© g-stockstudio iStockphoto

Therapieresistente Schizophrenie

<p class="article-intro">Schizophrene Störungen sind schwere psychiatrische Erkrankungen, die neben dem Auftreten von Positiv- und Negativsymptomen durch Beeinträchtigungen der sozialen und kognitiven Funktionen gekennzeichnet sind. Die Entdeckung des antipsychotisch wirksamen Chlorpromazin in den 1950er-Jahren stellte einen Durchbruch in der Behandlung der schizophrenen Störungen dar, wenngleich relativ bald ersichtlich wurde, dass einige Betroffene vom Einsatz verschiedenster antipsychotisch wirksamer Substanzen – mit Ausnahme von Clozapin – wenig oder nicht profitieren.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Eine therapieresistente Schizophrenie ist definiert durch mehr als zwei erfolglose Behandlungsversuche mit unterschiedlichen Antipsychotika in ausreichender Dosis und Dauer.</li> <li>Bei therapieresistenter Schizophrenie gilt die Monotherapie mit Clozapin als Mittel der Wahl.</li> <li>Ob eine polypharmazeutische Behandlung der ultra-therapieresistenten Schizophrenie Vorteile gegen&uuml;ber einer Monotherapie hat, ist nicht eindeutig gekl&auml;rt. Kombinationen von Clozapin mit anderen Antipsychotika haben sich in diesem Fall als potenziell hilfreich erwiesen.</li> <li>Im Sinne eines ganzheitlichen Therapiekonzeptes sollten bei therapieresistenter Schizophrenie neben Antipsychotika auch psycho- und soziotherapeutische Ma&szlig;nahmen eingesetzt werden.</li> </ul> </div> <p>Es gibt heute noch keine einheitliche Definition der therapieresistenten Schizophrenie, was sich auch in unterschiedlichen Behandlungsleitlinien niederschl&auml;gt. Im Allgemeinen gilt ein Patient als therapieresistent, wenn mehr als zwei Behandlungsversuche mit unterschiedlichen Antipsychotika in ausreichend hoher Dosis &uuml;ber mehr als 6 Wochen erfolglos waren. In diesem Fall gilt allgemein eine Monotherapie mit Clozapin als Mittel der Wahl.<br /> 2017 begr&uuml;ndeten internationale Experten die &bdquo;Treatment Response and Resistance in Psychosis (TRRIP) Working Group&ldquo; und einigten sich in einem Konsens auf standardisierte Kriterien f&uuml;r die Definition von Therapieresistenz (Howes et al. 2017). Diese Kriterien sind in Tabelle 1 dargestellt.<br /> Zusammengefasst empfehlen die Experten den Einsatz von klinischen Ratingskalen zur Erfassung der Psychopathologie (z.B. Positive and Negative Syndrome Scale, PANSS) und des Funktionsniveaus (z.B. Social and Occupational Functioning Assessment Scale, SOFAS). Werden der Schweregrad der Erkrankung bzw. die Beeintr&auml;chtigung des Funktionsniveaus eines Patienten nach zumindest sechsw&ouml;chiger Behandlung im therapeutischen Dosisbereich auf Basis der vorgegebenen Bewertungskritierien weiterhin als moderat eingestuft und ist gleichzeitig die Adh&auml;renz gesichert, ist von einer unzureichenden Response auszugehen und eine Therapieumstellung indiziert. Konkret bedeutet dies, dass ein Patient mit Erstmanifestation einer schizophrenen St&ouml;rung nach insgesamt 12-w&ouml;chiger Behandlung mit zwei unterschiedlichen Antipsychotika die Kriterien der Therapieresistenz erf&uuml;llen kann. Umgekehrt sind die Kriterien f&uuml;r eine Behandlungs-Response erf&uuml;llt, wenn die Symptomatik sich w&auml;hrend einer zumindest 6-w&ouml;chigen Behandlung um mindestens 20 % verbessert und der Symptomschweregrad maximal &bdquo;mild&ldquo; ist. Diese Response muss f&uuml;r mindestens 12 Wochen anhalten, und auch die funktionelle Beeintr&auml;chtigung darf maximal als &bdquo;mild&ldquo; zu bewerten sein.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1801_Weblinks_s29_tab1.jpg" alt="" width="2150" height="1940" /></p> <h2>Pr&auml;valenz</h2> <p>Insgesamt sind ca. 25 % aller Patienten mit schizophrenen St&ouml;rungen therapieresistent (Lieberman et al. 1993; Agid et al. 2011; Schennach et al. 2012; Lally et al. 2016; Demjaha et al. 2017), und 70-84 % der therapieresistenten Patienten sind dies ab Erkrankungsbeginn (Lally et al. 2016; Demjaha et al. 2017). Tabelle 2 gibt einen &Uuml;berblick &uuml;ber die Pr&auml;diktoren f&uuml;r Therapieresistenz (Lieberman et al. 1993, Meltzer 1997, Robinson et al. 1999; Joober et al. 2002; Schennach et al. 2012; de Bartolomeis et al. 2013; Ortiz et al. 2013; Dold &amp; Leucht 2014; Frank et al. 2015; Martin &amp; Mowry 2016; Lally et al. 2016; Wimberley et al. 2016; Demjaha et al. 2017).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Neuro_1801_Weblinks_s29_tab2.jpg" alt="" width="685" height="500" /></p> <h2>Neurobiologische Befunde</h2> <p>Verglichen mit First-Line-Respondern findet sich bei Patienten mit therapieresistenter Schizophrenie auf struktureller Ebene frontal, temporal und okzipital eine reduzierte graue Substanz (Anderson et al. 2015). Weiters konnte mittels Positronen- Emissions-Tomografie (PET) gezeigt werden, dass die striatale Dopaminsynthese bei Therapie-Respondern deutlich erh&ouml;ht ist, w&auml;hrend sie bei Patienten mit therapieresistenter Schizophrenie jener von gesunden Kontrollpersonen entspricht (Demjaha et al. 2012). Dies weist auf eine unterschiedliche Pathophysiologie hin und erkl&auml;rt auch die unzureichende Wirkung von Nicht-Clozapin-Antipsychotika bei Therapieresistenz.<br /> Im Gegensatz dazu konnte bei Patienten mit Therapieresistenz mittels Magnetresonanzspektroskopie eine erh&ouml;hte Glutamatkonzentration gezeigt werden, w&auml;hrend sich Therapie-Responder und ultratherapieresistente (nicht auf Clozapin ansprechende) Patienten diesbez&uuml;glich nicht von gesunden Kontrollpersonen unterschieden (Demjaha et al. 2014; Goldstein et al. 2015). Diese Befunde unterst&uuml;tzen die Hypothese, wonach die besondere Wirksamkeit von Clozapin bei Therapieresistenz einerseits durch eine Inhibition der Glycin-Transporter erkl&auml;rt werden kann, wodurch es zu einer erh&ouml;hten glutamatergen Neurotransmission kommt, bzw. andererseits durch eine Interaktion von Clozapin mit der Glycin-Bindungsstelle des NMDA-Rezeptors (Javitt et al. 2004; Schwieler et al. 2008).</p> <h2>Behandlung der therapieresistenten Schizophrenie</h2> <p>Grunds&auml;tzlich gilt bei therapieresistenter Schizophrenie zun&auml;chst die Monotherapie mit Clozapin als Mittel der Wahl (Lehmann et al. 2004; Buchanan et al. 2010; Hasan et al. 2012; Leucht et al. 2013; Dold &amp; Leucht 2014; Sagud 2015; Siskind et al. 2016). Allerdings sprechen bis zu 70 % der therapieresistenten F&auml;lle auch auf Clozapin nicht an, und die Substanz weist ein problematisches Nebenwirkungsprofil auf, sodass die Verordnung insgesamt seltener als indiziert (Warnez und Alessi-Severini 2014) bzw. verz&ouml;gert (Howes et al. 2012) erfolgt. Dies ist insofern problematisch, als j&uuml;ngere Untersuchungen deutlich zeigen konnten, dass die Response auf Clozapin vom Zeitpunkt des Behandlungsbeginns abh&auml;ngt (z.B. Yada et al. 2015). Eine rezente Untersuchung ergab, dass die Response-Rate bei einem Behandlungsbeginn innerhalb der ersten 2,8 Erkrankungsjahre bei 81,6 % liegt, w&auml;hrend sie bei einem sp&auml;teren Behandlungsbeginn auf 30,8 % absinkt (Yoshimura et al. 2017).</p> <h2>Behandlung der ultratherapieresistenten Schizophrenie</h2> <p>Die Frage, ob eine Polypharmazie in der Behandlung der Schizophrenie Vorteile gegen&uuml;ber einer Monotherapie hat, ist nach wie vor nicht eindeutig gekl&auml;rt. Bei fehlendem Ansprechen auf Clozapin haben sich vor allem Kombinationen von Clozapin mit Antipsychotika mit ausgepr&auml;gtem Dopamin- D2-Antagonismus als potenziell hilfreich erwiesen. Dazu z&auml;hlen Antipsychotika der ersten Generation (Kapur et al. 2001), Risperidon (Josiassen et al. 2005) und Amisulprid (Assion et al. 2008).<br /> Bei nicht beeinflussbarer Psychose, persistierender Negativsymptomatik oder speziellen Zielsymptomen (z.B. Angst oder Depression) werden h&auml;ufig Augmentationstherapien initiiert. Positive Effekte konnten f&uuml;r die Augmentation von Clozapin mit Lamotrigin, Topiramat oder Mirtazapin nachgewiesen werden (Sommer et al. 2012). Als besonders wirksam hat sich die Kombination von Clozapin mit einer Elektrokonvulsionstherapie erwiesen (z.B. Petrides et al. 2015). Auch zeigt die Augmentation einer psychopharmakologischen Behandlung mit Clozapin durch eine kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie positive Effekte in Bezug auf eine Verbesserung der allgemeinen Psychopathologie sowie der Positivsymptomatik.<br /> Insgesamt erfordert ein ganzheitliches Therapiekonzept bei therapieresistenter Schizophrenie wie bei schizophrenen St&ouml;rungen im Allgemeinen, dass neben Antipsychotika auch psycho- und soziotherapeutische Ma&szlig;nahmen eingesetzt werden. Dies erkl&auml;rt sich dadurch, dass die Erkrankung einerseits eine neurobiologische Grundlage hat, andererseits jedoch durch &auml;u&szlig;ere psychosoziale Bedingungen beeinflusst wird, was zwangsweise erfordert, die genannten Therapieformen als integrative und nicht als alternative Ma&szlig;nahmen zu verstehen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
Back to top