© BrianAJackson iStockphoto

Sieht aus wie ein ACS, ist aber keines: Perikarditis, Myokarditis, Tako-Tsubo-Kardiomyopathie

<p class="article-intro">Thoraxschmerzen mit gleichzeitigem Anstieg der kardialen Biomarker sind nicht gleichzusetzen mit einem akuten Koronarsyndrom. Andere mögliche Ursachen dafür sind beispielsweise die Perimyokarditis und die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Diagnose eines Herzinfarkts baut immer noch auf die 3 Grundpfeiler: Thoraxbeschwerden, EKG, kardiale Biomarker (v.a. Troponin).</li> <li>Etwa 20 % der Patienten mit Verdacht auf ein ACS und erh&ouml;hten kardialen Biomarkern haben keine eindeutige &laquo;culprit lesion&raquo; in der Koronarangiografie und somit kein eigentliches ACS.</li> <li>Beim Myokardinfarkt, der immer durch eine myokardiale Isch&auml;mie bedingt ist, werden 5 verschiedene Typen unterschieden, wobei im klinischen Alltag v.a. die Unterscheidung von Typ-1- und Typ-2-Infarkt entscheidend ist.</li> <li>Bei der Perimyokarditis entsteht der Anstieg der kardialen Biomarker im Rahmen eines sogenannten &laquo;myocardial injury&raquo;. Trotz Troponinanstiegs handelt es sich dabei nicht um einen Myokardinfarkt.</li> <li>Bei der Tako-Tsubo-Kardiomyopathie entsteht der Myokardschaden (wahrscheinlich) im Rahmen von (mikro)vaskul&auml;ren Spasmen oder direkter Toxizit&auml;t der Katecholamine f&uuml;r die Myozyten. Deshalb handelt es sich auch hier trotz Anstiegs von Troponin und event. CK nicht um einen Myokardinfarkt.</li> </ul> </div> <p>Thoraxschmerzen sind das zweith&auml;ufigste Leitsymptom (nach Bauchschmerzen) bei Patienten, die eine Notfallstation aufsuchen.<sup>1</sup> Zum Gl&uuml;ck haben nur etwa 10&ndash;20 % dieser Patienten ein akutes Koronarsyndrom (ACS) und davon etwa nur ein Drittel einen akuten ST-Hebungsinfarkt (STEMI).<sup>2</sup></p> <h2>Definition des ACS und des akuten Myokardinfarkts</h2> <p>Das ACS ist der Oberbegriff f&uuml;r die Entit&auml;ten Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI), ST-Hebungsinfarkt (STEMI) und instabile Angina pectoris (instabile AP). STEMI ist definiert als Brustschmerzen und im EKG ST-Hebungen in zwei benachbarten Ableitungen w&auml;hrend &gt;20min. NSTEMI ist definiert als Brustschmerzen und transiente ST-Hebungen im EKG, T-Negativierungen, ST-Senkungen oder ein normales EKG. Sowohl beim STEMI als auch beim NSTEMI sind die kardialen Biomarker erh&ouml;ht, nicht aber bei der instabilen AP.<br /> In diesem Zusammenhang ist auch die Definition des akuten Myokardinfarkts wichtig. Die Diagnose eines akuten Myokardinfarkts (AMI) basiert im Grundsatz immer noch auf den 3 Pfeiler: Klinik (thorakale Beschwerden), Labor (v.a. Troponin) und EKG.<br /> Die Definition des AMI umfasst einen Myokardschaden aufgrund einer Isch&auml;mie und einen Anstieg und/oder Abfall von kardialen Biomarkern (idealerweise des Troponins, mit mindestens einem Wert &gt;99. Perzentile [&gt;10ng/l f&uuml;r Troponin T]) und Brustschmerzen, ST- oder T-Wellenver&auml;nderung im EKG, einen neuen Linksschenkelblock im EKG, die Entwicklung von neuen Q-Zacken im EKG, Wandbewegungsst&ouml;rung in der kardialen Bildgebung oder den Nachweis eines intrakoronaren Thrombus in der Koronarangiografie oder Autopsie.<sup>3</sup><br /> Es werden verschiedene Typen von Myokardinfarkt unterschieden (Tab. 1), wobei im klinischen Alltag v.a. die Unterscheidung von Typ-1- und Typ-2-Infarkt entscheidend ist. Wichtig ist zu verstehen, dass ein Anstieg der kardialen Biomarker nicht auf die Ursache schliessen l&auml;sst, das heisst also, dass nicht jeder Troponinanstieg gleichbedeutend ist mit einem AMI. Es gibt viele Ursachen f&uuml;r einen Anstieg von Troponin oder CK ohne kardiale Isch&auml;mie (Tab. 2). Dies wird im englischen Sprachgebrauch u.a. auch als &laquo;myocardial injury&raquo; bezeichnet. Im klinischen Alltag liegt im Endeffekt bei etwa 20 % der Patienten mit Verdacht auf ein ACS und entsprechend erh&ouml;hten kardialen Biomarkern eine andere Ursache f&uuml;r den Troponinanstieg vor. Zwei solche Entit&auml;ten werden im Folgenden etwas detaillierter behandelt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1801_Weblinks_lo_innere_medizin_1801_s36_tab1.jpg" alt="" width="1441" height="671" /></p> <h2>Perikarditis und Myokarditis</h2> <p>Die Inzidenz der akuten Perikarditis liegt bei etwa 28 F&auml;lle pro 100 000 Einwohner pro Jahr.<sup>4</sup> Von einer Perimyokarditis spricht man, wenn zus&auml;tzlich zum Perikard auch das Myokard von der Entz&uuml;ndung betroffen ist. Dies manifestiert sich in einem Anstieg der kardialen Biomarker (v.a. Anstieg des Troponinwerts). Etwa 5 % der Notfallbesuche wegen Thoraxschmerzen sind auf eine akute Perikarditis zur&uuml;ckzuf&uuml;hren.<sup>5</sup> Die h&auml;ufigste Ursache f&uuml;r eine Perikarditis bei uns ist ein viraler Infekt (Tab. 3),<sup>6</sup> M&auml;nner sind doppelt so h&auml;ufig betroffen wie Frauen. Die Diagnose basiert v.a. auf der Klinik (atemabh&auml;ngige Thoraxschmerzen mit Besserung im Sitzen oder beim Nach-vorne- Beugen [85&ndash;90 % ]), dem Perikardreiben bei der Auskultation (&lt;33 % der Patienten) sowie den typischen EKG-Ver&auml;nderungen mit diffuser ST-Hebung oder PQ-Senkung. Typisch f&uuml;r eine akute Perikarditis ist die ST-Hebung aus der aufsteigenden S-Zacke heraus (sog. &laquo;Storchenf&uuml;sse&raquo;; Abb. 1). Zur Risikostratifizierung gibt es sogenannte Major- und Minor-Kriterien (Tab. 4). Falls eines dieser Kriterien erf&uuml;llt ist, sollte der Patient hospitalisiert werden. Andernfalls kann man den Patienten ambulant behandeln.<br /> Als Akuttherapie sind in erster Linie NSAR oder Aspirin indiziert. Neuerdings wird sowohl zur Akuttherapie als auch zur Behandlung eines Rezidivs auch Colchicin empfohlen.<sup>7, 8</sup> Bei Kontraindikation f&uuml;r NSAR k&ouml;nnen auch Steroide probiert werden. Die nicht medikament&ouml;se Therapie umfasst k&ouml;rperliche Schonung, und zwar so lange, bis sich Symptome, Labor, EKG und Echo normalisiert haben. Leistungssportler sollten sich mindestens drei Monate lang schonen, Nichtathleten entsprechend k&uuml;rzer. Die Prognose der Perikarditis ist grunds&auml;tzlich gut, m&ouml;gliche Komplikationen sind Perikardtamponade, Konstriktion im Verlauf oder ein Rezidiv. Die Rezidivrate liegt bei ca. 15&ndash;30 % , wobei diese durch Colchicingabe um etwa die H&auml;lfte gesenkt werden kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1801_Weblinks_lo_innere_medizin_1801_s37_tab2-4.jpg" alt="" width="1453" height="1958" /></p> <h2>Tako-Tsubo-Kardiomyopathie</h2> <p>Die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie (TTK) wurde erstmalig 1990 beschrieben.<sup>9</sup> Es handelt sich um ein reversibles Herzinsuffizienzsyndrom mit einer segmentalen Dyskinesie, typischerweise des Apex (Synonyme: &laquo;transient apical ballooning&raquo;, &laquo;broken heart syndrome&raquo;, &laquo;stress induced cardiomyopathy&raquo;; Abb. 2). In &gt;70 % der F&auml;lle wird die Erkrankung durch physischen oder psychisch-emotionalen Stress ausgel&ouml;st, etwa 80&ndash;90 % der Betroffenen sind weiblich.<sup>10</sup> Die Beschwerden sind praktisch nicht von einem ACS zu unterscheiden und umfassen typischerweise Brustschmerzen, Atemnot oder Synkope. Die EKG-Ver&auml;nderungen reichen von TNegativierung &uuml;ber ST-Hebungen, pathologische Q-Zacken bis zu QT-Zeit-Verl&auml;ngerung. Die kardialen Biomarker (v.a. Troponin) sind ebenfalls leicht erh&ouml;ht. Typischerweise haben die Patienten in der Koronarangiografie normale Koronarien, wobei eine koronare Herzkrankheit (KHK) eine TTK nicht ausschliesst. Etwa 15 % der Patienten mit einer TTK haben gleichzeitig auch eine KHK.<sup>10</sup> Pathophysiologisch spielen Katecholamine eine wichtige Rolle; so kann das Krankheitsbild auch iatrogen durch die Gabe von Katecholaminen induziert werden. Die exakten pathophysiologischen Mechanismen sind nicht ganz klar, wobei (mikro)vaskul&auml;re Spasmen, akute Nachlasterh&ouml;hung und direkte katecholaminerge Toxizit&auml;t am Myozyten eine Rolle spielen k&ouml;nnten.<sup>11&ndash;13</sup> Bei Patienten im kardiogenen Schock umfasst die Therapie den grossz&uuml;gigen Einsatz von mechanischen kreislaufunterst&uuml;tzenden Massnahmen (intraaortale Ballonpumpe [IABP], &laquo;left ventricular assist device&raquo; [LVAD]), um m&ouml;glichst auf Katecholamine verzichten zu k&ouml;nnen. Bei leichteren F&auml;llen (LVEF &gt;45 % , systolischer Blutdruck &gt;110mmHg, keine Mitralinsuffizienz, keine dynamische Obstruktion des linksventrikul&auml;ren Ausflusstraktes etc.) werden Betablocker und ACE-Hemmer empfohlen entsprechend den Herzinsuffizienz- Guidelines, zumindest so lange, bis sich die LVEF wieder normalisiert hat. Eine systematische Antikoagulation wird nicht empfohlen, ausser bei Patienten mit nachgewiesenem intraventrikul&auml;rem Thrombus. Bei Patienten mit schwer eingeschr&auml;nkter LVEF und entsprechend ausgepr&auml;gter Dyskinesie kann eine Antikoagulation f&uuml;r 48 Stunden erwogen werden. Die Prognose ist mit einer Spitalmortalit&auml;t von 2&ndash;5 % &auml;hnlich wie diejenige des ACS.<sup>10, 14</sup> Todesursachen sind haupts&auml;chlich Kammerflimmern und refrakt&auml;rer kardiogener Schock. Die Rezidivrate nach 5 Jahren liegt bei etwa 10&ndash;15 % ,<sup>10, 15</sup> wobei die dauerhafte Gabe eines Betablockers nur einen geringen Schutz bietet.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1801_Weblinks_lo_innere_medizin_1801_s38_abb1+2.jpg" alt="" width="1418" height="1816" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Thoraxschmerzen sind ein h&auml;ufiges Leitsymptom bei Patienten auf der Notfallstation. Zum Gl&uuml;ck hat nur eine Minderheit davon ein akutes Koronarsyndrom. Ein Anstieg der kardialen Biomarker (v.a. Troponin) bei diesen Patienten ist nicht gleichbedeutend mit einem ACS, denn es gibt viele andere Ursachen f&uuml;r einen Anstieg des Troponins. Die Perimyokarditis und die Tako-Tsubo-Kardiomyopathie sind zwei solche Beispiele. Ein akuter Myokardinfarkt liegt nur vor, wenn der Anstieg der kardialen Biomarker durch eine myokardiale Isch&auml;mie bedingt ist.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Bhuiya FA et al.: Emergency department visits for chest pain and abdominal pain: United States, 1999-2008. NCHS Data Brief 2010; (43): 1-8 <strong>2</strong> Mozaffarian D et al.: Heart disease and stroke statistic--2015 update. Circulation 2014; 131: e29-322 <strong>3</strong> Thygesen K et al.: Third universal definition of myocardial infarction. Eur Heart J 2012; 33: 2551-67 <strong>4</strong> Imazio M et al.: Myopericarditis versus viral or idiopathic acute pericarditis. Heart 2008; 94: 498-501 <strong>5</strong> Imazio M, Gaita F: Diagnosis and treatment of pericarditis. Heart 2015; 101: 1159-68 <strong>6</strong> Imazio M et al.: Controversial issues in the management of pericardial diseases. Circulation 2010; 121: 916-28 <strong>7</strong> Imazio M et al.; ICAP Investigators: A randomized trial of colchicine for acute pericarditis. N Engl J Med 2013; 369: 1522-8 <strong>8</strong> Imazio M et al.: Colchicine in addition to conventional therapy for acute pericarditis: results of the COlchicine for acute PEricarditis (COPE) trial. Circulation 2005; 112: 2012-6 <strong>9</strong> Sato H et al.: Takotsubo-type cardiomyopathy due to multivessel spasm. In: Kodama K et al. (eds.): Clinical aspect of myocardial injury: from ischemia to heart failure. Tokyo: Kagakuhyouronsya Co., 1990. p56-64 <strong>10</strong> Templin C et al.: Clinical features and outcomes of Takotsubo (stress) cardiomyopathy. N Engl J Med 2015; 373: 929-38 <strong>11</strong> Nef HM et al.: Mechanisms of stress (Takotsubo) cardiomyopathy. Nat Rev Cardiol 2010; 7: 187-93 <strong>12</strong> Redfors B et al.: Are the different patterns of stress-induced (Takotsubo) cardiomyopathy explained by regional mechanical overload and demand: supply mismatch in selected ventricular regions? Med Hypotheses 2013; 81: 954-60 <strong>13</strong> Tranter MH et al.: Takotsubo cardiomyopathy: the pathophysiology. Heart Fail Clin 2013; 9: 187-96, viii&ndash;ix <strong>14</strong> Redfors B et al.: Mortality in Takotsubo syndrome is similar to mortality in myocardial infarction--a report from the SWEDEHEART registry. Int J Cardiol 2015; 185: 282-9 <strong>15</strong> Prasad A et al.: Apical ballooning syndrome (Tako-Tsubo or stress cardiomyopathy): a mimic of acute myocardial infarction. Am Heart J 2008; 155: 408-17</p> </div> </p>
Back to top