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Rolle der Radiotherapie beim endometroiden Adenokarzinom des Corpus uteri

<p class="article-intro">Obwohl das Korpuskarzinom der häufigste gynäkologische Tumor von Menschen in industrialisierten Ländern ist und die Prävalenz weiterhin eher steigt, scheint das wissenschaftliche Interesse an dieser Erkrankung bei Strahlentherapeuten relativ gering zu sein. An internationalen radioonkologischen Kongressen sind dem Korpuskarzinom gewidmete Sessions eine Seltenheit. Phase-III-Studien mit Hauptfokus auf Radiotherapie (RT) hat es in den letzten zehn Jahren kaum gegeben. Und selbst die grossen Multicenterstudien in den USA (GOG- und ASTEC-Studien) und in Europa (PORTECStudien) konnten keine wesentlichen Veränderungen herbeiführen.<sup>1</sup></p> <hr /> <p class="article-content"><p>Vielleicht l&auml;sst sich die fehlende wissenschaftliche Aktivit&auml;t hinsichtlich des Korpuskarzinoms dadurch erkl&auml;ren, dass ein Grossteil der Patientinnen dank der fr&uuml;hen Symptome dieser Tumorerkrankung im Stadium I diagnostiziert wird und dass im FIGO-Stadium IA auch ohne adjuvante Therapien zu &gt;90 % alleine durch Operation eine Heilung erzielt werden kann. Oder ist es, weil man der Meinung war, alle Risikofaktoren (Tab. 1) im Zusammenhang mit dieser Erkrankung zu kennen und damit gen&uuml;gend Informationen zur Therapieentscheidung an der Hand zu haben?<br /> Fakt ist, dass wir Radioonkologen einen Platz im Behandlungskonzept des Korpuskarzinoms zu haben w&uuml;nschen und diesen auch haben, wir uns aber den allgemeinen Ver&auml;nderungen im Bereich der Chirurgie und der Systemtherapie anpassen m&uuml;ssen. Dar&uuml;ber hinaus sollten wir unsere eigenen Fortschritte in der Therapie nutzen, diese bestm&ouml;glich durch Daten belegen, um selbst zu Ver&auml;nderungen in der adjuvanten Therapie beizutragen. Im Folgenden sollen diese Ver&auml;nderungen kurz geschildert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1802_Weblinks_s24_tab1.jpg" alt="" width="1419" height="864" /></p> <h2>Background: Standardbehandlung im vergangenen Jahrhundert</h2> <p>Bereits in den 80er-Jahren bestand die prim&auml;re Standardbehandlung des Korpuskarzinoms nach histologischer Sicherung aus einer TAH-BSO (&laquo;total abdominal hysterectomy with bilateral salpingo oophorectomy&raquo;), sowohl zu diagnostischen wie auch zu therapeutischen Zwecken. Anschliessend wurde anhand des pathologischen Befundes bei Risikofaktoren die Indikation zur postoperativen pelvinen RT (gegebenenfalls in Kombination mit einer endovaginalen Brachytherapie [BT]) oder nur zur alleinigen BT des Vaginalstumpfes gestellt. Ein Lymphknotenstaging in Form einer Bildgebung oder einer Operation war nicht vorgesehen, womit die Entdeckung eines FIGOStadiums IIIC (Tab. 2) nur selten erfolgen konnte.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1802_Weblinks_s24_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="1160" /></p> <h2>Phase-III-Studien mit Fokus auf Radiotherapie</h2> <p>Die &auml;lteste erw&auml;hnenswerte Studie &ndash; es ist die von Aalders at al.<sup>2</sup> &ndash; randomisierte 540 Patientinnen nach o.g. Operation im FIGO-Stadium I in alleinige endovaginale BT vs. pelvine RT plus BT. W&auml;hrend der Arm mit alleiniger BT signifikant mehr lokoregion&auml;re Rezidive zeigte, war das Gesamt&uuml;berleben in beiden Armen gleich.<br /> Im neuen Jahrhundert wurde zun&auml;chst die europ&auml;ische PORTEC-1-Studie publiziert.<sup>3</sup> 714 Patientinnen (FIGO-Stadium IB, G2&ndash;3 und IC, G1&ndash;2) erhielten nach der Chirurgie entweder eine pelvine RT oder keine adjuvante Behandlung. Auch hier zeigte sich die lokoregion&auml;re Kontrolle signifikant besser mit der adjuvanten Therapie als ohne diese. Aber das Gesamt&uuml;berleben (OS) war in beiden Armen nahezu gleich.<br /> Wenige Jahre sp&auml;ter erschienen die Daten der amerikanischen GOG-99-Studie<sup>4</sup> mit 392 eingeschlossenen Patientinnen (FIGO-Stadium IB, IC, II [&laquo;occult&raquo;]), bei denen zur TAH-BSO eine (nicht systematische) Lymphadenektomie erfolgte. Randomisiert wurden die Patientinnen in die gleichen Therapiearme wie bei der PORTEC- Studie. Und auch das Ergebnis der Studie war das gleiche.</p> <h2>Modifikationen?</h2> <p>Wie haben die oben erw&auml;hnten Ergebnisse nun die weiteren Studien bzw. das klinische Verhalten der Radiotherapeuten weltweit beeinflusst? Auch wenn das Gesamt&uuml;berleben nicht ver&auml;ndert wurde, so konnte durch die externe, pelvine RT die lokoregion&auml;re Kontrolle in allen drei Studien verbessert werden. Nach weiteren Analysen dieser Ergebnisse fand man in den unterschiedlichen Risikogruppen (&laquo;intermediate risk&raquo;, &laquo;high-intermediate risk&raquo;, &laquo;high risk&raquo;), wie zu erwarten, auch einen unterschiedlichen Benefit der adjuvanten pelvinen RT.<sup>5, 6</sup> Aufgrund der in beiden Studien (PORTEC-1, GOG-99) deutlichen gastrointestinalen Toxizit&auml;ten reduzierte sich der Einsatz der perkutanen RT weltweit, auch im Bereich der &laquo;High-intermediate &raquo;- und der High-Risk-Gruppe.<sup>1</sup> Stattdessen erh&ouml;hte sich der Anteil an alleinigen endovaginalen BT schon zu einem Zeitpunkt, zu dem die Ergebnisse der PORTEC-2-Studie noch nicht ver&ouml;ffentlicht waren.<br /> In der PORTEC-2-Studie<sup>7</sup> wurde zwischen pelviner RT und endovaginaler BT unterschieden. Eingeschlossen waren Patientinnen &uuml;ber 60 Jahre mit einem FIGOStadium IB, G3 oder IC, G1+2 oder IIA. Der prim&auml;re Endpunkt war das vaginale Rezidiv, welches in beiden Armen gleich selten auftrat. Ein signifikanter Unterschied zeigte sich im Auftreten der pelvinen Rezidive, die erwartungsgem&auml;ss im Arm mit alleiniger BT h&auml;ufiger waren. Aber auch diese Resultate liessen die Akzeptanz f&uuml;r die pelvine Bestrahlung der &laquo;High-intermediate&raquo;- und der High-Risk- Patienten aufgrund der gastrointestinalen Nebenwirkungen nicht ansteigen.<br /> Vermehrte systemische Metastasen wurden vor allem in der G-3-Situation sowie bei den fortgeschrittenen Karzinomen FIGO III und IV beobachtet. Dies hatte den Einsatz der Chemotherapie zur Folge (PORTEC-3: High-Risk-Endometriumkarzinom, pelvine RT versus kombinierte Chemotherapie und RT). Am Kongress der ASCO 2017 wurden die Ergebnisse von PORTEC-3 vorgestellt, die keinen OS-Benefit durch zus&auml;tzlichen Einsatz der Chemotherapie gezeigt hatte.<sup>8</sup> Aber auch in anderen weltweiten Studien wurde in den h&ouml;heren Stadien zwischen Chemotherapie mit/ohne RT randomisiert. Da diese FIGOIII/ IV-Patientinnen an sich schon eine heterogene Gruppe darstellen &ndash; was noch komplexer wird, wenn die Therapien unterschiedlich sind (Lymphadenektomie ja/ nein; z.B. Ganzabdomenbestrahlung statt pelviner RT) &ndash;, waren keine einheitlichen Ergebnisse zu erwarten. Insgesamt geht man von einem lokoregion&auml;ren Benefit durch die pelvine RT bei der lymphatisch metastasierten Situation aus.</p> <h2>Ver&auml;nderungen bei den Techniken</h2> <p>Modifikationen hat es in den letzten 15 Jahren vor allem bei den Techniken der einzelnen Disziplinen gegeben. Ohne auf die unterschiedlichen Studien zur pelvinen und/oder paraaortalen Lymphadenektomie einzugehen, l&auml;sst sich sagen, dass deren Durchf&uuml;hrung mit nunmehr laparoskopischen Operationstechniken deutlich erleichtert und damit verbessert worden ist. Insbesondere in den USA hat sich der Einsatz der pelvinen RT zugunsten der Anzahl der pelvinen Lymphadenektomien verschoben.<br /> Durch den vermehrten Einsatz der Bildgebung und die besser dokumentierten Follow-ups zeigten sich h&auml;ufiger systemische Metastasen, was den Einsatz der Chemotherapeutika bei dieser Tumorentit&auml;t auch in der adjuvanten Therapie steigerte.<br /> Die vielleicht bedeutendsten Fortschritte gab es in den letzten 20 Jahren aber im Bereich der technischen Entwicklungen der Radiotherapie. W&auml;hrend die Ergebnisse der GOG-99-Studie auf einer 2&ndash;4 Felder zweidimensionalen Bestrahlung beruhen, wurden in einigen Zentren zu diesem Zeitpunkt bereits die ersten Erfahrungen mit dem Einsatz der bildgest&uuml;tzten dreidimensionalen intensit&auml;tsmodulierten Bestrahlungsplanung zur Schonung der Risikoorgane gesammelt (Abb. 1).<br /> Nur am Rande erw&auml;hnt seien &ndash; wenn sie auch ebenso wichtig sind &ndash; die Ver&auml;nderungen der FIGO-Klassifikation von 2009 (Tab. 2), bei welcher vor allem die Stadien IA und IB zu einem Stadium (IA: Befall der inneren Myometriumh&auml;lfte) zusammengefasst wurden und welche die Aufteilung des Stadiums IIIC1 (pelvine Lymphknotenmetastasen) und IIIC2 (paraaortale Lymphknotenmetastasen) vorsieht, was sowohl eine pelvine als auch eine paraaortale Lymphadenektomie voraussetzt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Onko_1802_Weblinks_s24_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="786" /></p> <h2>Wiederentdecktes Interesse: neue Guidelines</h2> <p>Aufgrund des unverh&auml;ltnism&auml;ssigen Ansteigens der H&auml;ufigkeit des Einsatzes der vaginalen BT f&uuml;hrte die amerikanische BT-Gesellschaft (ABS) eine Umfrage bez&uuml;glich des Durchf&uuml;hrungsschemas der einzelnen Abteilungen durch.9 Es zeigten sich sehr viele unterschiedliche Konzepte, sodass 2012 Konsensusempfehlungen zur endovaginalen BT herausgegeben wurden.<sup>10</sup><br /> Alle diese Ver&auml;nderungen veranlassten die amerikanische Gesellschaft f&uuml;r Strahlentherapie (ASTRO) 2014, neue Guidelines im Umgang mit dem Korpuskarzinom zu erstellen.<sup>11</sup> Ebenfalls Ende 2014 setzten sich dann Vertreter der ESMO, ESGO und ESTRO zusammen, um eigene europ&auml;ische Leitlinien zu verfassen.<sup>12</sup> W&auml;hrend die Amerikaner nur auf strahlentherapeutische Fragestellungen eingehen, erh&auml;lt die europ&auml;ische Abhandlung Antworten auf Fragen aller mit der Erkrankung besch&auml;ftigten Disziplinen, was sich in insgesamt 25 Seiten widerspiegelt.</p> <h2>Bedeutung f&uuml;r die Radiotherapie?</h2> <ul> <li>Infolge der Zusammenlegung der ehemaligen Stadien IA und IB aufgrund der relativ gleichen Verlaufsaussichten auch ohne adjuvante Therapie, sollte hier auch die vielerorts breit eingesetzte endovaginale BT nicht mehr erfolgen.</li> <li>Die perkutane pelvine RT erfolgt nur bei Vorliegen von (teils neu) definierten Risikofaktoren bei nicht durchgef&uuml;hrter Lymphadenektomie und bei Vorliegen von Lymphknotenmetastasen.</li> <li>Hierbei jedoch auch, wenn paraaortale Lymphknotenmetastasen detektiert werden.</li> </ul> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Die durchgef&uuml;hrten Phase-III-Studien konnten mit ihren Ergebnissen vor allem wegen der Nebenwirkungen der pelvinen RT keine wesentlichen Ver&auml;nderungen herbeirufen. Wichtig ist, dass die perkutane RT sowie die BT in Anlehnung an die (neuen) Guidelines erfolgen &ndash; oder noch besser: dass diese in Studien gut dokumentiert und mit optimalen M&ouml;glichkeiten (intensit&auml;tsmodulierte RT zur Schonung der Risiskoorgane) durchgef&uuml;hrt werden.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Ko EM et al.: Did GOG99 and PORTEC1 change clinical practice in the United States? Gynecol Oncol 2013; 129: 12-7 <strong>2</strong> Aalders J et al.: Postoperative external irradiation and prognostic parameters in stage I endometrial carcinoma: Clinical and histopathologic study of 540 patients. Obstet Gynecol 1980; 56: 419-27 <strong>3</strong> Creutzberg CL et al.: Surgery and postoperative radiotherapy versus surgery alone for patients with stage-1 endometrial carcinoma: multicentre randomised trial. PORTEC Study Group. Post Operative Radiation Therapy in Endometrial Carcinoma. Lancet 2000; 355: 1404-11 <strong>4</strong> Keys HM et al.: A phase III trial of surgery with or without adjunctive external pelvic radiation therapy in intermediate risk endometrial adenocarcinoma: a Gynecologic Oncology Group study. Gynecol Oncol 2004; 92: 744-51 <strong>5</strong> Creutzberg CL et al.: Outcome of high-risk stage IC, grade 3, compared with stage I endometrial carcinoma patients: the Postoperative Radiation Therapy in Endometrial Carcinoma Trial. JCO 2004; 22(7): 1234-41 <strong>6</strong> Scholten AN et al.: Postoperative radiotherapy for stage I endometrial carcinoma: long-term outcome of the randomised PORTEC trial with central pathology review. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2005; 63(3): 834-8 <strong>7</strong> Nout RA et al.: Vaginal brachytherapy versus pelvic external beam radiotherapy for patients with endometrial cancer of high-intermediate risk (PORTEC-2): an open-label, non-inferiority, randomised trial. Lancet 2010; 375: 816-23 <strong>8</strong> De Boer SM et al.: Final results of the international randomized PORTEC-3 trial of adjuvant chemotherapy and radiation therapy (RT) versus RT alone for women with high-risk endometrial cancer. J Clin Oncol 2017; 35: Abstr. 5502 <strong>9</strong> Small W et al.: American Brachytherapy Society survey regarding practice patterns of postoperative irradiation for endometrial cancer: current status of vaginal brachytherapy. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2005; 63(5): 1502-7 <strong>10</strong> Small W et al.: American Brachytherapy Society consensus guidelines for adjuvant vaginal cuff brachytherapy after hysterectomy. Brachytherapy 2012; 11: 58-67 <strong>11</strong> Klopp A et al.: The role of postoperative radiation therapy for endometrial cancer: executive summary of an American Society for Radiation Oncology evidencebased guideline. Pract Radiat Oncol 2014; 4: 137-44 <strong>12</strong> Colombo N et al.: ESMO-ESGO-ESTRO Consensus Conference on Endometrial Cancer: diagnosis, treatment and follow-up. Ann Oncol 2016; 27: 16-41</p> </div> </p>
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