkungseintritt nach 1&ndash;3min, Wirkdauer 10&ndash;15min</li> <li>Hinweis: Lokalan&auml;sthetika sind wegen Vasokonstriktion bei Finger- oder Fersenstich nicht sinnvoll; Achtung bei atopischer Dermatitis, chronischer Nierenkrankheit (CKD), Herzerkrankungen, genitaler Anwendung (Dosisreduktion erforderlich).</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1803_Weblinks_s32_abb1.jpg" alt="" width="945" height="702" /></p> <h2>Einsch&auml;tzung der Schmerzintensit&auml;t</h2> <p>Zur Einsch&auml;tzung der Schmerzintensit&auml;t ist das Einsetzen der &auml;rztlichen Erfahrung mit allen f&uuml;nf Sinnen gefragt &ndash; ein einzelner Messparameter ist wenig hilfreich. In der P&auml;diatrie kommt der genauen Beobachtung (KUSS-Skala, Tab. 1) ein hoher Stellenwert zu, aber auch dem genauen Hinh&ouml;ren bei Kindern und Eltern! Zur Verlaufsbeobachtung, insbesondere wenn Ihr Patient auch von anderen Berufsgruppen mitbetreut wird, ist eine Skala als Hilfsmittel je nach Entwicklungsstand sinnvoll: &lt;4 Jahre: KUSS-Skala; 4&ndash;7 Jahre: Smiley-Skala (Abb. 2); &gt;7 Jahre: numerische Ratingskala (NRS, Abb. 3a), visuelle Analogskala (VAS, Abb. 3b), verbale Ratingskala (VRS, Abb. 3c).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1803_Weblinks_s32_tab1.jpg" alt="" width="945" height="1325" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1803_Weblinks_s32_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="357" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_DAM_Allgemeinm_1803_Weblinks_s32_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="757" /></p> <h2>Schmerzklassifizierung</h2> <p>Schmerz wird in der Regel nach Dauer (akut, chronisch), Lokalisation (somatisch, viszeral) und Qualit&auml;t (nozizeptiv, neuropathisch) eingesch&auml;tzt, diese Klassifizierung ist f&uuml;r eine optimale Behandlung unumg&auml;nglich.</p> <h2>Schmerztherapie</h2> <p>Nicht immer reichen Zuwendung oder Schmerzpr&auml;vention aus. Gute Erfolge k&ouml;nnen mit der traditionellen europ&auml;ischen Medizin (TEM), physikalischen Therapien, psychologischen Therapien, der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), Koanalgetika, dem Einsatz von Lasertherapie u.v.m. erreicht werden. In einigen F&auml;llen ist aber eine medikament&ouml;se Schmerztherapie im klassischen Sinn unumg&auml;nglich.<br /><br /> <strong>Wann?</strong><br /> Eine medikament&ouml;se Schmerztherapie ist nach klinischer Erfahrung indiziert bei zu erwartendem Schmerz zur Schmerzvermeidung sowie bei einem Schmerzscore =4 (KUSS-, Smiley-Skala, NRS/VAS/VRS).<br /><br /> <strong>Wie?</strong><br /> Zus&auml;tzlicher Schmerz sollte vermieden werden, deshalb sind nach M&ouml;glichkeit nicht invasive Darreichungsformen zu w&auml;hlen. Die Dosis ist an das K&ouml;rpergewicht anzupassen und die Gabe erfolgt nach Zeitplan entsprechend der Wirkdauer, wobei die Tagesrhythmik des Schmerzes zu beachten ist. Bei akuten Schmerzen, Durchbruchschmerzen, zur Dosisfindung und als Bedarfsmedikation sollten nicht retardierte Darreichungsformen gew&auml;hlt werden. Als Basis der Behandlung bei chronischen Schmerzen soll jedoch eine retardierte Zubereitung Verwendung finden. Bei starken Schmerzen oder zu erwartender rascher Schmerzprogression ist die WHO-Stufe II zu &uuml;berspringen (hat beim Kind kaum Stellenwert). Die Schmerztherapie sollte individuell bis zum Erreichen einer ad&auml;quaten Schmerzlinderung fortgesetzt werden. Der gleichzeitige Einsatz von Nichtopioiden und Opioiden ist sinnvoll. H&auml;ufige Nebenwirkungen sind prophylaktisch zu behandeln. Die Art der Therapie sollte abh&auml;ngig vom Kind (Wunsch), dem Alter, der Schmerzart, der Schmerzst&auml;rke und -lokalisation gew&auml;hlt werden. Entsprechend dem Schmerztyp ist auf allen Stufen der Einsatz eines Koanalgetikums zu &uuml;berpr&uuml;fen (siehe Literaturhinweise).<br /><br /> <strong>Wie viel? Womit?</strong> Passende Therapieempfehlungen sind hier zu finden:</p> <ul> <li>Schmerztherapie im Kindes- &amp; Jugendalter, Richtlinien der AG f&uuml;r P&auml;diatrische Palliativmedizin, &Ouml;sterreich, 2013 (Neuauflage 2018 in Arbeit)</li> <li>Zernikow B et al.: Schmerztherapie bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. 5. Auflage, 2015</li> <li>British National Formulary (BNF) for Children 2018 (j&auml;hrlich neu)</li> <li>WHO guidelines on the pharmacological treatment of persisting pain in children with medical illnesses 2012</li> <li>The Association of Paediatric Palliative Medicine Master Formulary 4th edition 2017</li> <li>www.intranasal.net</li> <li>Uhlemayr U: Wickel &amp; Co. B&auml;renstarke Hausmittel f&uuml;r Kinder. 16. Auflage. Oy- Mittelberg: Urs-Verlag, 2013</li> </ul> <p>Insgesamt stellt die Schmerztherapie bei Kindern eine besondere Herausforderung dar, da die emotionale Komponente hier eine bedeutende Rolle spielt und die Interpretation der Symptome besonderes Fingerspitzengef&uuml;hl erfordert. Hier kommt der empathischen Kompetenz des Arztes ungeheure Bedeutung zu im Sinne von Entspannung der Gesamtsituation durch Schaffung von Vertrauen. Das verstehe ich pers&ouml;nlich unter anderem unter &bdquo;&auml;rztlicher Kunst&ldquo;, die man wohl nicht so schnell &bdquo;einfach googeln&ldquo; kann.</p></p>
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