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6. Basler Demenzforum: Updates zu Diagnose und Therapie

<p class="article-intro">Experten und Interessierte trafen einander im November 2017 zum fachlichen Austausch über die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der Demenzerkrankungen. Im Interview sprachen die Organisatoren Prof. Dr. phil. Andreas U. Monsch, Leiter der Memory Clinic, und Prof. Dr. med. Reto W. Kressig, Ärztlicher Direktor, Universitäre Altersmedizin Felix Platter-Spital in Basel, über die verschiedenen Themen der Veranstaltung.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigen Aspekte aus dem Demenzforum 2017?<br /><br /> A. Monsch:</strong> Bez&uuml;glich der Fr&uuml;herkennung von Hirnleistungsst&ouml;rungen bei &auml;lteren Menschen konnten wir in den letzten Jahren einen aus meiner Sicht sehr sinnvollen Algorithmus entwickeln (Abb. 1). Das BrainCoach-Programm versucht nach dem Motto &laquo;Use it or lose it!&raquo; bei Menschen mit (nur) subjektiven Schw&auml;chen die kognitive Reserve zu verbessern. Im Rahmen des &laquo;case finding &raquo; kann der Hausarzt bei ausgew&auml;hlten Patienten den &laquo;Brain Check&raquo; durchf&uuml;hren. Dieser Test sagt ihm, ob eine weiterf&uuml;hrende Abkl&auml;rung notwendig ist. Falls der Hausarzt selbst weiter abkl&auml;ren m&ouml;chte, kann er das Montreal Cognitive Assessment (MoCA; www. mocatest.org) durchf&uuml;hren. F&uuml;r diesen Test stehen ganz neu auch Normwerte f&uuml;r das deutschsprachige Europa zur Verf&uuml;gung.<br /> Bez&uuml;glich medikament&ouml;ser Optionen gibt es keine neuen M&ouml;glichkeiten. Die bisherigen Studien waren leider nicht erfolgreich. Damit haben die nicht pharmakologischen M&ouml;glichkeiten zurzeit einen h&ouml;heren Stellenwert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Neuro_1801_Weblinks_s27_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1146" /></p> <p><br /> <strong>Welche Rolle hat der Hausarzt bei der Demenzfr&uuml;herkennung? Ist Ihrer Erfahrung nach die Zusammenarbeit zwischen Allgemeinmedizinern als erste Anlaufstelle und dem Facharzt respektive der Spezialklinik zufriedenstellend?<br /><br /> A. Monsch:</strong> Der Hausarzt hat hier eine absolute Schl&uuml;sselrolle inne. Wir legen sehr grossen Wert auf eine sorgf&auml;ltige Kommunikation zwischen den zuweisenden Haus&auml;rzten und der Memory Clinic. Aus meiner Sicht funktioniert daher diese Kommunikation zumindest hier in Basel auch sehr gut.<br /><br /><strong> Wie beurteilen Sie die Lage bei der Identifikation von Biomarkern zur Demenzfr&uuml;herkennung? Wo liegen die Herausforderungen?<br /><br /> A. Monsch:</strong> Das Problem zurzeit ist, dass wir zwar &uuml;ber Biomarker, zum Beispiel aus dem Liquor, verf&uuml;gen, die Analyse jedoch von den Krankenkassen (noch) nicht verg&uuml;tet wird. Das entsprechende Argument lautet: Ein positiver Biomarker hat (noch) keine therapeutische Konsequenz. Wir befinden uns also hier noch in der Phase der Forschung.<br /><br /><strong> Wie ist die Stimmungslage der schweizerischen &Auml;rzte zur Fr&uuml;herkennung der Demenz? &Uuml;berwiegen die Bef&uuml;rworter oder Kritiker &ndash; und mit welchen Argumenten?<br /><br /> A. Monsch:</strong> Die &uuml;berwiegende Mehrheit der &Auml;rzte in der Schweiz erkennt durchaus die Vorteile einer Fr&uuml;herkennung. Sie wissen, dass die fr&uuml;hzeitige medikament&ouml;se und nicht medikament&ouml;se Intervention f&uuml;r die Patienten und ihre Familien entscheidende Vorteile bringt. Selbstverst&auml;ndlich warten wir alle auf einen Durchbruch bei der Therapie &ndash; einer Therapie, die wesentlich wirksamer sein muss als diejenige, die heute zur Verf&uuml;gung steht.<br /><br /> <strong>Viele Wirkstoffe zur Behandlung der Demenz befinden sich gerade in der Entwicklung, welche sind die aussichtsreichsten Kandidaten?<br /><br /> R. W. Kressig:</strong> Bei den Beta-Amyloid- Immunisierungstherapien sind dies aus meiner pers&ouml;nlichen Sicht die drei Molek&uuml;le Aducanumab (Biogen), Gantenerumab (Roche) und CAD-106 (Novartis). Neben den &ndash; im Vergleich zu fr&uuml;heren Beta-Amyloid-Immunisierungstherapien &ndash; weiter gesch&auml;rften Molek&uuml;lprofilen sind hier auch die Studiendesigns sehr innovativ und erfolgversprechend mit einer Studiendurchf&uuml;hrung in gezielteren und enger definierten Patientenpopulationen (z.T. bzgl. Demenz asymptomatisch, aber mit h&ouml;chstem [genetischem] Risiko, eine solche zu entwickeln). Interessant scheinen mir auch die noch in fr&uuml;heren Entwicklungsphasen steckenden Tau-Molek&uuml;le. Hier sollten auch bald gr&ouml;ssere klinische Phase-III-Studien anlaufen!<br /><br /><strong> Neben m&ouml;glichst fr&uuml;her Diagnose ist auch multifaktorielle Behandlung basierend auf nicht pharmakologischen und medikament&ouml;sen Ans&auml;tzen von Bedeutung. Wie sieht die pharmakologische &laquo;State of the Art&raquo;-Therapie aus?<br /><br /> R. W. Kressig:</strong> Hier hat sich &ndash; leider &ndash; seit meiner Publikation in &laquo;Der informierte Arzt&raquo; (2015) nicht wirklich etwas ge&auml;ndert, ausser, dass Ginkgo neben 2x 120mg/d auch in einer t&auml;glichen Einmaldosis von 240mg gegeben werden kann.<br /><br /><strong> Wo setzen nicht pharmakologische Therapien an und welchen Stellenwert haben sie?<br /><br /> R. W. Kressig:</strong> Nicht medikament&ouml;se Behandlungsm&ouml;glichkeiten bei Demenz bilden neben einer fr&uuml;hzeitigen Demenzdiagnose, den medikament&ouml;sen Therapien und Unterst&uuml;tzungsmassnahmen f&uuml;r die Betreuer einen wesentlichen Pfeiler im erfolgreichen Management der Demenzerkrankung. Die multiplen existierenden nicht medikament&ouml;sen Interventionsprogramme basieren zum grossen Teil auf der Kommunikation mit Emotionen und entfalten ihre Hauptwirkung in der Minderung von demenzassoziierten psychosozialen Verhaltensauff&auml;lligkeiten.<br /> K&ouml;rperliche Aktivit&auml;tsprogramme zeigen zus&auml;tzliche Vorteile f&uuml;r die Alltagsfunktionalit&auml;t, die insbesondere bei gleichzeitiger proteinreicher Ern&auml;hrung und Vitamin-D-Supplementation deutlich l&auml;nger erhalten werden kann. Musik und musikbasierte Bewegungsprogramme wie Tanz und Rhythmik scheinen besonders geeignet, um Hirnreserven zu mobilisieren und damit die Kognition signifikant zu verbessern.<br /><br /><strong> Wie kann der Arzt hier seinen Patienten bei der Erstellung eines Vorsorgeauftrages respektive einer Patientenverf&uuml;gung unterst&uuml;tzen?<br /><br /> A. Monsch:</strong> Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass Vorsorgeauftrag und Patientenverf&uuml;gung &ndash; aber auch gegebenenfalls ein Testament &ndash; so fr&uuml;hzeitig wie m&ouml;glich erstellt werden. Ein Arzt sollte sich mit den entsprechenden formalen und inhaltlichen Aspekten inklusive der Frage der Urteilsf&auml;higkeit vertraut machen, um seine Patienten entsprechend unterst&uuml;tzen zu k&ouml;nnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Neuro_1801_Weblinks_s27_abb2.jpg" alt="" width="1455" height="1243" /></p></p>
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