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Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie 29. September bis 3. Oktober 2017, Stuttgart

Gezielte, epigenetische und immunologische Therapiestrategien kritisch beleuchtet

<p class="article-intro">Die Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie bot auch 2017 wieder die Gelegenheit zu einer Diskussion der Versorgungslage in den drei Ländern, einer kritischen Wertung aktueller Studienergebnisse und zur Vorschau auf mögliche zukünftige Therapiestrategien in der Hämatoonkologie. Hier eine Auswahl.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>F&uuml;r das n&auml;chste Jahr wird die Zulassung des ersten Produkts von mit einem chim&auml;ren Antik&ouml;rperrezeptor modifizierten T-Zellen erwartet. In den USA, wo das CTL019-Produkt von Novartis unter dem Namen Kymriah<sup>&reg;</sup> (generisch: Tisagenlecleucel) bereits f&uuml;r die Therapie der rezidivierten oder refrakt&auml;ren akuten lymphatischen B-Zell-Leuk&auml;mie zugelassen ist, kostet die einmalige Therapie umgerechnet etwa 400 000 Euro, so Dr. med. Michael Hudecek vom Universit&auml;tsklinikum W&uuml;rzburg.<sup>1</sup> Das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) in den USA diskutiert derzeit verschiedene Bezahlmodelle f&uuml;r Therapien, die humane Zellen ersetzen oder ver&auml;ndern.<sup>2</sup> Neben einer pauschalen Bezahlung pro Fall kommen auch erfolgsabh&auml;ngige Modelle in Betracht, beispielsweise eine monatliche Zahlung bis zum Tod oder eine Zahlung nur bei Erreichen einer Remission. Damit w&uuml;rde das Risiko der Behandlung wie der Kosten nicht alleine bei Patient und Kostentr&auml;gern bleiben, sondern vom Hersteller mitgetragen werden.<br /> Nicht nur CAR-T-Zell-Produkte sind enorm kostspielig. Prof. Dr. med. Andreas Petzer, Pr&auml;sident der &Ouml;sterreichischen Gesellschaft f&uuml;r H&auml;matologie und Medizinische Onkologie, wies in Stuttgart auf die enormen Herausforderungen hin, die sich aus den immer h&ouml;heren Preisen f&uuml;r neue Arzneimittel ergeben. Er warnte, dass sich Mediziner nicht von der Politik in die Rolle dr&auml;ngen lassen d&uuml;rfen, zu entscheiden, wer ein Medikament bekommt und wer nicht. Sehr wohl sollten sich aber die Fachgesellschaften vermehrt in die sachliche Diskussion um eine Kosten-Nutzen-Bewertung einbringen.</p> <h2>Imatinib bei CML noch nicht pass&eacute;</h2> <p>Auch wenn sich Zweit- und Drittgenerations- Tyrosinkinase-Inhibitoren (TKI) zur Therapie der chronischen myeloischen Leuk&auml;mie (CML) durch eine raschere tiefe molekulare Remission (MR) als das inzwischen generisch erh&auml;ltliche Imatinib auszeichnen, muss nicht jeder Patient mit den etwa zehn Mal teureren neueren Originalpr&auml;paraten behandelt werden. In der TIDEL-II-Studie wurde beispielsweise ein stufenweises Vorgehen ausgehend von Imatinib (400mg) nach der Tiefe des Ansprechens zu bestimmten Zeitpunkten vorgeschlagen.<sup>3</sup> Erst bei ungen&uuml;gendem Ansprechen auf eine h&ouml;here Dosis von Imatinib (800mg) oder bei Unvertr&auml;glichkeit wurde auf Nilotinib umgestellt. Insgesamt erreichten mit dieser Strategie 59 % der Patienten nach 60 Monaten eine MR<sup>4,5</sup> &ndash; laut Prof. Dr. med. Susanne Saussele, Mannheim, ein durchaus mit Absetzstudien mit den Zweitgenerations-TKI vergleichbares Ergebnis. Prof. Dr. med. Stefan Krause, Erlangen, schlug vor, nach Therapiezielen stratifiziert vorzugehen. Beim Therapieziel therapiefreie Remission (TFR) &ndash; beispielsweise bei j&uuml;ngeren, ansonsten gesunden Patienten &ndash; sprechen die Studiendaten eher f&uuml;r Nilotinib und Dasatinib. Bei &auml;lteren Patienten mit zahlreichen Komorbidit&auml;ten bezeichnete er es aber als angemessen, die Therapie mit Imatinib zu beginnen und prim&auml;r eine stabil kontrollierte Erkrankung anzustreben.</p> <h2>Absetzkriterien unter Routinebedingungen oft erreicht</h2> <p>Eine retrospektive Analyse von Daten von 151 Patienten mit CML aus der Region Mecklenburg-Vorpommern untersuchte die H&auml;ufigkeit des tiefen Ansprechens bei TKITherapie einer CML im klinischen Alltag.<sup>4</sup> Patienten mit TKI-Erstlinientherapie (84 % Imatinib) erreichten nach median 22,3 Monaten zu 81 % eine MR<sup>4,0</sup>, nach median 34,3 Monaten zu 64 % eine MR<sup>5,0</sup>. Das ist besser als von den Autoren erwartet, wahrscheinlich wegen eines Selektionsbias in den verwendeten Daten des Greifswalder Labors. Nichtsdestotrotz zeigen die Ergebnisse, dass viele Patienten mit CML auch im Alltag und mit Imatinib ein tiefes Ansprechen als Bedingung f&uuml;r einen Absetzversuch erreichen.</p> <h2>Methadon sorgt f&uuml;r Diskussionsstoff</h2> <p>Vonseiten der Patienten ist der Druck derzeit gross, Methadon zur Unterst&uuml;tzung der Krebstherapie einzusetzen. Ursache der hohen Erwartungen an eine m&ouml;gliche Verst&auml;rkung des Chemotherapie-Effekts ist eine entsprechende Berichterstattung in Publikumsmedien. Allerdings fehlt noch eine entsprechende klinische Evidenz. Dr. med. Claudia Friesen vom Universit&auml;tsklinikum Ulm berichtete &uuml;ber In-vitro-Untersuchungen, die die Wirkverst&auml;rkung des antitumoralen Effektes bei gleichzeitiger Gabe von Methadon und Chemotherapie belegen. Einzelfallberichte zeigen auch bei Patienten eine Wirksamkeit solch einer Kombination. Klinische Studien sind allerdings erst in Planung. Entsprechend warnte Priv.-Doz. Dr. med. Ulrich Schuler vom Universit&auml;tsklinikum Dresden, eine zuverl&auml;ssige Interpretation der Befunde sei bislang aufgrund der geringen Fallzahlen und einer fehlenden Objektivierung durch externe Kontrollen nicht m&ouml;glich. Zudem gebe es auch belastende und gef&auml;hrliche Nebenwirkungen. Die &Uuml;bertragung von Invitro- Effekten auf die Situation im Menschen sei aufgrund fehlender Daten aus randomisierten klinischen Studien wissenschaftlich und ethisch nicht zul&auml;ssig.</p> <h2>Alltagserfahrungen mit Ruxolitinib bei PV</h2> <p>Gute Erfahrungen mit der Therapie der Polycythaemia vera (PV) mit hohem Risiko mit Ruxolitinib berichten Wissenschaftler aus Minden.<sup>5</sup> In einer Kohorte mit 25 Patienten fanden sie eine gute Kontrolle von Mikrozirkulationsst&ouml;rungen und thromboembolischen Komplikationen bei der Therapie mit dem Januskinase(JAK)-Inhibitor. 24 der 25 Patienten hatten zuvor im Median &uuml;ber 2,6 Jahre eine zytoreduktive Therapie mit Hydroxyurea (HU) erhalten, die mediane Dauer der Therapie mit Ruxolitinib lag bei 2,0 Jahren. Mikrozirkulationsabh&auml;ngige Komplikationen waren unter HU h&auml;ufiger als unter Ruxolitinib (18 vs. 4 Ereignisse), thromboembolische Ereignisse vergleichbar h&auml;ufig. Unter HU waren mehrere sekund&auml;re Malignome aufgetreten (Plattenepithelkarzinome, Brustkrebs, Nierenkrebs), unter Ruxolitinib ein Basalzellkarzinom, allerdings bei vorausgegangener Therapie mit HU. Unter dem JAK-Inhibitor waren Blutungen und Infektionen h&auml;ufiger, die aber meist mild waren und nicht zu einem Therapieabbruch f&uuml;hrten. In Minden nehmen dementsprechend fast alle Patienten bis auf einen weiter Ruxolitinib zur Therapie der PV ein.</p> <h2>FLT3-gerichtete CAR-T-Zellen bei AML</h2> <p>Das Transmembranprotein FLT3, das bei AML h&auml;ufig mutiert ist, stellt eine gute Zielstruktur f&uuml;r immunologische Therapieans&auml;tze dar, erl&auml;uterte Dr. med. Michael Hudecek ein denkbares zuk&uuml;nftiges Therapieprinzip.<sup>1</sup> In vitro und in vivo waren FLT3-gerichtete CAR-T-Zellen zytotoxisch gegen AML-Zellen aktiv, unabh&auml;ngig davon, ob das FLT3-Gen eine interne Tandemduplikation (FLT3-ITD) oder eine Mutation in der Tyrosinkinasedom&auml;ne (FLT3-TKD) aufwies. Zudem scheinen FLT3-gerichtete CAR-T-Zellen eine synergistische Wirkung mit FLT3-Inhibitoren zu entfalten. In vitro f&uuml;hrte die Gabe des FLT3-Inhibitors Crenolanib zu einer verst&auml;rkten Pr&auml;sentation von FLT3 an der Zelloberfl&auml;che und damit zu einer besseren Erkennung durch die FLT3-CAR-TZellen, die die AML-Zellen vollst&auml;ndig eliminierten. Weil FLT3 auch auf normalen h&auml;matopoetischen Stammzellen und Progenitorzellen vorkommt, muss das therapeutische Fenster allerdings gut definiert werden, betonte Hudecek. Er schl&auml;gt den Einsatz autologer FLT3-CAR-T-Zellen bei AML vor der Transplantation vor, um eine MRD-Negativit&auml;t zu erreichen. Nach Depletion der CAR-T-Zellen w&uuml;rde dann die allogene Stammzelltransplantation folgen.</p></p> <p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Deutschen, Österreichischen und Schweizerischen Gesellschaften für Hämatologie und Medizinische Onkologie, 29. September bis 3. Oktober 2017, Stuttgart </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Hudecek M et al.: (Critical) review: CAR-T cells. Oncol Res Treat 2017; 40(Suppl 3): 216. DGHO 2017; Abstr. V741 <strong>2</strong> Hettle R et al.: The assessment and appraisal of regenerative medicines and cell therapy products: an exploration of methods for review, economic evaluation and appraisal. Health Technol Assess 2017; 21(7): 1-204 <strong>3</strong> Yeung DT et al.: Upfront imatinib with selective early switching to nilotinib leads to excellent achievement of deep molecular response in chronic phase CML: 5 year (final) analysis of the TIDEL-II study. Blood 2016; 128(22); ASH 2016; Abstr. 939 <strong>4</strong> Wilfert H et al.: Retrospective analysis of BCRABL1- monitoring among CML patients in Mecklenburg- West Pommerania. Oncol Res Treat 2017; 40(Suppl 3): 148; DGHO 2017; Abstr. P543 <strong>5</strong> Sadjadian S et al.: Safety and efficacy of long-term ruxolitinib treatment in 25 high-risk polycythemia vera patients. Oncol Res Treat 2017; 40(Suppl 3): 149; DGHO 2017; Abstr. P546</p> </div> </p>
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