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Pollen als Umweltnoxen – Wirkung und Interaktion mit anderen Umweltfaktoren

<p class="article-intro">Weltweit leiden 300–500 Millionen Menschen an allergischem Schnupfen, von ihnen etwa 200 Millionen an allergischem Asthma.<sup>1</sup> Der Anteil der Pollenallergiker ist groß: In Österreich sind beispielsweise bereits etwa 30 % gegen Gräserpollen sensibilisiert, etwa die Hälfte davon leidet an einer manifesten Allergie.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Pollen &ndash; die untersch&auml;tzten Umweltnoxen</h2> <p>Pollen kommen in B&auml;umen, Gr&auml;sern und Kr&auml;utern vor. Aus allergologischer Sicht sind vor allem die sogenannten Windbest&auml;uber relevant, da ihre Pollen &uuml;ber die Luft verbreitet werden und oft &uuml;ber viele Hunderte bis Tausende Kilometer verfrachtet werden k&ouml;nnen.<br /> Pollen haben eine Gr&ouml;&szlig;e von etwa 8&ndash;250&micro;m (Birke: 25&micro;m, Ambrosia: 20&micro;m). Sie sind in ihrer Form meist rund oder l&auml;nglich und zeigen an ihrer Oberfl&auml;che verschiedene, teils bizarre Strukturen (Warzen, Stacheln, Keulen etc.), wodurch sie mikroskopisch unterschieden werden k&ouml;nnen.<sup>2</sup> Je nach Pollenart bedarf es einer bestimmten Anzahl von Pollen in der Luft, um Beschwerden bei Allergikern auszul&ouml;sen (Birken bei 30 Pollen/m<sup>3</sup>, Gr&auml;ser bei 15 Pollen/m&sup3;, Ragweed bereits bei 10 Pollen/ m&sup3;).<sup>3</sup> Auch gibt es starke regionale Unterschiede bei diesem Schwellenwert.<sup>4</sup> In der Schweiz gen&uuml;gen bereits 10 Pollen/ m<sup>3</sup>, um Beschwerden auszul&ouml;sen, in Ungarn braucht es da schon 50 Pollen/m<sup>3</sup>. Die Ursache daf&uuml;r d&uuml;rfte eher nicht in der besseren Toleranz der Ungarn liegen, sondern eher an verschiedenen Umweltfaktoren, die hier beteiligt sind.<br /> Pollen sind Wunder der Natur und sehr effizient. Beispielsweise kann eine einzige Ragweed-Pflanze mehrere Millionen Pollenk&ouml;rner produzieren, die dann &uuml;ber gro&szlig;e Entfernungen transportiert werden k&ouml;nnen.<sup>5</sup></p> <h2>Pollen tragen Allergene &ndash; aber nicht nur</h2> <p>Der Effekt von Pollen, verschiedene Allergien auszul&ouml;sen, ist bekannt. Alle kennen die Beschwerden der allergischen Rhinokonjunktivitis und von Asthma bronchiale. Von vielen Pollenarten sind ihre Hauptallergene bereits bekannt (Birken- Bet v1; Gr&auml;ser-Phl p1,5; Ragweed- Amb a1; Beifu&szlig;-Art v1 etc.). Aber Pollen k&ouml;nnen nicht nur auf dem immunologischen Weg der Allergieausl&ouml;sung Beschwerden verursachen, es gibt auch andere assoziierte Substanzen, die dem K&ouml;rper Schaden zuf&uuml;gen k&ouml;nnen (Abb. 1).<br /> PALMs<sup>6</sup> beispielsweise (nicht allergene, bioaktive, Pollen-assoziierte Lipidmediatoren) k&ouml;nnen &uuml;ber eine verst&auml;rkte Chemotaxis von eosinophilen und neutrophilen Granulozyten proinflammatorisch wirken. Gleichzeitig k&ouml;nnen diese PALMs direkt auf die dendritischen Zellen immunmodulierend wirken (Verst&auml;rkung der TH<sub>2</sub>-Differenzierung und Inhibition von IL-12).<br /> Eine weitere Gruppe von Pollen-assoziierten Substanzen sind die NADPH-Oxidasen<sup>6</sup> (reduzierte Nikotinamidadenindinukleotidphosphatoxidasen), welche direkt Atemwegsepithelzellen sch&auml;digen k&ouml;nnen und damit die Wirkung von Allergenen in den Atemwegen verst&auml;rken.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s9_abb1.jpg" alt="" width="2150" height="1096" /></p> <h2>Pollen interagieren mit Luftschadstoffen</h2> <p>Die sch&auml;digende Wirkung von Luftschadstoffen ist bekannt und in vielen Studien untersucht. Weniger bekannt ist aber, dass es zu einer Interaktion zwischen Luftschadstoffen und Pollen kommen kann.<br /> Staubpartikel, beispielsweise PM10, k&ouml;nnen an ihrer Oberfl&auml;che Pollen und Pollenfragmente tragen und in die tieferen Atemwege transportieren.<sup>7</sup> Auch k&ouml;nnen Schadstoffe wie NO<sub>2</sub> und CO<sub>2</sub> Vitalit&auml;t, Form, Gr&ouml;&szlig;e und Metabolismus des Pollenkorns beeinflussen.<sup>8</sup> Es kann durch Ozon, Schwermetalle, Diesel, SO<sub>2</sub> und CO<sub>2</sub> in der Pflanze zu einer Upregulation bestimmter aktiver Substanzen kommen, die entweder direkt allergen wirken (Chitinasen, Expansin, Oleosin, LTP etc.) oder, wie oben beschrieben, indirekt zellsch&auml;digend wirken k&ouml;nnen (NADPH-Oxidase).<sup>9</sup> Im menschlichen K&ouml;rper kann die IgE-Bindungsf&auml;higkeit des Allergens erh&ouml;ht werden und damit zu einer Verst&auml;rkung der Allergieantwort f&uuml;hren.<sup>10</sup> Eine aktuelle Studie zeigt auch, dass es unter dem Einfluss von Luftschadstoffen wie NO2 zu einer direkten Wirkung auf das Pflanzengenom kommen kann, was zu einer vermehrten Transkription bestimmter Proteine f&uuml;hrt.<sup>11</sup> Vor allem Proteine, die f&uuml;r die Reparatur nach Verwundung der Pflanze (Stress) oder das Pollenschlauchwachstum zust&auml;ndig sind, zeigten hier eine verst&auml;rkte Transkriptionsrate. Aufgrund der Beobachtung, dass viele Allergenproteine (z.B. PR10-Proteine wie Bet v1) und nicht allergene Adjuvanzien in Abwehrprozessen der Pflanzen gegen Mikroben gerichtet sind, untersuchte eine Autorengruppe, ob es ein eigenes Pollenmikrobiom gibt und ob sich hier eine Korrelation mit der Pollenallergenit&auml;t und mit Luftschadstoffen findet.<sup>12</sup> Gesammelt wurden Birken- und Gr&auml;serpollen in der Saison 2014. Weiters wurde die Bakterien- DNA-Diversit&auml;t auf den Pollen untersucht und es wurden Luftschadstoffe gemessen. Gezeigt haben sich ein unterschiedliches Mikrobiommuster bei Gr&auml;ser- und Birkenpollen sowie ein Unterschied des Mikrobioms am Land und in der Stadt. Andererseits war die Bakteriendiversit&auml;t auf den Pollen negativ korreliert mit der Konzentration an NO<sub>2</sub> in der Au&szlig;enluft. Das hei&szlig;t, bei steigender NO<sub>2</sub>-Konzentration zeigte sich ein Abfall der Bakteriendiversit&auml;t auf den Pollen. Die Relevanz f&uuml;r Pflanzen (Stressfaktor oder Symbiose) und Menschen (kein Effekt oder zus&auml;tzliche Noxe) ist bisher nicht klar. Aus anderen Bereichen wissen wir aber, dass eine h&ouml;here Mikrobiomdiversit&auml;t eher von Vorteil ist (z.B. Darmbesiedelung, Asthmapr&auml;vention etc.).</p> <h2>Einfluss des Klimas auf Pollen</h2> <p>Nicht nur Luftschadstoffe, sondern auch klimatische Bedingungen haben einen wichtigen Effekt auf die Pollen. Die Temperatur ist zum Beispiel ein wesentlicher Faktor, der einerseits Einfluss auf die Bl&uuml;hbereitschaft verschiedener allergener Pflanzen zeigt und andererseits neben der Luftfeuchtigkeit auch den Zeitpunkt der Freisetzung von Pollen mitbestimmen kann.<sup>13</sup> Ist die Luftfeuchtigkeit zu hoch, kommt es zu einer Abnahme des Pollenfluges. Auch die Dauer der Pollensaison wird von klimatischen Faktoren wesentlich mitbestimmt und tr&auml;gt zur Gesamtbelastung der Allergiker bei. So zeigte sich, dass aufgrund der ansteigenden Temperaturen die Dauer der Pollensaison in Europa in den letzten 30 Jahren um etwa 10 Tage zugenommen hat. Dabei bestehen gro&szlig;e Unterschiede zwischen den einzelnen Pollenarten. Unter den ambitioniertesten Szenarien zur Reduktion von Treibhausgasen haben wir mit einer Zunahme der mittleren Temperatur bis 2099 um 1,8&deg;C (90 % CI: 1,1&ndash;2,9) zu rechnen. Bei &bdquo;business as usual&ldquo; ist ein Anstieg um 4&deg;C (2,4&ndash;6,5) zu bef&uuml;rchten.<sup>15</sup><br /> Neben der Temperatur spielen auch Windst&auml;rke und Windrichtung eine Rolle.<sup>13</sup> Die &bdquo;ideale&ldquo; Windst&auml;rke f&uuml;r Pollen ist 2&ndash;4m/s. Dabei finden sich die h&ouml;chsten Pollenkonzentrationen in der Luft. Eine Zunahme der Windst&auml;rke f&uuml;hrt aufgrund des Verd&uuml;nnungseffektes zu einer Abnahme der Pollen in der Luft. Die vorherrschende Windrichtung kann vor allem lokale Auswirkungen, also auf die Belastung eines bestimmten Gebiets, haben.<sup>16</sup></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Pollen sind biologische K&ouml;rper, die eine F&uuml;lle von allergenen und nicht allergenen Stoffen (meist Proteine) tragen k&ouml;nnen. W&auml;hrend die allergenen Bestandteile direkt einen Einfluss auf die Ausl&ouml;sung allergischer Symptome bei Pollinosepatienten haben, k&ouml;nnen andere, nicht allergene Bestandteile (z.B. PALMs, NADPH-Oxidasen etc.) indirekt proinflammtorisch, immunmodulierend oder direkt Epithel-sch&auml;digend wirken. Dazu kommen eine Interaktion mit Luftschadstoffen und der Einfluss des Klimas (Abb. 2). Luftschadstoffe haben einen bewiesenen negativen Effekt auf verschiedene Gesundheitsparameter des Menschen. Sie k&ouml;nnen aber auch die Pollenform und -vitalit&auml;t beeinflussen, auf die Transkription bestimmter Proteine wirken und die IgE-Bindungsf&auml;higkeit von Allergenen erh&ouml;hen. Auch die Diversit&auml;t eines Pollen-spezifischen Mikrobioms kann einen bisher noch nicht gekl&auml;rten Effekt auf Pflanze und Mensch haben. Als wichtigster klimatischer Faktor ist v.a. die weltweite Zunahme der Temperatur im Rahmen der globalen Erderw&auml;rmung ein nicht zu untersch&auml;tzender Faktor, der in Zukunft Vegetationszonen verschieben und eine Verl&auml;ngerung der Pollensaison bedeuten kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Pneumo_1801_Weblinks_s9_abb2.jpg" alt="" width="2150" height="1374" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> GINA Report 2011, GA2LEN <strong>2</strong> Bastl K et al.: Pollen und Allergie. Wien: MANZ-Verlag, 2015 <strong>3</strong> Buters J et al.: Allergo J Int 2015; 24: 108-20 <strong>4</strong> D&rsquo;Amato G et al.: Allergy 2007; 62: 976-90 <strong>5</strong> Mandroli P et al.: Methods in Aerobiology. Bologna: Pitagora Editrice, 1998 <strong>6</strong> Traidl-Hoffmann C et al.: J Allergy Clin Immunol 2009; 123(3): 558-66 <strong>7</strong> Pazmandi K et al.: PLoS One 2012; 7(12): e52085 <strong>8</strong> Malayeri BE et al.: Biol Trace Elem Res 2012; 147(1-3): 315-9 <strong>9</strong> Schiavoni G: Ann Allergy Asthma Immunol 2017; 118(3): 269-75 <strong>10</strong> Hong Q Env Poll 2018 <strong>11</strong> Zhao F Enf Poll 2017 <strong>12</strong> Obersteiner A et al.: PLoS One 2016; 11(2): e0149545 <strong>13</strong> Sofiev M, Bergmann K: Allergenic Pollen. Wien: Springer Verlag, 2013 <strong>14</strong> Emberlin J et al.: Int J Biometeorol 2002; 46(4): 159-70 <strong>15</strong> Intergovernmental Panel on Climate Change 2007; online: http://www.ipcc.ch/publications_and_data/publications_ipcc_fourth_assessment_report_synthesis_ report.htm; letzter Zugriff 2.3.2018, 11:51 <strong>16</strong> Grundstr&ouml;m M et al.: Aerobiologia 2017; 33 (4): 457-71</p> </div> </p>
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