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Aufregung um neue US Guidelines zur Hypertonie – „much ado about nothing!“

<p class="article-intro">Nach Präsentation und konsekutiver Publikation der neuen Behandlungsrichtlinien für arterielle Hypertonie der US-amerikanischen Fachgesellschaften American Heart Association (AHA) und American College of Cardiology (ACC) auf dem AHA-Kongress im November 2017 in Anaheim schlugen die Wellen der Empörung hoch.<sup>1</sup> Der Grund der Aufregung sind die nunmehr empfohlenen niedrigeren Blutdruckzielwerte (&lt;130/80mmHg) im Vergleich zur älteren JNC-7-Guideline<sup>2</sup> (Tab. 1).</p> <hr /> <p class="article-content"><h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s30.jpg" alt="" width="1483" height="633" />Ganzheitliche Betrachtung des kardio- und zerebrovaskul&auml;ren Risikos</h2> <p>Ein wenig &uuml;berraschend ist die Aufregung der Laienpresse, da aufgrund der klaren Signale rezenter Studien (SPRINT)<sup>3</sup> und weiterer Metaanalysen auch die &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Hypertensiologie (&Ouml;GH)<sup>4, 5</sup> bereits die Empfehlung einer systolischen Blutdrucksenkung auf deutlich unter 140mmHg abgegeben hat. Diese Empfehlung ist sehr nahe an der US-amerikanischen. Der Fokus auf diese Ma&szlig;nahme wird dem eleganten und wissenschaftlich fundierten Papier nicht gerecht. Die meines Erachtens entscheidenden Empfehlungen fanden abseits der Fachjournale keine Erw&auml;hnung.<br />Diese sind vor allem auf die ganzheitliche Betrachtung des kardio- und zerebrovaskul&auml;ren Risikos bedacht. Die klare Empfehlung (Klasse I) des Screenings hinsichtlich anderer Faktoren des kardiovaskul&auml;ren Risikos ist wichtig und neu. Auch die Bedeutung von nicht pharmakologischer Intervention ist in den neuen Richtlinien enthalten. Die seit 2003 erstmalige Neudefinition dessen, was ein &bdquo;hoher Blutdruck&ldquo; ist, ist das, was au&szlig;erhalb der hypertensiologischen Community &uuml;brig geblieben ist von dieser Publikation.</p> <h2>Neue Definitionen</h2> <p>In den US Guidelines als &bdquo;hoch&ldquo; gelten ab sofort Blutdruckwerte von 130/80mmHg oder h&ouml;her. Die alte Grenze (auch in den europ&auml;ischen Richtlinien) von 140/90mmHg wurde ersetzt. Wichtig zu wissen ist, dass das Therapieziel ist, Werte unter 130/80mmHg zu erreichen. Bisher wurden systolische Werte zwischen 130 und 139mmHg (diastolisch 80 bis 89mmHg) als Pr&auml;hypertonie bezeichnet, nunmehr bilden diese Werte Hypertonie-Stadium 1. Entsprechend werden Werte zwischen 140 und 159mmHg (systolisch) und Werte zwischen 90 und 99mmHg (diastolisch), die bislang das Stadium 1 markierten, k&uuml;nftig dem Stadium 2 der Hypertonie zugeteilt werden.</p> <h2>Neue Therapieempfehlungen</h2> <p>Bez&uuml;glich der Therapie gibt es einige &Auml;nderungen. Bei erh&ouml;hten Blutdruckwerten (120&ndash;129/&lt;80mmHg) kommen nicht pharmakologische Interventionen zum Tragen. Diese Empfehlung gilt auch f&uuml;r die Hypertonie im Stadium 1 (130&ndash;139/&shy; 80&ndash;&shy;89mmHg), ohne vorliegende kardiovaskul&auml;re Erkrankung oder ein hohes Risiko f&uuml;r eine solche. <br />Liegt allerdings eine kardiovaskul&auml;re Erkrankung vor oder besteht ein hohes Risiko f&uuml;r ein kardiovaskul&auml;res Ereignis, sollten Personen im Hypertonie-Stadium 1 eine blutdrucksenkende Medikation erhalten. Bei allen anderen (h&ouml;heren) Stadien der Hypertonie soll selbstverst&auml;ndlich weiterhin gleich mit einer pharmakologischen Intervention begonnen werden. <br />Generell ist festzuhalten, dass das Risiko, ein vaskul&auml;res Ereignis zu erleiden, mit steigendem Blutdruck kontinuierlich h&ouml;her wird. Nicht eindeutig ist, ab welchem Wert eine Behandlung erfolgen soll. Eine Reduktion des ausgesprochenen Ziels von 140mmHg auf 130mmHg ist aufgrund der Datenlage jedenfalls gerechtfertigt, da das kardiovaskul&auml;re Risiko bei 130mmHg klar geringer ist als bei 140mmHg. Die endg&uuml;ltige Antwort auf diese Frage liegt nicht vor, sonst w&auml;re sie nicht Gegenstand der Diskussion.</p> <h2>&Ouml;sterreichweites DMP gefragt</h2> <p>Aus Sicht des &bdquo;hypertensiologischen Entwicklungslandes&ldquo; &Ouml;sterreich ist diese Diskussion wenig relevant, da sie fernab der Realit&auml;t gef&uuml;hrt wird. Die rezenten Daten aus &Ouml;sterreich<sup>6</sup> zeigen ein erschreckendes Bild, was die Behandlung der Hypertonie betrifft. In einer sehr selektionierten Gruppe von Patienten, die von ihrer Erkrankung (Hypertonie) wissen, den Arzt aufgesucht haben, eine Therapie verschrieben bekommen haben und das Rezept zumindest das 2. Mal in der Apotheke eingel&ouml;st haben, betr&auml;gt der Anteil an Patienten, die das Blutdruckziel &lt;140/&lt;90 erreichen, lediglich 41 % . &Auml;ltere Daten zeigen deutlich geringere Kon&shy;trollraten. Daher ist die aufgeregte Diskussion in unserem Land, das in Europa nur eine der niedrigsten Hypertoniekontrollraten erreicht, nicht nachzuvollziehen.<br />Ich hoffe, dass wir durch die Etablierung eines nationalen &bdquo;disease management program&ldquo; bald in die Verlegenheit geraten, zu diskutieren, ob wir die Blutdruckwerte unserer Patienten von 140 auf 130 senken sollen. Dass fl&auml;chendeckende Behandlungserfolge m&ouml;glich sind, hat Prof. Zweikers Projekt herz.leben gezeigt. Dieses Projekt sollte als Vorbild f&uuml;r andere Bundesl&auml;nder und letztlich f&uuml;r ein bundesweites Projekt &shy;dienen.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Whelton PK et al.: 2017 ACC/AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA Guideline for the prevention, detection, evaluation, and management of high blood pressure in adults. A &shy;report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on &shy;Clinical Practice Guidelines. Hypertension. 2017; <a href="&shy;https:/doi.org/10.1161/">&shy;https://doi.org/10.1161/</a>HYP. 0000000000000065; HYP.0000000 000000065; &shy;Originally published November 13, 2017 <strong>2</strong> Chobanian AVet al.: Hypertension 2003; 42: 1206&ndash;1252 <strong>3</strong> Sprint Study Group SR.: A randomized trial of intensive versus standard blood-pressure control. N Engl J Med 2015; 373: 2103-16 <strong>4</strong> Watschinger B et al.: Journal f&uuml;r &shy;Hypertonie 2013; 17: 99-108 <strong>5</strong> Weber T et al.: Journal f&uuml;r Hypertonie 2016; 20 (1): 16-20 <strong>6</strong> Rohla M et al.: Awareness, treatment, and control of hypertension in Austria: a multi&shy;centre cross-sectional study. J Hypertens 2016; 34(7): 1432-40</p> </div> </p>
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