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Benzodiazepine – nicht zu oft, aber viel zu oft zu lange

<p class="article-intro">Benzodiazepine sind äußerst hilfreiche, zumeist sehr gut verträgliche und – im richtigen Moment verwendet – auch durchaus lebensrettende Medikamente. Sie werden nicht zu oft, aber oftmals zu lange verwendet. Dieser Artikel soll einen Überblick über die potenziellen Anwendungsgebiete von Benzodiazepinen liefern, den sicheren Umgang mit dieser sehr wirksamen Substanzgruppe ermöglichen und auch eine Hilfestellung im Umgang mit jenen Patienten liefern, welche von diesen Medikamenten abhängig sind.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>In unserer t&auml;glichen Arbeit sind wir damit konfrontiert, dass es sich bei Benzodiazepinen um Medikamente handelt, welche ein sehr breites Anwendungsgebiet haben, von den Patienten gerne &ndash; da sie sehr gut vertr&auml;glich sind und meist unmittelbar wirken &ndash; eingenommen werden und f&uuml;r uns als Behandler sehr verl&auml;sslich entsprechend der jeweiligen Indikation wirken. Aus dieser Konstellation heraus ergibt sich die zwingende Notwendigkeit, &auml;u&szlig;erst sorgsam in der Rezeptierung dieser Wirkstoffgruppe zu sein. Denn sehr rasch kann sich ein Gew&ouml;hnungsprozess entwickeln, an dessen Ende ein manifestes Abh&auml;ngigkeitssyndrom steht. In vielen F&auml;llen geht einer Abh&auml;ngigkeit die &auml;rztliche Verordnung von Benzodiazepinen voraus.</p> <h2>Wirkung und Anwendungsgebiete</h2> <p>Benzodiazepine wirken anxiolytisch und finden daher Anwendung in der Behandlung von Angstzust&auml;nden, Panikanf&auml;llen und Phobien. Als Hypnotikum finden sie Anwendung als Einschlaf- und Durchschlafhilfe. Myorelaxierend werden sie bei Muskelverspannungen und spastischen Erkrankungen verwendet. In der Behandlung der Epilepsie bzw. von Kr&auml;mpfen infolge von Vergiftungen bedient man sich ihres antikonvulsiven Wirkspektrums. Die amnestische Wirkung wird im Zuge der pr&auml;operativen Vorbereitung eingesetzt.<br /> Ein weiteres Einsatzgebiet finden Benzodiazepine als Supportivmedikation im Alkoholentzug sowohl im station&auml;ren als auch im ambulanten Bereich.<br /> Bedient man sich der anxiolytischen Wirkkomponente, so sollten Benzodiazepine auf keinen Fall als Monotherapie angewandt werden. Sie k&ouml;nnen nur ein Teilaspekt eines umfassenderen Behandlungskonzepts sein. Dieses sollte sowohl eine weitere psychopharmakologische Medikation als im Idealfall auch gezielte Psychotherapie beinhalten. Der Einsatz ist streng zeitlich zu reglementieren und beim Absetzen ist auf eine &bdquo;Rebound&ldquo;- Symptomatik zu achten.<br /> Sollte man die hypnotische Wirkung in Betracht ziehen und Benzodiazepine als Schlafmedikation verwenden, so stellt sich zwingend die Frage, welche alternativen Strategien schon versucht wurden. So scheint es unerl&auml;sslich, Fragen nach der Schlafhygiene und nach dem Grund der Schlafst&ouml;rung zu stellen. Weitere wesentliche Fragen lauten: Wie gro&szlig; ist der Leidensdruck? Ist trotz beklagter Schlafst&ouml;rung der Erholungsfaktor gegeben oder beschreibt der Patient Tagesm&uuml;digkeit und Leistungsverlust? Welche alternativen medikament&ouml;sen Strategien wurden bereits versucht? Erst nach frustranen Therapieversuchen mit Phytotherapeutika, sedierenden Antidepressiva oder niedrigpotenten Neuroleptika sollte an den Einsatz von Benzodiazepinen gedacht werden. Diese sollten dann auch nur kurzfristig verwendet werden und alsbald wieder abgesetzt werden.<br /> Auch in allen anderen F&auml;llen scheint es angebracht, vor dem Einsatz von Benzodiazepinen m&ouml;glichst genau abzuw&auml;gen, ob sie f&uuml;r die jeweilige Indikation als einzig probates Mittel zu Verf&uuml;gung stehen.</p> <h2>Benzodiazepine bei komplexen somatopsychischen Beschwerdebildern</h2> <p>Oft scheint es verlockend, auch bei unklarer Indikation den Einsatz von Benzodiazepinen in Betracht zu ziehen. H&auml;ufig ist man mit Unruhezust&auml;nden unterschiedlicher Genese, Somatisierungsst&ouml;rungen oder unklaren Schmerzsyndromen konfrontiert, bei denen der Einsatz von Benzodiazepinen als rein symptomatische Therapie sehr erfolgversprechend scheint und kurzfristig Linderung verspricht. Auch ist man oft notgedrungen ob des Mangels an anderen Behandlungsalternativen dazu gezwungen, sich der Wirkung dieser Medikamente zu bedienen. Speziell in derartigen Situationen, wo die Indikation nicht klar festmachbar ist oder aber betreuende Personen mit schwierigen Patienten &uuml;berfordert scheinen, sollte man umso gezielter darauf achten, keine Abh&auml;ngigkeit zu generieren, welche sich bereits nach einer Dauer von vier bis f&uuml;nf Behandlungswochen einstellen kann.</p> <h2>Umgang mit Benzodiazepinabh&auml;ngigkeit</h2> <p>In der Abh&auml;ngigkeit von Benzodiazepinen unterscheidet man eine &bdquo;Low-Dose- Abh&auml;ngigkeit&ldquo; von einer sogenannten &bdquo;High-Dose-Abh&auml;ngigkeit&ldquo;. Von &bdquo;Low- Dose-Abh&auml;ngigkeit&ldquo; spricht man, wenn der Patient eine Abh&auml;ngigkeit infolge einer Dosis entwickelt hat, welche der Dosierung laut Fachinformation entspricht. Als &bdquo;High-Dose-Abh&auml;ngigkeit&ldquo; wird die Abh&auml;ngigkeit von einer Dosis bezeichnet, welche oft ein Vielfaches der H&ouml;chstdosierung laut Fachinformation ausmacht. Generiert werden solche Abh&auml;ngigkeiten meist nur durch nicht bestimmungsgem&auml;&szlig;en Umgang mit dieser Medikamentengruppe und sie sind durch eine zentralnerv&ouml;se Toleranzentwicklung erkl&auml;rbar.<br /> Beiden Arten von Benzodiazepinabh&auml;ngigkeit gemein ist eine manifeste k&ouml;rperliche und psychische Abh&auml;ngigkeit, welche sich in einem bunten Bild an Entzugssymptomatik zeigt. Diese Entzugssymptomatik kann sich in Form von Unruhezust&auml;nden, diffuser Angstsymptomatik, Schlafst&ouml;rung, Muskelschmerzen oder -kr&auml;mpfen, Appetit- und Gewichtsverlust, &Uuml;belkeit oder unklarer vegetativer Symptomatik pr&auml;sentieren, kann aber auch als Perzeptionsst&ouml;rung unterschiedlichen Ausma&szlig;es in Erscheinung treten. Im komplikationsreichsten Ausma&szlig; kann sie zu einem deliranten Zustandsbild f&uuml;hren oder epileptische Anf&auml;lle nach sich ziehen.<br /> Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, die Behandlungsdauer m&ouml;glichst kurz zu halten und eine manifeste Abh&auml;ngigkeit rechtzeitig zu erkennen. Ein Hinweis auf eine Abh&auml;ngigkeit kann eine offensichtliche Affinit&auml;t der Patienten zu diesen Medikamenten sein. Die Behauptung, dass dieses Medikament das einzig hilfreiche sei, sollte Aufmerksamkeit erregen. Sollte man mit einer manifesten Abh&auml;ngigkeit konfrontiert sein, so gilt es, diese ernst zu nehmen. Den Patienten unversorgt zu lassen und somit potenziell gef&auml;hrliche Entzugssymptomatiken zu provozieren sollte vermieden werden. Der Patient sollte offen und ehrlich &uuml;ber seine Bed&uuml;rfnisse sprechen k&ouml;nnen und das Gef&uuml;hl vermittelt bekommen, dass man mit ihm gemeinsam eine L&ouml;sung finden will. Die Verordnung sollte auch aus nur einer Hand erfolgen, um Mehrfachverschreibungen und die damit verbundene Un&uuml;bersichtlichkeit der Gesamtdosierung zu verhindern. Wenn es im Rahmen der Behandlung einer &bdquo;High-Dose-Abh&auml;ngigkeit&ldquo; notwendig ist, eine Dosierung zu verordnen, welche die H&ouml;chstdosierung laut Fachinformation &uuml;berschreitet, so empfehlen sich eine gesonderte Dokumentation und die Erstellung eines Behandlungsplans. Sieht man sich nicht in der Lage, mit dem Patienten gemeinsam einen Behandlungsplan zu erstellen, der sowohl f&uuml;r den Verordner als auch f&uuml;r den Patienten durchf&uuml;hrbar scheint, so ist es dringlich angeraten, den Patienten in eine spezialisierte Facheinrichtung zu &uuml;berweisen. Reduktionsversuche sollten nur mit &auml;u&szlig;erster Vorsicht, in Absprache mit dem Patienten und &uuml;ber lange Zeitr&auml;ume angelegt unternommen werden und bed&uuml;rfen immer einer antiepileptischen Abschirmung.<br /> Abschlie&szlig;end sollte nochmals festgehalten werden, dass es sich bei Benzodiazepinen um &auml;u&szlig;erst wertvolle Medikamente handelt, welche nicht zu oft, aber leider sehr oft zu lange verordnet werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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