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Brugada-Syndrom und die Gefahr des plötzlichen Herztodes

<p class="article-intro">Das erstmals im Jahre 1992 beschriebene Brugada-Syndrom (BrS) ist eine seltene erworbene Ionenkanalerkrankung eines strukturell unauffälligen Herzens und eine der Hauptursachen des plötzlichen Herzstillstandes.<sup>1</sup> Die Prävalenz des BrS in der Gesamtbevölkerung liegt etwa bei 1 : 2000 bis 1 : 5000. Patienten in asiatischen Ländern weisen die für das BrS typischen EKG-Veränderungen im Vergleich zu Patienten in Europa und den USA häufiger auf.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Erstmanifestation in Form von Herzrhythmusst&ouml;rungen kann in jedem Lebensalter erfolgen, da das BrS auch mit dem pl&ouml;tzlichen Kindstod in Verbindung gebracht wird. Statistisch gesehen zeigen sich beim Kammerflimmern ein erstmaliges Auftreten rund um das 40. Lebensjahr und eine h&ouml;here Pr&auml;valenz bei M&auml;nnern als bei Frauen. Am pl&ouml;tzlichen Herztod sterben laut einer europ&auml;ischen Studie j&auml;hrlich 1,34/100 000 Personen, betroffen sind im Verh&auml;ltnis 1:5,5 auch hier mehr M&auml;nner als Frauen.<sup>2</sup><br />Die &Auml;tiologie des Brugada-Syndroms ist noch nicht vollst&auml;ndig gekl&auml;rt. Trotz oftmals unauff&auml;lliger Familienanamnese ist eine famili&auml;re H&auml;ufung mit typischerweise autosomal-dominantem Erbgang nachgewiesen. In etwa 25 % der F&auml;lle ist die Ursache eine Punktmutation des SCN5A-Gens, das f&uuml;r den spannungsabh&auml;ngigen Natriumkanal codiert. Pathophysiologisch f&uuml;hrt dies zu einem Strukturdefekt des Natriumkanals mit folgendem vermindertem Natriumeinstrom in der Depolarisationsphase des Aktionspotenzials, der mit der Konsequenz einer zu fr&uuml;hen und ungleichm&auml;&szlig;igen Repolarisation der Herzmuskelzellen einhergeht. Aufgrund dieser Repolarisationsst&ouml;rung sind Aktionspotenziale, die zu fr&uuml;h in diese kardialen Zellen einfallen, der Impuls f&uuml;r die gef&uuml;rchtete polymorphe ventrikul&auml;re Tachykardie, auch genannt Torsade-de-Pointes-Arrhythmie. Diese k&ouml;nnen in Kammerflimmern &uuml;bergehen und schlussendlich zur schwerwiegendsten Komplikation des Brugada-Syndroms, dem pl&ouml;tzlichen Herztod, f&uuml;hren.<sup>2</sup></p> <h2>Diagnosestellung des Brugada-Syndroms</h2> <p>Die Diagnosestellung des Brugada-Syndroms erfolgt zum einen anhand des typischen elektrokardiografischen (EKG) Befundes und zum anderen mit dem anamnestisch und klinischen Erscheinungsbild des Patienten, da diese Krankheit auch lebenslang asymptomatisch verlaufen kann. Diagnostisch relevante Kriterien beziehungsweise Symptome sind spontane Episoden von Kammerflimmern oder polymorphen ventrikul&auml;ren Tachykardien sowie ein durchgemachter pl&ouml;tzlicher Herzstillstand, rezidivierende Synkopen, n&auml;chtliche Schnappatmung und familienanamnestisch pl&ouml;tzliche Herztode und typische EKG-Ver&auml;nderungen. Weitere charakteristische klinische Zeichen sind Schwindel, Angina pectoris oder Schwei&szlig;ausbr&uuml;che.<sup>1</sup><br />Das typische elektrokardiografische Bild wird f&uuml;r die Diagnosestellung des Brugada-Syndroms gem&auml;&szlig; den aktuellen Guidelines der European Society of Cardio&shy;logy (ESC) mit der Klasse IC eingestuft. Dabei zeigen sich in den rechtspr&auml;kordialen Ableitungen (V1&ndash;V3) atypische ST-Streckenhebungen von &ge;2mV, die im Vergleich zum Myokardinfarkt eine &bdquo;dachf&ouml;rmige&ldquo; Struktur aufweisen (Abb. 1). Das Brugada-Syndrom stellt somit eine Blickdiagnose dar.<sup>3</sup> Die an die ST-Strecken-Hebung anschlie&szlig;ende Negativierung der T-Welle sowie ein vorliegender inkompletter oder kompletter Schenkelblock werden in den aktuellen Guidelines zur EKG-Diagnostik des BrS nicht beschrieben. In der Literatur werden die Kombination aus ST-Strecken-Hebung mit anschlie&szlig;ender T-Wellen-Negativierung, der sogenannte &bdquo;coved type&ldquo;, oder auch EKG-Ver&auml;nderung vom &bdquo;Typ I&ldquo;, sowie ein verbreiteter QRS-Komplex sehr wohl als entscheidende diagnostische Kriterien herangezogen. Elektrokardiografisch kann sich das Brugada-Syndrom in zwei weiteren, f&uuml;r die Diagnose jedoch nicht relevanten Formen pr&auml;sentieren. &bdquo;Typ II&ldquo; beschreibt eine &bdquo;saddleback&ldquo;-geformte &ge;2mm hohe ST-Hebung, bei &bdquo;Typ III&ldquo; liegt eine ST-Strecken-Ver&auml;nderung des &bdquo;Typs I&ldquo; oder des &bdquo;Typs II&ldquo; vor, jedoch mit einer Hebung von &lt;2mm (Abb. 2).<sup>2, 4</sup> Die verschiedenen elektrokardiografischen Morphologien, das hei&szlig;t Typ I bis Typ III, k&ouml;nnen t&auml;glich, zirkadian, aber auch von Herzschlag zu Herzschlag variieren.<sup>5</sup> Ein Brugada-Syndrom kann aber auch ohne jegliche EKG-Ver&auml;nderung vorliegen; nun spricht man nicht mehr von einem &bdquo;manifesten&ldquo;, sondern von einem &bdquo;verborgenen&ldquo; Brugada-Syndrom.<sup>4</sup> Bei unauff&auml;lligem EKG-Befund, aber entsprechender Symptomatik, wie tachykarden ventrikul&auml;ren Rhythmusst&ouml;rungen, unklaren rezidivierenden Synkopen, positiver Familienanamnese oder bei Vorliegen der nicht diagnostischen Typ-II- oder Typ-III-EKG-Morphologien ist die Durchf&uuml;hrung eines Provokationstests unter stetiger EKG-Aufzeichnung indiziert.<sup>2</sup><br />Mittels intraven&ouml;ser Injektion eines Natriumkanalblockers wie Ajmalin (1mg/kg), Flecainid (2mg/kg) oder Procainamid (10mg/kg) erfolgt eine Demaskierung eines m&ouml;glichen &bdquo;coved type&ldquo; und somit die endg&uuml;ltige Diagnosestellung eines Brugada-Syndroms.<sup>4</sup> <br />Differenzialdiagnostisch zum Brugada-Syndrom treten im EKG ST-Strecken-Hebungen in den ersten Brustwandableitungen beispielsweise bei Herzinfarkt oder Isch&auml;mie, bei akuten Myokarditiden, Myopathien oder Schenkelblockbildern auf.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s36.jpg" alt="" width="1420" height="2251" /></p> <h2>Therapeutische Ma&szlig;nahmen</h2> <p>Zu den wichtigsten und von den ESC Guidelines als Klasse IC eingestuften therapeutischen Ma&szlig;nahmen z&auml;hlt zum einen die Modifikation des Lebensstils mit dem Verzicht auf exzessiven Alkoholkonsum und gr&ouml;&szlig;ere Mahlzeiten, zum anderen die Achtsamkeit hinsichtlich einer unbedachten Einnahme von Medikamenten, die allesamt zur Entschleierung eines Brugada-Syndroms vom &bdquo;Typ I&ldquo; f&uuml;hren oder gar initial ein Kammerflimmern ausl&ouml;sen k&ouml;nnen. Zu den Arzneimitteln z&auml;hlen Antiarrhythmika der Klassen I, II und IV, Alphablocker, psychotrope Substanzen, wie Amitriptylin oder Lithium, sowie die An&auml;sthetika Procain und Propofol. Eine Zusammenstellung der zu vermeidenden Pharmaka ist auf der Webseite www.&shy;brugadadrugs.org einsehbar. <br />Das gleiche Risiko stellt eine erh&ouml;hte K&ouml;rpertemperatur in Kombination mit synkopalen Ereignissen dar, die immer mit der Gabe von Antipyretika behandelt werden soll. Die First-Line-Therapie, die Implantation eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD), ist bei Patienten mit bereits &uuml;berstandenem Herzstillstand sowie dokumentierter selbstlimitierender ventrikul&auml;rer Tachykardien indiziert (Klasse IC). Zu diskutieren ist eine ICD-Implantation bei nachgewiesenem EKG-Muster vom &bdquo;Typ I&ldquo; und anamnestischer Synkope sowie bei durch programmierte ventrikul&auml;re Stimulation ausl&ouml;sbarem Kammerflimmern. Alternativ k&ouml;nnen, auch bei rezidivierenden Episoden von Kammerflimmern und Synkopen, eine medikament&ouml;se Therapie mit dem spezifischen Kaliumkanalblocker Quinidin oder dem Betasympathomimetikum Iso&shy;proterenol zur Vermeidung von &bdquo;electrical storms&ldquo; sowie eine Katheterablation in Erw&auml;gung gezogen werden.<sup>3</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Schulze-Bahr E: Brugada-Syndrom. In: Lehnert H, Schellong SM, M&ouml;ssner J et al., editors. SpringerReference Innere Medizin: hrsg. von Hendrik Lehnert. Berlin, Heidelberg: Springer, 2015. p. 1-11 <strong>2</strong> Mizusawa Y, Wilde AAM: Brugada syndrome. Circ Arrhythm Electrophysiol 2012; 5(3): 606-16 <strong>3</strong> Priori SG et al.: 2015 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. The Task Force for the Management of Patients with Ventricular Arrhythmias and the Prevention of Sudden Cardiac Death of the European Society of Cardio&shy;logy (ESC). Endorsed by: Association for European Paediatric and Congenital Cardiology (AEPC). Eur Heart J 2015; 36(41): 2793-867 <strong>4</strong> Schuster HP, Trappe HJ: EKG-Kurs f&uuml;r Isabel. Thieme, 2005 <strong>5</strong> Goyal A et al.: Brugada syndrome with spontaneous fluctuation in ECG pattern. J Clin Diagn Res 2017; 11(9): Oj01</p> </div> </p>
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